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Schlagwortarchiv für: Bandidos

Dr. Maximilian Schmidt

BVerwG: Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis allein wegen Bandidos-Mitgliedschaft

Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Das heutige des Urteil des BVerwG (28.01.2015 – 6 C 1.14; 6 C 2.14; 6 C 3.1) sollte von Kandidaten in der Examensvorbereitung Beachtung geschenkt werden. Fraglich war, ob eine waffenrechtliche Erlaubnis alleine wegen der Mitgliedschaft in der Rockergruppe „Bandidos“ widerrufen werden kann.
Zunächst sei auf unseren ausführlichen Artikel zum Waffenrecht hingewiesen – eine Materie, die immer wieder im Examen vorkommt, um „unbekannte Rechtsgebiete“ abzufragen. Wer die wesentlichen Normen bereits kennt, macht weniger Fehler und kommt besser mit dem Fall zurecht.
Die aktuelle Entscheidung des BVerwG führt die Rechtsprechung zum Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG fort und nimmt an, dass alleine die Mitgliedschaft in einer als gewalttätig vermuteten Vereinigung die Unzuverlässigkeit begründen kann (s. für NPD-Mitgleid BVerwG, Urteil vom 30.09.2009 – Az. 6 C 29/08; s. auch unseren Beitrag hier): (aus Pressemitteilung entnommen, Herv. d. Verf.)

Auch die Gruppenzugehörigkeit einer Person kann als (personenbezogener) Umstand für deren waffenrechtliche Zuverlässigkeit relevant sein. Nach den Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs sind von Mitgliedern der Bandidos gehäuft Straftaten unter zum Teil erheblicher Gewaltanwendung begangen worden, die maßgeblich auf die szenetypischen Rivalitäten zwischen den Bandidos und anderen Rockergruppierungen zurückzuführen sind. Es besteht wie bei anderen Mitgliedern der Bandidos die nicht entfernt liegende Möglichkeit, dass die Kläger – selbst wenn sie dies persönlich nicht anstreben sollten oder sogar für sich vermeiden wollten – künftig in die Austragung solcher Rivalitäten und in hiermit einhergehende gewalttätige Auseinandersetzungen einbezogen werden. Tritt dieser Fall ein, liegt es wiederum nicht fern, dass sie hierbei – ob beabsichtigt oder unter dem Druck der Situation – Waffen missbräuchlich verwenden oder Nichtberechtigten überlassen. Für diese Prognose ist auf die Bandidos allgemein und nicht auf das jeweilige Chapter abzustellen. Aufgrund der Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist davon auszugehen, dass die Tendenz zur gewalttätigen Austragung szeneinterner Rivalitäten für die Bandidos schlechthin, nicht nur für einzelne Chapter prägend ist, und dass zudem aufgrund der Vernetzung der Chapter untereinander wechselseitige Unterstützung bei Auseinandersetzungen angefordert wird.

Letztlich wird der Widerruf auf die Norm des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG gestützt, wonach Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind. Es muss also aus dem bisherigen Verhalten eine Zukunftsprognose getroffen werden.
Das BVerwG geht mit seiner Auslegung sehr weit, da weder der Kläger noch das konkrete Chapter bisher mit dem Strafrecht in Konflikt geraten sind. Dennoch verdient die Entscheidung Beifall: Nicht erst Verurteilungen können die Zuverlässigkeit in Zweifel ziehen, sondern diese ist im Wege einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Hier müssen alle Gefahrenpotentiale einbezogen werden, also auch, in welchen Kreisen sich der Kläger bewegt (kriminelles Milieu), wie dort Konflikte üblicherweise gelöst werden (mit Gewalt) und welche Position der Kläger dort einnimmt („Präsident“). Dem präventiven Charakter des Waffenrechtes entspricht es daher, die Zuverlässigkeit zu verneinen und somit den Waffenberechtigungsschein zu entziehen. Zugleich darf die Auslegung nicht soweit gehen, dass einzelne Personen in „Sippenhaft“ genommen werden. Nur bei offensichtlich dem kriminellen Milieu angehörigen Personen und Vereinigungen können eindeutige Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit allein aus der Mitgliedschaft gezogen werden.

28.01.2015/0 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2015-01-28 16:19:122015-01-28 16:19:12BVerwG: Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis allein wegen Bandidos-Mitgliedschaft
Lukas Knappe

VG Gelsenkirchen: Verbot von Rockerkutten auf Volksfest

Mündliche Prüfung, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite

Rockerclubs wie die Hells Angels oder die Bandidos bestimmen zurzeit immer wieder die Schlagzeilen der Tagespresse in Deutschland. So werden die verstärkte Präsenz derartiger Clubs, deren Verbindung zu Gewalttaten oder organisierter Kriminalität oder die drohende Eskalation von Konflikten verfeindeter Rockerclubs thematisiert. Eine besondere Bedeutung erhält dabei die sogenannte Rockerkutte, mit der als besonders wichtigem Statussymbol die Zugehörigkeit zu einem Motorradclub ausgedrückt werden soll, da diese eine zunehmende Präsenz im Bewusstsein der Öffentlichkeit erfährt. Besonders bekannt sind dabei die Embleme der Hells Angels (Totenschädel mit Flügeln), sowie der Bandidos („Fat Mexican“), doch zunehmend tauchen auch verstärkt die Symbole anderer Rockervereinigungen auf. Diese Rockerkutten sind jedoch auch mittlerweile Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen geworden: So verwarf das BVerfG in einem Beschluss vom 14.03.2012 (Az. 2 BvR 2405/11 – vgl. dazu auch unseren Artikel hierzu) eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen ein Kuttenverbot während einer Gerichtsverhandlung richtete. Andere Urteile (OVG Schleswig, Urteil vim 18.01.2012 – 4 KN 1/11; OVG Bremen, Beschluss vom 21.10.2011 – 1 B 162/11) haben das Verbot von Rockerkutten auf Volksfesten oder der Bahnhofsvorstadt zum Gegenstand. Das VG Gelsenkirchen hatte sich nun mit Beschluss vom 07.08.2014 (Az. 16 L 1180/14) ebenfalls mit derartigen Rockerkutten zu befassen und bestätigte im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ein ordnungsbehördlich verhängtes Kuttenverbot auf der Cranger Kirmes.

Zum Sachverhalt

Die Stadt Herne verbot durch eine ordnungsbehördliche Allgemeinverfügung vom 16. Juli 2014 das öffentliche Tragen von Bekleidungsstücken und Rockerkutten mit Abzeichen und Schriftzügen von bestimmten Motorradgruppierungen im Bereich der Cranger Kirmes. Dabei verwies die Ordnungsbehörde darauf, dass das Tragen derartiger Rockerkutten und Symbole einerseits als Ausdruck einer gemeinsamen Gesinnung und andererseits auch als Erkennungsmerkmal dienen würde. Die verwendeten Abzeichen, Embleme und Schriftzüge würden insbesondere anderen Rockern eine prompte und sichere Zuordnung zur jeweiligen Gruppierung ermöglichen. In einem längeren Teil der Begründung zur Allgemeinverfügung wurden dann zahlreiche polizeilich festgehaltene Ereignisse aufgezählt, die im Zusammenhang mit Rockerclubs stehen. Nach Ansicht der Stadt Herne ließen gerade diese festgehaltenen Ereignisse in Verbindung mit einer allgemeinen polizeilichen Gefährdungsbewertung von Rockerclubs in NRW und für die Stadt Herne erkennen, dass die Mitgliedschaft in verschiedenen, gegebenenfalls verfeindeten Motorradclubs zu Auseinandersetzungen führen könne. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit bei der Cranger Kirmes und anderen Volksfesten mehrfach Anhänger von Rockerclubs gemeinsam Präsenz gezeigt hätten („Schaulaufen“), um konkurrierenden Motorradclubs die eigene Stärke zu demonstrieren. Gerade dieses öffentliche Zurschautragen der Mitgliedschaft könne auf der Gegenseite schwerwiegende Reaktionen bis hin zu Gewaltanwendungen provozieren, so dass davon auszugehen sei, dass das Fehlen von Bekleidungsstücken mit Abzeichen und Emblemen der Motorradclubs die Identifizierung eines Kirmesbesuchers als Rocker deutlich erschwere und die Gefahr von Auseinandersetzungen dadurch eingeschränkt werde.

Ein Mitglied eines Rockerclubs wandte sich jedoch im Rahmen eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutzes gegen diese Verbotsverfügung und machte dabei geltend, dass ihn das Kuttenverbot in seinen Freiheitsrechten verletze.

I. Rechtliche Würdigung

Das VG Gelsenkirchen lehnte den Eilantrag des Antragsstellers gegen die ordnungsbehördliche Verbotsverfügung ab, da diese jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig sei.

 1. Prozessuale Einkleidung

Bei dem vom Antragssteller eingelegte Rechtsbehelf handelt es sich bei der Frage nach der Statthaftigkeit des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes um einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S.1 VwGO.

Im Rahmen der nach § 123 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abgrenzung des § 123 I VwGO von den Fällen der §§ 80, 80a VwGO, regeln diese ein Aussetzungsverfahren, mit dem Ziel, die aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage anzuordnen bzw. wiederherzustellen. Entscheidend für die Anwendbarkeit des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO ist mithin, dass ein belastender VA vorliegt, gegen den in der Hauptsache die Anfechtungsklage zulässig wäre(vgl. zur Abgrenzung der Verfahren Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 500f.).

Die Stadt Herne hat das Kuttenverbot explizit als Allgemeinverfügung erlassen, bei der es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S.1 VwVfG handelt, wobei jedoch die Besonderheit besteht, dass das Merkmal des Einzelfalls durch § 35 S.2 VwVfG modifiziert wird, so dass bei einem generellen Adressatenkreis nur unter diesen Voraussetzungen eine Einzelfallregelung vorliegt. Infolge dessen, dass sich das Verbot des Tragens und Zurschaustellens vom Symbolen und Emblemen von Rockervereinigungen auf der Cranger Kirmes an einen im Wesentlichen bestimmbaren Personenkreis richtet, der nicht völlig offen ist, sind hier die Voraussetzungen einer personenbezogenen Allgemeinverfügung nach § 35 S.2 Fall 1 VwVfG erfüllt. Der bestimmbare Personenkreis ergibt sich gerade dadurch, dass das Verbot auf Cranger Kirmes bezogen, also eine konkrete, räumlich und zeitlich fixierte Veranstaltung zum Gegenstand hat. Gegen die Verfügung wäre in einem Hauptsacheverfahren mithin eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO zu erheben.

Darüber hinaus hat die Stadt Herne vor dem Hintergrund der bereits am 01.08.2014 beginnenden Kirmes auch nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG die sofortige Vollziehung der Verbotsverfügung angeordnet, so dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage statthaft ist.

Im Rahmen der Begründetheit des Antrags ist zu berücksichtigen, dass im Fall des § 80 Abs. 2 S.1 Nr. 4 VwGO zunächst die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu prüfen ist (vgl. dazu Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 32 Rn.14f.). Bei der materiellen Begründetheitsprüfung nehmen die Gerichte dann eine eigene Interessensabwägung vor, wobei geprüft wird, ob das Aussetzungsinteresse das Interesse an der sofortigen Vollziehung des VA überwiegt. Bei dieser Abwägungsentscheidung spielen vor allem die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren eine wichtige Rolle. Angesichts der Tatsache, dass es sich um ein Begehren nach gerichtlichem Eilrechtsschutz handelt, erfolgt dabei durch die Gerichte jedoch lediglich eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten (Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn.532f.).

II. Materielle Probleme

Als Ermächtigungsgrundlage für das durch die Stadt Herne erteilte Kuttenverbot auf der Cranger Kirmes kommt § 14 OBG NRW in Betracht, der die Ordnungsbehörde zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen ermächtigt, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren

1. Betroffenheit eines Schutzgutes

Zunächst müsste ein Schutzgut der ordnungsbehördlichen Generalklausel betroffen sein. In Betracht kommt hier die öffentliche Sicherheit. Darunter ist nach allgemeiner Ansicht die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie des Bestands der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und der sonstigen Träger von Hoheitsgewalt zu verstehen (vgl. Wolffgang/Hendricks/Merz, Polizei-und Ordnungsrecht in NRW, Rn.54). Das Tragen der Bekleidungsstücke durch Rockerclubs in der Öffentlichkeit hat in der Vergangenheit unter Berücksichtigung der polizeilich festgehaltenen Ereignisse zu Provokationen und zur Anwendung massiver Gewalt zwischen den verfeindeten Vereinigungen geführt. Zudem legt die Ordnungsbehörde in der Begründung auch unter anderem Folgendes dar:

Aufgrund der zunehmenden Ansiedlung von Motorradclubs in Herne und Umgebung, kommt es durch die Mitglieder der vorgenannten Vereinigungen immer wieder zu Auftritten, die eine massiv einschüchternde Wirkung auf die allgemeine Bevölkerung haben.

Angesichts der verübten und zu befürchtenden Gewalttaten ist somit eine Betroffenheit des Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit zu bejahen.

2. Vorliegen einer konkreten Gefahr

Die Frage nach der Rechtmäßigkeit des ordnungsbehördlichen Verbots hängt jedoch insbesondere vom Vorliegen einer konkreten Gefahr ab. Diese ist dann anzunehmen, wenn der Sachverhalt bei ungehindertem Verlauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an den geschützten Gütern führen wird (vgl. Dietlein/Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, § 3 Rn.61; Schoch, Jura 2003, 472).

a) Beurteilung durch das VG Gelsenkirchen

Das VG Gelsenkirchen hat in der veröffentlichen Pressemitteilung erklärt, dass

die Kammer (es) vom Grundsatz her nachzuvollziehen (vermag), dass das Tragen solcher Bekleidungsstücke in der Öffentlichkeit im Bereich der (Kirmes) zu massiven Gewaltausbrüchen führen könnte. Dass auch Abzeichen der Gruppierung, der der Antragsteller angehört, von der Allgemeinverfügung erfasst sind, erscheint ebenfalls nicht offensichtlich verfehlt. Immerhin hat die Antragsgegnerin in der Begründung der Allgemeinverfügung explizit auch zwei Vorfälle aus der jüngeren Vergangenheit aufgeführt, die als Gewaltandrohung aufgefasst werden konnten bzw. bei denen tatsächlich Gewalt ausgeübt wurde und in die offenbar Mitglieder des (Rockerclubs) involviert waren.

 Jedoch bleibt zu berücksichtigen, dass das VG im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes aufgrund der lediglich summarischen Prüfung auch nicht die offensichtliche Rechtmäßigkeit feststellen konnte. Vielmehr hat es im Rahmen der Abwägungsentscheidung darauf abgestellt, dass es sich lediglich um ein Kuttenverbot für eine kurze Dauer handelt und der Zugang zur Kirmes als solcher nicht beschränkt wird, und dann angesichts der seiner Ansicht nach geringen Beeinträchtigung die Interessensabwägung zugunsten der Ordnungsbehörde vorgenommen. In einer Klausur müsste man sich hier jedoch intensiv mit der Frage nach dem Vorliegen einer konkreten Gefahr beschäftigen. Im Folgenden sollen dazu instruktiv einige Anregungen gegeben werden:

 b) Allgemeine Erwägungen zum Gefahrenbegriff

Bei der Beurteilung einer konkreten Gefahr geht es im Kern um eine Gefahrenprognose, bei der die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und das zu erwartende Schadensausmaß zueinander in Bezug gesetzt werden müssen (vgl. Dietlein/Burgi/Hellermann, § 3 Rn. 61). Dabei gilt als Faustregel, dass die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit desto geringer sind, je größer das Ausmaß des drohenden Schadens ist, und umgekehrt strengere Anforderungen an die Schadenswahrscheinlichkeit gestellt werden müssen, wenn es sich lediglich um geringere Schäden handelt (Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei-und Ordnungsrecht, § 4 Rn.2; Dietlein/Burgi/Hellermann, § 3 Rn. 61).

Zu berücksichtigen ist dabei, dass eine gefahrenabwehrrechtliche Allgemeinverfügung nur zur Bekämpfung einer konkreten Gefahr erlassen werden darf. Sollen abstrakte Gefahren bekämpft werden, ist dies nicht durch eine Allgemeinverfügung, sondern lediglich durch eine ordnungsbehördliche Gefahrenabwehrverordnung möglich, die auf § 27 Abs.1 OBG NRW zu stützen ist (vgl. dazu auch OVG Bremen, 1 B 162/11).

Abzugrenzen ist die konkrete Gefahr im Sinne der ordnungsbehördlichen Generalklausel somit von der abstrakten Gefahr. Bei dieser handelt es sich um einen nach allgemeiner Erfahrung möglichen Sachverhalt, der bei ungehindertem Verlauf generell dazu geeignet ist, eine Gefahr zu verwirklichen (Dietlein/Burgi/Hellermann, § 3 Rn, 73). Die abstrakte Gefahr ist mithin durch eine typisierende Betrachtungsweise geprägt, ist also nicht auf einen konkreten Sachverhalt bezogen.

 Im Rahmen der Definition des Gefahrenbegriffs ist als besondere Gefahrenlage jedoch auch noch unter anderem der Gefahrenverdacht auszumachen. Ein solcher liegt nach der allgemeinen Definition dann vor, wenn die Gefahrenabwehrbehörde über Anhaltspunkte verfügt, die auf das Vorliegen einer tatsächlichen Gefahr hindeuten, sich aber bewusst ist, dass ihre Erkenntnisse unvollständig sind und eine Gefahr möglicherweise doch nicht vorliegt (siehe dazu Wolffgang/Hendricks/Merz, Rn. 247). Beim Gefahrenverdacht wird das Vorliegen einer Gefahr somit lediglich für möglich, jedoch angesichts der bestehenden Unwägbarkeiten nicht für wahrscheinlich gehalten.

 c) Gründe für eine konkrete Gefahr

Die Stadt Herne ist in ihrer Begründung bezüglich der erlassenen Ordnungsverfügung vom Vorliegen einer konkreten Gefahr ausgegangen. Dies hat sie zum einen damit begründet, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Auftritten von Rockerclubs gekommen sei, die eine massiv einschüchternde Wirkung gehabt hätten oder sogar mit Gewalttaten verbunden gewesen seien. Als Beleg für diese Behauptung werden dann mehrere polizeilich festgestellte Ereignisse im Zusammenhang mit den Rockerclubs aufgezählt. Darüber hinaus verweist die Ordnungsbehörde auch auf eine allgemeine polizeiliche Gefährdungsbewertung, nach der die Rockerlage in NRW von Expansionsbestrebungen geprägt sei und sich vor allem durch Konfliktlagen um Einflussbereiche und Gebietsansprüche kennzeichne. Auch nach einer Lage- und Gefährdungsbewertung des Landeskriminalamtes NRW Düsseldorf stellten die aufgeführten aktuellen Geschehensabläufe im Bereich Oberhausen, Herne und Essen eine andauerndes Konfliktpotential dar. Die Behörde führt insbesondere aus:

Nach plausibler polizeilicher Lageeinschätzung ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit von aggressiven Auseinandersetzungen verfeindeter Gruppierungen auf der Cranger Kirmes auszugehen, sofern diese auf dem Veranstaltungsgelände aufeinandertreffen sollten und dabei die genannten Bekleidungsgegenstände tragen. Diese Auseinandersetzungen können zu massiven Rechtsgut- und Gesetzesverletzungen führen….

Das Zurschaustellen des Namens, des Symbols oder sonstiger Kennzeichnungen einer Zugehörigkeit oder der Unterstützung einer solchen Gruppierung auf der Cranger Kirmes gewinnt damit eine Gefahrenqualität, die es zuverlässig abzuwehren gilt.

 d) Gegenargumente

Trotz der genannten örtlichen Besonderheiten in Herne können auch Argumente in der Diskussion angeführt werden, die eher für das Vorliegen eines Gefahrenverdachts (so das OVG Schleswig, 4 KN 1/11) oder einer abstrakten Gefahr (dazu tendiert das OVG Bremen, 1 B 162/11) sprechen:

So könnte man zunächst das Vorliegen einer hinreichend abgesicherten Prognose für das Verüben von Gewalttaten auf der Kirmes durch die Rocker anzweifeln. Die Annahme einer konkreten Gefahr setzt voraus, dass sich ein Sachverhalt aktuell in der Realität nachweisen lässt, während die abstrakte Gefahr lediglich eine „hypothetische“ Gefahr darstellt (Dietlein/Burgi/Hellermann, § 3 Rn. 73). Zwar stützt sich die Behörde hier nicht nur auf eine allgemeine polizeiliche Gefahrenbewertung und die Bewertung des Landeskriminalamtes, sondern auch auf konkrete polizeilich bekannte Ereignisse im Zusammenhang mit Rockerclubs in Herne, jedoch ist es in der Vergangenheit gerade bei Volksfesten wie der Cranger Kirmes oder dem Festival Bochum Total lediglich zu „Schaulaufen“ bzw. Machtdemonstrationen einiger bestimmter Rockervereinigungen und nicht zu Gewalttaten gekommen. Diese Taten wurden vielmehr in anderen Zusammenhängen verübt. Darüber hinaus erscheint die Gesamtsituation auch weniger zugespitzt als im Fall des OVG Bremen, der dadurch geprägt war, dass es innerhalb weniger Tage mehrfach zu gewaltsamen Übergriffen rivalisierender Rockerclubs gekommen war. Eine mit der Situation in Bremen vergleichbare Gewalteskalation lässt sich der Begründung der Stadt Herne nicht ohne Weiteres entnehmen.

Ein weiteres Argument gegen das Vorliegen einer konkreten Gefahr, welches gerade auf die Gefahrenprognose bezogen ist, kann aus dem Urteil des OVG Schleswig zum allgemeinen Kuttenverbot auf der Kieler Woche abgeleitet werden. So sieht das OVG eine allgemeine polizeilich Gefahreneinschätzung hinsichtlich der mit Rockerclubs in Kiel verbunden Gefahren und Risiken nicht als ausreichende Beurteilungsgrundlage der tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer abstrakten Gefahr an. Vielmehr bedürfe es einer konkreten Prognose und Darlegung der gefahrbegründenden Umstände für jeden vom Kuttenverbot betroffenen Rockerclub. Es müsse im Einzelfall konkret tatsächliche Anhaltspunkte dafür geben, dass die Mitglieder des betroffenen Clubs das betreffende Volksfest als „Laufsteg“ nutzen und es dabei zu Gewalttaten kommen werde.

Zweifelhaft erscheint auch die Begründung des Kuttenverbots mit der durch das Zurschaustellen der Kutten verbundenen Provokations- und Einschüchterungswirkung. So könnte angeführt werden, dass das bloße Mitführen der Kutte selbst keine Gefahr darstellt, sondern vielmehr noch ein weiterer Willensakt für die Verübung von späteren Gewalttaten notwendig ist. Mit einer vergleichbaren Argumentation wurde beispielsweise versucht, bei der rechtlichen Beurteilung des Glasverbotes mittels Allgemeinverfügung im Kölner Straßenkarneval (dazu hier) lediglich eine abstrakte Gefahr anzunehmen, wobei das OVG Münster angesichts der besonderen Verhältnisse des Karnevals in der Kölner Altstadt dem nicht gefolgt ist. Besonders interessant vor diesem Hintergrund ist auch eine Passage des Beschlusses des OVG Bremen, das nun hinsichtlich des Kuttenverbotes ähnliche Erwägungen anstellte:

Soweit die Allgemeinverfügung darüber hinaus damit begründet worden ist, die von dem Verbot erfassten Embleme und Abzeichen verliehen der Kleidung einen uniformähnlichen Charakter, was mit einem Einschüchterungseffekt für die Bevölkerung des Stadtteils verbunden sei, vermag das die Allgemeinverfügung nicht zu rechtfertigen. Sofern diese Gefahrenprognose der Antragsgegnerin zutreffen sollte, was an dieser Stelle ausdrücklich offen gelassen wird, handelte es sich hierbei nicht um eine konkrete, sondern um eine abstrakte Gefahr.

Gegen das Vorliegen einer konkreten Gefahr spricht somit auch der Umstand, dass die Situation durch die Vielgestaltigkeit der Sachverhalte und Kausalzusammenhänge geprägt ist, so dass wohl das Tragen der Rockerkutte selbst nur schwer als gefahrbegründendes Verhalten eingeordnet werden kann.

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Erwägungen zum polizei- und ordnungsrechtlichen Gefahrenbegriff erscheint es somit auch vertretbar, die Situation eher als Gefahrenverdacht, oder unter Umständen nur als abstrakte Gefahr einzuordnen.

III. Schlussbewertung

Angesichts der gerade in der jüngeren Vergangenheit bereits stattgefunden vorangegangenen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppierungen und der Gefährdungsbewertung des Landeskriminalamtes für den Bereich Herne, die von einer andauernden Konfliktbereitschaft vor dem Hintergrund von Gebietsansprüchen und Einflussbereichen ausgeht, könnte das Zurschaustellen von Rockersymbolen durch die damit verbundene Provokationswirkung für andere Gruppierungen bereits eine Gefahrenqualität erreichen. Andererseits lassen sich auch Argumente gegen das Vorliegen einer konkreten Gefahr finden, da es wohl noch nicht zur einer mit dem Bremer Fall vergleichbaren Gewalteskalation gekommen ist und die Behörde auch nicht konkret dargelegt hat, inwieweit von den jeweiligen vom Verbot betroffenen Gruppierungen ein konkret gefahrbegründendes Verhalten zu erwarten ist. Die Einordnung des Kuttenverbots erweist sich somit als juristisch äußerst schwierig, da es entscheidend auf die Umstände im konkreten Einzelfall ankommt, die der Pressemitteilung nur schwer zu entnehmen sind. Vielmehr sollen die dargestellten Argumente daher ein erstes Gespür für eine argumentative Auseinandersetzung vermitteln.

Im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme muss somit besonders intensiv das Problem des Gefahrenbegriffs beleuchtet werden. Der Fall eignet sich somit zu einer Wiederholung der polizeilichen Gefahrenlagen, deren Vorliegen im Einzelfall nicht immer ganz unproblematisch abgegrenzt werden kann, da auch die verschiedenen Gerichte immer wieder zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die hier aufgeworfene Thematik unter dem Blickwinkel des Öffentlichen Rechts interessante Rechtsfragen beinhaltet, die Gegenstand von Klausuren sein können.

 
 
 
 

21.08.2014/2 Kommentare/von Lukas Knappe
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Lukas Knappe https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Lukas Knappe2014-08-21 08:34:172014-08-21 08:34:17VG Gelsenkirchen: Verbot von Rockerkutten auf Volksfest

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