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Schlagwortarchiv für: Art. 34 GG

Gastautor

BGH: Haftung für Hindernisse auf einem Waldweg

Deliktsrecht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Staatshaftung, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Ansgar Kalle veröffentlichen zu können. Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn, Lehrstuhl Prof. Dr. Stefan Greiner.
Die hier zu besprechende Entscheidung des BGH (Urt. v. 23. April 2020 – Az. III ZR 251/17 = NJW 2020, 3106) setzt sich mit zwei Grundlagenthemen des Deliktsrechts auseinander: den Verkehrssicherungspflichten und der Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Beide Themen haben gemeinsam, dass ihre überzeugende Bewältigung in Klausuren eine am Sachverhalt orientierte, lebensnahe und wertungsmäßig überzeugende Argumentation voraussetzt. Damit eignen sie sich aus Prüfersicht hervorragend, um Argumentationsvermögen zu testen. Dementsprechend handelt es sich um beliebte Klausurthemen.
I. Sachverhalt (verkürzt und vereinfacht)
Der Kläger fuhr mit seinem neuen, mit Klickpedalen ausgestatteten Mountainbike mit ca. 16 km/h über einen ihm bislang unbekannten und unbefestigten Feldweg durch einen Wald. Dieser stand im Eigentum der beklagten Gemeinde und war für Radfahrer zugelassen. Auf dem Feldweg befand sich eine Absperrung. Diese bestand aus zwei parallel verlaufenden Stacheldrähten, die in einer Höhe von 60 bzw. 90 cm verliefen und über den Weg gespannt waren. An den Drähten war das Verkehrszeichen 260 angebracht, das Kraftfahrzeugen die Durchfahrt verbot. Der Bürgermeister der Gemeinde hatte das Hindernis errichten lassen, um illegale Abfallentsorgung zu verhindern. Der Bürgermeister der Beklagten inspizierte das Hindernis ca. einmal pro Monat.
Der Kläger kannte das Hindernis nicht und war daher überrascht, als er es bemerkte. Er versuchte, sein Fahrrad durch eine Vollbremsung rechtzeitig zum Stehen zu bringen. Bei seinem Bremsmanöver verlor er die Kontrolle über das Fahrrad, stürzte kopfüber in den Draht und zog sich erhebliche Verletzungen zu.
Nun begehrt der Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld von der Gemeinde.
Anmerkung: Neben der Gemeinde wurden die beiden für den Wald zuständigen Jagdpächter verklagt. Für das Verständnis der examensrelevanten Aspekte genügt es jedoch, den Anspruch gegen die Gemeinde in den Blick zu nehmen. Im Folgenden soll daher allein dieser erörtert werden.
II. Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 BGB iVm. Art. 34 S. 1 GG
Da der Anspruch einen potentiellen Verstoß gegen eine Amtspflicht zum Gegenstand hat, ist die Prüfung nicht mit § 823 Abs. 1 BGB einzuleiten, sondern mit § 839 Abs. 1 S. 1 BGB iVm. Art. 34 S. 1 GG als lex specialis (zum Konkurrenzverhältnis und zur Abgrenzung von allgemeiner Deliktshaftung und Amtshaftung anschaulich OLG Koblenz, Urt. v. 18.3.2016 – 1 U 832/15 = NJW-RR 2016, 796).
1. Beamter im haftungsrechtlichen Sinn & Amtshandeln
Der Bürgermeister der Beklagten ist unzweifelhaft Beamter im haftungsrechtlichen Sinn. Als solcher gilt nicht nur jeder Statusbeamte, sondern darüber hinaus jede andere Stelle, die hoheitlich handelt (Voßkuhle/Kaiser JuS 2015, 1076). Dies trifft auf den Bürgermeister zu, da dieser zahlreiche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, z.B. die Verwaltung der gemeindeeigenen Straßen und Feldwege. Der Aufbau des Hindernisses geschah zur Erfüllung dieser Aufgabe, mithin nicht in privater, sondern in amtlicher Funktion.
2. Verletzung einer Amtspflicht
Problematischer ist das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung. Die Gemeinde trug nach dem einschlägigen Landesrecht (§§ 9 Abs. 1 S. 1, 10 Abs. 4 S. 1, 15 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. a StrWG SH) in ihrem Hoheitsgebiet die Straßenbaulast. Daher war sie u.a. dafür verantwortlich, dass ihre Feldwege sicher genutzt werden konnten (näher Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 31 ff.). Somit ergab sich bereits aus öffentlichem Recht eine ausdrückliche Amtspflicht in Form einer Verkehrssicherungspflicht.
Es stellt sich die Frage, ob die Gemeinde diese Pflicht durch den Aufbau des Hindernisses verletzt hat. Anknüpfungspunkt des deliktischen Vorwurfs ist also eine mittelbare Verletzungshandlung, das Schaffen einer Gefahrenquelle.
Der Adressat einer Verkehrssicherungspflicht hat – so der BGH – „die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern“ (BGH, Urt. v. 23.4.2010 – Az. III ZR 251/17 = NJW 2020, 3106 Rn. 24 mwN). Die Gemeinde hätte also verhindern müssen, dass es zu Gefahrensituationen kommt. Damit war es ihr insbesondere verwehrt, eine ungesicherte Gefahrquellen zu schaffen.
Zu klären ist damit zunächst, ob es sich beim Stacheldraht um eine Gefahrenquelle handelte. Indem die Gemeinde einen Stacheldraht über einen Feldweg aufspannte, schuf sie die Gefahr, dass Personen mit diesem kollidierten und sich dabei verletzen. Diese Gefahr war erheblich: Zum einen barg der Stacheldraht aufgrund seiner Beschaffenheit beachtliches Verletzungspotential. Zum anderen war er dünn und daher schwer zu erkennen. Schließlich handelte es sich um ein äußerst unübliches Hindernis, mit dem Wegnutzer nicht zu rechnen hatten und das daher überraschend wirkte.
Zur Gefahrverringerung beschränkte sich die Gemeinde im Wesentlichen darauf, ein Verkehrsschild an den Drähten zu befestigen. Gemessen an der Erheblichkeit der Gefahr war diese Maßnahme nicht ausreichend: Die Montage des Hinweisschilds konnte die Gefährlichkeit des Stacheldrahts kaum verringern. Vielmehr war das Schild Bestandteil des ungewöhnlichen Hindernisses. Sein Aussagegehalt war irreführend, da das Verbot von Kraftfahrzeugen Radfahrern suggerierte, dass ihr Verkehrsmittel auf dem Weg genutzt werden konnte. Damit trug das Schild eher zur Gefahrerhöhung als zur -verringerung bei.
Zu ihrer Entlastung trug die Gemeinde drei Einwände vor, die der BGH jedoch mit Recht allesamt als unbeachtlich verwarf.
Zunächst argumentierte die Gemeinde, dass der Draht bereits aus einer Entfernung von zehn bis 15 Metern sichtbar war. Dies war für den BGH jedoch irrelevant, da dies nichts daran änderte, dass der Draht ein tückisches Hindernis war, das leicht übersehen werden konnte.
Weiterhin argumentierte die Gemeinde, dass der Weg nur selten von Radfahrern genutzt wurde. Auch diesen Einwand wies der BGH zurück: Da der Weg für den Radverkehr freigegeben war, hatte die Gemeinde Gefahren für Radfahrer zu minimieren. Damit durfte sie vermeidbare Gefahrquellen gar nicht erst schaffen. Dass der Weg nur selten genutzt wurde, reduziere allenfalls den Umfang der gebotenen Verkehrssicherung, rechtfertige aber keine Gefahrschaffung.
Schließlich trug die Gemeinde vor, dass sie ihre Verkehrssicherungspflicht an die Jagdpächter übertragen hatte und daher nicht für die Verletzung dieser Pflichten verantwortlich gemacht werden konnte. Jedoch war zum einen nicht bewiesen, dass die Beklagte ihre Pflicht delegiert hatte; hierzu hätte es einer eindeutigen Vereinbarung bedurft (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2008 – VI ZR 126/07 = NJW 2008, 1440 Rn. 9). Zum anderen hätte eine Delegation lediglich dazu geführt, dass sich die Verkehrssicherungspflicht zu einer Kontroll- und Überwachungspflicht weiterentwickelt hätte (anschaulich Förster JA 2019, 1, 5; Beispiel in Gutachtenform bei Greiner/Kalle, Fallsammlung Schuldrecht II, 2. Aufl. 2020, Fall 48). Auch gegen eine solche Pflicht hätte die Gemeinde indessen verstoßen, weil der Bürgermeister das Hindernis kannte und hiergegen nichts unternahm.
3. Zwischenergebnis
Im Übrigen ist der Tatbestand des Amtshaftungsanspruchs ohne Weiteres gegeben. Die Gemeinde ist passivlegitimiert, da die persönliche Haftung des Bürgermeisters nach der Anvertrauenstheorie gemäß Art. 34 S. 1 GG auf die Gemeinde übergeleitet wird (vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 113 f.; zum Hintergrund der Haftungsüberleitung vertiefend Sauer JuS 2012, 695 ff.).
4. Haftungsprivilegierungen
Bevor der Amtshaftungsanspruch jedoch zugesprochen wird, sind die zahlreichen Privilegierungen des § 839 BGB anzudenken. Im Fall kommt eine nur subsidiäre Haftung der Gemeinde gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht, da der Bürgermeister in Bezug auf die Verletzung des Klägers lediglich fahrlässig iSv. § 276 II BGB gehandelt hat. Allerdings rechtfertigt sich die Subsidiaritätsklausel historisch nur dadurch, dass sich die Amtshaftung vor Inkrafttreten von Art. 34 GG nicht gegen den Staat, sondern gegen den Beamten persönlich gerichtet hatte. Deshalb legt der BGH das Fahrlässigkeitsprivileg mittlerweile restriktiv aus. So findet es unter anderem keine Anwendung auf die Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.1993 – III ZR 167/92 = BGHZ 123, 102, 104 f.).
5. Mitverschulden
Schließlich bleibt zu klären, ob der Anspruch des Klägers wegen Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen ist.
Man könnte dem Kläger zunächst vorwerfen, zu schnell gefahren zu sein, um Hindernisse rechtzeitig wahrnehmen zu können. Dies wäre ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 S. 4 StVO gewesen. In der Tat scheint es naheliegend, dem Kläger ein zu hohes Tempo vorzuwerfen, weil er nicht mehr rechtzeitig abbremsen konnte, als er das Hindernis wahrnahm. Allerdings findet das Sichtfahrgebot seine Grenze im Vertrauensgrundsatz. Der Verkehrsteilnehmer muss bei der Wahl seiner Geschwindigkeit nicht damit rechnen, dass Objekte, die anfänglich nicht als Gefahrenquelle erkennbar sind, sich später völlig überraschend als Hindernisse zu erkennen geben. Andernfalls würde das Pflichtenprogramm von Verkehrsteilnehmern überspannt werden. Der Stacheldraht war ein solches Hindernis, mit dessen Vorliegen der Kläger in keiner Weise rechnen musste und das im Rahmen des Sichtfahrgebots nicht sinnvoll berücksichtigt werden konnte. Daher kann dem Kläger kein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 S. 4 StVO vorgeworfen werden.
Auch die Durchführung der Vollbremsung kann dem Kläger nicht als Mitverschulden angelastet werden. Selbst wenn diese zu abrupt durchgeführt worden wäre, wäre dies nicht schuldhaft gewesen. Der Kläger wurde durch das Hindernis derart überrascht, dass er kaum Reaktionszeit hatte. In dieser Notsituation kann ihm ein evtl. überstürztes und unvorsichtiges Verhalten nicht vorgeworfen werden.
Da der Kläger ein neues Fahrrad nutzte, könnte man ihm weiterhin vorwerfen, nicht hinreichend mit dem Bremsverhalten vertraut gewesen zu sein. Hierfür fehlt es jedoch an hinreichenden Anhaltspunkten. Es ginge zu weit, dem Kläger allein wegen der Neuheit des Fahrrads abzuverlangen, sich so langsam zu bewegen, dass er selbst auf unvorhersehbare Gefahren angemessen reagieren kann.
Der BGH hielt es allerdings für möglich, dass den Kläger ein geringes Mitverschulden (bis zu 25 %) traf, weil er anstelle der herkömmlichen Fahrradpedale eine Klickpedale nutzte. Von einem Mitverschulden dürfte auszugehen sein, wenn der Kläger die Sicherheit des Fahrrads durch diese Modifikation beeinträchtigt hätte. Da die Vorinstanz hierzu jedoch keine Feststellungen getroffen hatte, verwies der BGH den Sachverhalt diesbezüglich zur Klärung zurück.
III. Prozessuales Problem: Heilung von Zustellungsmängeln nach § 189 ZPO
Neben den materiell-rechtlichen Fragen des Deliktsrechts warf der Fall ein interessantes prozessuales Zustellungsproblem auf. Die Zustellung von Klagen ist gelegentlich Thema in Examensklausuren. Die einschlägigen Vorschriften, insb. § 167 ZPO, sollten daher in der Examensvorbereitung zumindest einmal gelesen werden.
Im Fall wurde die Klage gegen die Gemeinde dem Bürgermeister zugestellt. Nach dem einschlägigen Kommunalrecht (§ 3 AmtsO SH) war dieser jedoch nicht gesetzlicher Vertreter der Gemeinde. Damit war die Zustellung der Klageschrift gemäß § 170 Abs. 1 S. 2 ZPO anfänglich unwirksam. Jedoch bestellte die Gemeinde später einen Prozessbevollmächtigten, dem sie die Klageschrift übergab. Hierdurch wurde der Zustellungsmangel gemäß § 189 ZPO geheilt.

19.10.2020/4 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2020-10-19 08:21:072020-10-19 08:21:07BGH: Haftung für Hindernisse auf einem Waldweg
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Sportlehrer müssen Erste Hilfe leisten

Rechtsprechung, Staatshaftung, Startseite

Mit Urteil vom 4.4.2019 (Az.: III ZR 35/18) hat sich der BGH mit Amtshaftungsansprüchen eines (ehemaligen) Schülers gegen das Land Hessen auseinandergesetzt. Bei einem im Sportunterricht erlittenen Zusammenbruch hätten die Sportlehrerin und ihr Kollege – so die Behauptung des Schülers – unzureichende Erste-Hilfe-Maßnahmen ergriffen, was letztlich zu einem Hirnschaden des Schülers geführt habe. Die Vorinstanz, das OLG Frankfurt a.M., hatte mit Urteil vom 25.01.2018 (Az.: 1 U 7/17) eine Amtshaftung abgelehnt, weil nicht bewiesen werde könne, ob das Unterlassen der Erste-Hilfe-Maßnahmen ursächlich für den Hirnschaden war. Dass das Gericht hiervon ausgehend den Beweisantrag des Klägers, ein Sachverständigengutachten zur Kausalität einzuholen, abgelehnt hat, war verfahrensfehlerhaft. Daher hat der BGH das vorangegangene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen; auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes sei ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht auszuschließen und es bedürfe insoweit weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Die Entscheidung des BGH ist unter verschiedenen Gesichtspunkten als äußerst klausur- und examensrelevant einzuordnen: Dies betrifft zum einen die Konkretisierung der Amtspflichten, aber auch den Haftungsmaßstab bei Amtsträgerhandeln (Stichwort: analoge Anwendung des § 680 BGB) sowie Fragen zu einer möglichen Beweislastumkehr entsprechend den im Arzthaftungsrecht entwickelten Beweisgrundsätzen bei groben Behandlungsfehlern.
 
A) Sachverhalt (der Pressemitteilung 42/2019 entnommen)
Der seinerzeit 18 Jahre alte Kläger war Schüler der Jahrgangsstufe 13 und nahm im Januar 2013 am Sportunterricht teil. Etwa fünf Minuten nach Beginn des Aufwärmtrainings hörte er auf zu laufen, stellte sich an die Seitenwand der Sporthalle, rutschte dort in eine Sitzposition und reagierte auf Ansprache nicht mehr. Um 15.27 Uhr ging der von der Sportlehrerin ausgelöste Notruf bei der Rettungsleitstelle ein. Die Lehrerin wurde gefragt, ob der Kläger noch atme. Sie befragte dazu ihre Schüler; die Antwort ist streitig. Sie erhielt sodann von der Leitstelle die Anweisung, den Kläger in die stabile Seitenlage zu verbringen. Der Rettungswagen traf um 15.32 Uhr, der Notarzt um 15.35 Uhr ein. Die Sanitäter und der Notarzt begannen sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen, die ungefähr 45 Minuten dauerten. Sodann wurde der intubierte und beatmete Kläger in eine Klinik verbracht. Im dortigen Bericht ist unter anderem vermerkt: „Beim Eintreffen des Notarztes bereits 8 minütige Bewusstlosigkeit ohne jegliche Laienreanimation“. Es wurde ein hypoxischer Hirnschaden nach Kammerflimmern diagnostiziert, wobei die Genese unklar war. Während der stationären Behandlung ergaben sich weitere – teils lebensgefährliche – Erkrankungen. Seit Oktober 2013 ist der Kläger zu 100% als Schwerbehinderter anerkannt.
Der Kläger verlangt nunmehr Schadensersatz vom Land Hessen mit der Begründung, sein gesundheitlicher Zustand sei unmittelbare Folge des erlittenen Hirnschadens wegen mangelnder Sauerstoffversorgung des Gehirns infolge unterlassener Reanimationsmaßnahmen durch seine Sportlehrerin und einen weiteren herbeigerufenen Sportlehrer. Hätten diese im Rahmen der notfallmäßigen Erste-Hilfe-Versorgung eine Atemkontrolle und – angesichts des dabei festgestellten Atemstillstands – anschließend eine Reanimation durch Herzdruckmassage und Atemspende durchgeführt, wäre es nicht zu dem Hirnschaden gekommen.
 
B) Rechtliche Erwägungen
Ansprüche des Klägers gegen das Land Hessen auf Ersatz der Schäden, die durch die von der Sportlehrerin unterlassenen Reanimationsmaßnahmen hervorgerufen wurden, könnten sich aus einem Amtshaftungsanspruch ergeben, der auf einer Zusammenschau von § 839 Abs. 1 BGB und Art. 34 S. 1 GG basiert. Während § 839 BGB als anspruchsbegründende Norm zuerst zu zitieren ist, ergibt sich aus Art. 34 S. 1 GG (so schon Art. 131 WRV) die Überleitung der Haftung auf den Staat. Art. 34 GG fungiert damit als verfassungsrechtlich verbürgte befreiende Schuldübernahme.
 
I. Ausübung eines öffentlichen Amtes
Hierfür müsste die Sportlehrerin in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben. Maßgeblich ist hierbei der haftungsrechtliche Beamtenbegriff. Dieser setzt voraus, dass der betreffenden Person von der zuständigen Stelle die Ausübung eines öffentlichen Amtes anvertraut worden ist, wobei unter einem öffentlichen Amt jede dienstliche Betätigung zu verstehen ist, die öffentlich-rechtliche Belange wahrnimmt. Das heißt, es muss gerade kein beamtenrechtliches Dienst- und Treueverhältnis im Sinne des staatsrechtlichen Beamtenbegriffs bestehen, sondern auch Personen, die in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft stehen, können dem haftungsrechtlichen Beamtenbegriff unterfallen (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl. 2017, BGB § 839 Rn. 130 f.). Dies zugrunde legend sind Lehrer an öffentlichen Schulen – die regelmäßig ohnehin als Beamte im staatsrechtlichen Sinne tätig sind – im Rahmen ihrer Tätigkeit offensichtlich auch vom haftungsrechtlichen Beamtenbegriff erfasst (s. hierzu schon BGH v. 15.3.1954 – III ZR 333/52, NJW 1954, 874), und zwar unabhängig davon, ob sie verbeamtet oder angestellt sind. Die Sportlehrerin im vorliegenden Fall befand sich daher in Ausübung eines öffentlichen Amtes.
 
II. Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht
Fraglich ist, ob sie eine Amtspflicht verletzt hat, die ihr gegenüber Dritten oblag. Besondere Amtspflichten ergeben sich aus der Funktion des konkreten Amtes: Nach ständiger Rechtsprechung des BGH trifft Lehrer die Amtspflicht gegenüber ihnen anvertrauten Schülern, diese vor Schäden zu bewahren (s. beispielhaft BGH v. 15.3.1954 – III ZR 333/52, NJW 1954, 874). Dies beinhalte auch die Verpflichtung, Gesundheitsschäden von ihren Schülern abzuwenden. Es handele sich hierbei um eine Nebenpflicht, die neben die allgemeinen Pflichten – Unterrichtung und Erziehung – trete. Dass Sportlehrern konkret die Amtspflicht zukommt, im Notfall Erste Hilfe zu leisten, hat der BGH ausdrücklich klargestellt:

„Den Sportlehrern des beklagten Landes oblag die Amtspflicht, etwa erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen.“

Indem dies nur unzureichend geschehen ist, haben die Lehrer also eine Amtspflicht verletzt. Die Amtspflicht ist offensichtlich auch drittbezogen: In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die dem Lehrpersonal obliegende Pflicht, die Schüler während des Sportunterrichts zur Verhinderung von Schäden zu beaufsichtigen, eine Amtspflicht darstellt, die auch Dritten gegenüber besteht (s. etwa OLG Frankfurt a.M. v. 18.1.2010 – 1 U 185/08, NVwZ-RR 2010, 479). Dann erscheint es nur konsequent, dies bei der Leistung lebensrettender Maßnahmen im Sportunterricht erst recht anzunehmen: Durch die Verpflichtung zur Ergreifung von Erste-Hilfe-Maßnahmen soll in qualifizierter und individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises von Dritten – Leben und Gesundheit der Schüler – Rücksicht genommen werden. Indem die Lehrer die Vornahme der notwendigen Maßnahme unterlassen haben, haben sie also – so wird dies für diese Lösung unterstellt – eine drittbezogene Amtspflicht verletzt.
 
III. Kausalität
Diese müsste auch kausal zu einer Rechtsgutverletzung – hier: dem Hirnschaden – geführt haben. Ob die Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Rechtsgutverletzung im vorliegenden Fall gegeben war, konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, „ob die Sportlehrer nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme ihre Amtspflicht, erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen zu leisten, verletzt haben. Denn es lasse sich jedenfalls nicht feststellen, dass sich ein etwa pflichtwidriges Unterlassen einer ausreichenden Kontrolle der Vitalfunktionen und etwaiger bis zum Eintreffen der Rettungskräfte gebotener Reanimationsmaßnahmen kausal auf den Gesundheitszustand des Klägers ausgewirkt habe […]. Denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Atmung des Klägers erst kurz vor dem Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt habe oder dass selbst bei Durchführung einer bereits vorher gebotenen Reanimation der Kläger heute in gleicher Weise gesundheitlich beeinträchtigt wäre. Die Wertung des Landgerichts, wonach sich der Zeitpunkt, zu dem der Kläger aufgehört habe zu atmen, nicht verlässlich festlegen lasse, sodass auch nicht festgestellt werden könne, ab wann Wiederbelebungsmaßnahmen geboten gewesen wären, sei nicht zu beanstanden.“ Dann aber hätte das Berufungsgericht – so der BGH – den Beweisantrag des Klägers, ein Sachverständigengutachten zur Kausalität einzuholen, nicht ablehnen dürfen. Für die weiteren Darstellungen wird daher unterstellt, dass der Hirnschaden bei Vornahme der notwendigen Erste-Hilfe-Maßnahmen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre, sodass die Amtspflichtverletzung der Lehrer auch kausal war.
 
IV. Verschulden
1. Grundsatz: Vorsatz oder Fahrlässigkeit
Ihnen müsste auch ein Verschulden anzulasten sein. Hierfür müssten sie entweder vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit müssen sich lediglich auf die Amtspflichtverletzung, nicht aber (auch) auf den schädigenden Erfolg beziehen (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl. 2017, BGB § 839 Rn. 284). In Betracht kommt hier ersichtlich nur fahrlässiges Handeln, das nach allgemeiner Definition dann vorliegt, wenn der Amtswalter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Ein pflichtgetreuer Durchschnittsbeamter hätte erkannt, dass er bei einem im Sportunterricht erlittenen Zusammenbruch eines Schülers Erste-Hilfe-Maßnahmen ergreifen muss. Insofern ist hier wohl von fahrlässigem Handeln auszugehen.
 
2. Haftungsprivilegierung analog § 680 BGB?
Möglicherweise sind hier jedoch analog § 680 BGB andere Maßstäbe anzulegen, mithin könnte die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt sein. Nach § 680 BGB hat der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckt. Der BGH hat eine analoge Anwendung jedoch ausdrücklich abgelehnt. Hier komme die Haftung des Landes nicht nur im Falle grober Fahrlässigkeit in Betracht. Denn:

„§ 680 BGB will denjenigen schützen, der sich bei einem Unglücksfall zu spontaner Hilfe entschließt. Dabei berücksichtigt die Vorschrift, dass wegen der in Gefahrensituationen geforderten schnellen Entscheidung ein ruhiges und überlegtes Abwägen kaum möglich ist und es sehr leicht zu einem Sichvergreifen in den Mitteln der Hilfe kommen kann. Die Situation einer Sportlehrkraft, die bei einem im Sportunterricht eintretenden Notfall tätig wird, ist aber nicht mit der einer spontan bei einem Unglücksfall Hilfe leistenden unbeteiligten Person zu vergleichen. Den Sportlehrern des beklagten Landes oblag die Amtspflicht, etwa erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen. Um dies zu gewährleisten, mussten die Sportlehrer bereits damals über eine aktuelle Ausbildung in Erster Hilfe verfügen. Die Situation des § 680 BGB entspricht damit zwar der von Schülern, aber nicht der von Sportlehrern, zu deren öffentlich-rechtlichen Pflichten jedenfalls auch die Abwehr von Gesundheitsschäden der Schüler gehört. Selbst wenn es sich nur um eine Nebenpflicht der Sportlehrer handelt, sind Sinn und Zweck von § 680 BGB mit der Anwendung im konkreten Fall nicht vereinbar. Insoweit ist der Anwendungsbereich des § 839 Abs. 1 BGB auch davon geprägt, dass ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab gilt, bei dem es auf die Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt, die für die Führung des übernommenen Amtes erforderlich sind. Zur Führung des übernommenen Amtes gehören bei Sportlehrern aber auch die im Notfall gebotenen Erste-Hilfe-Maßnahmen. Dazu stände eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit in Widerspruch. Eine solche einschneidende Haftungsbegrenzung erscheint dem Senat auch vor dem Hintergrund nicht gerechtfertigt, dass mit jedem Sportunterricht für die Schüler gewisse Gefahren verbunden sind. Es wäre aber nicht angemessen, wenn der Staat einerseits die Schüler zur Teilnahme am Sportunterricht verpflichtet, andererseits bei Notfällen im Sportunterricht eine Haftung für Amtspflichtverletzungen der zur Durchführung des staatlichen Sportunterrichts berufenen Lehrkräfte nur bei grober Fahrlässigkeit und damit nur in Ausnahmefällen einträte.“

Der BGH argumentiert überzeugend mit teleologischen Gesichtspunkten: § 680 BGB soll denjenigen privilegieren, der sich im Notfall spontan – ohne Erste-Hilfe-Ausbildung – zur Rettung entschließt. Dieser Gedanke greift aber offensichtlich dann nicht, wenn der betreffende Amtsträger einem Personenkreis angehört, der verpflichtet ist, über eine Erste-Hilfe-Ausbildung zu verfügen, und den ohnehin die Nebenpflicht trifft, Gesundheitsschäden von anderen abzuwenden. Daher vermag eine analoge Anwendung des § 680 BGB mit der Folge, dass der Haftungsmaßstab auf grobe Fahrlässigkeit begrenzt wäre, nicht zu überzeugen. Es bleibt also bei den allgemeinen Regeln, die einfache Fahrlässigkeit genügen lassen. Indem fahrlässiges Handeln zu bejahen ist, trifft die Lehrer also auch ein Verschulden.
 
Anmerkung: Dass § 680 BGB nicht analog auf den Amtshaftungsanspruch anwendbar ist, hat der BGH schon in seiner Entscheidung vom 14.06.2018 – III ZR 54/17, NJW 2018, 2723 festgestellt, in der es um die Haftung eines Feuerwehrbeamten ging, s. hierzu unsere ausführlich Besprechung.
 
V. Kausaler Schaden
Die Amtspflichtverletzung muss bei dem geschützten Dritten zudem einen Vermögensschaden verursacht haben. Dabei ist zu prüfen, welcher Verlauf sich bei pflichtgemäßem Verhalten der Amtsträger ergeben hätte und wie sich in diesem Fall die Vermögenslage des Verletzten darstellen würde (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl. 2017, BGB § 839 Rn. 276). Ein Schaden, der auch bei amtspflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, ist damit nicht kausal, was insbesondere bei einem Unterlassen – wie es im vorliegenden Fall gegeben ist – Relevanz erlangt. „Besteht die Amtspflichtverletzung in einem Unterlassen, kann ein Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nur bejaht werden, wenn der Schadenseintritt bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre. Eine bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügen nicht (s. BGH v. 27.1.1994 – III ZR 109/92, Rn. 33, juris)“. Da nicht abschließend geklärt werden konnte, ob die unzureichenden Rettungsmaßnahmen kausal für den Hirnschaden bzw. die hiermit verbundenen Kosten waren, kann Abhilfe wohl nur das Sachverständigengutachten schaffen. Auch insoweit muss die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. abgewartet werden.
 
VI. Beweislast
Im Übrigen äußerte sich der BGH zudem zur Beweislast. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Kläger beweisbelastet. Man könnte jedoch erwägen, ob – entsprechend den im Arzthaftungsrecht entwickelten Beweisgrundsätzen bei groben Behandlungsfehlern (s. hierzu ausführlich Spickhoff, NJW 2004, 2345 ff.) – eine Beweislastumkehr stattfindet mit der Folge, dass das Land die Nichtursächlichkeit etwaiger Pflichtverletzungen der Sportlehrer nachweisen muss. Das hat der BGH aber mit überzeugender Begründung verneint:

„Zwar gelten diese Grundsätze nach der Senatsrechtsprechung wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage entsprechend bei grober Verletzung von Berufs- oder Organisationspflichten, sofern diese als Kernpflichten, ähnlich wie beim Arztberuf, spezifisch dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dienen. Dies hat der Senat für Hausnotrufverträge und die Badeaufsicht in Schwimmbädern angenommen. Die Amtspflicht der Sportlehrer zur Ersten Hilfe bei Notfällen ist wertungsmäßig jedoch nur eine die Hauptpflicht zur Unterrichtung und Erziehung begleitende Nebenpflicht. Die Sportlehrer werden an der Schule nicht primär oder in erster Linie – sondern nur „auch“ – eingesetzt, um in Notsituationen Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen zu können. Eine Verletzung dieser Nebenpflicht, auch wenn sie grob fahrlässig erfolgt sein sollte, rechtfertigt keine Beweislastumkehr in Anlehnung an die oben aufgeführten Fallgruppen.“

Für eine Beweislastumkehr sei also erforderlich, dass es sich bei der Pflicht zur Erste-Hilfe-Leistung um eine Hauptpflicht handele. Da dies bei Sportlehrern ersichtlich nicht der Fall sei, bleibe es bei den allgemeinen Grundsätzen, dass den Kläger die Beweislast treffe.
 
VII. Ergebnis
Ein Anspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG kommt damit grundsätzlich in Betracht.
 
C) Fazit
Fest steht damit: Sportlehrer trifft die Pflicht, im Notfall zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen zu ergreifen. Wird dies unterlassen, kommt ein Anspruch gegen das Land aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht. Dabei kommt ihnen auch keine Haftungsprivilegierung analog § 680 BGB zu. Denn § 680 BGB verfolgt den Zweck, denjenigen zu privilegieren, der sich spontan und ohne Erste-Hilfe-Ausbildung zu Rettungsmaßnahmen entschließt – dieser Gedanke trifft auf Sportlehrer, die ohnehin über eine derartige Ausbildung verfügen müssen, aber nicht zu. Genau wie es der BGH für die Berufsfeuerwehr entschieden hat, ist eine Analogiebildung also auch bei Sportlehrern nicht angezeigt. Ob jedoch im konkreten Fall ein Anspruch bejaht werden kann, ist noch unklar; insofern muss die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. abgewartet werden.
 
 

23.04.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-04-23 09:18:092019-04-23 09:18:09BGH: Sportlehrer müssen Erste Hilfe leisten
Dr. Jan Winzen

BGH: Lehrbuchfall zur Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Staatshaftung, Startseite

Über einen Amtshaftungsfall, wie er in jedem Lehrbuch stehen könnte, hatte der dritte Zivilsenat in einem aktuellen Urteil vom 04.07.2013 (III ZR 250/12) zu entscheiden.
A. Sachverhalt
Die Klägerin ist Halterin eines durch Steinschlag beschädigten PKW. Ihr Ehemann befuhr mit diesem PKW eine Bundesstraße in Brandenburg. Auf dem zu der Bundesstraße gehörenden seitlichen Grünstreifen führten zwei Mitarbeiter der Straßenmeisterei Mäharbeiten durch. Da die Bundesstraße in dem maßgeblichen Bereich mit einer Schutzplanke versehen ist, konnten die Arbeiten an dieser Stelle nur mit sog. Freischneidern ausgeführt werden. Dabei handelt es sich um Handmotorsensen, die das Mähgut auf der vom Bediener aus gesehen linken Seite auswerfen. Ausweislich der Bedienungsanleitung dürfen sich sowohl während des Startvorgangs als auch während der Arbeit mit den Geräten im Umkreis von 15 m keine weiteren Personen aufhalten. Dieser Abstand ist wegen der Gefahr der Sachbeschädigung durch wegschleudernde Gegenstände auch zu Sachen einzuhalten.
Als der Ehemann der Klägerin die Stelle, an der gerade die Mäharbeien durchgeführt wurden, mit dem PKW passierte, kam es durch aufgewirbelte Steine zu einer Beschädigung des PKW. Die Klägerin macht daraufhin Schadensersatz in Höhe von 978,32 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend.
B. Rechtliche Würdigung
Der Klägerin könnte gegen das beklagte Land Brandenburg ein Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG wegen der Beschädigung ihres Fahrzeuges durch die bei den Mäharbeiten hochgeschleuderten Steine zustehen.
Die vier wesentlichen Anspruchsvoraussetzungen lauten:

  • Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes
  • Amtspfichtverletzung
  • Drittbezogenheit
  • Verschulden

I. Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes
Die Mitarbeiter der Straßenmeisterei müssten bei Durchführung der Mäharbeiten in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn es sich bei den Mäharbeiten um eine öffentlich rechtliche Tätigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VWGO handelt.
[Anmerkung: Will man in der Prüfung streng schematisch vorgehen, kann man auch zunächst die Frage aufwerfen, ob es sich bei den Mitarbeitern der Straßenmeisterei überhaupt um Beamte im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Da es aber für die Beamteneigenschaft von Personen, die nicht bereits Beamte im staatsrechtlichen Sinne (= nach den Beamtengesetzen) sind, entscheidend darauf ankommt, ob diese in Ausübung eines öffentliches Amtes gehandelt haben (funktionaler Beamtenbegriff), empfiehlt es sich von vornherein dieser Frage nachzugehen.]
Die Mäharbeiten könnten Bestandteil einer gegenüber den Straßenbenutzern bestehenden Verkehrssicherungspflicht des Landes sein.
1.) Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht des Landes
Zum grundsätzlichen Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht des Landes führt die Vorinstanz aus:

Dem beklagten Land obliegt die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des betreffenden Streckenabschnitts. Die Verwaltungszuständigkeit für die gem. § 5 Abs. 1 FStrG in der Straßenbaulast der Bundesrepublik Deutschland stehenden Bundesfernstraßen (außerhalb geschlossener Ortschaften) liegt gem. Art. 90 Abs. 2 GG, § 20 Abs. 1 FStrG bei den Straßenbaubehörden der Länder, die allein über die nötigen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten verfügen, die von der Straße ausgehenden Gefahren zu beseitigen. Dieses im Rahmen der Auftragsverwaltung selbständige und eigenverantwortliche Handeln der Landesbehörden rechtfertigt es, die Verkehrssicherungspflicht auch für die Bundesstraßen den Ländern zuzuordnen. Dabei gehören zum Straßenkörper nicht nur die Fahrbahnen, sondern auch Geh- und Radwege sowie Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 b BbgStrG).

2.) Einordnung der Verkehrssicherungspflicht
Die danach bestehende Verkehrssicherungspflicht müsste öffentlich rechtlich sein. Zwar ist die Einordnung straßenrechtlicher Verkehrssicherungspflicht und ihrer einzelnen Bestandteile (als öffentlich rechtlich) dogmatisch alles andere als selbstverständlich (siehe zu den Einzelheiten etwa Papier, in: Münchener Kommentar, 6. Auflage 2913, § 839 BGB Rn. 177 ff.). Grundsätzlich wird insoweit ein privatrechtliches Haftungsregime angewendet. Dies ist aber anders, wenn – wie regelmäßig – der Landesgesetzgeber den hoheitlichen Charakter der Verkehrssicherung ausdrücklich bestimmt hat.
§ 10 Abs. 1 Satz 1 des brandenburgischen Straßengesetzes (BbgStrG) lautet:

Die mit dem Bau und der Unterhaltung sowie der Erhaltung der Verkehrssicherheit der Straßen einschließlich der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben obliegen den Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflichten in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit.

3) Mäharbeiten Bestandteil der Verkehrssicherungspflicht

Die öffentlich-rechtlich gestaltete Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGHZ 60, 54) und erfasst auch Gefahren, die von der unmittelbaren Umgebung der Straße für den Straßenverkehr ausgehen können (Rotermund/Krafft, Haftungsrecht in der kommunalen Praxis, 4. Aufl., Rdnr. 293). Der Inhalt der rechtlich selbständig neben der Straßenbaulast stehenden Verkehrssicherungspflicht geht deshalb dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand der Straßen, Wege und Plätze unabhängig von deren baulicher Beschaffenheit drohen, wozu z. B. das Streuen, die Reinigung und die Beleuchtung zählen. Damit umfasst der Umfang der Verkehrssicherungspflicht auch das Mähen von zum Straßenkörper gehörenden Grünstreifen.

II. Amtspflichtverletzung
Weitere Voraussetzung des Anspruchs aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG ist die Verletzung einer Amtspflicht. Der Beamte muss die Aufgaben und Befugnisse der juristischen Person des öffentlichen Rechts, in deren Namen und Rechtskreis er tätig wird, im Einklang mit dem objektiven Recht wahrnehmen (= Amtspflicht zu gesetzmäßigem Verhalten, vgl. dazu Papier, in: Münchener Kommentar, 6. Auflage 2913, § 839 BGB Rn. 193). Gegenstand der Amtspflicht zu gesetzmäßigem Verhalten ist insbesondere die (zumutbare) Verhinderung  deliktischer Schädigungen:

Zu den Amtspflichten, die Amtsträger zu beachten haben, gehört die Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten. Eine besonders wichtige Konsequenz dieser Pflicht ist es, deliktische Schädigungen zu unterlassen, insbesondere sich bei der Amtsausübung aller rechtswidrigen Eingriffe in fremde Rechte zu enthalten, vor allem in die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechtsgüter, hier das Eigentum (vgl. Senatsurteil vom 28. November 2002 – III ZR 122/02, NVwZ-RR 2003, 166). Bei Mäharbeiten der vorliegenden Art sind dabei (insbesondere) die notwendigen Sicherungsvorkehrungen und -maßnahmen zu treffen, um Schäden durch hochgeschleuderte Steine zu vermeiden (Senat aaO), wobei freilich nur solche Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen, die unter Berücksichtigung des Gefahrenpotentials mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2005 – VI ZR 115/04, NVwZ-RR 2005, 381, 382 zu § 7 StVG).

Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab ist eine Amtspflichtverletzung zu bejahen, da das beklagte Land es unterlassen hat Schutzplanen zur Verhinderung von Beschädigungen vorbeifahrender Autos zu ergreifen:

Die Annahme einer Amtspflichtverletzung wird hier schon allein dadurch getragen, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine mobile, auf Rollen montierte, wiederverwendbare Schutzwand aus Kunststoffplanen bei den Mäharbeiten hätte verwendet werden können, die entsprechend dem jeweiligen Mähabschnitt hätte mitgeführt werden können, was die vorbeifahrenden Fahrzeuge vor aufgewirbelten Steinen geschützt hätte.

Der Einsatz von Schutzplanen zur Verhinderung deliktischer Schädigungen war nach Ansicht des BGH im vorliegenden Fall auch nicht unzumutbar:

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Einsatz von Planen an längeren zu mähenden Abschnitten einer Straße unzumutbar sei. Das Berufungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass der gesamte Streckenabschnitt einheitlich hätte abgeplant werden müssen. Die Entscheidung steht deshalb auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Januar 2005 (VI ZR 115/04, NVwZ-RR 2005, 381, 382 zu § 7 StVG), wonach ein vollständiges Abplanen des zukünftigen Arbeitsbereichs bei Mäharbeiten an Autobahnen unzumutbar sei. (…) Umstände, die den Einsatz einer mobilen Plane auf Rollen angesichts der Gefahren für den an den Mäharbeiten vorbeifließenden Verkehr als wirtschaftlich unzumutbar erscheinen lassen, zeigt der Beklagte nicht auf. Insbesondere ist ein die Grenzen der Zumutbarkeit überscheitender zusätzlicher Personalaufwand nicht ersichtlich.

III. Drittbezogenheit
Der Anspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG setzt weiter die Drittbezogenheit der Amtspflicht voraus. Die konkrete Pflicht muss also zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen dienen. Im Zusammenhang mit straßenrechtlichen Pflichten ist insoweit kurz klarzustellen, dass die Straßenbaulast als solche lediglich im öffentlichen Interesse besteht. Die daraus abgeleitete Verkehrssicherungspflicht hingegen dient dem Schutz Dritter, die mit der betreffenden Straße bestimmungsgemäß in Berührung kommen:

Die dargelegte Amtspflichtverletzung der Beklagten ist auch drittbezogen, weil durch die Schutzvorrichtungen gerade das Eigentum des vorbeifahrenden Kraftfahrers geschützt werden soll.

IV. Verschulden
Die Mitarbeiter der Straßenmeisterei müssten ihre Amtspflicht schuldhaft verletzt haben:

Nach dem das Amtshaftungsrecht beherrschenden objektiven Sorgfaltsmaßstab trifft die Mitarbeiter des Beklagten hier auch ein Fahrlässigkeitsvorwurf: Sie hätten die Notwendigkeit weitergehender Schutzvorkehrungen zumindest erkennen und in Rechnung stellen können. Insbesondere der Einsatz von mobilen Absperrvorrichtungen hätte in Erwägung gezogen werden müssen.

Das Instanzgericht hatte hierzu (noch deutlicher) ausgeführt:

Der Mitarbeiter der Beklagten handelte auch mindestens fahrlässig, wenn nicht sogar bedingt vorsätzlich und damit schuldhaft. Ihm waren die Abstandsregelungen aus der Betriebsanleitung des verwendeten Gerätes und damit die Gefahr der Sachbeschädigung vorbeifahrender Kraftfahrzeuge bekannt. Dies folgt bereits daraus, dass er angab, er und sein Mitarbeiter würden immer mindestens 15 Meter versetzt arbeiten und bei vorbeifahrenden Kraftfahrzeugen, wenn möglich, die Arbeit unterbrechen.

Bemerkenswert ist im Übrigen noch der Vortrag des beklagten Landes, ein Verschulden könne nach den Grundsätzen der Kollegialgerichtsrichtlinie nicht angenommen werden, weil das Landgericht (in erster Insanz) eine Verkehrssicherungspflichtverletzung verneint habe. Tatsächlich wird zwar im Bereich der Amtshaftung ein Verschulden regelmäßig verneint, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtshandlung für rechtmäßig gehalten hat. Im vorliegenden Fall konnte dieser Einwand indessen schon deshalb nicht durchgreifen, weil das Landgericht durch den Einzelrichter entschieden hatte und nicht durch die Kammer (als ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht).
V. Kausalität und Schaden
Insoweit bestehen keine Bedenken.
VI. Kein Haftungsausschluss nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB
§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB sollte man bei einer Klausur aus dem Bereich der Amtshaftung immer (zumindest gedanklich) im Blick haben. Nach dieser Norm kann der Beamte und ihm folgend der Staat bei Fahrlässigkeit des Beamten nur in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. In Klausuren wird indessen (wie hier) meist eine der Fallgruppen einschlägig sein, in denen der Haftungsausschluss nach Sinn und Zweck (angesichts der Haftungsübernahme gebotene Entlastung der öffentlichen Hand) nicht eingreift. Hierzu zählen insbesondere Fälle, in denen sich der Geschädigte eine Ersatzleistung selbst „erkauft“ hat (etwa durch Abschluss einer Volkasoversicherung). Eine weitere Fallgruppe ist die Verletzung öffentlich rechtlicher Verkehrssicherungspflichten.

Dieser Grundsatz der subsidiären Haftung gilt allerdings im Bereich der als hoheitlichen Aufgabe ausgestalteten Verkehrssicherungspflichten gerade nicht, vielmehr gilt hier der Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung (vgl. Palandt/Sprau, 70. Aufl. 2011, Rdnr. 57 zu § 839 BGB). Deshalb kommt es auf die Frage, ob die Klägerin gegen den Eintritt von Steinschlagschäden privat versichert war (etwa durch Abschluss einer Vollkasko oder ggf. Teilkaskoversicherung) nicht an, solches ist aber auch nicht vorgetragen oder ersichtlich.

VII. Passivlegitimation
Passivlegitimiert ist beim Anspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG die Anstellungskörperschaft, hier also das Land Brandenburg.
C. Zinsen + vorgerichtliche Anwaltskosten

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, allerdings erst ab Rechtshängigkeit (22. Dezember 2010) und nicht bereits, wie gefordert ab dem 8. Oktober 2010. Denn das anwaltliche Schreiben vom 5. Oktober 2010 stellt lediglich eine Zahlungsaufforderung dar, durch die die Zahlung erst fällig wird.
Schließlich sind der Klägerin als Nebenkosten vorgerichtlich entstandene Anwaltskosten zu ersetzen. Diese sind, bezogen auf einen Gegenstandswert, der dem ersatzfähigen Schaden in Höhe von 978,32 € entspricht, erstattungsfähig. Der 1,3-fache Gebührensatz nach KV 2300 ist angemessen. Bei einem Gegenstandswert von bis 1.200,00 € beläuft sich die 1,3-fache Gebühr folglich auf 110,50 € netto. Hinzu kommt die geforderte Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV RVG.

D. Fazit
Zwar dürften Examensklausuren aus dem Bereich der Amtshaftung eher selten sein. Die vorliegende Entscheidung ließe sich aber eins zu eins als Klausur stellen. Im zweiten Examen wäre dabei allerdings wohl nur an eine anwaltliche Aufgabenstellung zu denken, da über Ansprüche aus Amtshaftung die ordentlichen Gerichte entscheiden (§ 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Eine Urteilsklausur wäre damit wohl ausgeschlossen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

18.09.2013/0 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-09-18 13:00:412013-09-18 13:00:41BGH: Lehrbuchfall zur Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG
Dr. Jan Winzen

BGH: Amtshaftung wegen nicht durchgeführter BSE-Tests?

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Staatshaftung, Startseite

Der BGH verhandelte am 08.11.2012 in zwei Fällen (III ZR 293/11 und III ZR 151/12) über Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung im Zusammenhang mit BSE-Tests.
Zum Sachverhalt:
Die Beklagte war jeweils das Land Baden-Württemberg. Auf Klägerseite standen zwei Herstellerunternehmen, die zur Fertigung ihrer Erzeugnisse Schlachtprodukte verwenden. In der Sache III ZR 293/11 ging es um rindertalghaltiges Vogelfutter. III ZR 151/12 betraf Lebensmittel-, Futter- und Industriefette, zu deren Herstellung Schlachtfett verwendet wurde.
Das zuständige Veterinäramt des Landes Baden-Württemberg unterhielt in einem Schlachthof eine sog. Fleischhygienestelle zur Durchführung von BSE-Tests. BSE-Tests waren nach der maßgeblichen BSE-Untersuchungsverordnung ab dem 01.01.2009 für in Deutschland geborene und gehaltene Rinder vorgeschrieben, soweit diese älter als 48 Monate waren. Aufgrund eines Versehens bei der Klassifizierung der Tiere wurden sieben testpflichtige Rinder ohne Durchführung eines Tests geschlachtet und das Schlachtfett auf Sicherungsschein an das klagende Unternehmen in der Sache III ZR 151/12 (K1) ausgeliefert. Nach der Auslieferung erteilte das Veterinäramt die Freigabe für das veräußerte Schlachtfett, indem es K1 (irrtümlich) den negativen Ausgang der (tatsächlich nicht vorgenommenen) BSE-Tests mitteilte. K1 verarbeitet das Fett weiter und veräußerte es teilweise in Form von Rindertalg an das klagende Unternehmen in der Sache III ZR 293/11 (K2). Im weiteren Verlauf wurde der Fehler festgestellt. Das zwischenzeitlich auf Basis des Rindertalgs hergestellte Vogelfutter (98 Tonnen Maisknödel) musste vernichtet werden. Dabei entstand ein Schaden von über 100.000,00 Euro.
Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Schadensersatzklagen ab (K1 machte dabei neben eigenen Ansprüchen wegen der Vernichtung ihrer Erzeugnisse auch noch Ansprüche aus abgetretenem Recht einiger Abnehmer geltend). Der BGH wies das Rechtsmittel der K2 zurück. Im Hinblick auf K1 wies das Gericht Rechtsmittel nur insoweit zurück, als sie Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend gemacht hatte. Der BGH hat das Berufungsurteil jedoch aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, soweit K1 eigene Schäden geltend gemacht hat.
Zur Sache:
Der BGH hatte zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB vorlagen (siehe zu den verschiedenen Anknüpfungspunkten einer Haftung des Staates gegenüber dem Bürger hier). Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht im Volltext vor. Orientiert an den Tatbestandsvoraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs ließe sich die Prüfung aber wie folgt aufbauen:
1.) Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes
An der Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereiches dürfte im Hinblick auf die zuständigen Bediensteten des Veterinäramtes kein Zweifel bestehen. Der Beamtenbegriff im Rahmen der Amtshaftung (von Ossenbühl seit jeher als Funktionshaftung bezeichnet) ist weit zu verstehen und umfasst neben den Beamten im Sinne der Beamtengesetze auch sonstige mit öffentlicher Gewalt betraute Personen (insbesondere auch Angestellte des öffentlichen Dienstes und Verwaltungshelfer). In einer Entscheidung aus dem Jahre 2007 sah der BGH den persönlichen Anwendungsbereich der Amtshaftung übrigens auch im Falle der Beauftragung privater Labors zum Zwecke der Durchführung von BSE-Tests als eröffnet an, da er die Labors als Verwaltungshelfer einstufte (BGH, Beschluß vom 15. 2. 2007 – III ZR 137/06).
Dass das Veterinäramt bei der Durchführung der BSE-Tests bzw. der Erteilung der Negativbescheiningung auch in Ausübung eines öffentlichen Amtes (§ 40 VwGO) handelte, bedarf keiner weiteren Begründung.
2.) Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht
Amtshaftungsansprüche nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB setzen die Verletzung einer gerade einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht voraus.
Amtspflicht ist hier die ordnungsgemäße Befolgung der rechtlichen Bestimmungen über die Durchführung von BSE-Tests. Die Verletzung dieser Amtspflicht sieht das Gericht dann wohl in der fehlerhaften (und fahrlässigen) Freigabe des ausgelieferten Schlachtfetts.
Die zentrale Frage, die der BGH zu erörtern hatte, ist die nach der Drittbezogenheit der verletzten Amtspflicht. Eine Amtspflicht ist drittbezogen, wenn sie zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist.
Grundsatz: keine Drittbezogenheit
An dieser Stelle lässt sich der Pressemitteilung des BGH folgender unmissverständlicher Grundsatz entnehmen:

Die rechtlichen Bestimmungen über die Durchführung von BSE-Tests dienen (…) dem Gesundheitsschutz; ihnen lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die hier betroffenen wirtschaftlichen Interessen der Klägerinnen geschützt werden sollen.

Dies gilt allerdings nur soweit, wie Ansprüche Dritter (namentlich von in der weiteren Abnehmer- und Verarbeitungskette stehenden Unternehmen) geltend gemacht werden. Im Verhältnis des Staates zum Schlachtbetrieb selbst heißt es in der Pressemitteilung:

Nach der Rechtsprechung des Senats (sind) die bei der Durchführung einer BSE-Untersuchung bestehenden Amtspflichten im Verhältnis zum betroffenen Schlachtbetrieb drittbezogen und es kommen Schadensersatzansprüche in Betracht, wenn ein Schlachthofbetreiber durch Fehler der zuständigen Behörden unmittelbar an der (gewinnbringenden) Verwertung seines Eigentums gehindert wird.

Da im vorliegenden Fall aber nicht der Schlachthofbetreiber selbst klagte, kommt dieser Aussage zunächst eigentlich nur die Qualität eines Obiter Dictum zu. Der BGH nennt aber im Anschluss auch noch ein paar Argumente, die gegen eine Erweiterung der Haftung für unterlassene BSE-Tests auf Abnehmer sprechen:

  • Unübersehbarer Personenkreis

Eine derartige Ausweitung würde nach Ansicht des Gerichts zu einer konturlosen Haftung des Staates führen, die letztlich nur noch eine Frage der Kausalität wäre. Dies stünde aber im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass drittbezogene Amtspflichten stets nur dem Schutze eines erkennbar abgegrenzten Personenkreises zu dienen bestimmt seien.

  • Keine Haftungserweiterung durch Abschluss von Verträgen

Auch könne es nicht in der Hand des geschützten Dritten (hier des Schlachthofes) liegen, den Schutzbereich der ihm gegenüber obliegenden Amtspflichten durch den Abschluss von Verträgen auf den Vertragspartner zu erstrecken.

  • Schadenshöhe nicht absehbar

Schließlich wären die potentiellen Schäden und die damit verbundenen Haftungsrisiken kaum absehbar und ausufernd, da die Verarbeitung selbst geringer Mengen von verkehrsunfähigen Fleischbestandteilen oder Nebenprodukten dazu führen könne, dass große Mengen der mit Hilfe dieser Stoffe hergestellten End- oder Fertigprodukte unbrauchbar würden.
Für die Beurteilung der Ansprüche der K2 (wegen der Vernichtung des Vogelfutters) bedeutet dies, dass es an der für Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB erforderlichen Drittbezogenheit fehlt. Soweit K1 Ansprüche aus abgetretenem Recht (weiterer Abnehmer) geltend gemacht hat, gilt entsprechendes.
Ausnahme: Adressat der Freigabeerklärung
Etwas anderes ergibt sich nach Ansicht des BGH aber hinsichtlich der eigenen Ansprüche der K1. Denn diese konnte als direkte Adressatin der Freigabebescheinigung des Veterinäramtes auf deren Richtigkeit vertrauen:

Die Auslegung der in den Begleitscheinen enthaltenen Ergebnismitteilungen ergibt, dass die hiervon erfassten Rohfettlieferungen von Rindern stammen, bei deren Schlachtung die Vorgaben der BSE-Verordnung eingehalten worden sind. Die Klägerin, bei der sich zum Zeitpunkt der Mitteilungen die fraglichen Rohfette tatsächlich befunden haben und aufgrund der ausgesprochenen vorläufigen Sicherstellungen auch nur befinden durften, konnte als Adressat dieser Mitteilungen auf deren Richtigkeit vertrauen und entsprechend wirtschaftlich disponieren; insoweit ist sie auch als geschützte Dritte im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen.

Insoweit obliegt es nun also wieder dem Berufungsgericht, neu zu verhandeln und zu entscheiden.
Fazit:
Festhalten lässt sich, dass den Veterinäramtern der Länder eine Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Durchführung von BSE-Tests obliegt. Diese Amtspflicht ist grundsätzlich nicht drittbezogen, sondern dient allein dem Schutz der Gesundheit (als Allgemeingut). Auf Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB gestützte Amtshaftungsansprüche von Unternehmen der Fertigungsindustrie, die auf Grundlage von Schlachterzeugnissen produzieren, kommen folglich nicht in Betracht.
Etwas anderes gilt in zwei Fällen: Der Schlachthof, in dem die Kontrollen durchgeführt werden, kann Amtshaftungsansprüche wegen nicht ordnungsgemäß durchgeführter BSE-Tests geltend machen, wenn er infolgedessen an der gewinnbringenden Verwertung seines Eigentums gehindert ist. Entsprechendes gilt aufgrund eines besonderen Vertrauenstatbestandes für einen Abnehmer, der direkter Adressat einer Freigabeerklärung (Negativ-Bescheinigung) des Veterinäramtes war.
Im ersten Examen könnte ein solcher Amtshaftungsanspruch etwa als Zusatzfrage in Betracht kommen. Eine reine Amtshaftungsklausur ist wohl eher untypisch (siehe zur Klausurrelevanz des Staatshaftungsrechts auch schon hier).
Im zweiten Examen kann er als Urteilsklausur wegen der Rechtswegzuweisung des Art. 34 S. 3 GG (i.V.m § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO) eigentlich nur im Zivilrecht kommen (was angeblich auch schon passiert ist und dazu geführt hat, dass es eine „dritte Ö-Rechts Klausur“ gab). Anders ist es allenfalls in einer Anwaltsklausur. Hier kann es durchaus angezeigt sein, für den Mandanten mögliche Amtshaftungsansprüche zu prüfen (und geltend zu machen).
 
 
 

12.11.2012/0 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2012-11-12 09:00:242012-11-12 09:00:24BGH: Amtshaftung wegen nicht durchgeführter BSE-Tests?

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