Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Ass.iur. Susanne Münch veröffentlichen zu können. Sie beschäftigt sich in ihrem Artikel mit dem Aufenthaltsrecht in der Assessorklausur und konzentriert sich vornehmlich auf examensrelevante Probleme zur Ausweisungsverfügung und zur Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis.
Im Assessorexamen kommt es immer wieder vor, dass Fälle aus dem Bereich des Ausländerrechts geprüft werden, insbesondere aus dem Bereich der Aufenthaltsbeendigung. Der folgende Überblick stellt wiederkehrende Probleme dar und gibt eine erste Orientierungshilfe.
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gem. §40 I VwGO
Dieser ist in diesen Fällen unproblematisch eröffnet. Die Rechtmäßigkeit (RM) sowohl einer Ausweisungsverfügung, als auch beispielsweise der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, beurteilt sich nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).
Statthafte Klageart/Antragsart
Die Ausweisungsverfügung stellt einen belastenden, mit der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt (VA) dar. Im einstweiligen Rechtsschutz ist daher unproblematisch der Antrag nach § 80 V VwGO statthaft.
Nicht ganz so eindeutig ist der Fall der Ablehnung der (Verlängerung der) Aufenthaltserlaubnis. Hier wird grds. eine Begünstigung angestrebt (Aufenthaltserlaubnis), was auf den ersten Blick für eine Verpflichtungsklage bzw. im vorläufigen Rechtsschutzverfahren für eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO spricht.
Hier muss jedoch § 81 IV S.1 AufenthG beachtet werden. Danach gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs allein durch den Verlängerungsantrag als fortbestehend. Die so ausgelöste Verlängerungsfiktion gilt aber nur „bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde“, endet also mit ihrer ablehnenden Entscheidung. Ab diesem Zeitpunkt trifft den Ausländer die gesetzliche Ausreisepflicht des § 50 I AufenthG.
Der Ablehungsbescheid bedeutet danach nicht nur die Vorenthaltung einer Begünstigung, sondern hat bereits selbständig belastende Wirkung, indem er dem Ausländer eine bereits innegehabte Rechtsposition (fingiertes Bleiberecht) wieder entzieht und die gesetzliche Ausreisepflicht auslöst. Der Ablehungsbescheid ist also durchaus einer Suspendierung mit der Folge des „Wiederauflebens“ des Bleiberechts fähig. Nach einhelliger Meinung ist vorläufiger Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines Aufenthaltstitels daher über § 80 V VwGO zu suchen, soweit durch die Ablehnung ein fingiertes Bleiberecht nach § 81 III, IV AufenthG zum Erlöschen gebracht wird. Vorläufiger Rechtsschutz über § 123 VwGO greift nur, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels (aus anderen Gründen als denen der Ablehnung) ohnehin keine Fiktionswirkung zukommt oder diese noch vor der gerichtlichen Entscheidung wieder weggefallen ist.
Der Wegfall der aufschiebenden Wirkung kann bei einer Ausweisungsverfügung zum Beispiel aus § 80 II S.1 Nr.4 VwGO (Anordnung der sofortigen Vollziehung) folgen, hinsichtlich der Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis aus § 80 II S.1 Nr.3 VwGO iVm § 84 I Nr.1 AufenthG.
Die Rechtmäßigkeit einer Ausweisungsverfügung
Rechtsgrundlagen für entsprechende Maßnahme können §§ 53 ff. AufenthG sein.
In formeller Hinsicht sind hier, neben § 28 VwVfG, insbesondere § 71 I AufenthG (Zuständigkeit), § 77 I AufenthG (die Schriftform) und § 72 IV AufenthG (Einvernehmen mit der StA) als Besonderheiten zu beachten.
In materieller Hinsicht muss ein Ausweisungsgrund vorliegen. Hier können drei Fallgruppen der Ausweisung unterschieden werden:
1) Zwingende Ausweisung nach § 53 AufenthG
2) Regel-Ausweisung gemäß § 54 AufenthG
3) Ermessensausweisung nach § 55 AufenthG
Bei § 55 II AufenthG ist zu beachten, dass hier nur Regelbeispiele genannt sind, die Aufzählung also keinen abschließenden Charakter hat (s. „insbesondere“).
§ 55 I AufenthG gilt als Generalklausel für Ausweisungsverfügungen.
Im Rahmen von § 55 AufenthG stellt sich in Klausuren oft die Frage, ob der (dringende) Verdacht einer Straftat als Ausweisungsgrund genügen kann.
Unter der früheren Geltung des AuslG (§ 10 I Nr.1 AuslG) wurde von der h.M. die Ansicht vertreten, der begründete Verdacht einer Straftat stelle einen Ausweisungsgrund dar. [Anm: Das deutsche AuslG wurde 1965 verabschiedet und 1990 durch eine Neufassung ersetzt. Es trat am 31. Dezember 2004 außer Kraft. Das AuslG wurde zum 1. Januar 2005 durch das Aufenthaltsgesetz ersetzt.]
Diese Ansicht ist unter Geltung des AufenthG nur noch eingeschränkt haltbar. Gemäß § 79 II Nr.1 AufenthG ist im Falle eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts einer Straftat die Entscheidung über die beantragten Aufenthaltstitel bis zum Abschluss des Verfahrens bzw. bis zur Rechtskraft auszusetzen, es sei denn über den Aufenthaltstitel kann ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden. Die Vorschrift gilt ausdrücklich nur für die Erteilung und Verlängerung eines Aufenthaltstitels, nicht dagegen für eine Ausweisung. Sie ist jedoch gleichwohl auf Ausweisungsverfügungen zumindest dann analog anwendbar, wenn der Ausländer zuvor die Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels beantragt hat und dadurch die Fiktionswirkung des § 81 III oder IV AufenthG eingetreten ist. In diesem Fall wäre die Ausweisung eine Missachtung des fortdauernden Bleiberechts, das mit Rücksicht auf § 79 II Nr.1 AufenthG nicht vor Abschluss des Strafverfahrens beendet werden darf. Die Vorschrift ist zudem in dem Sinne zu verstehen, dass die Aussetzungspflicht nicht nur für den Fall der Entlastung, sondern auch für den Fall der Belastung des Ausländers besteht. Die Ausländerbehörde ist also auch daran gehindert, während eines laufenden Strafverfahrens den Aufenthaltstitel vorzeitig zu versagen und damit den Ausländer quasi vorzuverurteilen.
Streitwertfestsetzung
Im Hauptsacheverfahren wird bei einem Streit um Ausweisung und Aufenthaltstitel i.d.R. der Auffangwert des § 52 II GKG (5000 €) zugrunde gelegt (im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist der Wert niedrigerer!). Da beide Anträge jeweils selbstständige Bedeutung haben, werden sie gem. § 39 I GKG addiert.