Mit dem 01.01.2019 ist die neue BauO NRW 2018 in Kraft getreten. Diese hält eine Fülle von Änderungen bereit, die sich teils bloß auf die Nummerierung, teils aber auch auf den Inhalt der bauordnungsrechtlichen Normen beziehen. Auf diese Weise soll das landesrechtliche Bauordnungsrecht an europäische Vorgaben sowie an die Musterbauordnung als Vereinbarung aller Bundesländer angeglichen und das Bauordnungsrecht vereinfacht werden. Zudem sollen Bauverfahren beschleunigt, Baukosten reduziert und so Wohnungsbauten gefördert werden (LT-Drucks. 17/2166, S. 1 f.) – hehre Ziele also. Die Neuerungen, die das Baurechtsmodernisierungsgesetz (BauModG NRW v. 12.07.2018) bereithält, sollen nachfolgend auf ihren examensrelevanten Kern reduziert und damit greifbar gemacht werden.
I. Die wichtigsten Änderungen im Detail
- Bauaufsichtsbehörden: Nun in § 57 BauO NRW n.F. geregelt (vormals §§ 60, 62 BauO NRW a.F.). Danach ist grundsätzlich die untere Bauaufsichtsbehörde zuständig, § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauO NRW n.F.
- Baurechtliche Generalklausel: Normiert in § 58 Abs. 2 S. 2 BauO NRW n.F. (früher § 61 Abs. 1 S. 2 BauO NRW a.F.); die versteckte Stellung mag auch daran liegen, dass die Relevanz der baurechtlichen Generalklausel dadurch gesunken ist, dass Baustopp, Nutzungsuntersagung und Abrissverfügung nun durch spezielle Normen geregelt werden (§§ 81, 82 BauO NRW n.F.; s. dazu unten).
- Rechtsnachfolgeregelung: Bislang war eine Rechtsnachfolge im Bauordnungsrecht gesetzlich nur für die Baugenehmigung als begünstigenden Verwaltungsakt vorgesehen, § 75 Abs. 2 BauO NRW a.F. Mit § 58 Abs. 3 BauO NRW n.F. ändert sich dies jedoch grundlegend; danach wird nicht nur die Geltung bauaufsichtlicher Genehmigungen auf Rechtsnachfolger und Rechtsnachfolgerinnen erstreckt, sondern auch und vor allem die Geltung „sonstiger Maßnahmen“ der Bauaufsichtsbehörden, worunter auch belastende Verwaltungsakte wie insbesondere Baustopp, Nutzungsuntersagung und Abrissverfügung fallen.
- Genehmigungsbedürftigkeit: Zentralnorm war hierfür bisher § 63 BauO NRW a.F.; diese wurde nun in § 60 BauO NRW n.F. übertragen. Inhaltlich hat sich dabei nur wenig geändert. Wichtig zu erwähnen ist jedoch, dass nunmehr an das Wort „Anlage“ angeknüpft wird, das als neuer Oberbegriff dient. Gleichwohl fallen auch die bislang allein maßgeblichen „baulichen Anlagen“ hierunter, § 2 Abs. 1 S. 4 BauO NRW n.F.
- Gebäudeklassen und Genehmigungsfreistellung: Früher war die Genehmigungsfreistellung in § 67 BauO NRW a.F. enthalten, jetzt ist sie in § 63 BauO NRW n.F. zu finden. Hierbei wird neuerdings zwischen fünf verschiedenen Gebäudeklassen differenziert, die in § 2 Abs. 3 BauO NRW n.F. legal definiert werden. Demnach bedarf es keiner Baugenehmigung, wenn eine der in § 63 Abs. 1 BauO NRW n.F. genannten Gebäudeklassen errichtet oder geändert werden soll und die zusätzlichen Voraussetzungen des § 63 Abs. 2 BauO NRW n.F. vorliegen.
- Einfaches und vollständiges Baugenehmigungsverfahren: Bislang unter dem Namen „vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren“ in § 68 BauO NRW a.F. geregelt, jetzt unter dem Titel „einfaches Baugenehmigungsverfahren“ in § 64 BauO NRW n.F. normiert. Inhaltliche Neuerungen finden sich kaum, sodass die Bestimmung weiterhin für die Reduzierung des Prüfungsumfangs der Baubehörden bei genehmigungspflichtigen Bauvorhaben von Relevanz ist. Im Zusammenspiel damit steht § 65 BauO NRW n.F., der neu eingefügt wurde und dem Rechtsanwender verdeutlicht, dass eine vollständige Prüfung der neuen BauO NRW allein bei großen Sonderbauten (enumerativ aufgelistet in § 50 Abs. 2 BauO NRW n.F.) erfolgt.
- Vorbescheid: Früher in § 71 BauO NRW a.F., jetzt in § 77 BauO NRW n.F. geregelt. Inhaltlich ergibt sich die Neuerung, dass die Geltungsdauer anstelle von zwei Jahren nunmehr drei Jahre beträgt.
- Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens: § 73 BauO NRW n.F. wurde neu eingefügt und erhält Ergänzungen zur bundesrechtlichen Vorschrift des § 36 Abs. 2 BauGB. Damit treffen Bauordnungs- und Bauplanungsrecht aufeinander und ergänzen sich gegenseitig. Während das BauGB der geordneten städtebaulichen Entwicklung dient und auf diese Weise bodenrechtliche Spannungen zu vermeiden sucht, ist die BauO NRW als sicherheitspolitische Antwort auf Gefahren zu verstehen, die von Anlagen ausgehen. § 73 BauO NRW n.F. kommt in diesem Zusammenspiel eine Komplementärfunktion zu: § 36 Abs. 2 BauGB bildet die Rechtsgrundlage für die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens und nennt den hierfür geltenden materiellen Maßstab, während § 73 BauO NRW n.F. formelle Anforderungen bestimmt (so die Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde, das Verfahren und die Form).
- Entfall der aufschiebenden Wirkung einer gegen die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gerichteten Anfechtungsklage: Ganz zentral ist der in § 73 Abs. 3 S. 3 BauO NRW n.F. normierte Ausschluss des Suspensiveffekts für eine gegen die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gerichtete Anfechtungsklage: „Eine Anfechtungsklage hat auch insoweit keine aufschiebende Wirkung, als die Genehmigung als Ersatzvornahme gilt.“ Somit entfaltet § 73 Abs. 3 S. 3 BauO NRW n.F. Wirkung im Rahmen der §§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO, 212a BauGB. Dies zwingt dazu, lieber die zu Grunde liegende Baugenehmigung als die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens anzugreifen, was sich auch daraus ergibt, dass § 73 Abs. 3 S. 4 BauO NRW n.F. verhindert, dass Rechtsschutz bei der Kommunalaufsicht eingeholt wird (§ 126 GO NRW wird insoweit ausgeschlossen).
- Baugenehmigung: Bislang prominent in § 75 BauO NRW a.F. verankert, nunmehr in § 74 BauO NRW n.F. zu finden. Parallel dazu wurde der Bauantrag von vormals §§ 69, 70 BauO NRW a.F. in die §§ 67, 70 BauO NRW n.F. verschoben.
- Baustopp, Nutzungsuntersagung und Abrissverfügung: Neuerdings speziell in §§ 81, 82 BauO NRW n.F. normiert. Damit muss auf die baurechtliche Generalklausel (früher § 61 Abs. 1 S. 2 BauO NRW a.F., jetzt § 58 Abs. 2 S. 2 BauO NRW n.F.), auf die diese bauaufsichtsrechtlichen Maßnahmen bislang in NRW gestützt wurden, nur noch selten zurückgegriffen werden. Gleichwohl muss zur Beurteilung der Rechtsmäßigkeit einer solchen bauaufsichtsrechtlichen Maßnahme weiterhin zwischen formeller und materieller Illegalität unterschieden werden:
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