Internetsurfen mit einem DSL-Anschluss ist klasse. Solange man die Vorzüge seines DSL-Anschlusses auch wahrnehmen kann. Doch was ist, wenn ich auf einmal umziehen muss, und erst im Nachhinein erfahre, dass am Ort meiner neuen Wohnung gar keine DSL-Leitungen verlegt sind? Kann ich dann den Vertrag mit meinem DSL-Anbieter vorzeitig kündigen?
Wie aus der Pressemitteilung hervorgeht, hat der Bundesgerichtshof dies in seinem Urteil vom 11.11.2010 (III ZR 57/10) verneint. Der Inhaber eines DSL-Anschlusses kann den Vertrag mit seinem Telekommunikationsunternehmen vor Ablauf der vereinbarten Frist nicht kündigen, wenn er an einen Ort umzieht, an dem noch keine DSL-fähigen Leitungen verlegt sind.
Sachverhalt
Der K hatte mit dem beklagten Unternehmen im Mai 2007 einen Vertrag über die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses geschlossen, mit dem er an seinem seinerzeitigen Wohnsitz Zugang zum Internet einschließlich Internettelefonie erhielt. Die Vertragsdauer betrug zwei Jahre. Im November 2007 verzog K in eine im selben Landkreis gelegene andere Gemeinde, wo aber noch keine DSL-fähigen Leitungen gelegt waren, so dass die B nicht in der Lage war, am neuen Wohnort einen DSL-Anschluss zu installieren. Nachdem sie dem K dies schriftlich mitgeteilt hatte, erklärte dieser die „Sonderkündigung“ des Vertrags. Dessen ungeachtet beanspruchte die B weiter die vereinbarte monatliche Grundgebühr. Mit seiner Klage verlangte K die Feststellung, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag durch die Kündigung wirksam beendet wurde und er nicht verpflichtet ist, die geltend gemachten Monatsbeträge zu zahlen.
Lösung
Zwischen K und B ist ein Dienstvertrag i.S.d. §§ 611 ff. BGB zustandegekommen.
Der Vertrag über die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses ist als Dienstvertrag i.S.d. §§ 611 BGB und nicht als Werkvertrag zu qualifizieren.
Zur Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag, was hier nicht Schwerpunkt des Urteils war – wozu man aber im Rahmen einer Klausurlösung ein paar Sätze bringen sollte, hat der BGH in einer Entscheidung vom 23. März 2005 (III ZR 338/04) ausgeführt:
Die werkvertraglichen Regelungen der §§ 631 ff BGB werden dem Bild der geschuldeten Leistungen nicht gerecht. Die Leitungskapazitäten des Providers sind begrenzt, und die Übertragungsgeschwindigkeit schwankt je nach Netzauslastung gleichfalls. Der Anbieter kann daher nicht einen bestimmten Erfolg, das jederzeitige Zustandekommen einer Verbindung in das Internet mit einer bestimmten Datenübertragungsgeschwindigkeit, versprechen, und der Kunde kann einen solchen Erfolg nicht erwarten. Der Provider schuldet daher nur die Bereithaltung des Anschlusses und das sachgerechte Bemühen um die Herstellung der Verbindung in das Internet.
Für die Zuordnung des Zugangsverschaffungsvertrags zum Dienstleistungsrecht spricht neben dem vorgenannten Aspekt die Parallele zu den Telefonfestnetz- und Mobilfunkverträgen, die der Senat als Dienstleistungsverträge qualifiziert (BGHZ 158, 201, 203; Urteil vom 22. November 2001 III ZR 5/01 – NJW 2002, 361, 362; vgl. auch Urteil vom 2. Juli 1998 III ZR 287/97 – NJW 1998, 3188, 3191 f). Die von dem Provider geschuldeten Leistungen, dem Kunden den Zugang zum Internet zu eröffnen und ihm den Austausch von Daten zu ermöglichen, unterscheiden sich nicht wesentlich von denjenigen, die der Anbieter von Telefonnetzen für die Öffentlichkeit zu erbringen hat. Auch dieser schuldet die Herstellung von Verbindungen zwischen dem Kunden und Dritten sowie den Transport von Informationen.
Der Dienstvertrag könnte jedoch durch außerordentliche Kündigung seitens des K beendet worden sein. Dies wäre dann der Fall, wenn der Umzug an einen Ort, wo noch keine DSL-Leitungen gelegt waren und somit die Dienstleistung nicht mehr in Anspruch genommen werden kann, einen wichtigen Kündigungsgrund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellt.
§ 626 Abs. 1 BGB:
„Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.“
Der BGH sieht den Umzug in einen Ort ohne DSL-Leitungen nicht als wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB an.
„Ein solcher (wichtiger) Grund besteht grundsätzlich nicht, wenn er aus Vorgängen hergeleitet wird, die dem Einfluss des anderen Vertragspartners entzogen sind und der Interessensphäre des Kündigenden entstammen.“
Mit anderen Worten: Der K ist selbst schuld, wenn er in einen Ort zieht, wo keine DSL-Leitungen verlegt sind, und muss, obwohl er nur von Mai bis November 2007 den DSL-Anschluss für das Internetsurfen verwenden konnte, von Dezember 2007 bis Ende April 2009 weiterhin die monatlichen Gebühren bezahlen.
Der BGH füttert die Verneinung eines wichtigen Grundes in diesem Urteil dann auch noch mit wirtschaftlichen Argumenten:
„Hinzu trat im Streitfall, dass die vergleichsweise lange Laufzeit des DSL-Anschlussvertrags die wirtschaftliche “Gegenleistung” des Klägers für einen niedrigen monatlichen Grundpreis war und auch ein Vertragsschluss mit kürzerer Laufzeit oder monatlicher Kündbarkeit zu höheren Kosten möglich gewesen wäre. Zudem amortisierten sich die Investitionen des Unternehmens, das dem Kunden insbesondere die notwendige technische Ausrüstung (Router, WLAN-Stick) zur Verfügung stellte, erst innerhalb des zweiten Vertragsjahrs.“
Dieses wirtschaftliche Argument überzeugt meiner Meinung nach nicht vollends. Denn der Trend geht immer mehr dahin, dass DSL-Verträge ohne feste Vertragslaufzeit von 12 oder 24 Monaten angeboten werden. Diese Entwicklung sollte berücksichtigt werden. So mancher Telekommunikationsdienstleister bietet einen DSL Anschluss ohne feste Vertragslaufzeit, mit einer Kündigungsmöglichkeit von 4 Wochen zum Monatsende an und verlangt zusätzlich am Anfang eine Einrichtungsgebühr, die definitiv nicht so hoch ist wie die Höhe der Einnahmen des DSL-Anbieters in diesem Fall von Dezember 2007 bis Ende April 2009.
Es ist also nach der Entscheidung des BGH nun im Prinzip unmöglich, wegen Umzugs seinen DSL-Vertrag vorzeitig zu kündigen. Der K muss bis zum Vertragsende brav weiter bezahlen.
Einen lesenwerten Artikel aus dem Jahr 2008, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt, ist auch hier zu finden. Der Tipp am Ende des Artikels bei PC Welt lautet: Gezielt Provider ohne Mindestlaufzeit wählen. 🙂