Nicht nur in NRW befassen sich die Medien zur Zeit mit den Ausschreitungen zwischen Salafisten und pro-NRW-Symphatisanten, bei denen mehrere Polizisten teils schwer verletzt wurden. Auslöser dieser (kalkulierten) Auseinandersetzung war das Zeigen der bekannten Mohammed-Karrikaturen durch Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung pro-NRW.
Bereits im Vorfeld dieser Veranstaltung wurde ein Verbot des Zeigens dieser Karikaturen gefordert, dass aber vom OVG NRW abgelehnt wurde. Nach den Ausschreitungen von Bad Godesberg fordert NRW Innenminister Rolf Jäger erneut ein Verbot dieser Handlung und begründet dies mit der Eskalation der Gewalt. Das Verwaltungsgericht Minden entschied hingegen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht vorläge. Die Bälle werden sich damit hin- und her gespielt.
An dieser Stelle sollen einige rechtliche Eckpunkte aufgezeigt werden, die bei einer solchen Entscheidung zu beachten sind.
I. Anwendung Versammlungsrecht
Die Karrikaturen werden im Rahmen und als Teil einer Versammlung von pro-NRW gezeigt, die auch nicht verboten wurde. Aufgrund der Polizeifestigkeit der Versammlung ist damit allein das Versammlungsgesetz maßgeblich. Ein Verbot kann damit aus § 15 VersG resultieren.
II. Voraussetzung: Gefährdung öffentliche Sicherheit und Ordnung
Zudem müsste eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen. Das VG Minden weist dies mit der Begründung ab:
„Zwar gab es bei zwei entsprechenden Veranstaltungen in Solingen und Bonn gewalttätige Ausschreitungen, jedoch gab es nach den dem Gericht vorgelegten Unterlagen zahlreiche andere derartige Veranstaltungen, bei denen es nicht zu Ausschreitungen gekommen ist.“
Inwiefern diese Aussage tatsächlich zutreffend ist, das heißt in welchen Fällen tatsächlich eine vergleichbare Situation – Zeigen der Karikaturen vor oder in der Nähe von Moscheen oder Gebetshäusern – vorgelegen hat, kann hier nicht überprüft werden. Es bestehen aber m.E. ausreichend Indizien, dass es erneut zu Ausschreitungen kommen wird. Beispielhaft hierfür eine Aussage von Pierre Vogel:
„Ich sage euch: wir distanzieren uns nicht. Wir hätten nicht dazu aufgerufen, aber wenn wir da gewesen wären, wer weiß wie wir reagiert hätten? Wenn der Prophet beschimpft wird, das ist halt die rote Linie.“
Weitere Ausschreitungen sind damit zu befürchten.
Zu beachten ist dabei allerdings eines – unmittelbar gehen diese Ausschreitungen nicht etwa von den rechtsextremen Demonstranten, sondern von den Salafisten aus. So ablehnenswert die von pro-NRW verbreitete Ideologie auch sein mag, die Versammlung als solche ist friedlich und unterliegt damit dem besonderen Schutz des Art. 8 GG. Die Gewalttätigkeiten gingen unmittelbar allein von den Salafisten als Teil der Gegendemonstration aus. Neben der Versammlungsfreiheit genießt das Zeigen der Karikaturen auch noch den besonderen Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG. Auch wenn das Zeigen der Karikaturen zuvorderst als Provokation gedacht ist, impliziert es zumindest auch eine Meinung in Form der Ablehnung des Islams bzw. zumindest von dessen radikalen Tendenzen. Der weite Auslegung der Meinungsfreiheit (ausgenommen sind allenfalls „Meinungen“ zum Holocaust) fordert damit auch eine Beachtung dieses Grundrechts, sofern man die Meinungskundgabe nicht schon als Teil der Versammlungsfreiheit sehen möchte. Diese verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen sind damit zu beachten.
Sowohl das Verbot der Versammlung von pro-NRW als solcher als auch das Verhängen des Verbots des Zeigens der Karikaturen als Auflage ist damit grundsätzlich nicht zulässig.
Grenzen können allenfalls dann bestehen, wenn die pro-NRW-Versammlung als Zweckveranlasser für die Unruhen anzusehen ist und eine Vereitelung der Gegenproteste und der Ausschreitungen nicht oder zumindest faktisch nicht möglich ist. Hier ist die Situation so, dass pro-NRW zwar die Ausschreitungen wohlkalkuliert heraufbeschworen hat, allerdings kann eine entsprechend große Polizeipräsenz eine Eskalation verhindern, sodass damit den Grundrechten von pro-NRW zur Geltung verholfen werden kann.
Das BVerfG hat dies wie folgt dargelegt:
Drohen Gewalttaten als Gegenreaktion auf Versammlungen, so müssen sich behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer richten (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>). Mit Art. 8 GG wäre nicht zu vereinbaren, dass bereits mit der Anmeldung einer Gegendemonstration erreicht werden kann, dass dem Veranstalter der zuerst angemeldeten Versammlung die Möglichkeit genommen wird, sein Demonstrationsanliegen zu verwirklichen. Es ist Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken. Gegen die Versammlung als ganze darf in einer solchen Situation grundsätzlich nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>). Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss die Versammlungsbehörde insoweit auch prüfen, ob ein polizeilicher Notstand durch Modifikation der Versammlungsmodalitäten entfallen kann, ohne dadurch den konkreten Zweck der Versammlung zu vereiteln.
III. Fazit
Grundrechtsschutz kann teuer sein – trotzdem ist er zu gewährleisten. Selbst wenn damit extremistische Ansichten geschützt werden müssen – egal ob links, rechts oder religiös – so muss der Staat dies tun – die Grundrechte gelten nicht allein für „die Guten“. Aus diesem Grund muss auch die pro-NRW-Demonstration geschützt werden. Nur in extremen Fällen – bspw. bei Abwägung mit der kollidierenden Religionsfreiheit Dritter und einem Überwiegen dieser Interessen – kann ein gegenteiliges Ergebnis bejaht werden.