• Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > Art. 5 Abs. 1 GG

Schlagwortarchiv für: Art. 5 Abs. 1 GG

Redaktion

Die Meinungs- und Medienfreiheit

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Verfassungsrecht, Verschiedenes


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Die Meinungs- und Medienfreiheit” von Prof. Dr. Walter Frenz

beleuchtet die Grundlagen dieser aus Art. 5 Abs. 1 zu entnehmenden Grundrechte. In einer „mediengewohnten“ Informationsgesellschaft gehört das Grundrecht der Meinungsfreiheit nahezu unausweichlich zu den am meisten diskutierten Verfassungsgütern. Vor allem, wenn es um die Kollision der Meinungsfreiheit mit anderen Grundrechten, wie insbesondere dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, geht, wecken die juristischen Auseinandersetzungen regelmäßig ein breites öffentliches Interesse. Aus gegebenem Anlass ist eine Auffrischung der Grundkenntnisse auch im Hinblick auf die im Zusammenhang mit §§ 169, 176 GVG denkbaren Fragestellungen sehr zu empfehlen. Der vorliegende Aufsatz vermittelt anhand wichtiger Judikate des Bundesverfassungsgerichts die wesentlichen Grundlagen zu Art. 5 Abs. 1 GG.
Den Beitrag findet Ihr hier.

10.04.2013/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-04-10 10:00:192013-04-10 10:00:19Die Meinungs- und Medienfreiheit
Christian Muders

OLG Karlsruhe: Transparent mit der Aufschrift „A.C.A.B.“ bei einem Fußballspiel als Beleidigung

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht BT

Anm. zu OLG Karlsruhe, Urteil v. 19.07.2012 – 1 (8) Ss 64/12- AK 40/12
1. Um was gehts?
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, dass er im Oktober 2010 anlässlich einer Zweitliga-Begegnung des Karlsruher SC gegen den Vfl Bochum im Fanblock des Karlsruher Wildparkstadions, gemeinsam mit weiteren Personen, ein im gesamten Stadion sichtbares großflächiges Banner mit der Aufschrift „A.C.A.B.“ – eine Abkürzung für die Worte „All cops are bastards“ – hochgehalten habe, um den im Stadionbereich anwesenden Polizeibeamten gegenüber seine Missachtung auszudrücken. Die Vorinstanzen hatten den Angeklagten freigesprochen.
2. Was sagt das Gericht?
Das Gericht hat das Berufungsurteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, da die Feststellungen der Vorinstanz eine in sich geschlossene Darstellung der für erwiesen erachteten Tatsachen vermissen lassen und daher keine ausreichende Grundlage für die revisionsgerichtliche Überprüfung bieten. Im Hinblick auf die in der neuen Verhandlung anzustellenden rechtlichen Wertungen hat das Gericht eine Anzahl von Hinweisen erteilt, die sich sowohl auf den Opferkreis des potentiellen Beleidigungsdelikts als auch die Feststellung eines ehrenrührigen Inhalts des Transparents beziehen:
a) Vorliegen eines beleidigungsfähigen Opfers der Tat
Nach § 185 StGB wird bestraft, wer eine andere Person beleidigt. Die zu beleidigende Person kann dabei sowohl eine natürliche Person als auch eine (juristische) Personengesamtheit sein, letzteres wird als sog. Kollektivbeleidigung bezeichnet. Außerdem ist auch eine Beleidigung gegenüber einer Mehrzahl von (natürlichen oder juristischen) Einzelpersonen möglich (sog. Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung). Im Einzelnen:

  • Eine Kollektivbeleidigung liegt vor, wenn eine Personengesamtheit Opfer der Beleidigung ist. Dies erfordert, dass der betroffene Verband einen einheitlichen Willen bilden kann und eine rechtlich anerkannte Funktion in der Gesellschaft erfüllt. In Betracht kommen z.B. als juristische Personen organisierte Unternehmen, Gewerkschaften oder politische Parteien.
  • Eine Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung ist demgegenüber gegeben, wenn eine Mehrzahl von Einzelpersonen unter einer Sammelbezeichnung beleidigt wird. Von der Kollektivbeleidigung unterscheidet sich dieser Fall insofern, als nicht eine von ihren Mitgliedern zu abstrahierende Personengesamtheit (= das Kollektiv selbst), sondern einzelne natürliche Personen, die auch (aber nicht notwendigerweise!) Mitglieder eines beleidigungsfähigen Kollektivs sein können, angegriffen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass überhaupt bestimmte Personen unter der Kollektivbezeichnung angesprochen werden, was wiederum erfordert, dass der betroffene Personenkreis überschaubar ist und die ihm zugehörenden Personen individualisierbar sind.

aa) Im vorliegenden Fall ist zunächst der Sinngehalt der Äußerung, welche durch die Buchstaben des Plakats vermittelt wird, zu ermitteln:„A.C.A.B.“ erscheint bei unbefangener Betrachtung als harmlose Buchstabenreihenfolge, wird aber, wie es das OLG ausdrückt, „nach allgemeinem Erfahrungswissen“ als Abkürzung für die englischsprachige Parole „All cops are bastards“ („Alle Polizisten sind Bastarde“) verwendet. Betroffene der durch das Plakat vermittelten Äußerung sind demnach „Polizisten“, die als „Bastarde“ bezeichnet werden. „Polizisten“ wiederum sind Angehörige einer bestimmten Berufsgruppe, bei der es sich allerdings nicht um eine Personengesamtheit, die einen einheitlichen Willen bilden kann, handelt; vielmehr sind hiermit verschiedene Organisationen der Staatsgewalt in verschiedenen Ländern, regelmäßig ohne eigene Rechtsfähigkeit, angesprochen, so dass eine Einstufung der Äußerung als Kollektivbeleidigung ausscheidet. Die zweite Möglichkeit stellt die Beleidigung einzelner Polizisten unter Nennung ihrer Berufsgruppe als Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung dar. Aber auch diese Möglichkeit ist bei der Nutzung der Buchstabenkombination „A.C.A.B.“ grundsätzlich nicht einschlägig, da „All cops“ eben keine überschaubare Personengruppe bilden, sondern die Äußerung auf alle Polizisten der Welt, unabhängig von ihrer Funktion und Nationalität, bezogen werden kann; der ehrenrührige Inhalt der Äußerung verliert sich damit gewissermaßen in der Anonymität der unbestimmten Vielzahl von Personen, die dieser Gruppe zugehörig sind, so dass die Erfassung einer solchen Äußerung als Beleidigung einzelner Personen (ebenfalls) regelmäßig ausscheidet (vgl. LG Stuttgart, Urteil v. 04.07.2007 – 38 Ns 25 Js 34332/05 = StraFo 2007, 384 = NStZ 2008, 633: Tragen eines Aufnähers mit der Aufschrift „A.C.A.B.“ auf einer Jacke).
bb) Anderes gilt indes, wenn der Kontext der Äußerung ergibt, dass sie tatsächlich nicht auf die gesamte Berufsgruppe, sondern vielmehr auf einen einzelnen Polizisten oder jedenfalls eine überschaubare Polizistengruppe gemünzt ist; dann kann es sich wiederum um eine Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung handeln. So hat etwa das OLG Stuttgart angenommen, dass der Ausruf der Wortkombination „A.C.A.B.“, der mit einem Fingerzeig gegenüber einem einzelnen Polizisten verbunden wird, gerade auf diesen bezogen ist und damit die Beleidigung eines Einzelnen darstellt (Beschluss v. 23.06.2008 – 1 Ss 329/08 = NStZ-RR 2009, 50). Gleiches nimmt das OLG Karlsruhe auch für den vorliegenden Fall an und führt dazu aus, dass es nahe liege, den Inhalt des Transparents „auf die bei dem verfahrensgegenständlichen Spiel eingesetzten Polizeibeamten und damit einen umgrenzten, grundsätzlich beleidigungsfähigen, Personenkreis zu beziehen.“ Auch in dem zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt ist damit trotz der isoliert betrachtet nicht beleidigungsfähigen Gruppe, die auf dem Transparent angesprochen wird, im Hinblick auf den Kontext, in dem diese Äußerung geschieht, von einem beleidigungsfähigen Personenkreis auszugehen.
b) Ehrverletzender Inhalt der Äußerung
aa) Im Hinblick auf die Einordnung der Aussage des Transparents ist zunächst festzustellen, dass es sich nach dem Kontext der Äußerung bei der Bezeichnung von Polizisten als „Bastarde“ nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil handelt, welches demnach (ausschließlich) § 185 StGB und nicht etwa den §§ 186, 187 StGB unterfällt. Zwar ist die Frage, ob eine Person ein „Bastard“, also ein uneheliches Kind ist, genau genommen – etwa per DNA-Test – objektiv nachweisbar, was eine Einordnung der Äußerung als „Tatsache“ nahelegen würde. Indes ist der Inhalt des Transparents vorliegend selbstverständlich nicht in diesem wörtlichen Sinne gemeint, vielmehr sollen damit negative Assoziationen, namentlich im Hinblick auf eine angebliche Minderwertigkeit der so bezeichneten Person, geweckt werden, was aber ein reines Werturteil darstellt.
bb) Bezüglich des ehrverletzenden Gehalts der Bezeichnung weist das Gericht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG bei der Bewertung einer Äußerung als Beleidigung dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) angemessen Rechnung zu tragen ist. Zwar ist der Tatbestand der Beleidigung ein allgemeines Gesetz i.S.d. Grundrechtsschranke des Art. 5 Abs. 2 GG, da die Vorschrift ehrrührige Äußerungen unabhängig von ihrer inhaltlichen Ausrichtung erfasst und mit dem Schutzgut der Ehre zudem ein Gemeinschaftsgut bewahren will, dem (generell) ein Vorrang vor der Freiheit zur Meinungsbetätigung zukommen kann. Indes muss auch bei Anwendung der Norm auf den Einzelfall das Gewicht des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung, dem in einer pluralistischen Demokratie eine wichtige Funktion im Hinblick auf die Meinungsbildung und -betätigung der Bevölkerung zukommt, angemessen berücksichtigt werden. Lässt danach eine Äußerung nach Wortsinn und bestimmenden Begleitumständen mehrere Deutungsmöglichkeiten zu, ist deshalb regelmäßig derjenigen der Vorzug zu geben, welche die Äußerung als von diesem Grundrecht gedeckt erscheinen lässt. Die Möglichkeit einer zulässigen Deutungsvariante wird vom OLG Karlsruhe dabei deswegen in Erwägung gezogen, weil unmittelbar vor dem Hochhalten des relevanten Textes, Banner verwendet wurden, die auf den heftig kritisierten Polizeieinsatz bei der Großdemonstration im Zusammenhang mit „Stuttgart 21“ bezogen waren. Bei der englischsprachigen Parole „All cops are bastards“ nimmt das Gericht indessen an, dass es wegen der darin liegenden abwertenden Kennzeichnung einer Person als „Bastard“ naheliege, der Bezeichnung grundsätzlich beleidigenden Charakter i.S.d. § 185 StGB beizumessen. Dabei könne berücksichtigt werden, dass die pauschal verunglimpfende Belegung von Polizeibeamten mit diesem Begriff ihrer sprachlichen Fassung nach – anders als etwa die Bezeichnung von bei einer Demonstration eingesetzten Polizeikräften als „Schlägertruppe“ oder von bei einer Verkehrskontrolle eingesetzten Polizeibeamten als „Wegelagerer“ – in keinem auch nur ansatzweise erkennbaren sachlichen Bezug zum Beruf des Polizisten als solchem, zur polizeilichen Tätigkeit im Allgemeinen oder zum Verhalten von Polizeikräften speziell bei Einsätzen im Zusammenhang mit Großveranstaltungen wie Demonstrationen oder Fußballspielen stehe.
3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
Der vorliegende Sachverhalt eignet sich sowohl als kleinerer Fall in einer mündlichen Prüfung als auch – jedenfalls in Form eines „Nebenproblems“ – als Teilstück einer größer angelegten Examensklausur. Der Prüfer hat hier die Möglichkeit, einige bekannte Probleme der Beleidigungsdelikte, namentlich die Frage der Beleidigungsfähigkeit einer (größeren) Personengruppe sowie die Auswirkungen des Grundrechts der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG, anhand eines obergerichtlich behandelten Falles abzuprüfen. Zudem dürfte aus Prüfersicht gerade im Rahmen einer mündlichen Prüfung die Möglichkeit reizvoll sein, verschiedene Abwandlungen des hier besprochenen Falles (etwa das Tragen einer Jacke mit der Aufschrift „A.C.A.B.“ wie in dem vom LG Stuttgart entschiedenen Sachverhalt) bilden zu können, um die dort bestehenden Unterschiede zur Ausgangskonstellation von den Kandidaten herausarbeiten zu lassen.

08.11.2012/6 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-11-08 11:00:152012-11-08 11:00:15OLG Karlsruhe: Transparent mit der Aufschrift „A.C.A.B.“ bei einem Fußballspiel als Beleidigung
Zaid Mansour

VGH Baden-Württemberg: Zur „Gehsteigberatung“ für Schwangere

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Der VGH Baden-Württemberg hat entschieden, dass das gezielte Ansprechen von Frauen auf Schwangerschaft oder Abtreibung in unmittelbarer räumlicher Nähe zu einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle (sog. „Gehsteigberatung“) durch unbekannte Dritte weiterhin verboten bleibt  (Urteil vom 19.10.2012 – Az. 1 S 915/11). Die „Gehsteigberatung“ verletze aller Voraussicht nach das allgemeine Persönlichkeitsrecht der angesprochenen Frauen, so der VGH Baden-Württemberg.
Sachverhalt
Die Stadt Freiburg hat im zugrunde liegenden Fall dem Kläger (einem gemeinnützigen Verein) mittels einer sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung und unter Androhung eines Zwangsgeldes i.H.v. 250 €, verboten, in unmittelbarer räumlicher Nähe zu einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle Personen auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation anzusprechen oder ihnen unaufgefordert Broschüren, Bilder oder Gegenstände zu diesem Thema zu zeigen oder zu überreichen. Der Verein (Kläger) hat zunächst – ohne Erfolg – einstweiligen Rechtsschutz gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung ersucht. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Klage im Hauptsacheverfahren ebenfalls abgewiesen. Der VGH bestätigte nunmehr – nachdem in der Berufungsverhandlung zahlreiche Zeugen angehört wurden – dieses Urteil.
Rechtliche Würdigung
Man wird zunächst bei der gutachterlichen (Begründetheits)Prüfung der Klage untersuchen müssen, auf welche Ermächtigungsgrundlage die Behörde ihre Untersagungsverfügung stützen konnte. Dabei sollte vorliegend nicht voreilig auf die polizeiliche bzw. ordnungsbehördliche Generalklausel rekurriert werden. Vielmehr sollte zunächst geprüft werden, ob entsprechende Vorschriften des Landesstraßenrechts einschlägig sind (die Landesstraßengesetze finden Sie hier). Nach Maßgabe der straßenrechtlichen Vorschriften kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Straßenbenutzung anordnen, wenn und soweit die Straße ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis benutzt wird (vgl. etwa § 22 Satz 1 StrWG NRW). Die landesrechtlichen Vorschriften des Straßenrechts legen fest, dass eine über den Gemeingebrauch der Straße hinausgehende Sondernutzung einer behördlichen Erlaubnis bedarf. Der Gemeingebrauch wird regelmäßig dahingehend definiert, dass der Gebrauch der öffentlichen Straßen jedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen gestattet ist. Öffentliche Straßen sind nur Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen „Verkehr“ gewidmet sind (vgl. § 2 Abs. 1 StrWG NRW). Der klassische Verkehrsbegriff erfasst dabei nach allgemeinem Verständnis die Benutzung zum Zwecke der Ortsveränderung bzw. Fortbewegung von Menschen und Sachen, einschließlich des ruhenden Verkehrs. In Fußgängerbereichen umfasst dies auch sonstige verkehrsbezogene Nutzungen, wie etwa das bloße Herumstehen oder Ausruhen auf einer Bank. Allerdings wird nunmehr auch dem kommunikativen Aspekt des Gemeingebrauchs Rechnung getragen. Danach sind insbesondere Fußgängerzonen nicht nur zur Fortbewegung bzw. zum kurzzeitigen Verweilen bestimmt, sondern dienen auch dazu, Fußgängern die Möglichkeit zum Austausch und Verbreiten von Informationen und Meinungen zu geben. Das bloße Verteilen von Flugblättern und Ansprechen von Passanten wird dabei im Lichte von Art. 5 Abs. 1 GG generell als Gemeingebrauch gewertet. Gleiches gilt mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 GG für das Verbreiten religiöser bzw. weltanschaulicher Schriften und Missionierungstätigkeiten. Eine erlaubnispflichtige Sondernutzung wird hingegen regelmäßig bejaht, wenn die Leichtigkeit und Sicherheit des Fußgängerverkehrs etwa durch das Aufstellen von Schildern oder sonstigen Hindernissen beeinträchtigt wird oder wenn mit dem Verteilen von Flugblättern gewerbliche Zwecke verfolgt werden. Vorliegend dürfte das Verhalten des Klägers noch dem kommunikativen Verkehr und damit dem Gemeingebrauch zuzurechnen sein, sodass straßenrechtliche Eingriffsbefugnisse nicht einschlägig sind.
Bei der sodann anstehenden Prüfung der polizei- bzw. ordnungsbehördlichen Generalklausel kommt es zunächst primär darauf an, ob das dem Kläger zurechenbare Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Eine Gefahr liegt bei einem Lebenssachverhalt vor, der bei ungehindertem Ablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an polizeirechtlich geschützten Gütern führt.  Der Gefahrenbegriff setzt eine Prognose im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und der zeitlichen Nähe des Schadenseintritts voraus, wobei das zu erwartende Schadensausmaß Berücksichtigung finden muss.  Dabei gilt: Je größer das Ausmaß des Schadens, umso geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit und die zeitliche Nähe des Schadenseintritts zu stellen. Maßgeblich ist dabei die ex-ante Perspektive eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Beamten. Die öffentliche Sicherheit umfasst drei Schutzgüter: den Schutz von Individualrechten, den Schutz der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung und den Schutz des Bestandes und der Veranstaltungen des Staates und anderer Hoheitsträger.

Zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zähle auch das durch das Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG). Die gezielte Ansprache auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation durch unbekannte Dritte auf der Straße verletze das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen. In der Frühphase der Schwangerschaft befänden sich die meisten Frauen in einer besonderen seelischen Lage, in der es in Einzelfällen zu schweren Konfliktsituationen komme. Diesen Schwangerschaftskonflikt erlebe die Frau als höchstpersönlichen Konflikt. Diese Situation begründe ein hohes Schutzniveau für das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Frauen hätten daher gerade in dieser Lebensphase ein Recht darauf, von fremden Personen, die sie auf der Straße darauf ansprächen, in Ruhe gelassen zu werden. Die für den Kläger tätige Gehsteigberaterin missachte mit der gezielten Ansprache auf eine Schwangerschaft das Persönlichkeitsrecht der Frauen. Erschwerend komme hinzu, dass die Ansprache in der Öffentlichkeit auf einer belebten Straße und in einer für unbeteiligte Dritte wahrnehmbaren Weise erfolge. Dies hätten zahlreiche Zeuginnen bestätigt. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts werde noch weiter verstärkt durch die den angesprochenen Frauen angebotenen Faltblätter mit teilweise einschüchternden und verstörend wirkenden Bildern von Föten und Teilen von Föten.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bedarf es sodann einer Abwägung zwischen den sich im konkreten Fall gegenüberstehenden Grundrechtspositionen. Dazu heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts:

Der Kläger könne sich nicht auf den grundgesetzlichen Schutz der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) berufen. Denn die „Gehsteigberatung“ ziele allein auf eine individuelle Kommunikation mit Einzelpersonen. Im Rahmen der Abwägung müsse auch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) des Klägers im konkreten Fall gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Frauen zurücktreten. Denn auch bei einem Thema von besonderem öffentlichen Interesse wie dem eines Schwangerschaftsabbruchs schütze das Recht auf Meinungsfreiheit keine Tätigkeiten, mit denen anderen eine bestimmte Meinung aufgedrängt werden solle. Gerade hierauf ziele aber die Gehsteigberatung ab. Die Meinungsfreiheit des Klägers und seiner Mitglieder werde durch das Verbot der „Gehsteigberatung“ ferner nicht unverhältnismäßig beschränkt. Denn außerhalb der Humboldtstraße bleibe die Gehsteigberatung möglich. Eine allgemeine Kritik an der Möglichkeit der Abtreibung könnte darüber hinaus – ohne eine gezielte Ansprache von möglicherweise schwangeren Frauen – auch in der Humboldtstraße geäußert werden. Weiterhin komme dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen Vorrang auch gegenüber dem durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Klägers zu.
Das Einschreiten der Stadt sei auch im öffentlichen Interesse geboten, da eine unbestimmte Vielzahl schwangerer Frauen von der mit der „Gehsteigberatung“ einhergehenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen sei. Eine zeitnahe wirkungsvollere Abwehr der Beeinträchtigungen sei nicht zu erreichen. Schließlich leide die Untersagungsverfügung an keinen Ermessensfehlern.

Examensrelevanz
Die vorliegende Entscheidung ist geradezu prädestiniert, um in naher Zukunft in schriftlichen und/oder mündlichen Examensprüfungen abgefragt zu werden. Ihr kann mithin eine äußerst hohe Examensrelevanz beigemessen werden. Der Fall lässt sich verwaltungsprozessual wunderbar einbetten (vor allem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes; s. dazu hier). Das erforderliche polizeirechtliche Standardwissen, die vorliegend bei der rechtlichen Würdigung ebenfalls heranzuziehenden grundrechtlichen Erwägungen sowie die Aktualität des Falles, dürfte einige Prüfer sicherlich dazu verleiten den Sachverhalt in naher Zukunft abzuprüfen.

23.10.2012/4 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2012-10-23 14:22:072012-10-23 14:22:07VGH Baden-Württemberg: Zur „Gehsteigberatung“ für Schwangere

Über Juraexamen.info

Deine Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat. Als gemeinnütziges Projekt aus Bonn sind wir auf eure Untersützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch eure Gastbeiträge. Über Zusendungen und eure Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“
  • Praktikum in einer Großkanzlei – Einblicke in das FGS „Intern-Programm“
  • Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Gastautor

Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Simon Mantsch veröffentlichen zu können. Er studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg tätig. Ein nach §§ 823 […]

Weiterlesen
16.01.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-01-16 15:42:082023-01-25 11:42:19Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“
Gastautor

Praktikum in einer Großkanzlei – Einblicke in das FGS „Intern-Programm“

Alle Interviews, Für die ersten Semester, Interviewreihe, Lerntipps, Rezensionen, Startseite, Verschiedenes

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Maximilian Drews veröffentlichen zu können. Der Autor studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und berichtet über sein absolviertes Pflichtpraktikum in einer Bonner Großkanzlei. […]

Weiterlesen
03.01.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-01-03 07:26:222023-01-04 10:57:01Praktikum in einer Großkanzlei – Einblicke in das FGS „Intern-Programm“
Gastautor

Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Tagesgeschehen, Uncategorized

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Theo Peter Rust veröffentlichen zu können. Der Autor studiert Rechtswissenschaften im siebten Semester an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Mit dem vorliegenden […]

Weiterlesen
23.12.2022/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2022-12-23 07:42:522022-12-23 08:49:11Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten

Support

Unterstütze uns und spende mit PayPal

Jetzt spenden
  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© 2022 juraexamen.info

Nach oben scrollen