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Schlagwortarchiv für: außerordentliche Kündigung

Gastautor

BAG: Neues zum Zugang einer Kündigungserklärung

Arbeitsrecht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite

Wir freuen uns sehr, nachfolgend einen Gastbeitrag von Hannah Linke veröffentlichen zu können. Die Autorin hat Jura an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert und ist derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP am Düsseldorfer Standort im Arbeitsrechtsteam tätig. 
 
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Im Fokus der Entscheidung des BAG (Urt. v. 22.8.2019 – 2 AZR 111/19) steht der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Vom Zugangszeitpunkt hängt es insbesondere ab, ob die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt ist, oder ob die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG eingehalten wird. Letzteres ist auch in dem hier zu besprechenden Urteil problematisch. Sollte Arbeitsrecht einmal Thema einer Examensklausur sein, ist in der Regel die Wirksamkeit einer Kündigung, ggf. eingebettet in die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage, zu prüfen. Aber nicht nur für Examenskandidaten ist der folgende Beitrag von Interesse: Es geht maßgeblich um die Zugangsvoraussetzungen einer empfangsbedürftigen Willenserklärung unter Abwesenden. Unter Punkt III. findet sich ein informativer Exkurs zu diesem Komplex, sodass auch Studierende in den Anfangssemestern angesprochen werden.
 
I. Sachverhalt
Die Beklagte ließ das Kündigungsschreiben von einer Mitarbeiterin gegen 13.25 Uhr am 27.1.2017 (Freitag) in den Briefkasten des bei ihr angestellten Klägers werfen. Die Postzustellung im Wohnort des Klägers ist in aller Regel bis 11.00 Uhr abgeschlossen. Die Kündigungsschutzklage des Klägers ging am 20.2.2017 (Montag) beim Arbeitsgericht ein. Der Kläger macht geltend, er habe das Kündigungsschreiben erst am 30.1.2017 seinem Briefkasten entnommen. Der Zugang habe folglich frühestens an dem auf den 27.1.2017 folgenden Tag stattfinden können.
 
II. Vorinstanzen
Die Vorinstanzen (ArbG Karlsruhe v. 17.4.2018 – 2 Ca 60/17; LAG Baden-Württemberg v. 14.12.2018 – 9 Sa 69/18) haben die Klage abgewiesen. Mangels Einhaltung der maßgeblichen Drei-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG gelte die außerordentliche Kündigung nach § 13 Abs. 1 S. 2 iVm § 7 Hs. 1 KSchG als von Anfang an wirksam. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben mithin einen Zugang des Kündigungsschreibens bereits am 27.1.2017 angenommen. Nach dem LAG könne der Verkehrsanschauung entsprechend mit einer Kenntnisnahme von Schriftstücken, die im Briefkasten eines Arbeitnehmers hinterlassen werden, bis 17.00 Uhr gerechnet werden. Auf den Zeitpunkt des Abschlusses der örtlichen Postzustellung komme es hingegen nicht (mehr) an. Heutzutage könne bei Berufstätigen mit einer Leerung des Briefkastens erst nach Rückkehr von der Arbeit gerechnet werden.
 
III. Exkurs: Zugang von Willenserklärungen unter Abwesenden
Neben der Abgabe stellt der Zugang kumulativ vorzuliegende Voraussetzung für das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen dar. Das Erfordernis des Zugangs einer Willenserklärung gegenüber Abwesenden ist in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB geregelt. Definiert wird der Begriff des Zugangs im Gesetz jedoch nicht. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Willenserklärung zugegangen, wenn sie so in den Bereich des Erklärungsempfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.[1]Da nach dieser Definition im Hinblick auf die Komponente der Kenntnisnahmemöglichkeit nur auf die gewöhnlichen Verhältnisse abgestellt wird, ist es für die Annahme eines Zugangs unerheblich, wann die Kenntnisnahme durch den Empfänger tatsächlich erfolgt.[2]Auch die Tatsache, dass der Empfänger im Urlaub, Krankenhaus oder aus sonstigen Gründen für längere Zeit nicht zu Hause ist, steht dem Zugang der Willenserklärung prinzipiell nicht entgegen. Den Erklärungsempfänger trifft die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Kenntnisnahme vom Inhalt von in seinen Machtbereich gelangten Willenserklärungen auch bei seiner Abwesenheit zu gewährleisten, sofern er mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen rechnen muss. Dies ist beispielsweise der Fall bei der Anbahnung von vertraglichen Beziehungen oder im bestehenden Arbeitsverhältnis.[3]Selbst wenn der Erklärende von der Abwesenheit des Empfängers weiß, gilt grundsätzlich nichts anderes.[4]Das ist auch interessengerecht, da die Risikosphäre des Empfängers eröffnet ist, sobald die Erklärung in seinen Herrschaftsbereich (Briefkasten, Empfangsboten etc.) gelangt ist. Beim Übergabe-Einschreiben ist dabei Folgendes zu beachten: Schlägt die Aushändigung des Einschreibens durch die Zustellungsperson fehl, weil der Empfänger nicht zugegen ist, erfolgt der Zugang der Willenserklärung nicht schon mit der Hinterlegung des Benachrichtigungsscheins im Briefkasten des Empfängers, sondern erst mit Abholung bei der Post.[5]Erst dann gelangt die Erklärung in seinen Machtbereich. Sollte die Erklärung fahrlässig oder vorsätzlich nicht bei der Poststelle abgeholt werden, liegt ein Fall der Zugangsvereitelung vor.
Zu differenzieren ist zwischen der berechtigten und der unberechtigten Zugangsvereitelung.[6]Von der berechtigten Zugangsverweigerung spricht man, wenn der Erklärungsempfänger sich auf einen legitimen Grund für die Verweigerung der Entgegennahme der Erklärung berufen kann. Dieser Fall ist etwa dann einschlägig, wenn der Empfänger ein sog. Nachentgelt zahlen muss, weil das Schreiben vom Absender nicht ausreichend frankiert wurde.[7]Hier fehlt es an einem Zugang und die Willenserklärung wird nicht wirksam. Der Erklärende muss einen erneuten Zustellungsversuch unternehmen. Das Gleiche gilt bei der fahrlässigen Zugangsvereitelung, auch wenn hier keine Rechtfertigungsgründe für die Zugangsverhinderung gegeben sind. Erfolgt unverzüglich ein weiterer Zustellungsversuch, kann der Empfänger sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) indes nicht auf eine verspätete Zustellung berufen. Die fahrlässige Zugangsvereitelung zieht eine Rechtzeitigkeitsfiktion nach sich.[8]Etwas anderes gilt bei der vorsätzlichen Zugangsver-eitelung, bei der ein erneuter Zustellungsversuch nicht unternommen werden muss. Die Zustellung wird hier nach dem Rechtsgedanken der §§ 162 Abs. 1, 815 BGB fingiert.[9]
 
IV. Entscheidung des BAG 
Das BAG hat sich den Vorinstanzen nicht angeschlossen. Zumindest mit der vom LAG angebotenen Begründung hätte der Kündigungsschutzantrag nicht abgewiesen werden dürfen. Zwar sei das Kündigungsschreiben bereits am 27.1.2017 in den Machtbereich des Klägers gelangt. Ob an diesem Tag aber auch bereits mit einer Kenntisnahme durch den Arbeitnehmer gerechnet werden könne, sei problematisch. Vor allem die Aussage des LAG, von einer Leerung des Briefkastens sei bei Arbeitnehmern nach der Verkehrsanschauung um 17.00 Uhr auszugehen, hat das BAG als willkürlich kritisiert:

„Ob die Möglichkeit einer Kenntnisnahme bestand, ist nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten.“[10]

Grundsätzlich sei die Annahme einer Verkehrsanschauung, wonach eine Leerung der Hausbriefkästen unmittelbar nach Abschluss der Regelpostzustellzeiten erfolge, nicht zu beanstanden. Zwar könne das LAG eine davon abweichende Verkehrsanschauung aufgrund sich ändernder Lebensumstände annehmen, jedoch seien die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht geeignet, eine solche Anschauung zu begründen. Teilzeitbeschäftigte, im Homeoffice tätige Arbeitnehmer, Nachtarbeiter oder nicht erwerbstätige Personen würden bei Beurteilung der Leerungszeiten von Briefkästen am Wohnort des Klägers durch das LAG außer Betracht bleiben. Hinzukomme, dass der Kläger im Elsass wohnhaft sei, sodass die durch das Gericht in zweiter Instanz herangezogenen Werte und Statistiken in Bezug auf Deutschland nicht herangezogen werden könnten. Auch eine auf Verhältnismäßigkeitserwägungen beruhende Festlegung der Leerungszeit auf 17.00 Uhr sei nicht geeignet, eine dahingehende Verkehrsanschauung zu begründen. Schließlich sei auch die landgerichtliche Argumentation, wonach ein fristwahrender Zugang für den Erklärenden bis 24.00 Uhr möglich sein müsse, da andernfalls eine unzulässige Verkürzung des Fristendes nach § 188 BGB gegeben sei, nicht haltbar. Die Regelung des § 188 BGB bezieht sich auf das Ende einer Frist, trifft aber keine Aussage zum Zugang von Willenserklärungen.
Das BAG hat die Entscheidung des LAG aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Es sei dessen Aufgabe festzustellen, wann nach der Verkehrsanschauung mit der Entnahme des am 27.1.2017 in den klägerischen Briefkasten eingeworfenen Schreibens zu rechnen war. Die Feststellung des Inhalts der Verkehrsanschauung sei eine Tatfrage, deren Beurteilung vom Revisionsgericht nur eingeschränkt kontrolliert werden könne. 
Im Jahr 2015 hat das BAG[11]zum Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung festgehalten: „Anders als dann, wenn ein Brief ohne Wissen des Adressaten erst nach den üblichen Postzustellzeiten in dessen Hausbriefkasten eingeworfen wird, ist mit der Kenntnisnahme eines Schreibens, von dem der Adressat weiß oder annehmen muss, dass es gegen 17.00 Uhr eingeworfen wurde, unter gewöhnlichen Verhältnissen noch am selben Tag zu rechnen. Ob die Kl. dazu angesichts ihrer Termine tatsächlich in der Lage war, ist nicht entscheidend.“ Das BAG unterscheidet richtigerweise dazwischen, ob der Arbeitnehmer mit der Zustellung eines Schreibens nach den üblichen Postzustellungszeiten rechnet bzw. rechnen muss. Orientiert man sich hieran, spricht, sofern der Kläger nichts von dem Einwurf des Kündigungsschreibens um 13.25 Uhr wusste oder wissen musste, gegen einen Zugang des Schreibens noch am 27.1.2017. Zu berücksichtigen ist nichtsdestotrotz, dass der Einwurf des Kündigungsschreibens hier am frühen und nicht am späten Nachmittag stattgefunden hat.
Es bleibt somit abzuwarten, wie da LAG Baden-Württemberg im Anschluss an das Urteil des BAG entscheidet.
 
V. Fazit
Auch wenn das BAG noch keine abschließende Entscheidung zu der Frage getroffen hat, wann die Kündigungserklärung dem Kläger im Fall zugegangen ist, enthält das Urteil wichtige Kriterien zur Bestimmung der jeweils einschlägigen Verkehrsanschauung, die den Zugangszeitpunkt bestimmt. Denn sobald die jeweilige Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, kommt es bei der Bestimmung, wann der Empfänger Möglichkeit hatte, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen, nur auf die Verkehrsanschauung an. Ist nach der Verkehrsanschauung die Kenntnisnahmemöglichkeit zu bejahen, gilt die Willenserklärung als zugegangen. Auf den tatsächlichen Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Empfänger kommt es hingegen nicht an.
[1]Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl. 2019, § 130 Rn. 5.
[2]Noack/Uhlig, JA 2012, 740, 741.
[3]LAG-Schleswig-Holstein v. 1.4.2019 – 1 Ta 29/19, NZA-RR 2019, 528, 529; BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 366/04, NZA 2006, 204, 205.
[4]Vgl. hierzu etwa BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 461/03, NZA 2004, 1330.
[5]Klinkhammer/Schmidbauer, ArbRAktuell 2018, 362, 363.
[6]Noack/Uhlig, JA 2012, 740, 744.
[7]MüKo/Einsele, BGB, 8. Aufl. 2018, § 130 Rn. 36; https://www.deutschepost.de/content/dam/dpag/images/G_g/Gesamtpreisliste/dp-leistungen-und-preise-012019.pdfS. 35 (Stand: 11.1.2020).
[8]Preis, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 5. Aufl. 2017, 1. Teil, Kap. D Rn. 58.
[9]Weiler, JuS 2005, 788, 792 f.
[10]BAG v. 22.8.2019 – 2 AZR 111/19, NJW 2019, 3666, 3667
[11]BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183, 1183 f.
 
 

24.01.2020/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2020-01-24 09:15:472020-01-24 09:15:47BAG: Neues zum Zugang einer Kündigungserklärung
Redaktion

Schema: Außerordentliche Kündigung, § 626 BGB

Arbeitsrecht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Die außerordentliche Kündigung, § 626 BGB

I. Wirksamer Arbeitsvertrag

II. Wirksame Kündigungserklärung, § 623 BGB

– Einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, d.h. insbesondere Zugang der Erklärung beim AN erforderlich.
Schriftformerfordernis, § 623 BGB
– Aus der Erklärung muss mit hinreichender Bestimmtheit der Wille zu einer außerordentlichen Kündigung hervorgehen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der AG sich auf einen wichtigen Grund beruft oder fristlos kündigen möchte.

III. Kündigungserklärungsfrist, § 626 II BGB
Dem AN muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Erlangung der Kenntnis von den Gründen, die die Kündigung rechtfertigen, zugehen.

IV. Einhaltung der Klagefrist, § 13 I 2 KSchG iVm § 4 S. 1 KschG
Wenn der Kläger die dreiwöchige Klagefrist gem. § 4 S. 1 KSchG versäumt, greift eine Fiktion der Wirksamkeit der Kündigung.

V. Wichtiger Grund, § 626 I BGB

1. „An sich“ geeignete Kündigungstatsache
Die Tatsachen müssen generell geeignet sein, einen wichtigen Grund für eine Kündigung darzustellen.
Störungen im Arbeitsverhältnis, zB im Vertrauens- oder Leistungsbereich

2. Interessenabwägung
Die Tatsachen müssen auch im konkreten Fall geeignet sein, einen wichtigen Grund darzustellen.
Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablaut der ordentlichen Kündigungsfrist muss unzumutbar sein.

VI. Betriebsratsbeteiligung, § 102 BetrVG
Nur erforderlich, soweit ein Betriebsrat vorhanden ist.

VII. Besonderer Kündigungsschutz

– Mitglied des Betriebsrats, § 103 BetrVG iVm § 15 KSchG
– Schwerbehinderung, §§ 85, 91 SGB IX
– § 9 MuSchG bei Schwangerschaft
– Sonstige Gründe, § 13 KSchG

 

Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.

13.07.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-07-13 10:00:502017-07-13 10:00:50Schema: Außerordentliche Kündigung, § 626 BGB
Maria Dimartino

BAG: Außerordentliche Kündigung eines „Wahlbewerbers“ wegen Äußerungen über Arbeitgeber in einem YouTube-Video

Arbeitsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht, Zivilrecht

BAG, Urteil vom 31. 07. 2014 – 2 AZR 505/13
Vorinstanz: LAG Hamm, Urteil vom 15.03.2013 – 13 Sa 6/13
Es wird auf den Begriff Wahlbewerber eingegangen und den damit verbundenen besonderen Kündigungsschutz, sowie ab wann kritische Äußerungen von Arbeitnehmern im Internet einen Sachverhalt darstellen, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.
 
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung eines „Wahlbewerbers.“
Die Beklagte ist ein Unternehmen welches Verpackungen herstellt. Auf Einladung der Gewerkschaft ver.di fand eine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes statt. Die Parteien sind sich einig, dass es zu keiner wirksamen Wahl des Kläger gekommen ist.
Zwei Wochen nach dem gescheiterten Wahlvorhaben stellte die Gewerkschaft Antrag vor dem Arbeitsgericht einen Wahlvorstand zu bestellen. Der Kläger wurde in der Antragsschrift vorgeschlagen. Einige Tage später gab der Kläger in einem vom ver.di aufgezeichneten Video eine Erklärung mit folgenden Inhalt ab: Es gebe im Betrieb „Probleme“. An einzelnen Maschinen fehlten Sicherheitsvorkehrungen. Man könne „fast behaupten“, keine Maschine“ sei „zu 100% ausgerüstet“. Das Problem sei, „dass keine Fachkräfte vorhanden“ seien und „das Beherrschen der Maschinen nicht 100% erfüllt“ werde. Dieses Video wurde ins Internet gestellt und war auch auf „YouTube“ zu sehen. Der Kläger verbreitet es zudem über das soziale Netzwerk Facebook. Daraufhin kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos.
Der Kläger hat form- und fristgerecht Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht erhoben. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht als Vorinstanzen haben die fristlose Kündigung als wirksam erachtet.
Begründetheit der Kündigungsschutzklage?
 
A. Zulässigkeit (+)
 
B. Begründetheit
Die Kündigungsschutzklage ist begründet, wenn die Kündigung unwirksam war.
 
I. Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (+)
Arbeitnehmereigenschaft (+)
 
II. Ordnungsgemäße Kündigungserklärung (+)
1. Ausreichend bestimmt, bedingungsfeindlich
2. Eindeutige Festlegung der Art (ordentliche/außerordentliche)
3. Schriftformerfordernis §§ 623, 126 BGB mit eigenhändiger Unterschrift des Kündigungsberechtigten (Ausschluss der elektronischen Form E-Mail, Fax!)
4. Zugang (+)
5. Präklusionsfrist, §§ 4 Abs. 1, 13 Abs. 1 KSchG
Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang erhoben werden, ansonsten greift die Fiktionswirkung des § 7 KSchG ein und die Kündigung gilt als von Anfang an rechtswirksam.
 
III. Allgemeine Unwirksamkeitsgründe, §§ 134, 138, 242 BGB (-)
 
IV. Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG; § 103 Abs. 1 BetrVG
Gem. § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitgliedes eines Wahlvorstandes vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigen Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt wird.
 
P: Wer ist Wahlbewerber i.S.d. § 15 Abs. 3 KSchG?
Fraglich ist, was unter einem Wahlbewerber i.S.d. § 15 Abs. 3 KSchG zu verstehen ist. Ob dadurch nur Wahlbewerber für das Amt des Betriebsrats oder auch „Wahlbewerber“ für den Wahlvorstand erfasst werden.
Untere Wahlbewerber sind wählbare (§§ 7, 8 BetrVG) Arbeitnehmer zu verstehen, die für ein Betriebsratsamt kandidieren. Diese können ordentlich nicht gekündigt werden, § 15 Abs. 3 KSchG. Wahlbewerber ist, wer in eine Vorschlagsliste aufgenommen wurde und die erforderliche Mindestanzahl von Stützunterschriften bzw. die Stützung von einer Gewerkschaft vorweisen kann. Nicht dagegen gemeint sind dagegen Bewerber für den Wahlvorstand. Diese fallen nicht unter § 15 Abs. 3 KSchG.
 

„Arbeitnehmer, die für das Amt des Wahlvorstands zur Durchführung einer Betriebsratswahl kandidieren oder vorgeschlagen werden, sind keine Wahlbewerber im gesetzlichen Sinne. Das ergibt die Auslegung der einschlägigen Vorschriften“. (vgl. BAG Pressemittelung Nr. 38/14 zum BAG Urteil vom 31. Juli 2014 – 2 AZR 505/13).
 

Daher greift in diesem Fall kein besonderer Kündigungsschutz ein. Eine ordentliche Kündigung ist ebenfalls weiterhin möglich.
 
Exkurs: Was macht ein Wahlvorstand überhaupt?

  • Der Wahlvorstand sorgt für eine ordnungsgemäße Durchführung einer Betriebsratswahl, (§ 1 Abs. 1 WO).
  • Der Wahlvorstand hat die Wahl unverzüglich einzuleiten, § 18 Abs. 1 S. 1 BetrVG
  • Beantragung der Feststellung der Betriebseigenschaft nach § 18 Abs. 2 BetrVG beim zuständigen Arbeitsgericht
  • Nach Abschluss der Wahl nimmt der Wahlvorstand öffentlich die Auszählung der Stimmen vor, stellt deren Ergebnis in seiner Niederschrift fest und gibt es den Arbeitnehmern des Betriebs bekannt und übermittelt dies der Gewerkschaft, § 18 Abs. 3 BetrVG

 
V. Ordnungsgemäße Betriebsratsbeteiligung
Der Betriebsrat muss nicht Zustimmen nach § 103 BetrVG bzw. die Zustimmung musste nicht durch das Arbeitsgericht ersetzt werden. Eine Anhörung nach Maßgabe des § 102 BetrVG war ausreichend – mangels besonderen Kündigungsschutzes.
 
VI. Außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB
Eine außerordentliche Kündigung wird immer in zwei Schritten geprüft zunächst wird geprüft, ob ein Sachverhalt vorliegt, der einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB darstellt, sodann wird in einem zweiten Schritt wird eine Interessenabwägung vorgenommen.
 
1. Frist, § 626 Abs. 2 BGB (+)
Eine außerordentliche Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsberechtigten erfolgen.
 
2. Wichtiger Grund
Hier kritisierte der Kläger seinen Arbeitgeber wegen nicht optimalen Arbeitsabläufen und nicht optimaler Arbeitssicherheit im Internet (auf YouTube und Facebook). Dieses Video wurde von einer Gewerkschaft aufgenommen und ins Internet gestellt. Der Kläger verbreitete das Video zudem auf Facebook. Das BAG verneinte hier bereits das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinn von § 626 BGB.
 

„Auch im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsratswahl dürfe ein Arbeitnehmer nicht wissentlich falsche, geschäftsschädigende Behauptungen über die betrieblichen Verhältnisse aufstellen und über digitale Medien verbreiten lassen. Sachliche Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten sei jedoch erlaubt“ (vgl. BAG Pressemittelung Nr. 38/14 zum BAG Urteil vom 31. Juli 2014 – 2 AZR 505/13).

 
3. Interessenabwägung
Zu einer Interessenabwägung kam es gar nicht mehr, da bereits kein wichtiger Grund vorlag.
 
C. Ergebnis
Die außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB wegen Äußerungen auf Youtube ist unwirksam (-).
Diese Kündigungsschutzklage ist zulässig und begründet.
 
Anmerkung:
In diesem Fall hat das BAG zurückverwiesen an das LAG zur Klärung der weiteren Frage, ob eine weitere ausgesprochene ordentliche (verhaltensbedingte) Kündigung wegen verspäteten Arbeitsbeginn des Klägers wirksam ist. Da kein besonderer Kündigungsschutz für den Kläger bestand konnte der Arbeitgeber während des Prozesses eine ordentliche Kündigung aussprechen. Vor einer verhaltensbedingten Kündigung kann im Einzelfall eine vorherige Abmahnung erforderlich sein.
 
D. Fazit
Sonderkündigungsschutz greift ein für Kandidaten des Betriebsratamtes – nicht jedoch für Kandidaten des Wahlvorstandes. Mitglieder des Wahlvorstandes genießen erst Sonderkündigungsschutz ab ihrer Bestellung. Im Übrigen sollte man mit Kritik gegenüber dem Arbeitgeber im Internet vorsichtig sein und auf eine innerbetriebliche Klärung zurückgreifen (z.B. Kummerkasten, Beschwerdestelle, Betriebsrat §§ 84, 85 BetrVG etc.)

06.09.2014/0 Kommentare/von Maria Dimartino
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Zaid Mansour

OLG Dresden: Vorvertragliche Aufklärungspflicht des Gewerberaummieters

Mietrecht, Rechtsprechung, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Mit Beschluss vom 27.07.2012 – Az. 5 U 68/12 entschied das OLG Dresden einen Fall, der so oder in ähnlicher Konstellation Eingang in Examensklausuren erhalten könnte.
I. Sachverhalt
In der Sache beabsichtigte der Mieter eines Textileinzelhandelsgeschäfts in seinem Ladenlokal ausschließlich Textilien der Marke „Thor Steinar“ zu verkaufen, obwohl er dem Vermieter auf Nachfrage vor Vertragsschluss mitgeteilt hat, er werde eine große Anzahl von Marken anbieten, von denen die o.g. nur eine von vielen sei. Der Vermieter sprach die außerordentliche Kündigung aus und machte vor Gericht einen Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB geltend. Daneben wurde der Vertrag vom Vermieter wegen arglistiger Täuschung i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB angefochten.
II. Rechtliche Würdigung
Es kam also vorliegend entscheidend darauf an, ob ein Kündigungsgrund i.S.d. § 543 Abs. 1 BGB gegeben war.

§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

In Einklang mit der Rechtsprechung des BGH (siehe zu einem ähnlich gelagerten Fall: BGH, Urteil vom 11.08.2010 – XII ZR 192/08) sah das entscheidende Gericht in dem Verhalten des Mieters eine Verletzung seiner vorvertraglichen Aufklärungspflicht und bejahte somit im Ergebnis das Vorliegen eines Kündigungsgrundes und gab der Räumungsklage des Vermieters statt. Zwar bestehen im Grundsatz keine Aufklärungspflichten, da es Sache der Vertragsparteien sei, ihre Interessen dergestalt wahrzunehmen, dass sie sich selbst die entscheidungsnotwendigen Informationen beschaffen müssen (BGH, NJW 2004, 2674). Ausnahmsweise besteht hingegen dennoch eine vorvertragliche Aufklärungspflicht hinsichtlich solcher Umstände, die erkennbar von besonderer Bedeutung für die Entscheidung der anderen Vertragspartei zur Eingehung des Vertrages sind und deren Mitteilung gegenüber der anderen Vertragspartei nach Treu und Glauben erwartet werden kann (vgl. BGH, NJW 2006, 2618 f.). Da die Vermieterin bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses ihre Bedenken gegen die ominöse Textilienmarke äußerte, hätte der Mieter sie zumindest auf die theoretische Möglichkeit hinweisen müssen, dass die Marke „Thor Steinar“ in seinem Geschäft eine nicht nur untergeordnete Rolle spielen könnte.
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und ein daran anknüpfender bereicherungsrechtlicher Anspruch wurde vom Gericht nicht geprüft, weil es darauf im vorliegenden Fall nach Bejahung des Kündigungsgrunds aus  § 543 Abs. 1 BGB nicht mehr ankam.
III. Fazit
Die Grundsätze vorvertraglicher Aufklärungspflichten gehören zum absoluten Standardwissen und werden in Examensklausuren immer wieder gerne abgefragt. Es ist daher zu empfehlen, sich mit möglicherweise in Betracht kommenden Fallkonstellationen auseinanderzusetzen (s. dazu hier).

25.08.2012/0 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2012-08-25 12:40:422012-08-25 12:40:42OLG Dresden: Vorvertragliche Aufklärungspflicht des Gewerberaummieters
Nicolas Hohn-Hein

BGH: Zur Mindeslaufzeit eines Fitness-Studiovertrags und zur außerordentlichen Kündigung

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In einer kürzlich ergangenen Entscheidung hat der BGH (Urteil v. 08.02.2012 – Az. XII ZR 42/10) zu der Frage Stellung genommen, ob ein Fitnessstudio-Vertrag eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten haben darf. Überdies hat sich das Gericht mit der Problematik beschäftigt, wann die Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung durch AGB unzulässig sein kann. Der Fall behandelt Standardprobleme, die ohne weiteres – in Verbindung mit weiteren Problemen – Gegenstand einer Fortgeschrittenen- oder Examensklausur sein können.
Sachverhalt (verkürzt)
A interessiert sich für Kraftsport und entschließt sich, bei seinem örtlichen Fitnessstudio F Mitglied zu werden. Am 17.04.2007 begibt sich A in die Räumlichkeiten des F und schließt dort einen Vertrag zur Nutzung aller Fitnessangebote gegen Zahlung eines monatlichen Entgelts in Höhe von 44 EUR. Vertragsbeginn soll der 01.05.2007 sein. Der Vordruck des Vertrags, den die F standardmäßig für alle ihre Neu-Kunden einsetzt, enthält eine Laufzeit von mindestens 24. Monaten ab Vertragsbeginn. Darüber hinaus verweist der Vertrag auf die – ansonsten ordnungsgemäß eingeführten –  allgemeinen Vertragsbedingungen (AGB).
Ziff. 7 der AGB lautet:

„Der Nutzer kann den Vertrag mit Wirkung des Eingangs bei dem B…-Center kündigen, wenn er krankheitsbedingt für die restliche Vertragslaufzeit die Einrichtung des Centers nicht nutzen kann. Zur Wirksamkeit der Kündigung ist erforderlich, dass sie unverzüglich, spätestens binnen zwei Wochen nach Kenntnis des die Kündigung rechtfertigenden Umstandes erfolgt und der Kündigungserklärung ein ärztliches Attest eingefügt wird, aus dem sich nachvollziehbar die Erkrankung/gesundheitliche Beeinträchtigung er-gibt, die einer Nutzung entgegenstehen soll.“

Mit Schreiben vom 24.07.2008 kündigt A den Vertrag fristlos. Grund seien  gesundheitliche Probleme, die ihm sportliche Aktivitäten – was zutrifft – unmöglich machen. Er legt der Kündigung auch ein Attest bei. F ist mit der Kündigung nicht einverstanden und verweist darauf, dass das Vertragsverhältnis auf jeden Fall bis zum 30.04.2009 laufe. A ist sich unsicher und zahlt bis einschließlich September 2008 das Nutzungsentgelt weiter. Als A die Zahlungen ab Oktober 2008 einstellt, verlangt F die restlichen Nutzungsentgelte bis April 2009. A weigert sich nun endgültig, irgendetwas zu zahlen, da der Vertrag ja wohl durch die Kündigung beendet sei. Überhaupt sei eine 24-monatige Erstlaufzeit „völlig überzogen“ und der Vertrag deswegen „null und nichtig“.
Hat F einen Anspruch gegen A auf Zahlung der Nutzungsentgelte bis einschließlich April 2009?
Erstlaufzeit von 24 Monaten per AGB bei Fitness-Studiovertrag wirksam
Der BGH  stellt sich – wie immer innerhalb der Prüfung von AGB bzw. einer formularvertraglichen Vertragsbedingung – die Frage, ob eine „unangemessene Benachteiligung“ des Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB vorliegt, wenn der Kunde durch eine 24-monatige Laufzeit langfristig an den Dienstleister, hier das Fitnessstudio gebunden wird. Formularvertraglich kann eine Erstlaufzeit nach allgemeiner Auffassung jedenfalls 6 Monate betragen. Eine längere Erstlaufzeit wurde bislang nur in bestimmten Einzelfällen als zulässig angesehen. Denn

Soweit in formularvertraglich vereinbarten Erstlaufzeiten von mehr als sechs Monaten in Fitness-Studioverträgen eine unangemessene Benachteiligung des Kunden iSv § 307 Abs. 1 BGB gesehen wird, wird zur Begründung im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Kunde durch die langfristige Vertragsbindung nicht nur in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, sondern auch in seiner persönlichen Entscheidung über die Art seiner Freizeitgestaltung erheblich eingeschränkt werd. Ein durchschnittlicher Kunde könne regelmäßig nicht voraussehen, ob er auf Dauer genügend Freizeit aufbringe und körperlich in der Lage sei, die Leistungen des Studiobetreibers über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus in Anspruch nehmen zu können. Dem stehe zwar das Interesse des Studiobetreibers an einer verlässlichen Grundlage für seine Kalkulation gegenüber. Daraus lasse sich jedoch kein anerkennenswertes Interesse ableiten, Kunden übermäßig langfristig an sich zu binden, insbesondere da seine Investitionen nicht auf besondere Personen zugeschnitten seien.

Der BGH hegt aber an diesen Gesichtspunkten erhebliche Zweifel und begründet dies mit Verweis auf § 309 Nr. 9 lit. a BGB, der auch im Rahmen der Abwägung nach § 307 Abs. 1 BGB wertungsmäßig herangezogen werden darf. Aus der längerfristigen Bindung allein könne sich noch keine unangemessene Benachteiligung für den konkreten Vertrag ergeben.

Der Gesetzgeber hat in § 309 Nr. 9 lit. a BGB angeordnet, dass eine Klausel unwirksam ist, die bei einem Vertragsverhältnis über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrages vorsieht. Durch diese Regelung sollte die Entscheidungs- und wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Kunden geschützt werden, die bei einer langfristigen Bindung an einen Vertrag besonders beeinträchtigt sein kann, ohne dass die Notwendigkeit einer langen Vertragslaufzeit durch die Natur des Vertrages vorgegeben ist (BT-Drucks. 7/3919 S. 37; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht 11. Aufl. § 309 Nr. 9 BGB Rn. 1). Obwohl die Dispositionsfreiheit eines Vertragspartners des Verwenders bei jeglicher Art von langfristiger Vertragsbindung eine erhebliche Einschränkung erfährt, hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 BGB jedoch nicht auf alle Dauerschuldverhältnisse, sondern nur auf Vertragsverhältnisse über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen erstreckt. […]
Diese in § 309 Nr. 9 lit. a BGB zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers ist auch bei der nach § 307 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen, ob durch eine vorformulierte Laufzeitklausel eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gegeben ist. Das schließt zwar nicht aus, dass eine Klausel, die nach ihrem Regelungsgehalt in den Anwendungsbereich der Klauselverbote fällt, mit den in Betracht kommenden Einzelverboten aber nicht kollidiert, nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein kann (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1996 – XII ZR 193/95 – NJW 1997, 739, 740). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich die unangemessene Benachteiligung des Kunden nicht allein aus den Nachteilen einer langfristigen Vertragsbindung ergibt, die der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 309 Ziff. 9 BGB im Blick hatte. Da es unzulässig ist, aufgrund allgemeiner Überlegungen, die sich nicht aus den Besonderheiten gerade des zu beurteilenden Vertrages ergeben, über die Generalklausel die gesetzgeberische Regelungsabsicht geradezu „auf den Kopf zu stellen“, muss sich die Unangemessenheit einer Laufzeitklausel aus besonderen, von der Verbotsnorm nicht erfassten Gründen ergeben. 

Ziffer 7 der AGB schränkt Recht zur außerordentlichen Kündigung unzulässig ein
Das Gericht stellt zunächst darauf ab, wann eine Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung  in AGB grundsätzlich unzulässig ist. Dann liegt auch hier eine „unangemessene Benachteiligung“ nach § 307 Abs. 1 BGB vor.

Schließt eine Regelung in allge-meinen Geschäftsbedingungen das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses zwar nicht gänzlich aus, knüpft dieses aber an zusätzliche Voraussetzungen, die geeignet sein können, den Vertragspartner des Verwenders von der Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts abzuhalten, führt dies ebenfalls zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden und damit zur Unwirksamkeit einer solchen Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB. Allgemeine Geschäftsbe- dingungen dürfen dem Vertragspartner nicht solche Rechte entziehen oder ein- schränken, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat.

Auf den vorliegenden Fall handelt es sich um einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB, denn

[…] die Klausel kann in der für die Inhaltskontrolle maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung dahingehend verstanden werden, dass der Kunde nur bei Vorliegen einer Erkrankung, die ihm für die restliche Vertragslaufzeit die Nutzung der Einrichtungen des Centers nicht ermöglicht, zur außerordentlichen Kündigung berechtigt und im Übrigen ein Recht zur außerordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist.
Hinzu kommt, dass die Klägerin durch die Klausel die Kündigung von der Vorlage eines ärztlichen Attestes abhängig macht, aus dem sich Art und Umfang der Erkrankung ergeben soll. Zwar ist ein berechtigtes Interesse des Betreibers eines Fitness-Studios an der Vorlage eines ärztlichen Attestes bei einer mit einer Erkrankung begründeten Kündigung ihres Kunden grundsätzlich anzuerkennen, um einen Missbrauch des eingeräumten Kündigungsrechts zu verhindern. Die Revision weist jedoch zu Recht darauf hin, dass diesem Interesse der Klägerin bereits durch die Vorlage eines ärztlichen Attestes gedient ist, aus dem sich ergibt, dass eine sportliche Tätigkeit des Kunden nicht mehr möglich ist. Das Interesse der Klägerin, sich vor unberechtigten Kündigungen zu schützen, rechtfertigt es nicht, von ihren Kunden Angaben über die konkrete Art der Erkrankung zu verlangen. Denn grundsätzlich kann den Angaben eines Arztes in einem Attest Glauben geschenkt werden. Außerdem ist es der Klägerin unbenommen, bei Zweifeln die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung in Frage zu stellen und in einem gerichtlichen Verfahren die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung prüfen zu lassen, in dem dann der Kunde die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes trägt.

Im vorliegenden Fall muss der Kunde nach dem Wortlaut der Ziff. 7 Satz 2 des Vertrags der Kündigung ein ärztliches Attest beifügen, aus dem sich nachvollziehbar die Erkrankung/gesundheitliche Beeinträchtigung ergibt, die einer weiteren Nutzung des Fitness-Studios entgegensteht. Dieser Anforderung würde ein ärztliches Attest, das nur eine auf Dauer anhaltende Sportunfähigkeit des Kunden bescheinigt, nicht genügen. Um für die Klägerin nachvollziehbar darzulegen, warum er auf Dauer das Fitness-Studio nicht mehr nutzen kann, müsste der Kunde die Art seiner Erkrankung gegenüber der Klägerin offenbaren. Er steht daher vor dem Ausspruch einer Kündigung vor der Entscheidung, ob er bereit ist, gegenüber der Klägerin entsprechende Angaben zu machen oder auf die Ausübung seines Kündigungsrechts zu verzichten. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Kunde davon abgehalten wird, von seinem Recht zur außerordentlichen Kündigung Gebrauch zu machen, zumal die Klägerin ihrerseits nicht gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und der Kunde sich daher nicht darauf verlassen kann, dass seine Angaben vertraulich behandelt und nicht an andere weitergegeben werden. 

Außerdem führe laut BGH die Pflicht des Kunden, spätestens 2 Wochen nach Erlangung der Kenntnis von der Erkrankung dazu, dass dieser ggf. voreilig kündigt, um sein Kündigungsrecht nicht zu verlieren, anstatt den weiteren Verlauf der Krankheit abzuwarten. Auch dies stelle eine unangemessene Benachteiligung dar.
Fazit
Der „Kniff“ mit § 309 Nr. 9 lit. a BGB ist anspruchsvoll und in einer Klausur wohl nur von den besseren Bearbeitern (wenn überhaupt) zu erwarten. Wer die Grundzüge des AGB-Rechts aber verstanden hat, der wird auch ohne den § 309 Nr. 9 lit. a BGB eine sehr solide Leistung hinlegen können, zumal die Literatur und Rechtsprechung bisher gute Argumente angeführt hat, die gegen eine längere Laufzeit von Fitness-Studioverträgen sprechen. Im Mittelpunkt stände bei der Bearbeitung in jedem Fall die Auslegung von Ziff. 7 des Vertrags und die Frage, ob eine „unangemessene Benachteiligung“ hinsichtlich des Kündigungsrechts gegeben ist.
 

25.03.2012/5 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2012-03-25 12:24:442012-03-25 12:24:44BGH: Zur Mindeslaufzeit eines Fitness-Studiovertrags und zur außerordentlichen Kündigung
Nicolas Hohn-Hein

Arbeitsrecht: Hohe Anforderungen an außerordentliche Kündigung bei Veröffentlichung eines (Büro-) Romans durch den Arbeitnehmer

Arbeitsrecht, Zivilrecht

Eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts Herford (Az. 2 Ca 1394/10 – Urteil vom 18.02.2011) beschäftigt sich mit der Frage, ob einem Arbeitnehmer gekündigt werden kann, wenn dieser einen Roman veröffentlicht, der starke Bezüge zum Büro-Alltag des Autors aufweist. Der Fall wird im Folgenden anhand des typischen Aufbaus einer Kündigungsschutzklage dargestellt entsprechend einer möglichen Fallstellung in einer Examensklausur.
Sachverhalt
K ist Angestellter der Küchenmöbel-Firma B. Ende Oktober 2010 hatte K ein Buch mit dem Titel „Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht“ veröffentlicht. Darin beschreibt der fiktive Ich-Erzähler „Jockel Beck“ seine Erfahrungen als Angestellter in einem ebenfalls fiktiven Unternehmen, das zumindest ähnliche Unternehmensstrukturen wie die der B aufweist. Die Erlebnisse und Gespräche des Erzählers mit den Angehörigen des Unternehmens, sowie deren besonderen Eigenheiten sind Gegenstand zahlreicher satirisch überspitzter Darstellungen und sollen den Leser unterhalten. Die Geschäftsleitung der B erfährt am 29.10.2010 von dem Roman und dessen Inhalt.
Der Vorgesetzte (V) ist erbost und kündigt dem K – nach erfolgter Anhörung und mit Zustimmung des Betriebsrats am 08.11.2010 – fristlos mit Schreiben vom 10.11.2010, welches ihm noch am selben Tag zugeht. Als Begründung heißt es später, das Buch sei unmittelbar eine reale Beschreibung seines Büroalltags. Zahlreiche Angestellte würden eindeutig lächerlich gemacht und diskriminiert. Bezüglich einer bestimmten Mitarbeiterin – im Betrieb von Kollegen und im Buch als „Fatma“ bezeichnet – ließe sich eine der Romanfiguren eins zu eins übertragen. Im Übrigen habe K durch sein Werk für erhebliche Unruhe und Aufregung in der Belegschaft gesorgt. Man befürchte einen regelrechten „Aufstand“ unter einigen Mitarbeitern im betrieblichen Umfeld des K, wenn dieser auch weiterhin weiterbeschäftigt werden würde. Konkrete Anhaltspunkt habe man hierfür nicht, jedoch spreche die „allgemeine Stimmunglage“ stark dafür. Viele Angestellte fühlten sich in ihren Gefühlen verletzt. Im Ergebnis seien die Darstellungen des Klägers in dem Buch als ausländerfeindlich, ehrverletzend, beleidigend und sexistisch einzustufen. Nicht nur der Wiederherstellung des Betriebsklimas, sondern auch der Abwendung einer Rufschädigung des Unternehmens sei es geschuldet, dem K eine Weiterbeschäftigung zu versagen.
K kann die ganze Aufregung nicht verstehen. In dem Buch werde explizit im Vorwort darauf hingewiesen, dass sämtliche beschriebene Personen, deren Namen und die jeweiligen Situationen frei erfunden und damit nicht identifizierbar seien. Es handele sich gerade nicht um ein Sachbuch mit einem realen Hintergrund. Überdies habe K das Buch in seiner Freizeit verfasst, sodass schon kein ausreichender Bezug zu seiner Stellung als Arbeitnehmer bestehe. Außerdem stimme die Beschreibung der besagten Angestellten mit der realen Person nicht überein. Es gebe zwar in der Tat eine Angestellte, die in seinem Büroalltag despektierlich „Fatma“ genannt werde, für diese Äußerungen sei K jedoch nicht verantwortlich. Was den Betriebsfrieden angehe, so habe V gezielt „Stimmung“ gegen K gemacht, indem dieser – was zutrifft – mit Auszügen aus dem Buch durch den Betrieb gelaufen sei und die Angestellten dazu befragt hat, ob sie sich in dem Roman wiederfinden und ggf. beleidigt fühlten. Insgesamt beruft sich K auf sein Grundrecht aus Art.5 Abs.3 GG.
K legt fristgemäß Kündigungsschutzklage bei dem zuständigen Arbeitsgericht ein. Von der Zulässigkeit der Klage ist auszugehen. Hat die Klage des K Erfolg?
Der folgende Lösungsvorschlag erhebt keinen Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit.
Lösungvorschlag
Die Kündigungsschutzklage des K müsste begründet sein.
I. Zugang einer schriftlichen Kündigung, § 623 BGB.
Dem K ist am 10.11.2011 ein Schreiben der B zugegangen (§ 130 Abs.1 BGB), in dem zum Ausdruck kommt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen K und B enden soll. Damit ist eine schriftliche Kündigung gegeben. (Der Arbeitnehmerstatus des Betroffenen nach § 5 ArbGG ist in der Regel unproblematisch)
II. Keine Präklusion, §§ 4, 7 KSchG
Da K noch am Folgetag nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim zuständigen Gericht erhoben hat, ist die Wirksamkeitsfiktion gemäß §§ 4, 7 KSchG nicht eingetreten.
III. Wirksamkeit der Kündigung nach den allgemeinen Regeln des BGB
Ferner müssten die allgemeinen Regeln des BGB über die Wirksamkeit von Willenserklärungen eingehalten worden sein. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Sachverhalt ist hiervon vorliegend auszugehen. (Andere Unwirksamkeitsgründe: Stellvertretung, Bedingungsfeindlichkeit, Geschäftsfähigkeit etc.)
IV. Sonderkündigungsschutz
Der Betrieb der B verfügt über einen Betriebsrat. Nach §§ 102, 103 Abs.1 BetrVG ist der Betriebsrat vor Aussprache einer außerordentlichen Kündigung anzuhören und seine Zustimmung einzuholen. Ansonsten wäre die Kündigung unwirksam und B müsste einen entsprechenden Antrag nach § 103 Abs.2 BetrVG beim Arbeitsgericht stellen. Hier wurde der Betriebsrat rechtzeitig am 08.11.2010 angehört und dessen Zustimmung abgewartet. Die Voraussetzungen für die Beteiligung des Betriebsrats sind damit erfüllt. (Andere Schutzmöglichkeiten: MuSchG, AGG, BEEG, § 613a IV 1 BGB, §§ 85, 91 SGB IX)
V. Materielle Voraussetzungen der Kündigung
(Die weitere Prüfung richtet sich danach, ob es sich um eine ordentliche oder außerordentliche, fristlose Kündigung handelt. Hier: Außerordentliche fristlose Kündigung nach § 626 BGB)
1. Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs.2 BGB
Die zweiwöchige Kündigungsfrist müsste eingehalten worden sein. Die Geschäftsleitung hat am 29.10.2010 von dem Buch und dessen Inhalt Kenntnis erlangt. Gemäß § 187 Abs.1 BGB beginnt die Frist am darauf folgenden Tag, dem 30.10.2010. Fristende ist damit der Ablauf des 12.11.2010 um 23:59, § 188 Abs.2 BGB (siehe auch unten in den Kommentaren). Vorliegend ist dem K das Schreiben am 10.11.2010 und damit noch innerhalb der Frist zugegangen.
2. „Wichtiger Grundes“ nach § 626 Abs.1 BGB
Damit die außerordentliche fristlose Kündigung wirksam ist, ist ein „wichtiger Grund“ gemäß § 626 Abs.1 BGB erforderlich. Es müssen daher Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Ein bestimmter Sachverhalt muss zunächst objektiv geeignet sein, die Beendigung des Dienstverhältnisses zu begründen. Sodann ist zu klären, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (Zwei-Schritt-Prüfung).
a) Grund: Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Angestellten
Ein Kündigungsgrund könnte darin liegen, dass K das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs.1 GG verletzt haben könnte. Das wäre der Fall, wenn der Betroffene erkennbar Gegenstand einer medialen Darstellung gemacht wird.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im sogenannten Esra-Fall (ein autobiographischer Liebesroman von Maxim Biller) ist bei der Abwägung mit dem Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG auf die mögliche Erkennbarkeit der realen Person in der Gestalt des im Roman fiktionalen Protagonisten abzustellen. Erst wenn bei solchen Biographien ohne wesentliche Abweichung von der Wirklichkeit eine Darstellung einer real existierenden Person erzielt wird, liegt ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor. Dabei ist zu beachten, dass die Kunstfreiheit das Recht zur Verwendung von Vorbildern aus der Lebenswirklichkeit positiv mit einschließt – so ausdrücklich das BVerfG).
Für den Fall, dass Persönlichkeitsrechte betroffen sind, ist zu fragen, ob der hohe Stellenwert der Kunstfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG Beeinträchtigungen von Persönlichkeitsrechten im Wege der Wechselwirkung möglicherweise rechtfertigt. Hierbei hat das Bundesverfassungsgericht eine kunstspezifische Betrachtungsweise angelegt, um einen etwaigen Wirklichkeitsbezug des Romans zu ermitteln. Das Bundesverfassungsgericht vermutet dabei zugunsten des Autors eine Fiktionalität des Werkes. Etwas anderes gilt erst dann, wenn der Romanautor einen Faktizitätsanspruch selbst erhebt; […]
Kann dabei ein objektiv besonnener und verständiger Leser erkennen, dass sich der Romantext nicht in einer reportagenhaften Schilderung einer realexistierenden Person und von realen Ereignissen erschöpft, sondern vielmehr auf einer dahinterliegenden Ebene spielt, so können Persönlichkeitsrechte nach der oben benannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht betroffen sein.

Gerade einem Satire-Roman ist es zu eigen, dass er Sachverhalte überspitzt und bewusst übertrieben darstellt und den Leser auf bestimmte Themen hinweist, indem er ihn zum Lachen bringt. Ob sie dem guten Geschmack entspricht, ist aufgrund von Art. 5 Abs.3 GG nicht Gegenstand der Beurteilung.
Im vorliegenden Fall hat K im Vorwort des Buches ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Roman um eine reine Fiktion handelt.

Es fehlt eine substantielle Darlegung, dass die der Romanfigur (als Ich-Erzähler) zuzuschreibenden Verhaltensauffälligkeiten (incl. der vermeintlichen Erfüllung von Straftatbeständen) irgendeinen tatsächlichen Bezug und Wahrheitsgehalt zu real existierenden Personen im Betrieb der Beklagten hat. Nach der Logik der Beklagten hätten dann noch zahlreiche weitere Kündigung angedacht werden müssen. Aber die Beklagte erkennt dieses Dilemma im Kernpunkt selbst, als sie in ihrer Begründung der Kündigung die Vermischung von Realität und Fantasie immer wieder selbst feststellt.Weiterhin lassen reicht eine allgemeine Ähnlichkeit mit dem Unternehmen der B nicht aus, um einen entsprechenden direkten Bezug herzustellen.Die Beklagte übersieht, dass sich die im Buch aufgegriffenen Betriebsstrukturen auch in anderen Betrieben wieder finden lassen: Geschäftsführer, Betriebsrat, Buchhaltungsabteilung, Verkaufsabteilung, Einkaufsabteillung usw. sind den meisten Firmenstrukturen immanent. In vielen Firmen werden sich auch Mitarbeiter anderer Nationalitäten als der Deutschen finden lassen; es wird auch des Öfteren Mitarbeiter mit Haarzöpfen geben.

Auch reichen nur teilweise Übereinstimmungen zu realen Personen nicht aus. Vielmehr muss die Romanfigur im Ganzen der realen Person entsprechen. Sowohl innere, als auch äußere Merkmale müssen sich dabei im Roman niedergeschlagen haben. Dies ist bei der als „Fatma“ betitlten Mitarbeiterin aber nicht erkennbar geworden.

Wie bereits oben darauf hingewiesen ist der Umstand, dass Teile der Arbeitnehmerschaft der Beklagten Romanfiguren auf das äußere Erscheinungsbild und in einem Fall zusätzlich auf die Nationalität reduzieren, ohne die Gesamtperson und Handlungen aus der Realität dabei im Auge zu behalten, ist ein Defizit im Ausgangspunkt zur Aussprache und Vorbereitung der außerordentlichen Kündigung vom 10.11.2010. Nach Art der „Rosinen-Theorie“ werden nur solche vermeintliche Übereinstimmungen aus dem Buch mit der Lebenswirklichkeit herausgepickt, die für sich einen ersten Rückschluss auf eine mögliche Person im Betrieb zulassen. Dabei wird beklagtenseitig das äußere Erscheinungsbild der Person von dem inneren Erscheinungsbild (Charakter, Psyche, usw.) völlig losgelöst beurteilt. Statt ein Gesamtbild der im Roman dargestellten Persönlichkeiten wahrzunehmen, wird auf ein paar krass ins Auge springender Einzelheiten reduziert. Erst diese Reduzierung und die anschließende, darauf basierende Gleichschaltung von Romanfigur zu möglicherweise real existierenden Personen kann das Vorgehen der Kollegen und der Beklagten erklären, rechtfertig aber keine außerordentliche Kündigung.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Angestellten wurde folglich nicht verletzt. Ein entsprechender Kündigungsgrund ist nicht gegeben.
b) Grund: Nebenpflichtverletzung des K
K könnte eine Nebenpflicht nach § 241 Abs.2 BGB verletzt haben, indem nach der Romanveröffentlichung zu „Unruhen“ unter der Belegschaft gekommen ist.

Üblicher Weise werden unter dem Begriff Betriebsfrieden Störungen eines Arbeitnehmers gezählt, der Arbeitskollegen zu oppositionellen Verhalten gegen den Arbeitgeber, zum Vertragsbruch etc. aufwiegelt und versucht, bewusst den Betriebsfrieden zu stören. In einer solchen Situation wäre die Rücksichtnahmepflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitskollegen verpflichtet. Er hat die Privatsphäre von Arbeitgeber und Arbeitskollegen zu beachten. Private Konflikte dürfen nicht in den Betrieb übertragen werden. Wird der Betriebsfrieden durch aktive Handlungen gestört, die das friedliche Zusammenarbeiten der Arbeitnehmerschaft untereinander und mit dem Arbeitgeber erschüttern oder nachhaltig beeinträchtigen und nachteilige betriebliche Auswirkungen etwa durch eine Störung des Betriebsablaufs haben, kann eine verhaltensbedingte, ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein.
Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass das Verhalten dem Arbeitnehmer als Vertragspflichtverletzung vorwerfbar ist. Auch dürfen die Grundrechte des Arbeitnehmers insbesondere seine Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG nicht unverhältnismäßig beschränkt werden. Eine außerordentliche Kündigung kommt wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erst bei schwerwiegenden Störungen des Betriebsfriedens oder des Arbeitsablaufs in Betracht. Im Übrigen trifft den Arbeitgeber bei Streitigkeiten unter Arbeitnehmern, die einen geordneten Betriebsablauf gefährden können, eine besondere Vermittlungspflicht.

Folglich fehlt es auch in dieser Hinsicht an einem wichtigen Grund nach § 626 Abs.1 BGB.
c) Grund: sog. Druck-Kündigung
Es könnte ein Fall der Druck-Kündigung vorliegen, wenn sich der Arbeitgeber gezwungen sieht, einem bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen, da ansonsten mit erheblichen Konsequenzen seitens der Belegschaft, des Betriebsrats oder Kunden des Arbeitgebers (Kündigung, Verweigerung der Zusammenarbeit, Abbruch der Geschäftsbeziehungen) zu rechnen wäre. Hierbei wird zwischen der unechten Druck-Kündigung und der (echten) Druckkündigung aus betriebsbedingten Gründen unterschieden. Während bei der ersten Variante das Entlassungsbegehren objektiv aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen nach § 1 Abs.2 S.1 KSchG gerechtfertigt ist, basiert die betriebsbedingte Druck-Kündigung auf außer- oder innerbetrieblichen Umständen.
Eine unechte Druckkündigung kommt hier nicht in Betracht, da im Verhalten oder in der Person des K keine Pflichtverletzungen zu erkennen sind (s.o.). K kann sich dahingehend auf sein Recht aus Art. 5 Abs.3 GG berufen.
Es könnte sich jedoch um eine betriebsbedingte Druck-Kündigung handeln.

Die Fälle einer betriebsbedingten Druck-Kündigung sind dagegen selten und werden teilweise sogar ganz abgelehnt. […] Letzteres vor allem vor dem Hintergrund, dass das Recht nicht dem Unrecht weichen muss. Die Frage die sich bei betriebsbedingten Druck-Kündigungen auftut ist, ob bei rechtswidrigen Drohungen es dem Arbeitgeber zumutbar sein kann, den Eintritt erheblicher Schäden zu riskieren, wenn ein milderes Mittel als die Kündigung fehlt.[…] Weitere Voraussetzungen einer betriebsbedingten Druck-Kündigung ist, dass der Arbeitgeber sich zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellt und alle zumutbaren Mittel einsetzt, um die Belegschaft und die Person, von denen der Druck ausgeht, von ihrer Drohung abzubringen. Konkrete Darlegungen hierzu lassen die Betriebsratsanhörung und der Prozessvortrag vermissen.
Sollten hinter dem (Druck-)Kündigungsbegehren gar diskriminierende Motive des Arbeitnehmers stehen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die ihm gem. § 12 AGG gegenüber Arbeitnehmern und nach § 19 AGG gegenüber Geschäftspartnern zustehenden Abwehrmöglichkeiten auszuschöpfen. Nur wenn trotz allem ein bestimmtes angedrohtes Verhalten nicht zu verhindern ist und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Beeinträchtigungen drohen würden, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei muss die Kündigung nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit das Einzige in Betracht kommende Mittel sein, um etwaige Schäden abzuwenden.
[…]Die Berufung des Beklagten darauf, dass nach Aussage aller Abteilungsleiter es im Fall einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zu einem „Aufstand“ kommen würde, ist kein ausreichender Sachvortrag für die Annahme, dass eine außerordentliche Druck-Kündigung unumgänglich gewesen ist am 10.11.2010.

Ergebnis: Ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs.1 BGB ist nicht gegeben. Die außerordentliche fristlose Kündigung der B ist damit unwirksam. Die Klage des K ist begründet. (Zur Möglichkeit einer Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung, siehe unten)
Fazit
Die Kündigungsschutzklage sollte man kennen. Sobald der gängige Aufbau einmal verinnerlicht wurde, wird der Schwerpunkt der Prüfung regelmäßig in der Behandlung der möglichen Kündigungsgründe liegen. Dabei handelt es sich meist um eine Abwägungsentscheidung, die stets in zwei Schritten zu prüfen ist: Ist der Kündigungsgrund objektiv geeignet, eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen? Wenn ja, gilt dies auch für den konkreten Einzelfall unter Abwägung der jeweiligen Interessen der Vertragspartner? Geht die außerordentliche fristlose Kündigung nicht durch, sollte man die Möglichkeit einer Umdeutung (§ 140 BGB) in eine vorsorgliche fristwahrende ordentliche Kündigung im Hinterkopf behalten. Dies wird in der Regel möglich und von der Zustimmung des Betriebsrats – wenn vorhanden – gedeckt sein (da ein „minus“ zur außerordentlichen fristlosen Kündigung; umgekehrt dagegen nicht, vgl. auch HK-ArbR/Braasch § 626 Rz. 43f).
Um den Rahmen des Beitrags nicht zu sprengen und da die Umdeutungsmöglichkeit in der Entscheidung nicht in Erscheinung tritt, wurde von einer Prüfung abgesehen. Nach allgemeiner Ansicht darf das Arbeitsgericht eine solche Umdeutung jedenfalls nicht von Amts wegen vornehmen. In der Regel werden entsprechende Hinweise im Sachverhalt anzutreffen sein.
Der Fall eignet sich gut für eine Examensklausur, da typische Probleme des Arbeitsrechts mit grundrechtlichen Überlegungen (APR, Kunstfreiheit) verknüpft werden.

08.04.2011/2 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2011-04-08 00:00:522011-04-08 00:00:52Arbeitsrecht: Hohe Anforderungen an außerordentliche Kündigung bei Veröffentlichung eines (Büro-) Romans durch den Arbeitnehmer
Dr. Johannes Traut

Emmely greift um sich – Änderung der Rechtsprechungspraxis zur außerordentlichen Kündigung?

Arbeitsrecht, Zivilrecht

Über die ersten Auswirkungen des Emmely-Urteils wurde bereits berichtet (vgl. beck-blog v. 6.8.2010). Jetzt scheinen sich auch die Gerichte der neuen Linie des BAG anzupassen. Über einen Fall vor dem LAG Berlin-Brandenburg wurde bereits berichtet. Nun hat auch das LAG Hamm eine Bagatellkündigung für unwirksam erklärt (Urteil v. 4.11.2010  – 8 Sa 711/10, hier die Pressemitteilung, hier der Bericht bei beck aktuell. Die folgende Darstellung beruht auf der Schilderung in der Pressemitteilung).
Einem Mitarbeiter des Studentenwerkes Bochum wurde gekündigt, weil er angeblich Pommes Frittes und insgesamt vier Frikadellen gestohlen haben soll. Zunächst nahm er beim Durchgang durch die Mensa Pommes Frittes und zwei Frikadellen an sich. Er wurde von einem Vorgesetzten auf die Unzulässigkeit seines Tuns aufmerksam gemacht. Daraufhin nahm der Mitarbeiter weitere zwei Frikadellen an sich und begab sich in einen Pausenraum.  Der Vorgesetzte forderte ihn unmittelbar danach zu einem Gespräch auf, zu dem er sich jedoch nur unter Hinzuziehung eines weiteren Vorgesetzen bereit fand.
Das Studentenwerk Bochum kündigte dem Arbeitnehmer fristlos, gestützt auf den Diebstahl, hilfsweise einen Diebstahlsverdacht, und die Weigerung, der Anweisung des Vorgesetzen zum Gespräch zu folgen.
Das LAG Hamm hält die Kündigung für unwirksam:

„Auch wenn man das Vorbringen der Beklagten als wahr unterstellt, ist die Kündigung unwirksam.
Das Gericht ist zunächst davon ausgegangen, dass der behauptete Verzehr der Pommes frites und der Frikadellen im vorliegenden Fall keinen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung darstellen könne. Dabei sind insbesondere die 19-jährige Betriebszugehörigkeit und der Umstand, dass der Kläger nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes nur noch außerordentlich kündbar ist, zu berücksichtigen. Aber auch die von der Beklagten vorgetragene Weigerung des Klägers ins Büro zu kommen, kann die fristlose Kündigung nicht rechtfertigen. Als milderes Mittel hätte zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen, die dem Kläger als letzte Warnung die Möglichkeit gegeben hätte, das behauptete Verhalten zu überdenken.“

Das Urteil ist interessant, weil es die mit dem „Paradigmenwechsel“, den der Fall Emmely nach Sicht vieler Beobachter gebracht hat, verbundenen Unwägbarkeiten aufzeigt. Zur kritischen Diskussion in der mündlichen Prüfung eignet es sich M.E. recht gut. Man kann selbstverständlich der Entscheidung des LAG Hamm folgen und liegt damit im akutellen Trend. Man kann aber auch dagegen argumentieren:
– Anders als in den Fällen, in denen dem Arbeitgeber kein Vermögensschaden entstand, etwa weil ohnehin wegzuwerfende Maultauschen gegessen wurden, ist hier ein meßbarer (Vermögens-)Schaden entstanden. Und er liegt durchaus im Bereich von einigen Euro (man vergleich die Preise in der eigenen Mensa), nicht etwa im Cent-Bereich wie beim Aufladen von Handys im Büro. Beim Fall Emmely ist die Frage der Schädigung nicht ganz klar. Man kann zumindest darauf verweisen, dass der Arbeitgeber die Pfandbons normalerweise ohnehin hätte einlösen und den entsprechenden Betrag hätte bezahlen müssen.
– Das ArbG Bochum hatte entscheidend darauf abgestellt, dass möglicherweise kein Diebstahl vorlag, weil der Vorgesetze jederzeit hätte einschreiten können (vgl. dazu die Pressemitteilung zur Ankündigung der Entscheidung). Kann das einen Unterschied machen? Wohl kaum. Es kommt für die außerordentliche Kündigung darauf an, ob ein wichtiger Grund vorliegt. Der wichtige Grund liegt nicht eigentlich darin, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber (marginal) geschädigt hat, sondern dass er die Vertrauensgrundlage des Vertrages gestört hat und es dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, den Vertrag ohne dies Grundlage fortzusetzen.
Vgl. BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09 Leitsatz 2 und auch Rn. 27:

Das Gesetz kennt auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers keine absoluten Kündigungsgründe. Es bedarf stets einer umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung dahingehend, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung – zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.

Es kommt also bei der Prognoseentscheidung primär auf das Vertrauen an. Ist das stärker geschädigt, wenn der Arbeitnehmer etwas heimlich tut oder wenn er sogar in Anwesenheit seines Vorgesetzten Regeln bricht? Man kann hier in beide Richtungen argumentieren. Einerseits ist es natürlich noch wichtiger, dass der Arbeitnehmer dort, wo er nicht kontrolliert wird, Regeln einhält; kann man das aber andererseits von jemand erwarten, der schon bei Anwesenheit des Chefs sich nicht daran hält?
Im Fall Emmely hat das BAG darauf verwiesen, dass die Vorgesetzte das Verhalten von Frau Emme hingenommen hatte oder zumindest nicht eingeschritten ist, obwohl sie erkennen musste, was Frau Emme tat (Rn. 45):

Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt – wie etwa der vermeintlich unbeobachtete Griff in die Kasse – auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

Im vorliegenden Fall kann man jedoch sagen, dass es nicht besser sein kann, wenn der Arbeitnehmer sogar entgegen der ausdrücklichen Anweisung eines Vorgesetzten handelt. Im Fall der Frau Emme war die Vorgesetzte eben nicht eingeschritten.
– Im Hinblick auf die Prognoseentscheidung ist noch zu beachten, dass derArbeitnehmer ordentlich unkündbar war nach dem anwendbaren Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Deshalb kann es zu einer Verschiebung der Betrachtungsmaßstäbe kommen: Bei Dauertatbeständen oder Vorfällen mit Wiederholungsgefahr kann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung dagegen eher unzumutbar sein als bei einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer (s. MüKoBGB/Henssler, 5. Aufl. 2009, § 626 Rn. 114).
Kleiner Exkurs: Ordentlich unkündbare Arbeitnehmer können nur außerordentlich nach § 626 Abs. 1 BGB gekündigt werden. Diese Kündigung ist fristlos. Bei ordentlich kündbaren Arbeitnehmer ist deshalb nach dem Ultima-Ratio-Prinzip nur zulässig, wenn dem Arbeitgeber noch nicht einmal das Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Bei „unkündbaren“ Arbeitnehmer besteht diese Alternative nicht. Was ist also, wenn ihr Fehlverhalten bei einem normalen Arbeitnehmer nicht für eine außerordentliche, wohl aber für eine ordentliche Kündigung reichen würde? Dann erlaubt die Rspr. auch hier die außerordentliche Kündigung, allerdings verbunden mit einer „Auslauffrist“, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht.
Für die Frage, ob einem unkündbaren Arbeitnehmer nach § 626 Abs. 1 BGB verhaltensbedingt gekündigt werden kann, muss man also mit einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer vergleichen. Kann diesem fristlos außerordentlich gekündigt werden, dann auch dem unkündbaren. Kann jenem dagegen nur „normal“ gekündigt werden, dann diesem dennoch außerordentlich, aber mit der üblichen Kündigungsfrist entsprechender Auslauffrist.
Im Einzelfall ist jedoch dann noch eine etwas andere Abwägung vorzunehmen, weil die Tatsache der Unkündbarkeit sowohl zu Gunsten wie auch zu Lasten des unkündbaren Arbeitnehmers in die Abwägung einfließen können (vgl. auch dazu MüKoBGB/Henssler, 5. Aufl. 2009, § 626 Rn. 111ff.)
– Bereits die Weigerung, Weisungen zu befolgen, kann einen Kündigungsgrund darstellen.

09.11.2010/0 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2010-11-09 17:12:322010-11-09 17:12:32Emmely greift um sich – Änderung der Rechtsprechungspraxis zur außerordentlichen Kündigung?
Samuel Ju

Arbeitsrecht: Kündigung wegen Diebstahls von sechs Maultaschen rechtens

Arbeitsrecht, Zivilrecht

Kündigungen wegen Bagatelldelikten haben in der letzten Zeit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt: Einem Arbeitnehmer wurde gekündigt, weil er sein Handy an seinem Arbeitsplatz aufgeladen hatte. Einer Sekretärin wurde gekündigt, weil Sie eine Frikadelle und zwei Brötchenhälften gegessen hatte. Demnächst verhandelt das BAG den Fall „Emmely“ – einer Kassiererin, der wegen zweier Leergutbons im Wert von 1,30 Euro gekündigt wurde. Das LAG Berlin hatte die Kündigungsschutzklage der Mitarbeiterin abgewiesen und damit bundesweit für Empörung gesorgt.
Über die Fälle hatten wir ja im Einzelnen bereits berichtet. Einen Überblick findet Ihr in der Kategorie Arbeitsrecht.
Das Arbeitsgericht Radolfzell am Bodensee entschied am vergangenen Freitag, dass die Mitarbeiterin eines Seniorenheims wegen Diebstahls von sechs Maultaschen (Wert: drei bis vier Euro), die nach der Verpflegung der Heimbewohner übriggeblieben waren, zu Recht entlassen worden ist. Der Anwalt der städtischen Spitalstiftung Konstanz hatte betont, dass das Vertrauensverhältnis zerstört sei, so dass eine Weiterbeschäftigung unmöglich sei. Gegen die fristlose Kündigung nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit hatte die 58-Jährige geklagt. Die Klage wurde jedoch abgewiesen.
Anders als in den anderen Kündigungen wegen Bagatelldelikten war hier jedoch, dass die Angestellte gegen eine ausdrückliche Anweisung des Arbeitgebers verstoßen habe, dass man sich nicht am Essen der Heimbewohner bedienen dürfe, da die Mitarbeiter Verpflegungsgeld erhielten. Im Urteil heißt es: „Der einzelne Arbeitnehmer kann nicht seinen Willen nach Gutdünken und gegen ein bestehendes Verbot über denjenigen des Arbeitgebers stellen.“
Der Verteidiger der Altenpflegerin hatte den Standpunkt vertreten, angesichts der langen Beschäftigung der 58-Jährigen wäre eine Abmahnung ausreichend gewesen. Das Arbeitsgericht hatte zuvor zu vermitteln versucht. Die Pflegerin sollte eine Abfindung von 25.000 Euro bekommen, wenn sie die Kündigung annimmt. Das lehnte die Frau jedoch ab. Sie wollte ihren Teilzeitjob behalten. Die 58-jährige Altenpflegerin, die nun seit der Kündigung Ende April noch keinen neuen Job gefunden hat, wird nach Angaben ihres Rechtsanwalts wohl Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Radolfzell einlegen.
Examensrelevanz
Angesichts der sich häufenden Fälle von Kündigungen wegen Bagatelldelikten sollte man sich auch für das Examen die relevanten Normen zur Kündigung im Arbeitsrecht und zur Kündigungsschutzklage im Kündigungsschutzgesetz anschauen. Erst kürzlich – Anfang September – kam an einem JPA in NRW im Vortrag ein Fall aus dem Arbeitsrecht (u.a. Verdachtskündigung, Kündigungsschutzgesetz) dran. In Hessen kommt in der dritten Zivilrechtsklausur entweder Handels- und Gesellschaftsrecht oder aber Arbeitsrecht dran. Im Arbeitsrecht auf Lücke zu lernen, ist daher wohl im Moment nicht angesagt.

20.10.2009/1 Kommentar/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2009-10-20 22:03:272009-10-20 22:03:27Arbeitsrecht: Kündigung wegen Diebstahls von sechs Maultaschen rechtens
Dr. Christoph Werkmeister

Gefeuert wegen einer Frikadelle

Arbeitsrecht, Zivilrecht

Der Sachverhalt
Nur weil die Chefsekretärin ein Frikadellen-Brötchen von einem Buffet zu sich nehmen wollte, wurde die 59-Jährige nach 35 Jahren im Betrieb fristlos gekündigt. Gegen die Entlassung zieht die Gekündigte nun vor Gericht.
Rechtlich
Mal wieder ein klassischer Fall von Bagatelldiebstahl. Insofern dürfte die Kündigung in Anlehnung an die bisher ergangene Rechtsprechung wirksam sein. In letzter Zeit häufen sich diese medienwirksamen Fälle ja beinahe schon.
Da wir ebenso oft schon über solche Fälle berichtet haben, hier nochmal die Links zu den jeweiligen Artikeln mit teils recht ausführlicher Analyse.
Diebstahl von Brotaufstrich
Aufladen vom Handy am Arbeitsplatz
Der Emmely-Prozess – 1,30 Pfandbons
Examensrelevanz
Angesichts der Fülle an Fällen würde es mich nicht wundern, bald mal wieder einen solchen Fall als Examensklausur zu sehen. Die Relevanz für die mündliche Prüfung brauche ich wohl nicht erst erwähnen.

07.10.2009/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2009-10-07 21:08:182009-10-07 21:08:18Gefeuert wegen einer Frikadelle
Dr. Stephan Pötters

Außerordentliche Kündigung wegen „Diebstahl“ von Brotaufstrich?

Arbeitsrecht, Strafrecht

Der Diebstahl geringwertiger Sachen als Anlass für eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses hat sich mittlerweile zu einem echten Dauerbrenner entwickelt. Nachdem wir bereits ausführlich über den Pfandbon-/Emmely-Fall berichtet haben, folgt nun ein neuer Sachverhalt, bei dem allerdings im Unterschied zur Pfandbon-Geschichte keine Verdachtskündigung vorlag, sondern der Diebstahl bewiesen war.
LAG Hamm: Kündigung unverhältnismäßig
Das LAG Hamm (Urteil vom 18.09.2009 – 13 Sa 640/09) entschied nun, dass eine außerordentliche Kündigung unverhältnismäßig sei, wenn ein Bäcker lediglich den Brotaufstrich seiner Arbeitgebers verzehrt habe, ohne diesen zuvor zu bezahlen. Methodisch lässt sich dies im Gutachten im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall festmachen.
Nachdem die Rechtsprechung in letzter Zeit noch sehr streng bei ähnlichen Sachverhalten war, scheint sich nun eine etwas großzügigere Haltung durchzusetzten.
Der Fall gibt Anlass, sich noch einmal mit den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung im Arbeitsrecht auseinander zu setzen (der Emmely-Fall kam letzten Monat im Vortrag in der mündlichen Prüfung in NRW dran!).  Aus strafrechtliches Sicht ist noch interessant, ob beim Verzehr fremder Sachen überhaupt ein Diebstahl vorliegt. Man könnte insofern an der Zueignungsabsicht zweifeln. Grundsätzlich fehlt nämlich die Aneignungskomponente, wenn der Täter die Sache direkt zerstören möchte (dann lediglich Sachbeschädigung). Die beabsichtigte Zerstörung einer Sache kann aber ausnahmsweise die Aneignungskomponente begründen, wenn der Täter gerade durch die Zerstörung den wirtschaftlichen Wert der Sache erlangen will. Dies ist nach ganz hM beim Verzehr fremder Sachen der Fall. Das Sich-Einverleiben sei eine besonders starke Form des Sich-Zueignens.

19.09.2009/2 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-09-19 09:29:082009-09-19 09:29:08Außerordentliche Kündigung wegen „Diebstahl“ von Brotaufstrich?
Dr. Christoph Werkmeister

Kündigung wegen unerlaubtem Aufladen eines Handys am Arbeitsplatz

Arbeitsrecht, Zivilrecht

Aktuelle Entwicklung des Falls:
Nachtrag zum Artikel Handy am Arbeitsplatz aufgeladen: Kündigung – 1,30€ reloaded?. Zum Thema Kündigungsschutzklage im Fall „Emmely und 1,30€“ schaut Ihr euch am besten zusätzlich noch diesen Artikel an.
Der Arbeitgeber hat in dem o.g. Fall aufgrund der Angst vor negativen Schlagzeilen die Kündigung „zurückgezogen“. Dabei gilt es zu beachten, dass man eine Kündigung rechtlich gesehen gar nicht zurückziehen kann. Eine Kündigung ist eine Gestaltungserklärung, die – wenn sie wirksam ist – auch ihre Gestaltungswirkung entfaltet. Sodann kommt nur noch eine Wiedereinstellung durch den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages in Betracht. Wenn die Kündigung hingegen unwirksam ist, entfaltet sie keine rechtliche Wirkung, was bedeutet, dass auch nichts zurückgezogen werden muss.
Weiteres Problem im Fall
In diesem Fall befand sich i.Ü. noch ein weiterer potentieller Kündigungsgrund – der Arbeitnehmer hatte Fotos vom Arbeitsplatz gemacht (lustigerweise auch mit seinem Handy… Fraglich ist, wieviel Megapixel das Gerät wohl hatte…), um diese seinem neugierigem Sohn zu zeigen. Dies könnte eine Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages darstellen.
Um dieses Problem klären zu können, müsste man in einer Klausur beim Fehlen von Angaben im Sachverhalt mittels Auslegung erörtern, ob  es der Inhalt des Arbeitsvertrages verbietet, Aufnahmen des Werksgeländes zu machen (bei Fertigungsstätten oder Forschungsanlagen sicherlich denkbar – nicht hingegen bei der Frittenbude um die Ecke).
Argument der Einheit der Rechtsordnung? Eher nicht…
Ein interessanter Gedanke zu dem Thema, der in einem Artikel der heutigen Ausgabe des Handelsblatts geäußert wurde, könnte außerdem gegen die Praxis des BAG sprechen. Sofern man auch bei geringfügigen Diebstählen etc. bereits einen Kündigungsgrund annimmt, sollte man demnach kritisch hinterfragen, warum Staatsanwälte in der Regel und ohne mit der Wimper zu zucken Delikte bei einem Schaden von 50€ nach § 153 StPO einstellen. Ist es gerechtfertigt Bagatellen in einem Rechtsgebiet streng zu ahnden und dieselbe Handlung nach anderen Maßstäben durchgehen zu lassen? Diese Praxis könnte deshalb der Einheit der Rechtsordnung widersprechen, wobei als Gegenargument natürlich die arbeitsrechtliche Besonderheit des besonderen Vertrauensverhältnisses herangezogen werden kann.
Auf jeden Fall ein diskutabler Punkt, den der Korrektor wohl auch nicht in seiner Lösungsskizze stehen hat, wobei dieser m.E. jedoch auf jeden Fall abzulehnen ist. Das Strafrecht dient nun einmal hauptsächlich dem Rechtsgüterschutz, so dass bei geringfügigen Eingriffen noch keine staatlichen Sanktionierungen notwendig sind. Dementgegen geht es im Arbeitsrecht darum, alle widerstreitenden Interessen in einen gerechten Ausgleich zu bringen.
Examensrelevanz
Wie Ihr seht, birgt das Arbeitsrecht immer wieder neue Probleme und eignet sich deshalb stets für Examensklausuren und die mündliche Prüfung. Der Artikel zeigt, dass neue und zuvor unbekannte Probleme in diesem Bereich sehr häufig auftreten. Im Gegenzug hat man sehr viel Freiraum bei der Argumentation; auch zunächst abwegig erscheinende Gedanken sollten hier nicht direkt verworfen werden, denn mit ein wenig Kreativität lässt sich die Musterlösung in der Regel noch um einige interessante Facetten bereichern, was bei juristisch stichhaltiger Argumentation auch jedem Korrektor gefällt.

12.08.2009/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2009-08-12 21:47:242009-08-12 21:47:24Kündigung wegen unerlaubtem Aufladen eines Handys am Arbeitsplatz

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