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Schlagwortarchiv für: Art. 21 GG

Gastautor

BVerfG zum Ausschluss der Partei „Die Heimat“ (vormals: NPD) von der staatlichen Parteienfinanzierung

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Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Tyrrell Blum veröffentlichen zu können. Der Autor ist Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Universität Bonn sowie Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Düsseldorfer Wirtschaftskanzlei „ARQIS“.

A. Einleitung

Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am 23. Januar 2024 einstimmig entschieden (BVerfG, Urt. v. 23.01.2024 – 2 BvB 1/19), dass die Partei „Die Heimat“ (vormals: NPD) für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Parteienfinanzierung nach § 18 Parteiengesetz (PartG) ausgeschlossen ist. Dadurch entfallen gleichzeitig sämtliche steuerliche Begünstigungen der Partei – dies wirkt sich insbesondere mit Blick auf etwaige Spenden vehement aus.

Die Relevanz des Falles für das Staatsexamen liegt, ungeachtet der gesellschaftspolitischen Bedeutung, vor allem an der Tatsache, dass erstmalig ein solches Finanzierungsausschlussverfahren auf Grundlage des Art. 21 Abs. 3 GG angestrengt worden ist. Außerdem eignet sich der Sachverhalt gut, um staatsorganisationsrechtliche Kompetenzen abzufragen. Die Entscheidung soll daher im Folgenden entsprechend dem Aufbau einer juristischen Klausur dargestellt werden. Aus didaktischen Gründen ist der Sachverhalt an einzelnen Stellen leicht abgewandelt worden.

B. Sachverhalt (leicht abgewandelt)

Die N-Partei ist eine 1964 gegründete rechtsextreme Partei in Deutschland, die in der Vergangenheit mehrfach erfolgreiche Landtagswahlen verzeichnen konnte. Sie ist bundesweit organisiert und verfügt neben regionalen Untergliederungen über eine eigene Jugendorganisation. Außerdem richtet sie regelmäßig Parteiveranstaltungen in Form von Parteitagen, Tagungen, Konferenzen und Schulungen aus und verfügt über Publikationsorgane in Printversionen und digitalen Formaten. Im Jahre 2014 ist sie zudem aufgrund des Wegfalls der Sperrklausel für die Wahl zum Europäischen Parlament mit einem Ergebnis von 1 % der Stimmen mit einem Abgeordneten in das Europäische Parlament eingezogen.

Seit einigen Jahren ist die Wählerzahl jedoch stetig gesunken, sodass die N-Partei gegenwärtig in keinem Parlament auf Bundes- oder Landesebene vertreten ist. In der jüngsten Bundestags- und Europawahl hat sie jeweils unter einem Prozent erzielt. In gleicher Weise ist die Mitgliederzahl der Partei stetig gesunken.

Die N-Partei fordert in ihrem Parteiprogramm die „Einheit von Volk und Staat“ und postuliert „Volksherrschaft setzt Volksgemeinschaft voraus“. Hierbei bezieht sie sich auf einen ethnischen Volksbegriff und der Vorstellung von der deutschen „Volksgemeinschaft“ als Abstammungsgemeinschaft, die einen Vorrang gegenüber dem einzelnen Menschen haben soll. Eine „Überfremdung“ Deutschlands soll daher in jedem Falle verhindert werden. Weitergehend soll die bestehende Verfassungsordnung durch einen autoritären „Nationalstaat“ ersetzt werden, der an der ethnischen „Volksgemeinschaft“ ausgerichtet ist.

Diese politischen Ziele möchte die N-Partei anhand einer „Vier-Säulen-Strategie“ und vor allem durch zahlreiche öffentliche Veranstaltungen, darunter auch in Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremen Parteien und Organisationen, erreichen.

Bis zum Jahr 2021 hat die N-Partei an der staatlichen Parteienfinanzierung partizipiert. Nach der Bundestagswahl 2021 hat sie jedoch nicht mehr die nach § 18 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 PartG erforderlichen Wahlergebnisse erzielt und demnach ihren Anspruch verloren.

Nichtsdestotrotz konnte die Partei erhebliche Einnahmen außerhalb der staatlichen Teilfinanzierung erlangen, vor allem durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Aufgrund dieser Einnahmen gelang es ihnen weiterhin einen Überschuss zu erzielen und somit einen defizitären Haushalt zu verhindern. So betrug der Überschuss zuletzt im Jahre 2020 insgesamt 451.692,32 €.

Der Bundestag möchte der steuerlichen Begünstigung der N-Partei nun ein Ende setzen. Am 17.07.2019 beantragt er beim Bundesverfassungsgericht, die N-Partei von staatlicher Finanzierung auszuschließen und den Wegfall der steuerlichen Begünstigung und von Zuwendungen festzustellen. Die N-Partei sei sowohl nach ihren Zielen als auch nach dem ihr zurechenbaren Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen und zu beseitigen.

Das Bundesverfassungsgericht wendet sich sodann an den Vorstand der N-Partei und gibt ihm eine Gelegenheit zur Stellungnahme. Die N-Partei hält den Antrag für unzulässig und unbegründet. Der Antrag sei bereits unstatthaft, da weder das Grundgesetz noch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz eine Verfahrensart kennen, mit der eine politische Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden kann. Etwaig vorhandene Regelungen seien wegen Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG verfassungswidrig und nichtig.

Außerdem fehle das Rechtsschutzbedürfnis für einen Finanzierungsausschluss der N-Partei, da sie infolge ihrer mäßigen Wahlergebnisse nahezu vollständig aus der staatlichen Finanzierung herausgefallen seien.

Jedenfalls sei der Antrag unbegründet mangels Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 GG, insbesondere mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal des „Darauf-Ausgerichtetseins“. Wie im Falle des Art. 21 Abs. 2 GG könne auch im Rahmen des Abs. 3 nicht auf das Potentialitätskriterium verzichtet werden.

Hat der Finanzierungsausschlussantrag Aussicht auf Erfolg?

C. Gutachten

Vorweg: Aufgrund des Umstandes, dass Art. 21 Abs. 3 GG erst seit 2017 existiert, fällt die entsprechende Ausbildungsliteratur hierzu vergleichsweise eher spärlich aus. Dies wird auch der Tatsache geschuldet sein, dass nun erstmals ein solches Finanzierungsausschlussverfahren angestrengt worden ist. Konsequenterweise wird eine beachtliche Leistung des Prüflings bereits in der Transferleistung liegen, dass er ein „eigenes“ Prüfungsschema anhand des Gesetzes und der Kenntnisse zum Parteiverbotsverfahren erstellt. Die erforderliche Gesetzeslektüre richtet sich hierbei primär nach den Bestimmungen des Art. 21 Abs. 2-4 GG bzw. §§ 43 ff. BVerfGG.

Der Finanzierungsausschlussantrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und soweit er begründet ist.

I. Zulässigkeit

Der Antrag des Bundestages müsste zunächst zulässig sein.

1. Zuständigkeit des BVerfG

Das Bundesverfassungsgericht ist gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 5 GG i.V.m. Art. 21 Abs. 4 Alt. 2 GG, § 13 Nr. 2a BVerfGG für das Finanzierungsausschlussverfahren zuständig.

Der Statthaftigkeit des Antrages steht es nicht entgegen, dass Art. 21 Abs. 3 GG von der N-Partei als verfassungswidriges Verfassungsrecht gerügt wird, weshalb das Grundgesetz eine entsprechende Antragsart von vornherein nicht kennen würde. Die materiell-rechtliche Beurteilung der Verfassungswidrigkeit ist eine Frage der Begründetheit, weshalb für die Statthaftigkeit ausreicht, dass die begehrte Entscheidung überhaupt gesetzlich vorgesehen ist.

2. Antragsberechtigung

Der Bundestag ist gem. § 43 Abs. 1 S. 1 BVerfGG antragsberechtigt.

3. Antragsgegner

Die N-Partei ist der richtige Antragsgegner gem. § 43 Abs. 1 S. 1 BVerfGG. Sie wird gem. § 44 Abs. 1 S. 1 BVerfGG i.V.m. § 11 Abs. 3 PartG vom Vorstand vertreten.

4. Vorverfahren

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Vertretungsberechtigten, also dem Vorstand der Partei gem. § 44 Abs. 1 S. 1 BVerfGG i.V.m. § 11 Abs. 3 PartG, Gelegenheit zur Äußerung gegeben und somit das nach § 45 BVerfGG erforderliche Vorverfahren durchgeführt.

5. Form

Von einem ordnungsgemäßen Antrag gem. § 23 Abs. 1 BVerfGG ist auszugehen.

6. Rechtsschutzbedürfnis

Fraglich ist, ob im Rahmen eines Finanzierungsausschlussverfahrens ein Rechtsschutzbedürfnis notwendig ist.

Dagegen spricht zunächst der Sinn und Zweck des Finanzierungsausschlussverfahrens. Dieses ist – wie auch das Parteiverbotsverfahren – auf präventiven Verfassungsschutz gerichtet und soll nicht den subjektiven Interessen des Antragsstellers dienen. Außerdem würde hiermit im Ergebnis eine Kontrolle des politischen Ermessens bei der Entscheidung über eine Antragstellung stattfinden. Schließlich führt sogar der missbräuchliche Antrag eines Parteiverbots nicht zur Unzulässigkeit, weshalb dies erst recht für einen Antrag gelten muss, an dessen Entscheidung der Antragsberechtigte kein eigenes Interesse hat.

Für die Erforderlichkeit spricht der systematische Vergleich mit anderen verfassungsrechtlichen Streitigkeiten, bei denen ein Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich notwendig ist.

Ein Streitentscheid ist jedoch nur erforderlich, wenn kein Rechtsschutzbedürfnis vorliegt. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Rechtsverfolgung hat und eine gerichtliche Inanspruchnahme erforderlich ist. Dem könnte der Umstand entgegenstehen, dass die N-Partei infolge ihrer mäßigen Wahlergebnisse nahezu vollständig aus der staatlichen Finanzierung herausgefallen ist. Das verfolgte Rechtsziel in Form des Ausschlusses der staatlichen Finanzierung stellt demnach im Ergebnis bereits den gegenwärtigen Zustand dar.

Dies lässt jedoch außer Acht, dass die N-Partei zukünftig wieder Wahlerfolge verbuchen könnte und damit die Beteiligungsvoraussetzungen erneut aufleben würden. Jenes lässt sich nur vermeiden, indem ein Finanzierungsaussschlussverfahren durchgeführt wird, wonach die N-Partei in jedem Falle in den künftigen sechs Jahren von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen wäre. Darüber hinaus stellt auch der Entzug der mittelbaren Parteienfinanzierung in Form von Steuerbegünstigungen nach Art. 21 Abs. 3 S. 2 GG ein legitimes Ziel dar. Der Entzug folgt dem Ausschluss von staatlicher Teilfinanzierung akzessorisch und kann nicht eigenständig verfolgt werden. Somit würden von vornherein auch die Rechtsfolgen des Art. 21 Abs. 3 S. 2 GG vereitelt werden, obwohl die Partei hiervon unter Umständen noch profitiert. Schließlich ist Sinn und Zweck des Art. 21 Abs. 3 GG die präventive Abwehr erstarkender verfassungsfeindlicher Parteien. Diesen soll nicht nur gegenwärtige Finanzzuwendungen entzogen, sondern für einen festgelegten Zeitraum jegliche Partizipation an der staatlichen Parteienfinanzierung verwehrt werden.

Aufgrund dieser Erwägungen ist ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben, weshalb sich ein Streitentscheid erübrigt.

7. Zwischenergebnis

Der Antrag des Bundestages ist zulässig.

II. Begründetheit

Der Antrag ist begründet, soweit die N-Partei darauf ausgerichtet ist, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, vgl. Art. 21 Abs. 3 S. 1 GG.

1. Art. 21 Abs. 3 GG als „verfassungswidriges Verfassungsrecht“

Der Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung ist nur möglich, wenn Art. 21 Abs. 3 GG selbst keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.

Eine Verfassungsänderung, die nicht die durch Art. 79 Abs. 3 GG aufgestellten Grenzen einhält, stellt „verfassungswidriges Verfassungsrecht“ dar und ist nichtig. Demzufolge ist eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, nichtig.

a) Demokratieprinzip

Art. 21 Abs. 3 GG könnte eine die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG berührende Aushöhlung des Demokratieprinzips darstellen und damit nichtig sein.

Das Demokratieprinzip ist verankert in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG und verlangt, dass sich die Ausübung hoheitlicher Gewalt durch staatliche Organe auf die Gesamtheit der Bürger zurückführen lässt. Hierbei muss eine gleichberechtigte Teilnahme aller Bürger an der politischen Willensbildung stets gewährleistet sein. Ein wichtiges Instrument hierfür ist der Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien.

Hinweis: Art. 79 Abs. 3 GG schützt nicht jede einzelne Ausprägung des Demokratieprinzips. Vielmehr soll das demokratische Wesen des Verfassungsstaates als solches geschützt werden – dessen Wesensgehalt darf nicht durch eine Grundgesetzänderung negiert oder in substantieller Weise beeinträchtigt werden.

Art. 21 Abs. 3 GG sieht einen Finanzierungsausschluss im Falle von verfassungsfeindlichen Parteien vor. Aufgrund der entzogenen finanziellen Mittel steht die N-Partei im politischen Wettbewerb schlechter dar, insbesondere in Zeiten des Wahlkampfes.
Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Chancengleichheit in ihrem Kerngehalt erhalten bleibt; eine absolute Garantie dessen wird durch Art. 79 Abs. 3 GG nicht gewährleistet. Parteien, die auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgehen, können gem. Art. 21 Abs. 2 GG verboten und damit vollständig von der Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes ausgeschlossen werden. Dies ist eine Folge des grundgesetzlichen Konzepts der „wehrhaften Demokratie“, wonach die freiheitliche demokratische Ordnung des Grundgesetzes geschützt werden soll.
In gleicher Weise ist ein Eingriff in die Chancengleichheit durch Art. 21 Abs. 3 GG zulässig, wenn dieser dem Bestand und der Sicherung der freiheitlichen Demokratie dient. Der Finanzierungsausschluss bezweckt in abgestufter Variante ebendiesen Schutz vor Parteien, die gerade dessen Beseitigung anstreben. Es können demnach nur solche Parteien von den Folgen des Art. 21 Abs. 3 GG getroffen werden, deren chancengleiche Beteiligung an der politischen Willensbildung nicht Teil des grundgesetzlichen Demokratieprinzips ist. Zudem gewährt die politische Chancengleichheit keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung, sondern sieht nur eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung vor, sofern diese stattfindet.

Folglich berührt Art. 21 Abs. 3 GG nicht die Substanz des in Art. 20 GG garantierten Demokratieprinzips i.S.d. Art. 79 Abs. 3 GG.

b) Menschenwürdegarantie

Art. 21 Abs. 3 GG könnte jedoch in verfassungsfeindlicher Weise die Menschenwürdegarantie gem. Art. 1 Abs. 1 GG berühren und damit nichtig sein.

Der Schutz- und Achtungsanspruch der Menschenwürde umfasst auch den Anspruch auf demokratische Selbstbestimmung der Bürger. Dieser sichert den Bürgern eine gleichberechtigte Teilhabe an der Ausgestaltung der freiheitlichen demokratischen Ordnung zu, ausgehend vom Eigenwert und Würde des zur Freiheit befähigten Menschen.
Aufgrund des finanziellen Ausschlusses der N-Partei, kann der einzelne Bürger seine bevorzugte Partei nicht mehr finanziell unterstützen. Hierin könnte eine Verhinderung der Wahrnehmung des demokratischen Selbstbestimmungsrechtes des einzelnen Bürgers liegen.
Dem steht jedoch erneut das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ entgegen. Der Bürger hat keinen Anspruch darauf, dass auch verfassungsfeindliche Parteien an einer staatlichen Finanzierung partizipieren können. Weitergehend bleibt es dem Bürger überlassen die Partei auf eine andere Art und Weise zu unterstützen und auf diesem Wege politisch mitzuwirken. Das demokratische Selbstbestimmungsrecht des Bürgers ist nicht allein auf eine finanzielle Unterstützung beschränkt, sondern kann auf unterschiedlichste Art verwirklicht werden.

Mithin berührt Art. 21 Abs. 3 GG nicht die Menschenwürdegarantie gem. Art. 1 Abs. 1 GG i.S.d. Art. 79 Abs. 3 GG und ist damit nicht nichtig.

c) Zwischenergebnis

Art. 21 Abs. 3 GG tangiert nicht die von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Regelungsinhalte. Folglich handelt es sich bei Art. 21 Abs. 3 GG nicht um „verfassungswidriges Verfassungsrecht“ und unterliegt damit keiner verfassungsrechtlichen Bedenken.

Hinweis: Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist zudem die Vereinbarkeit des Art. 21 Abs. 3 GG mit den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention thematisiert und bejaht worden. Dies soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft werden.

2. Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung

Weitergehend müssten die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 S. 1 GG gegeben sein. Hierbei „bedarf es einer [restriktiven] Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale, die dem Charakter des Ausschlusses von der staatlichen Finanzierung in Art. 21 Abs. 3 S. 1 GG als ‚demokratieverkürzende Ausnahmenorm‘ genügt (Rn. 244).

Der Tatbestand könnte durch eine Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erfüllt sein.

Hinweis: Die tatbestandliche Prüfung verläuft hier weitestgehend parallel zu der Prüfung des Parteiverbots gem. Art. 21 Abs. 3 GG. Folglich kann auf das dortige Wissen zurückgegriffen werden. Der einzige Unterschied liegt in der Voraussetzung des „Darauf-Ausgehens“ und des „Darauf-Ausgerichtetseins“ – auf genau diesen Unterschied kam es in dieser Entscheidung schwerpunktmäßig an.

a) Freiheitliche demokratische Grundordnung

Zunächst müsste die freiheitliche demokratische Grundordnung betroffen sein. Diese umfasst nur „wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unverzichtbar sind, [sodass weiterhin ein] kritische[s] Hinterfragen einzelner Elemente der Verfassung möglich sein [kann], ohne dass dadurch ein Parteiverbot oder ein Finanzierungsausschluss ausgelöst werden kann.“ (Rn. 248).

Den Ausgangspunkt stellt die Würde des Menschen gem. Art. 1 Abs. 1 GG dar. Daneben kommt dem Demokratieprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip eine große Bedeutung zu.

aa) Menschenwürde

Das politische Konzept der N-Partei könnte mit der Garantie der Menschenwürde i.S.d. Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar sein. Diese umfasst insbesondere die „Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit.“

Die N-Partei bekennt sich in ihrem Parteiprogramm deutlich zu dem Vorrang einer ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ und begehrt eine „Einheit von Volk und Staat“. In jedem Falle soll eine „Überfremdung“ Deutschlands verhindert werden, damit das deutsche Volk mit Blick auf die Abstammung, Sprache und Wertevorstellungen erhalten bleibt. Ein solcher „Volksbegriff“ negiert, vor allem in der Gesamtschau der Äußerungen, den Achtungsanspruch der Person. Insbesondere wird hierdurch eine Rechtsgleichheit für alle verweigert und einzelne gesellschaftliche Gruppierungen und Minderheiten werden in entschlossener Art und Weise diffamiert und ausgegrenzt. Diesen Personen wird auf Grundlage des von der N-Partei entwickelten „Volksbegriffes“ die Geltung der Grundrechte abgesprochen, wodurch der Vorrang einzelner Menschen erreicht werden soll. Der personalen Individualität, Identität und Integrität eines Menschen werden hierbei in keiner Weise Rechnung getragen, da es allein auf den „ethnischen Deutschen“ ankommt.

Jedenfalls das Gesamtbild dieser Standpunkte stellt einen Verstoß gegen die Garantie der Menschenwürde i.S.d. Art. 1 Abs. 1 GG dar.

bb) Demokratieprinzip

Weitergehend könnte das politische Konzept der N-Partei auch gegen das Demokratieprinzip i.S.d. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG verstoßen. Das Demokratieprinzip sichert unter anderem die gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung ab.

Die N-Partei fordert die „Einheit von Volk und Staat“ und postuliert „Volksherrschaft setzt Volksgemeinschaft voraus“. Die Volksherrschaft soll demnach von der Volksgemeinschaft ausgehen, welche die N-Partei jedoch anhand ihres eigenen „ethnischen Volksbegriffes“ definiert. Hierdurch werden alle diejenigen von der demokratischen Willensbildung ausgeschlossen, die dieser Gemeinschaft per Definition der N-Partei nicht angehören. Ein „ethnisch Nichtdeutscher“ könnte demnach in dem begehrten „autoritären Nationalstaat“, der die aktuelle Bundesrepublik ersetzen soll, nicht wählen. Dies greift in elementarer Weise in den Grundsatz des Demokratieprinzips ein, wonach sich die Ausübung hoheitlicher Gewalt durch staatliche Organe nicht mehr auf die Gesamtheit aller Bürger zurückführen lässt.

Folglich verstößt das politische Konzept der N-Partei auch gegen das Demokratieprinzip i.S.d. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG.

cc) Rechtsstaatsprinzip

Das Begehren die aktuelle Verfassungsordnung durch einen „autoritären Nationalstaat“ mit den oben beschriebenen Grundsätzen zu ersetzen, stellt zudem einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip i.S.d. Art. 20 Abs. 3 GG dar.

dd) Zwischenergebnis

Mithin ist die freiheitliche demokratische Grundordnung betroffen aufgrund der Unvereinbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde, dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip.

b) Beeinträchtigung oder Beseitigung

Des Weiteren müsste die Partei die freiheitliche demokratische Grundordnung „beeinträchtigen“ oder „beseitigen“. Dies muss sich hierbei aus den Zielen der Partei oder dem Verhalten ihrer Anhänger ergeben, wobei Letzteres der Partei auch zurechenbar sein muss. Eine Zurechnung des Verhaltens von bloßen Anhängern ist möglich, soweit darin der politische Wille der betroffenen Partei erkennbar zum Ausdruck gebracht wird und eine Beeinflussung oder Billigung seitens der Partei vorliegt.

Eine „Beeinträchtigung“ liegt vor, wenn „eine Partei nach ihrem politischen Konzept mit hinreichender Intensität eine spürbare Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewirken will.“ (Rn. 261). Der Begriff des „Beseitigens“ hingegen bezeichnet „die Abschaffung zumindest eines der vorstehend beschriebenen Wesenselemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder deren Ersetzung durch eine andere Verfassungsordnung beziehungsweise ein anderes Regierungssystem.“ (Rn. 260).

Die N-Partei begehrt einen an der ethnischen „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten „autoritären Nationalstaat“, der die aktuelle Verfassungsordnung in Gänze ersetzen soll. Das hierbei verfolgte politische Konzept widersetzt sich der Garantie der Menschenwürde und ist mit dem grundgesetzlichen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Diese Wesenselemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung würden demnach gefährdet und nach vollständiger Einführung des „autoritären Nationalstaats“ vollständig abgeschafft werden.

Folglich strebt die N-Partei nach ihren Zielen nicht nur eine Beeinträchtigung, sondern die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung an.

c) „Darauf ausgerichtet“

Schließlich müsste die N-Partei auch nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger „darauf ausgerichtet“ sein, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.

Im Unterschied zum „Darauf-Ausgehen“ des Art. 21 Abs. 2 GG setzt ein „Darauf-Ausgerichtetsein“ ein „qualifiziertes und planvolles Handeln zur Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus, ohne dass es auf das Erfordernis der Potentialität ankommt.“ (Rn. 277).

Hinweis: Dieser Unterschied zwischen den beiden Tatbeständen – also das Ausbleiben des Potentialitätserfordernisses – muss in der Klausur deutlich werden. Die Wahrscheinlichkeit des Erfolges, soll im Rahmen des Art. 21 Abs. 3 GG als bewusste Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers unerheblich sein. Vielmehr sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass solch verfassungsfeindliche Parteien von vornherein bei der Gewährung staatlicher Zuschüsse keine Berücksichtigung finden.

Die N-Partei verfügt über eine bundesweite Organisationsstruktur und führt ebenfalls bundesweit eigene Veranstaltungen durch. Hierbei pflegt sie Kontakte zu anderen rechtsextremen Parteien und Organisationen. Für ihre politischen Ziele wirbt sie öffentlich und tritt zudem regelmäßig bei Wahlen an, um so ihre Mitgliederzahl zu erhöhen. Sie verfügt außerdem über eine Jugendorganisation, mit der das Gedankengut der Partei unter beeinflussbaren Jugendlichen verbreitet werden soll. Ferner werden die Ideale der Partei der breiten Masse über zahlreiche Parteiveranstaltungen in Form von Parteitagen, Tagungen, Konferenzen und Schulungen zugetragen. Dies wird in gleicher Weise anhand von Publikationsorganen der Partei in Printversionen und digitalen Formaten erreicht. Folglich strebt die N-Partei die Erreichung ihrer Ziele auf unterschiedlichen Wegen an, damit sie diese möglichst effizient und erfolgreich umsetzen können. Schließlich sprechen die sinkenden Wahlerfolge nicht gegen die Annahme der Voraussetzung, da es eben nicht auf die Wahrscheinlichkeit des Erfolges ankommt.

Somit ist die N-Partei auch nach ihren Zielen „darauf ausgerichtet“, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.

c) Zwischenergebnis

Die N-Partei ist auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgerichtet.

3. Gefährdung des Bestands der Bundesrepublik Deutschland

Die N-Partei gefährdet aufgrund der obigen Erwägungen auch den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere mit Blick auf das politische Ziel einen „autoritären Nationalstaat“ einzuführen.

4. Zwischenergebnis

Die N-Partei ist darauf ausgerichtet die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen und den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, vgl. Art. 21 Abs. 3 S. 1 GG.

Damit ist der Antrag begründet.

III. Entscheidung des BVerfG

Das Bundesverfassungsgericht wird gem. § 46a Abs. 1 S. 1 BVerfGG feststellen, dass die Partei für sechs Jahre von der staatlichen Finanzierung nach § 18 des Parteiengesetzes ausgeschlossen ist.

D. Einordnung der Entscheidung

Die Entscheidung ist das Ergebnis einer längeren Prozedur: Den Anfang begründete das gescheiterte Verbotsverfahren gegen die NPD im Jahre 2017 (BVerfG, Urt. v. 17.01.2017 – 2 BvB 1/13, NJW 2017, 611). Die NPD ist hierbei zwar als verfassungsfeindlich eingestuft worden- für ein Verbot reichte das aber nicht: Es fehlte an konkreten Anhaltspunkten, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung führt.

Der Gesetzgeber reagierte auf diese Entscheidung, indem er mit Wirkung zum 20. Juli 2017 den dritten Absatz des Artikel 21 GG eingeführt hat, der im Mittelpunkt dieser Entscheidung stand. Die NPD sah sich durch diese Grundgesetzänderung in ihren Rechten verletzt und regte ein Organstreitverfahren an. Das BVerfG lehnte jedoch die Antragsbefugnis der NPD ab und hat dessen Antrag daher verworfen (BVerfG, Beschl. v. 20.06.2023 – 2 BvE 1/17, BeckRS 2023, 15363).

Im Juli 2019 haben Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung auf Grundlage des Art. 21 Abs. 3 GG den Ausschluss der NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung beantragt, was nun schlussendlich zu dieser Entscheidung geführt hat.

Die Entscheidung ist aus gesellschaftspolitischer Sicht zu begrüßen – eine verfassungsfeindliche Partei sollte keinesfalls eine staatliche Finanzierung oder steuerliche Begünstigungen erhalten und sendet somit ein wichtiges Signal in inner- und außenpolitischer Hinsicht.
Darüber hinaus ist das Urteil auch aus rechtlicher Sicht bedeutsam: Die Entscheidungsgründe stellen in ausführlicher Art und Weise die grundgesetzlichen Fundamente unserer Verfassung dar und richten hierbei häufig einen historischen Blick auf die Erfahrungen des Nationalsozialismus. In diesem Kontext wird insbesondere die elementare Bedeutsamkeit des Art. 79 GG und die unterschiedlichen Ausprägungen des Demokratieprinzips – auch im Zusammenspiel mit der Menschenwürde – beleuchtet. Bahnbrechende neue Erkenntnisse sind dem Urteil zwar nicht zu entnehmen; es stellt dennoch eine notwendige rechtliche Verfestigung der bisherigen juristischen Einschätzung des Sachverhaltes dar.

Hinsichtlich aktueller Geschehnisse könnte hiermit jedoch die Vorlage für ein Verfahren gegen die AfD geschaffen worden sein. Es bleibt nichtsdestotrotz abzuwarten, ob ein solches Verfahren tatsächlich angestrengt wird und ob die Voraussetzungen für einen Finanzierungsausschluss aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts vorliegen – beides erscheint in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen nicht fernliegend.

07.02.2024/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2024-02-07 09:12:452024-02-07 09:12:54BVerfG zum Ausschluss der Partei „Die Heimat“ (vormals: NPD) von der staatlichen Parteienfinanzierung
Carlo Pöschke

BVerfG zur Äußerungsbefugnis von Regierungsmitgliedern

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Mit Urteil vom gestrigen 09.06.2020 (Az.: 2 BvE 1/19)  hat der Zweite Senat des BVerfG entschieden, dass die Veröffentlichung eines Interviews des Bundesinnenministers auf der Internetseite des Ministeriums die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) in ihren Rechten verletzt hat. Das Urteil fügt sich dabei in eine Reihe aktueller Entscheidungen zur parteipolitischen Neutralitätspflicht von Staatsorganen ein und ist damit ein ganz „heißes Eisen“ nicht für die Examensklausur, sondern insbesondere auch für (Erstsemester-)Klausuren im Staatsorganisationrecht. Im Einzelnen:
 
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen)
Am 14.09.2018 veröffentlichte das Bundesinnenministerium ein Interview des Ministers mit der Deutschen Presse-Agentur. In dem Interview äußert sich dieser, angesprochen auf die AfD, wie folgt: „Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten. Das haben Sie am Dienstag im Bundestag miterleben können mit dem Frontalangriff auf den Bundespräsidenten. Das ist für unseren Staat hochgefährlich. Das muss man scharf verurteilen. Ich kann mich nicht im Bundestag hinstellen und wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln. Das ist staatszersetzend.“ Im weiteren Verlauf des Interviews bekundet er außerdem, dieses Vorgehen sei „einfach schäbig“ gewesen. Sodann bejaht er die Frage, ob die AfD radikaler geworden sei, und fügt hinzu: „Die sind auf der Welle, auf der sie schwimmen, einfach übermütig geworden und haben auch dadurch die Maske fallen lassen. So ist es auch leichter möglich, sie zu stellen, als wenn sie den Biedermann spielt“. Schließlich führt er aus: „[…] Mich erschreckt an der AfD dieses kollektive Ausmaß an Emotionalität, diese Wutausbrüche – selbst bei Geschäftsordnungsdebatten. […] So kann man nicht miteinander umgehen, auch dann nicht, wenn man in der Opposition ist.“ Das Interview kann seit dem 01.10.2018 nicht mehr von der Homepage abgerufen werden.
Die AfD begehrt im Wege des Organstreitverfahrens die Feststellung, durch die Veröffentlichung in ihren Rechten verletzt zu sein.
 
II. Rechtliche Würdigung
Verfassungsprozessual geltend zu machen war die behauptete Rechtsverletzung in einem Organstreitverfahren gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG. In der Klausurbearbeitung ist im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung besonderes Augenmerk auf die Diskrepanz zwischen dem Art. 93 I Nr. 1 GG und dem enger gefassten § 63 BVerfGG zu legen. Diese Diskrepanz wirkt sich nicht auf die Beteiligtenfähigkeit des Bundesinnenministers aus, da dieser als Teil der Bundesregierung unter Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG fällt und die Bundesregierung in § 63 BVerfGG explizit als mögliche Antragstellerin oder -gegnerin genannt wird. Anders ist dies bei politischen Parteien: Sie werden in § 63 BVerfGG nicht genannt, werden jedoch beispielsweise durch Art. 21 Abs. 1 GG mit eigenen Rechten ausgestattet. Hier setzt sich die GG-Bestimmung als ranghöhere Norm durch, sodass auch die Partei „AfD“ beteiligungsfähig im Organstreitverfahren ist.
 
Der Antrag ist begründet, wenn die Veröffentlichung des Interviews auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums verfassungswidrig ist und die AfD hierdurch in ihren verfassungsrechtlichen Rechten verletzt wird. Im vorliegenden Fall kommt eine Verletzung des in Art. 21 Abs. 1 GG niedergelegten Rechts auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung in Betracht.
 
1. Grundsätzliches zur Neutralitätspflicht von Staatsorganen
Tragendes Prinzip der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist das Prinzip der Volkssouveränität. Art. 20 Abs. 2 GG formuliert insoweit anschaulich, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und von diesem in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird. Dies beinhaltet auch, dass Willensbildung von „unten nach oben“ erfolgt, d.h. sich der Wille des Volkes im Volk bildet und dann nach oben durchsetzt. Politische Parteien nehmen dabei eine besonders wichtige Rolle im Willensbildungsprozess ein. Ein freier Meinungs- und Willensbildungsprozess setzt dabei voraus, dass die politischen Parteien gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilnehmen. Daher wird aus Art. 21 Abs. 1 GG (und in Wahlkampzeiten zusätzlich aus Art. 38 Abs. 1 GG) ein Recht der Parteien auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung abgeleitet, das die Äußerungsbefugnis der Staatsorgane einschränkt.
 
2. Das Neutralitätsgebot schließt Informations- und Öffentlichkeitsarbeit von Ministern nicht aus…
Die Neutralitätspflicht schließt jedoch nicht jegliche (partei-)politischen Äußerungen von Ministern aus. Im Gegenteil: Aus Art. 65 GG folgt die Aufgabe der Bundesregierung zur Staatsleitung und diese schließt die Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ein. Somit besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit und dem Neutralitätsgebot.
 
3. … setzt ihr aber enge Grenzen
Das BVerfG hat in seiner Judikatur versucht, dieses Spannungsverhältnis aufzulösen, und in inzwischen ständiger Rechtsprechung einen Maßstab der Äußerungsbefugnis für Regierungsmitglieder entwickelt, der auch im vorliegenden Fall wieder zur Anwendung gekommen ist. Allgemein gesagt endet die „Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung […] dort, wo Werbung für oder Einflussnahme gegen einzelne im politischen Wettbewerb stehende Parteien oder Personen beginnt“.
Grds. erlaubt sei – bei Wahrung der gebotenen Sachlichkeit – damit die öffentliche Zurückweisung von gegen ihre Politik gerichteten Angriffen. Regelmäßig zulässig sind zudem (patei-)politische Aussagen, wenn das Regierungsamt nicht in Anspruch genommen wird, beispielsweise bei Auftritten auf Parteitagen.
Im vollen Umfang kommt die Neutralitätspflicht von Regierungsmitgliedern jedoch zum Tragen, wenn diese auf

durch das Regierungsamt eröffnete Möglichkeiten und Mittel zurückgreifen, über welche die politischen Wettbewerber nicht verfügen. Ob die Äußerung eines Mitglieds der Bundesregierung in Ausübung des Ministeramtes stattgefunden hat, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu bestimmen. Eine Äußerung erfolgt insbesondere dann in regierungsamtlicher Funktion, wenn der Amtsinhaber sich in Form offizieller Publikationen, Pressemitteilungen sowie auf der Internetseite seines Geschäftsbereichs erklärt oder wenn Staatssymbole und Hoheitszeichen eingesetzt werden.

 
4. Überschreitung der Äußerungsbefugnis im konkreten Fall?
Was bedeuten diese grundsätzlichen Aussagen auf den konkreten Fall bezogen? Durch die im Interview getätigten Äußerungen ergreift der Minister Partei, indem er die AfD deutlich kritisiert. Zur Beantwortung der Frage, ob er dadurch seine Befugnisse überschritten hat, hat das BVerfG – überzeugend – zwischen der Äußerung im Rahmen des Interviews und der Veröffentlichung des Interviews auf der Homepage des Ministeriums differenziert. Während ersteres nicht zu beanstanden war, sahen die Verfassungsrichter bei letzterem die AfD in ihrem Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG verletzt.
Denn: Bei der Abgabe der genannten Äußerungen im Rahmen des Interviews hat der Minister

weder in spezifischer Weise auf die Autorität seines Ministeramtes noch auf die damit verbundenen Ressourcen zurückgegriffen […]. Vielmehr ergibt der Gesamtzusammenhang des Interviews, dass sich die Äußerungen als Teilnahme des Antragsgegners am politischen Meinungskampf in seiner Eigenschaft als Parteipolitiker und nicht als Wahrnehmung des Ministeramtes darstellen. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass der Antragsgegner zu Themen befragt wird, die nicht von seinem Ressort umfasst sind.

Anders zu beurteilen ist die Veröffentlichung des Interviews auf der Homepage. Damit hat der Bundesinnenminister nämlich

auf Ressourcen zurückgegriffen, die ihm allein aufgrund seines Regierungsamtes zur Verfügung stehen. Diese hat er auch zur Beteiligung am politischen Meinungskampf eingesetzt, da die Wiedergabe des Interviews der weiteren Verbreitung der darin enthaltenen Aussagen diente. Da diese Aussagen in einseitiger Weise Partei gegen die Antragstellerin ergreifen, verstößt die Veröffentlichung des Interviews auf der Internetseite des Ministeriums gegen das Gebot strikter staatlicher Neutralität […].

Auch die Tatsache, dass die getätigten Aussagen keinen konkreten Wahlkampfbezug aufwiesen, führte nicht zu einer abweichenden Bewertung des Falls. Schließlich könne die politische Willensbildung nicht nur durch Wahl- oder Nichtwahlaufrufe beeinflusst werden, „sondern auch durch die negative Qualifizierung des Handelns oder der Ziele einzelner Parteien“. Darüber hinaus sei das Neutralitätsgebot nicht auf Wahlkampzeiten beschränkt, da politische Willensbildung fortlaufend stattfinde.
 
5. Ergebnis
Während die Abgabe der genannten Äußerungen im Rahmen des Interviews die verfassungsrechtlichen Rechte der AfD nicht verletzt, ist die Veröffentlichung des Interviews verfassungswidrig, da sie AfD in ihrem aus Art. 21 Abs. 1 GG folgenden Recht auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung verletzt. Der Antrag der AfD ist damit teilweise begründet.
 
III. Einordnung
Über Organstreitverfahren, in denen es um eine mögliche Verletzung der Neutralitätspflicht von Staatsorganen ging, musste das BVerfG in den letzten Jahren vermehrt entscheiden, sodass es die Gelegenheit hatte, eine kohärente und vorhersehbare Rechtsprechung zu entwickeln.
Das Innenministerium hätte das Obsiegen der AfD in dem vorliegenden Organstreitverfahren verhindern können, hätte es sich nur an der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung orientiert. Erst ein gutes halbes Jahr vor der Veröffentlichung des Interviews auf der Homepage hat das BVerfG geurteilt (Urt. v. 27.02.2018 – Az.: 2 BvE 1/16), dass die Veröffentlichung einer Pressemitteilung der damaligen Bundesbildungsministerin auf der Homepage des Ministeriums, in der sie sich wie folgt äußerte, das Recht der AfD auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG verletzt hat:

Die Rote Karte sollte der AfD und nicht der Bundeskanzlerin gezeigt werden. Björn Höcke und andere Sprecher der Partei leisten der Radikalisierung in der Gesellschaft Vorschub. Rechtsextreme, die offen Volksverhetzung betreiben wie der Pegida-Chef Bachmann, erhalten damit unerträgliche Unterstützung.

So hat der Innenminister genau das Gegenteil von dem erreicht, was er mit seiner Aussage beabsichtigte zu bezwecken: Das Verhalten des Ministers ermöglicht es der AfD einmal mehr, sich öffentlichkeitswirksam als Opfer der Mächtigen zu stilisieren.
Besser angestellt hat es die damalige Bundesfamilienministerin. Sie hat sich 2014 am Rande der Teilnahme an der Verleihung des Thüringer Demokratiepreises in Weimar bei einem Zeitungsinterview wie folgt geäußert:

Aber ich werde im Thüringer Wahlkampf mithelfen, alles dafür zu tun, dass es erst gar nicht so weit kommt bei der Wahl im September. Ziel Nummer 1 muss sein, dass die NPD nicht in den Landtag kommt.

Ihr hat das BVerfG (Urt. v. 16.12.2014 – Az.: 2 BvE 2/14) nämlich attestiert, dass die Äußerung die NPD nicht in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt hat, da die Äußerung dem politischen Meinungskampf zuzuordnen gewesen sei und die Ministerin ihr Amt nicht in Anspruch genommen habe.
Ebenfalls als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sah das BVerfG (Urt. v. 10.06.2014 – Az.: 2 BvE 4/13) die Bezeichnung von NPD-Anhängern als „Spinner“ durch den damaligen Bundespräsidenten bei einer Gesprächsrunde mit mehreren hundert Berufsschülern, über die im Anschluss in der Presse berichtet wurde, an. Die Verwendung des Wortes „Spinner“ sei zwar zuspitzend, im Kontext der Gesamtaussage betrachtet aber nicht unsachlich gewesen. Im Vergleich zu Regierungsmitgliedern ist das auch vom Bundespräsidenten zu beachtende Neutralitätsgebot zudem weniger streng, da dieser nicht im direkten Wettbewerb um die Erzielung von politischem Einfluss steht und zudem Repräsentations- und Integrationsaufgaben wahrnimmt, sodass ihm für die konkrete Amtsführung ein weiter Gestaltungsspielraum zugebilligt wird.
 
IV. Fazit
Angesichts der zahlreichen BVerfG-Urteile zur Neutralitätspflicht der Staatsleitung in den letzten sechs Jahren ist damit zu rechnen, dass dieser Themenkomplex Prüflinge weiter beschäftigen wird. Bei der Frage, ob eine Äußerung eine Partei in ihrem verfassungsrechtlichem Recht auf Gleichbehandlung verletzt, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob dabei in spezifischer Weise auf die Autorität und die Ressourcen des Amtes zurückgegriffen wurde. Prüflinge wird es freuen, dass dabei maßgeblich die Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind. Für eine erfolgreiche Klausurbearbeitung ist somit für derartige Fallkonstellationen kein Auswendiglernen im größeren Umfang erforderlich. Vielmehr kommt es (wie so oft) auf ein solides Grundlagenverständnis sowie eine überzeugende Argumentation, durch die man zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt, an.
Ein Blick auf die neueren Urteile des BVerfG (oder für die eiligen Leser: die Pressemitteilungen) lohnt freilich nichtsdestotrotz, da dieser die Argumentationsfähigkeit schärft:

  • BVerfG, Urt. v. 09.06.2020 – Az.: 2 BvE 1/19 (Interview des Bundesinnenministers):  Pressemitteilung
  • BVerfG, Urt. v. 27.02.2018 – Az.: 2 BvE 1/16 („Rote Karte“ für die AfD): Pressemitteilung; Urteil
  • BVerfG, Urt. v. 10.06.2014 – Az.: 2 BvE 4/13 (NPD-Anhänger als „Spinner“): Pressemitteilung; Urteil
  • BVerfG, Urt. v. 16.12.2014 – Az.: 2 BvE 2/14 (Interview der Bundesfamilienministerin): Pressemitteilung; Urteil

10.06.2020/1 Kommentar/von Carlo Pöschke
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Carlo Pöschke https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Carlo Pöschke2020-06-10 08:28:342020-06-10 08:28:34BVerfG zur Äußerungsbefugnis von Regierungsmitgliedern
Dr. Johannes Traut

Antrag der NPD auf „Klärung der Verfassungsmäßigkeit“

Aktuelles, Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Verfassungsrecht

In der letzten Woche hat die NPD einen Antrag beim BVerfG gestellt, in dem sie begehrt, das Gericht möge ihre Verfassungsmäßigkeit feststellen (vgl. etwa sueddeutsche.de vom 13.11.2012, „Antrag beim Bundesverfassungsgericht – NPD lässt Verfassungstreue prüfen“). Dieser Antrag ist juristisch interessant, weil es kein festgelegtes Verfahren gibt, wonach eine Partei ihre Verfassungstreue „feststellen“ lassen kann. Es bietet sich, gerade wegen der großen Öffentlichkeitswirkung daher an, die Frage in der mündlichen Prüfung im Examen aufzugreifen.
I. Inhalt des Antrages
Aus der Presse lässt sich jedenfalls der ungefähre Inhalt des Antrages der NPD entnehmen. Er richtet sich wohl gegen die Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Der Bund und die Länder sollten deshalb entweder Beweise für die Verfassungswidrigkeit vorlegen und einen Verbotsantrag stellen – oder ihre öffentlichen Zweifel an der Verfassungstreue der NPD unterlassen.

Nachtrag: Der Antrag ist im Wortlaut (und mit Begründung) auf der Homepage der NPD veröffentlicht, darauf wurde in einem Kommentar hingewiesen. Die rechtlichen Ausführungen des hiesigen Artikels beantworten M.E. alle Fragen, die sich auch bei Kenntnis des Wortlauts des Antrages stellen. Der Antrag der NPD wird, jedenfalls so wie er gestellt ist, keinen Erfolg haben, weil das Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG / § 43 BVerfGG gerade nicht auf die Partei ausgeweitet werden muss (dazu II.). In Betracht kommt allenfalls eine „Auslegung“ als Antrag im Organstreitverfahren, weil nur dieses statthaft ist (III.). Auch dieser Antrag wird M.E. keinen Erfolg haben (s. dort).

II. Kein Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG
Schon vom Antrag her dürfte damit ein Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG nicht in Betracht kommen. Es wäre auch wohl nicht statthaft. Das Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG kann jedenfalls nach dem BVerfGG, das nach Art. 21 Abs. 3 GG hierfür nähere Regeln enthält, nicht von der Partei selbst angestoßen werden. Nach § 43 BVerfGG kann der Verbotsantrag nur von dem Bundestag, dem Bundesrat oder von der Bundesregierung gestellt werden (sowie nach § 43 Abs. 2 BVerfGG von einer Landesregierung für Parteien, deren Tätigkeit sich auf das Land beschränkt).
Eine Zulassung des Antrages außerhalb des BVerfGG, unmittelbar gestützt auf Art. 21 GG, dürfte wohl eher ausscheiden. Erstens erlaubt Art. 21 Abs. 3 GG die Regelung durch das BVerfGG. Das gibt Raum, dass das BVerfGG auch zu einer Beschränkung führt.
Zum Zweiten ist das Verbotsverfahren auch der Sache nach ungeeignet dafür, von der Partei selbst betrieben zu werden. Denn die Partei hätte ja gar kein Interesse daran, das Verfahren mit Energie zu betreiben. Ebenso wäre es auch misslich, wenn die genannten Organe von der Partei in das Verfahren getrieben werden könnten. Dann drohte ein Ergebnis, wie es beim letzten Anlauf des Parteiverbotsverfahrens gegen die NPD zu befürchten war, nämlich dass das BVerfG den Nachweis der Verfassungswidrigkeit als nicht geführt ansieht. Wenn also die Partei es in der Hand hätte, die Organe zur Unzeit in das Verfahren zu treiben, könnte sie sich erhebliche taktische Vorteile verschaffen.
Zum Dritten bedarf es für die Durchführung des Verfahrens nach Art. 21 Abs. 2 GG wohl durchaus eines Antragsstellers, der dieses durch entsprechende Ermittlungsarbeit vorbereitet hat und dann energisch vorantreibt. Zwar gilt auch für das BVerfG nach § 26 Abs. 1 S. 1 BVerfGG der Amtsermittlungsgrundsatz. Das Gericht hat auch – jedenfalls theoretisch –recht umfangreiche Möglichkeiten der Beweiserhebung, sei es durch Zeugen und Sachverständige (§ 28 BVerfGG) oder sachverständige Dritte (§ 27a BVerfGG). Auch Durchsuchung und Beschlagnahme kann das Gericht im Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG anordnen, §§ 47, 38 BVerfGG. Wichtig dürfte aber vor allem die Möglichkeit sein, nach § 27 BVerfGG Amtshilfe in Anspruch zu nehmen. Demnach wäre es durchaus möglich, die Sicherheitsbehörden mit Ermittlungen dahingehend, ob eine Partei zu verbieten ist oder nicht, zu betrauen. Praktisch erscheint es jedoch schwierig, dass das BVerfG eine solche Untersuchung vollständig selbst durchführt. Aus rechtsstaatlicher Sicht wäre außerdem, statt eines solchen Inquisitionsprozesses, ohnehin eine Trennung zwischen Richter und Ermittlerrolle wünschenswert.
Vor allem aber ist auch das Bedürfnis nach einem solchen Verfahren nicht groß, weil nach Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG bis zur Entscheidung des BVerfG die Partei als verfassungsgemäß gilt, sie also rechtlich betrachtet bereits steht, als wäre ihre Verfassungsmäßigkeit festgestellt worden. Damit ist dann fraglich, welches Interesse sie an einem vom BVerfG abgelehnten Verbotsantrag haben kann. Dieser bedeutet noch nicht einmal zwingend, dass die Partei verfassungskonform ist, weil nur festgestellt wird, dass die gefundenen Beweise nicht ausreichen. Außerdem kann sich dieses „Siegel der Verfassungskonformität“ auch immer nur auf einen Moment erstrecken, kann aber natürlich nicht die Verfassungsmäßigkeit der Partei für alle Zeit rechtskräftig feststellen. Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit kann das Verfahren daher auch nicht entscheidend besser ausräumen als die Fiktion des Art. 21 Abs. 2 GG.

Hier kann man natürlich anderer Ansicht sein wegen des politischen Effekts, der mit einem entsprechenden Urteil des BVerfG verbunden wäre. Dieser Effekt ist M.E. aber kaum vom Schutzzweck des Art. 21 Abs. 2 GG gedeckt. Deshalb spielt dieses Argument M.E. allenfalls eine untergeordnete Rolle.

Letztlich stellt sich die Frage nach einer Erstreckung aber ohnehin erst , wenn andere rechtliche Möglichkeiten ausscheiden.
III. Organstreitverfahren
Vieles spricht bei diesem Antrag dafür, dass das Verfahren der NPD als Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG einzuordnen ist. Sowohl von den Beteiligten wie auch von der Begehr (Rechte der Partei aus Art. 21 GG) her passt es.
1. Zulässigkeit
a) Zulässige Beteiligte
Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sind nach § 63 BVerfGG und Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG taugliche Gegner eines Organstreitverfahrens.
Die NPD müsste jedoch auch tauglicher Antragsteller sein. In Erweiterung von § 63 BVerfGG erkennt das BVerfG in stRspr auch die politischen Parteien als andere Beteiligte im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 an, sofern sie um eigene Rechte streiten, die sich aus ihrem in Art. 21 GG garantierten verfassungsrechtlichen Status ergeben (BVerfGE 1, 208, 223 ff = NJW 1952, 657; 82, 322, 335 = NJW 1990, 3001 BeckOK-GG/Morgenthaler, Art. 93 Rn. 22; wenn auch in der Literatur kritisiert, vgl. BeckOK-GG/Kluth, Art. 21 Rn. 208 m.w.N.). Also ist die NPD, soweit es um ihre Rechte aus Art. 21 GG geht, auch tauglicher Antragsteller.
b) Antragsgegenstand (§ 64 Abs. 1 BVerfGG)
Zunächst müsste Gegenstand des Antrages eine Handlung oder Unterlassung der Antragsgegner sein. Hier gibt es zwei verschiedene Antragsgegenstände. Vorliegend begehrt die NPD entweder die Stellung des Verbotsantrages und/oder die Unterlassung, öffentliche Zweifel an der Verfassungstreue der Partei weiterhin zu äußern. Leider ist der genaue Antrag nicht bekannt, insbesondere ist nicht bekannt, in welchem Verhältnis die beiden Handlungsalternativen – Unterlassung weiterer Diskussion oder Verbotsantrag – stehen.
Dem Wortlaut nach scheint es der Partei in erster Linie darauf anzukommen, einen Verbotsantrag zu erreichen. Dieser stellt eine Maßnahme nach § 64 Abs. 2 BVerfGG dar und ist daher tauglicher Antragsgegenstand.
Soweit dagegen die Partei die Unterlassung weiterer Äußerungen hinsichtlich ihrer Verfassungswidrigkeit begehrt, ist fraglich, inwiefern diese Äußerungen als Maßnahme i.S.d. § 64 Abs. 2 BVerfGG eingeordnet werden können. Nach der Rspr. des BVerfG muss eine Maßnahme rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung des Antragstellers beeinträchtigenden rechtserheblichem Verhalten verdichten können (so BVerfG NJW 1961, 1913). Meinungsäußerungen seien dies nach Ansicht des BVerfG in der zitierten Entscheidung nicht zwingend, denn sie schränken den Rechtskreis des Antragstellers in keiner Weise ein. Das gälte insbesondere für Äußerungen hinsichtlich der Verfassungskonformität einer Partei, da diese nur das BVerfG bindend nach Art. 21 Abs. 2 GG feststellen könne.
Demgegenüber bejaht die hL die Maßnahmenqualität einer Meinungsäußerung dahingehend, dass eine Partei verfassungwidrig sei (vgl. nur Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 64 Rn. 29 m.w.N.). Für diese Ansicht spricht vor allem, dass inzwischen allgemein anerkannt ist, dass auch faktischem Handeln wie Meinungsäußerungen Eingriffsqualität zukommen kann. Der formale Eingriffsbegriff ist überwunden. Darüber hinaus vermischt das BVerfG mit seiner Definition der Maßnahme Fragen von Antragsbefugnis und Antragsgegenstand. Ob der Antragssteller in seinen Rechten eingeschränkt ist, richtet sich nach dem materiellen Gehalt der geltend gemachten Rechte. Es kommt also darauf an, ob Art. 21 GG möglicherweise einer derartigen Meinungsäußerung entgegensteht. Das ist eine Frage der Antragsbefugnis. Insgesamt ist daher der hL zu folgen, zumal ohnehin zweifelhaft ist, ob das BVerfG nach dem Stand der heutigen Dogmatik an seiner Ansicht festhalten würde.
Dann ist aber weiterhin zu klären, ob es sich bei den angegriffenen Meinungsäußerungen auch um Maßnahmen der Organe handelt, ob diese also dem Organ zugerechnet werden können. Leider weiß man nicht, welche Äußerungen genau angegriffen werden; im Folgenden werden daher möglichst allgemeine Leitlinien entwickelt, wie die verschiedenen Fälle zu behandeln wären. Jedenfalls werden Meinungsäußerungen im hiesigen Kontext zumeist nicht von dem Organ als solchem getätigt, sondern von einzelnen Teilen des Organs. Nicht der Bundestag beschließt, die NPD sei verfassungswidrig, sondern einzelne Abgeordnete äußern sich dahingehend – und zwar nicht notwendigerweise im Bundestag, sondern auch gegenüber der Presse. Für die Zurechnung von Äußerungen dürfte dann bei den einzelnen Organen Folgendes gelten:

  • Bundesregierung: „Beschlüsse der Bundesregierung“ (§ 20 Abs. 1 GO BReg; vgl. auch § 15 Abs. 1 GO BReg) sind ihr eindeutig zuzurechnen. Gleiches dürfte aber im Ergebnis auch für Äußerungen von Regierungsmitgliedern gelten, jedenfalls soweit sie nicht eindeutig in einer anderen (etwa Partei-)Funktion getätigt wurden. In diesem Fall ist M.E. die Diskussion offen. Ebenfalls zugerechnet werden können M.E. auch Äußerungen von sonstigen Repräsentanten der Regierung, insbesondere von Beamten aus dem nachgeordneten Verwaltungsaufbau, soweit die Äußerung in amtlicher Funktion getätigt wurde.
  • Bundestag: Beschlüssen nach Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG sind dem Bundestag selbstverständlich zuzurechnen. Bei den sonstigen Äußerungen der Parlamentarier sollte man zunächst zwischen solchen im Bundestag (und Ausschüssen) und solchen außerhalb differenzieren. Für erstere kommt noch eher eine Zurechnung in Betracht. Ich würde sie aber auch ablehnen mit folgender Kontrollüberlegung: Wie kann der Bundestag dafür verantwortlich gemacht werden, was seine Mitglieder sagen? Wie soll er eine Unterlassungsverpflichtung ihnen gegenüber durchsetzen? Das gilt erst Recht für Aussagen der Parlamentarier außerhalb des Bundestages, etwa gegenüber der Presse.
  • Bundesrat: Auch hier dürfte nur der „offizielle“ Beschluss (Art. 52 Abs. 3 S. 1 GG) zuzurechnen sein. Erwägen mag man dies dann allenfalls noch für Äußerungen im Bundesrat. Äußerungen der Landesregierungen und ihrer Mitglieder außerhalb können dem Bundesrat jedoch keinesfalls zugerechnet werden.

M.E. dürften daher die meisten der angegriffenen Äußerungen schon keine tauglichen Antragsgegenstände sein. Entsprechend kann auch ein geltend gemachter Unterlassungsanspruch hierauf nicht gestützt werden. Mithin dürfte der Antrag im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch gegenüber Bundesrat und Bundestag bereits unzulässig sein.
c) Antragsbefugnis (§ 64 Abs. 1 BVerfGG)
Ferner müsste eine Antragsbefugnis gem. § 64 Abs. 1 BVerfGG gegeben sein. Das ist der Fall, wenn eine Verletzung von organschaftlichen Rechten des Antragsstellers durch die bezeichneten Maßnahmen jedenfalls nicht von vornherein ausscheidet.

Wie im Verwaltungsrecht bei § 42 Abs. 2 VwGO (dort: Klagebefugnis) kann man die Antragsbefugnis nach § 64 Abs. 1 BVerfGG bereits bejahen, wenn die Möglichkeit einer Verletzung eines Rechts bzw. einer Pflicht ernsthaft in Betracht kommt, ohne aber die damit verbundenen Rechtsfragen erschöpfend zu klären. Im Verwaltungsprozess wird dies als sog. Möglichkeitstheorie bezeichnet. Demgegenüber fordert die Schlüssigkeitstheorie, dass bereits im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO die Schlüssigkeit der Klage, bei § 64 Abs. 1 BVerfGG dann des Antrages, festgestellt wird. D.h., es ist zu prüfen, ob der Antrag, die vorgetragenen Tatsachen unterstellt, Erfolg hätte. Damit wird die Prüfung allerdings kopflastig. In der Klausur sollte man hier keinen Theorienstreit aufmachen, sondern ohne jede Diskussion einfach eine der Theorien anwenden. Vorzugswürdig ist dabei die Möglichkeitstheorie, weil sie die Kopflastigkeit vermeidet.

Eine Antragsbefugnis im Hinblick auf die begehrte Stellung des Verbotsantrages ist damit gegeben, wenn ein Anspruch der NPD hierauf jedenfalls in Betracht kommt. Wegen der beschränkten Beteiligtenfähigkeit der NPD müsste sich dieser vorliegend aus Art. 21 GG ergeben. Dies erscheint schon beim ersten Zugriff zweifelhaft.
Insofern kann auf die obigen Ausführungen (II.) verwiesen werden. Art. 21 GG sieht einen solchen Antrag nicht vor, § 43 Abs. 1 BVerfGG schließt ihn aus. Dies ist verfassungskonform, weil es wegen Art. 21 Abs. 2 GG ein dringendes Bedürfnis der Partei auf die Stellung des Verbotsantrages nicht gibt. Sie wird ja nach dem Gesetz ohnehin behandelt, als sei ein Verbot abgelehnt worden. Darüber hinaus hat es auch keinen Sinn, der Partei zu erlauben, die zuständigen Organe zur Unzeit in das Verbotsverfahren zu treiben. Damit scheidet eine Antragsbefugnis der NPD hinsichtlich der ersten Begehr, nämlich die genannten Organe zur Stellung des Verbotsantrages zu verpflichten, aus.

Diese Frage hätte man im Hinblick auf die Möglichkeitstheorie an dieser Stelle auch vertretbar offenlassen können. Es entschlackt jedoch die Prüfung deutlich, an dieser Stelle bereits den Anspruch auf Stellung des Verbotsantrages ausscheiden zu lassen. Da er M.E. eher fernliegend sein dürfte, habe ich ihn bereits hier „rausgeworfen“.

Eine Antragsbefugnis im Hinblick auf die begehrte Unterlassung der Meinungsäußerungen ist gegeben, wenn der von der NPD begehrte Anspruch auf Unterlassung jedenfalls in Betracht kommt. Das ist umgekehrt der Fall, wenn die fortlaufenden Behauptungen der Verfassungsorgane, die NPD sei verfassungsfeindlich, eine Verletzung eines Rechts aus Art. 21 GG darstellten.
Schon prima facie spricht hierfür vieles. Die stärkste Beeinträchtigung der Parteienfreiheit stellt die Verhängung eines Parteiverbots dar (BeckOK-GG/Kluth, Art. 21 Rn. 197). Als Vorstufe dessen wird man auch der Diskussion über das Parteiverbot Eingriffsqualität zuerkennen müssen. Daher ist zumindest die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts aus Art. 21 GG hinreichend dargetan.

Nach der Schlüssigkeitstheorie müsste man dagegen hier bereits endgültig klären, ob ein solcher Anspruch auf Grundlage der vorgetragenen Tatsachen aus Art. 21 GG folgen könnte. Um Kopflastigkeit zu vermeiden, wird hier darauf verzichtet.

d) Frist: § 63 Abs. 3 BVerfGG
Die Frist des § 63 Abs. 3 BVerfGG dürfte unproblematisch gewahrt sein, weil es sich bei der fortlaufenden Debatte um wiederholte Verstöße handelt, welche die Frist stets aufs Neue zu laufen beginnen lassen.
e) Rechtsschutzbedürfnis
In Hinblick auf Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG könnte ferner das Rechtsschutzbedürfnis der NPD fraglich sein. Nach dieser Vorschrift ist die Partei so lange als verfassungsgemäß anzusehen, bis das BVerfG anderes festgestellt hat. Daher stellt sich die Frage, inwieweit der hiesige Anspruch über diese Position hinausgeht. Vorliegend begehrt die NPD insbesondere Behauptungen zu unterlassen, die Partei sei verfassungswidrig. Derartige Behauptungen werden nicht direkt durch Art. 21 Abs. 2 GG verboten. Es besteht daher durchaus ein Interesse zu klären, inwiefern sie zulässig sind. Da es auch um die Abwägung gegenteiliger Interessen geht, insbesondere um die Frage, inwiefern die Verfassungsmäßigkeit einer Partei zur politischen Diskussion eröffnet ist, stellen sich schwierige Rechtsfragen, die das BVerfG klären kann.
2. Begründetheit: Unterlassungsanspruch aus Art. 21 GG

Ob die momentane Debatte über die Verfassungsmäßigkeit der NPD und die Diskussion über das für und wider eines Verbotsantrages die Partei in ihrem Recht aus Art. 21 GG verletzt, lässt sich an dieser Stelle nicht abschließend beantworten, weil die tatsächlichen Grundlagen fehlen. Es lassen sich aber einige der rechtlich relevanten Fragen und Leitlinien für deren Beantwortung skizzieren.

Der Antrag der NPD ist begründet, wenn sie einen Anspruch gegen die Bundesregierung hat, Äußerungen, dass die Partei verfassungswidrig sei, künftig zu unterlassen.
a) Voraussetzungen des Anspruchs aus Art. 21 Abs. 2 GG
Es ist anerkannt, dass aus Art. 21 GG ein Anspruch der Partei folgt, dass andere Organe Handlungen unterlassen, die sie in ihrem Recht verletzen. Mithin bestünde ein Anspruch der NPD gegen die Bundesregierung, Äußerungen, die Partei sei verfassungswidrig, zu unterlassen, wenn derartige Äußerungen die Partei in ihrem Recht aus Art. 21 GG verletzen.
Zwar ist nicht eindeutig normiert, dass nach Art. 21 Abs. 2 GG auch Diskussionen über die Verfassungsmäßigkeit der Partei unzulässig sein sollen. Andererseits entspricht es aber durchaus seiner Stoßrichtung, dass eine Partei, die nicht vom BVerfG verboten ist, gerade als verfassungskonform behandelt werden muss. Diese Wertung legt es nahe, dass daher regierungsamtliche Zweifel nicht zu einer faktischen Umgehung des Verbotsmonopols des BVerfG führen dürfen.
Entscheidend ist aber vor allem Sinn und Zweck des Art. 21 GG insgesamt. Dieser soll die Chancengleichheit der Parteien wahren und sie vor staatlicher Einflussnahme schützen. Hiermit wäre nicht zu vereinbaren, wenn „der Staat“ durch die Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat durch eine zielgerichtete Kampagne die Seriösität der NPD untergräbt. Solange sie nicht verboten ist, dürfen sich staatliche Organe eben nicht mit Äußerungen zu der Partei in den Wettstreit um die Wählergunst einmischen.
Daher können durchaus Meinungsäußerungen dahingehend, eine Partei sei verfassungswidrig, Art. 21 GG verletzen. Das könnte etwa der Fall sein, wenn die Bundesregierung ohne jeden Zusammenhang mit einem Verbotsantrag äußert, die NPD sei verfassungwidrig. Das widerspräche der Wertung des Art. 21 Abs. 2 GG. Dies gilt aber keineswegs für alle Meinungsäußerungen mit diesem Inhalt. Denn auch die Freiheit der Bundesregierung, derartige Äußerungen zu tätigen, ist grundgesetzlich geschützt.
Schon ihrer Natur nach ist die Debatte über die Verfassungswidrigkeit einer Partei auch eine politische, weshalb nicht jede Diskussion ausgeschlossen sein darf. Das gilt jedenfalls für die Stellung des Verbotsantrages: Nicht umsonst wird die Stellung des Antrags in § 43 BVerfGG politischen Organen übertragen und ihnen dort ein Ermessen („kann“) eingeräumt. Bei der Ausübung dieses Ermessens dürfen auch politische Erwägungen eine Rolle spielen (BVerfGE 5, 85, 129f.). Schon von daher ist eine gewisse Diskussion sogar zwingend notwendig. Im Rahmen dieser Diskussion muss daher auch die Äußerung der Rechtsansicht, eine bestimmte Partei sei verfassungswidrig und daher sei ein Verbotsantrag zu stellen, zulässig sein.
Daneben hat die Regierung im Rahmen ihrer Aufgaben auch das Recht und bisweilen sogar die Pflicht zu informieren und sich zu äußern (vgl. etwa BVerfG NJW 2002, 2621, 2623). Hierher gehört es etwa, wenn die Regierung die Beobachtung einer Partei durch die Sicherheitsbehörden anordnet oder diese bekannt gibt. Bei gegebenem Anlass (z.B. Bericht über Extremismus) muss man auch über mögliche Verbindungen der Partei zu verfassungsfeindlichen Kreisen berichten dürfen.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Mitglieder der Regierung nicht politisch neutrale „Verwaltungschefs“ sind, sondern ihnen auch eine politische Rolle zukommt. Diese üben sie insbesondere auch durch ihre Funktionen in der Partei aus. Dabei wird man ihnen nicht gänzlich verwehren dürfen, in ihrer Rolle als Parteifunktionäre auch zu vertreten, dass die Ansichten oder Handlungen einer Konkurrenzpartei verfassungswidrig seien. Denn das ist durchaus ein legitimes Argument im Parteienwettbewerb, den ja gerade Art. 21 GG schützen möchte. Daher muss Art. 21 GG auch in Hinblick auf die außerhalb der streng amtlichen Funktion ausgeübten Grundrechte, insbesondere auf Meinungsäußerung (Art. 5 GG), sowohl der Regierungsmitglieder wie auch ihrer Partei beschränkt werden.
Insgesamt kann daher erst nach Abwägung mit den oben aufgezeigten und sonstigen verfassungsimmanenten Werten von einer Verletzung des Art. 21 Abs. 2 GG gesprochen werden, die einen Unterlassungsanspruch auslöst.
b) Abwägung
Eine solche Abwägung wird eher zu Ungunsten der NPD ausfallen. Klar unzulässig wäre etwa eine gezielte Kampagne der Bundesregierung, den Ruf einer Partei durch Behauptung ihrer Verfassungswidrigkeit zu untergraben, ohne aber den Verbotsantrag zu stellen. Die Bundesregierung darf Art. 21 Abs. 2 GG nicht durch faktisches Handeln umgehen.
Dass dagegen die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird, dürfte nicht zu bestanden sein. Hierfür gibt es hinreichenden Anlass, denn tatsächlich sind Mitglieder der Partei mit verfassungsfeindlichem Gedankengut wiederholt aufgetreten. Auch dass es eine politische Debatte über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der NPD gibt, ist zunächst nicht Gegenstand eines Organstreitverfahrens und im Übrigen auch von Art. 5 Abs. 1 GG der anderen Diskussionsteilnehmer gedeckt. Im vorliegenden Kontext spielen allenfalls die Beiträge der Bundesregierung und der Mitglieder der Bundesregierung eine Rolle. Dabei ist (meiner Kenntnis nach) in amtlicher Eigenschaft nie verlautbart worden, die NPD sei verfassungswidrig, allenfalls, dass es insofern Beobachtungsbedarf gäbe. Wenn dagegen einzelne Mitglieder der Bundesregierung diese Meinung vertreten haben, dann M.E. weniger in dieser Eigenschaft, als vielmehr als Akteure in der politischen Debatte. Das ist auch den Mitgliedern der Bundesregierung nicht verwehrt – siehe oben. Sie müssen vielmehr gerade im Rahmen des politischen Prozesses auch politisch handlungsfähig bleiben. Daher deckt auch bei ihnen Art. 5 Abs. 1 GG entsprechende Meinungsäußerungen jedenfalls bis zu einem gewissen Maße. Dieses ist wohl nicht überschritten worden.

Hier kommt es natürlich genau auf den vom BVerfG zu ermittelnden Sachverhalt an. Ich bin von dem Stand ausgegangen, der mir aus den Medien bekannt war.

IV. Verfassungsbeschwerde
Jedenfalls theoretisch kommt auch eine Verfassungsbeschwerde der NPD in Betracht. Angesichts der Antragsfassung wird eine solche jedoch nicht vorliegen, weil die Inanspruchnahme von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat nur im Rahmen des Organstreits möglich ist. Ferner kann die Partei das Recht aus Art. 21 GG nach hM mangels Grundrechtseigenschaft nicht im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen.

22.11.2012/8 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2012-11-22 15:27:112012-11-22 15:27:11Antrag der NPD auf „Klärung der Verfassungsmäßigkeit“
Dr. Johannes Traut

BGH: Post muss NPD Publikation verteilen

Aktuelles, Öffentliches Recht, Verfassungsrecht, Zivilrecht

Heute hat der BGH entschieden, dass die Deutsche Post AG die Publikation „Klartext“ der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag als Postwurfsendung verteilen muss (BGH, Urteil vom 20.9.2012 – I ZR 116/11, hier die Pressemitteilung, auf der diese Nachricht beruht und aus der die Zitate stammen).
Die Entscheidung selbst (I.) ist wegen der Verortung im Regulierungsrecht weniger prüfungsrelevant, dafür umso mehr für die WG-Diskussion geeignet und damit Teil der juristischen Allgemeinbildung. In abgewandelter Form eignet sich der Sachverhalt jedoch hervorragend für die mündliche Prüfung. (II.).
I. BGH: Anspruch aus § 3 PUDLV
Das Postregulierungsrecht findet sich im PostG und der Postdienstleistungsverordnung (PUDLV), wobei europarechtliche Vorgaben zu beachten sind. Entscheidendes Element des Regulierungsrechts ist die Vorgabe gem. §§ 11ff PostG, dass ein Mindestangebot an Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 1 flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden muss (Universaldienst, vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 PostG). Zum Anbieten eines solchen Universaldienstes können Postunternehmen verpflichtet werden (vgl. § 13 Abs. 2 S. 1 PostG). In Deutschland ist momentan die Deutsche Post AG als einziges Postunternehmen zum Universaldienst verpflichtet.
Damit haben Kunden ihr gegenüber aus § 3 PUDLV im Rahmen der Gesetze und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Anspruch auf Erbringung der vom Universaldienst (vgl. § 4 Nr. 1 PostG) erfassten Leistungen. Der BGH zitiert übrigens in seiner Pressemitteilung fälschlicherweise § 2 PUDLV; seine Ausführungen passen dazu aber nicht und er gibt selbst am Ende der Pressemitteilung den Text von § 3 PUDLV wieder, es wird sich also um einen Tippfehler handeln.
Der BGH hat festgestellt, dass die Beförderung der NPD-Sendung vom Universaldienst erfasst ist. Was genau hierunter fällt, ist im Grundsatz eine Frage des Postregulierungsrechts und daher nicht weiter für das Examen oder sonst verallgemeinerungsfähig.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die hier nachgefragte Leistung eine solche Universaldienstleistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) […] darstellt. Bei der Publikation handelt es sich um eine periodisch erscheinende Druckschrift, die zu dem Zweck herausgegeben wird, die Öffentlichkeit über Tagesereignisse, Zeit­ oder Fachfragen durch presseübliche Berichterstattung zu unterrichten. […] Den Einwand der Deutschen Post, dass es sich bei der in Rede stehenden Publikation nicht um eine periodisch erscheinende Druckschrift handelt, hat der BGH nicht gelten lassen. Ausreichend hierfür ist, dass die Druckschrift nach ihrer Aufmachung – anders als ein Flugblatt – auf das für eine Zeitung oder Zeitschrift übliche periodische Erscheinen angelegt ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie trotz dieser Aufmachung nur gelegentlich publiziert werden soll. […] Auch der Umstand, dass die fraglichen Druckschriften nicht adressiert sind, steht der Einordnung als Universaldienstleistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 PUDLV, § 4 Nr. 1 Buchst. c PostG […] nicht entgegen. Soweit der Empfängerkreis hinreichend bestimmt ist, unterliegt die Beförderung von nicht adressierten Sendungen keinen für die Beklagte unzumutbaren Schwierigkeiten und trägt dem Bedürfnis Rechnung, auch die Beförderung von Massendrucksachen zu ermöglichen, die sich an eine Vielzahl von Empfängern richten.

Wichtig ist dann aber, dass der BGH klarstellt, dass dieser – dem Gesetzeswortlaut nach klar gegebene – Anspruch auch für die NPD gilt. Er stellt klar, dass auch rechtsradikale, aber nicht verbotene Gruppierungen in gleichem Maße ihre Meinung verbreiten können wie andere. Es besteht insofern eine aus Art. 5 GG herzuleitende staatliche Pflicht zur Neutralität. Diese muss bei der Auslegung der vom Staat auferlegten Verpflichtungen zum Universaldienst beachtet werden. In der Sache geht es also um die mittelbare Geltung der Grundrechte auch im Zivilrecht. Flankierend kann auch auf die Wertung der Art. 3 Abs. 3 GG (keine Diskriminierung wegen politischer Anschauung) und Art. 21 GG (Parteiverbot nur durch BVerfG) verwiesen werden. All das spielt auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Kündigungen wegen NPD-Mitgliedschaft im Arbeitsrecht eine Rolle.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts darf der Umstand, dass die Publikation der Werbung für die Politik und Arbeit der Klägerin dient, auf die Entscheidung keinen Einfluss haben. Die Einordnung als Universaldienst verfolgt mit dem dadurch bestimmten Beförderungszwang das Ziel, zur Förderung der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit Erzeugnisse der Presse dem Empfänger so günstig wie möglich zuzuführen. Die Pressefreiheit begründet für den Staat jedoch eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietet. Um die flächendeckende Grundversorgung mit Postdienstleistungen sicherzustellen, sieht die gesetzliche Regelung vor, dass die Lizenzträger, zu denen die Deutsche Post zählt, verpflichtet sind, bestimmte Postdienstleistungen, sogenannte Universaldienstleistungen, zu erbringen. […] Ausgeschlossen wäre die Beförderung allerdings dann, wenn besondere Ausschlussgründe vorliegen, etwa weil der Inhalt der Publikation gegen strafrechtliche Bestimmungen verstößt (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 PUDLV) oder rassendiskriminierendes Gedankengut enthält (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 PUDLV). Dazu hatte die Deutsche Post jedoch nichts vorgetragen.

Die Meinungs- und Pressefreiheit findet wiederum gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 PUDLV ihre Schranke in dem Verstoß gegen Strafgesetze und den Rechten anderer.
Noch ein Wort aber zur Natur und Intensität der Grundrechtsbindung hier: Es handelt sich M.E. um die „normale“ mittelbare Drittwirkung, wie sie auch einem gänzlich privaten Unternehmen gegenüber bestehen würde. Die Fraport-Grundsätze (dazu sogleich, II.) sind nur bei Unternehmen, die sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, anwendbar. Allenfalls ergibt sich hier aus funktionalen Gesichtspunkten (Anbieten von „Daseinsvorsorge“) eine etwas stärkere mittelbare Drittwirkung der Grundrechte. Dies gälte dann aber auch für rein Private, welche die gleiche Funktion ausüben (vgl. zu diesem funktionalen Ansatz meinen Beitrag zur Fraport-Entscheidung, Link unten unter II).
II. Ohne Regulierungsrecht: Anspruch auf Beförderung gegenüber öffentlichen Unternehmen?
Wandelt man den Fall nur leicht ab, eignet er sich hervorragend für die mündliche Prüfung im öffentlichen Recht. Geht man davon aus, dass kein spezielles Regulierungsrecht existiert und dass die Anteile der Deutschen Post AG mehrheitlich von der öffentlichen Hand gehalten werden (was tatsächlich nicht mehr der Fall ist), können in der mündlichen Prüfung die in der Fraport-Entscheidung entwickelten Grundsätze zur unmittelbaren Grundrechtsbindung öffentlicher Unternehmen abgeprüft werden.
Als Folgefragen kommen dann etwa noch in Betracht: zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Anspruch? Wohl eher ersteres, weil die Leistungen auf zivilrechtlicher Grundlage angeboten werden und außerdem die Post zivilrechtlich verfasst ist (AG). Dann: zivilrechtlicher Kontrahierungszwang unmittelbar aus den Grundrechten oder über Umweg des § 242 BGB? Was ist mit der Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 ParteiG (wohl eher nicht, Post als zivilrechtliche AG kein Träger öffentlicher Gewalt)?

20.09.2012/0 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2012-09-20 10:31:402012-09-20 10:31:40BGH: Post muss NPD Publikation verteilen
Dr. Christoph Werkmeister

Hans-Jürgen Papier zum Parteiverbot der NPD

Aktuelles, Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Verfassungsrecht

Die Welt-Online berichtet über ein Interview mit dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. Der Bericht fasst die Historie rund um die Problematik eines Verbots der NPD anschaulich zusammen. Examensrelevant ist in diesem Kontext insbesondere die folgende Aussage von Papier:

Die NPD – und nicht nur einer ihrer Funktionäre – müsste in diese mörderischen Anschläge in irgendeiner Form verwickelt sein.“ Dieser Nachweis werde nicht einfach zu erbringen sein, so Papier. „Da müssten die Ermittlungen noch mehr ergeben.“

Wortlaut des Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG
Papier verdeutlicht an dieser Stelle, dass ein Parteiverbot i.S.d. Art. 21 Abs. 2 GG nur in besonderen Einzelfällen zulässig ist. Gleichwohl ist die o.g. Äußerung im Lichte des Wortlauts des Art. 21 Abs. 2 GG zunächst nicht ganz korrekt. Ein Parteiverbot kann dem Wortlaut der Norm nach entweder auf die Ziele einer Partei oder aber auf das Verhalten ihrer Anhänger gestützt werden.
Letztere Alternative ist allerdings nur dann einschlägig, wenn das Verhalten der Anhäger der Partei als solcher auch zugerechnet werden kann. So können nach Auffassung des BVerfG Entgleisungen einzelner Mitglieder oder Funktionäre durchaus zu vernachlässigen sein (vgl. BVerfGE 5, 85, 143). Hiermit wäre die oben zitierte Aussage von Papier wieder in ein rechtes Licht gerückt. Die Feststellung, dass sich nur bestimmte Anhänger der NPD „Grundgesetzfeindlich“ verhalten haben, kann somit noch kein Verbot i.S.d. Art. 21 Abs. 2 GG begründen. Letztlich ist aufgrund der restriktiven Auslegung des BVerfG, die sich aus der besonderen Bedeutung politischer Parteien ergibt, somit doch auf die Partei als Gesamtheit abzustellen.
Probleme in der Praxis
Die Problematik, die sich in der Praxis stellt, ist weniger eine Unterscheidung zwischen den zwei diskutierten Tatbestandsalternativen. Eine Bedrohung der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch die NPD ließe sich im Prinzip u.U. schon in einem Parteiverbotsverfahren nachweisen.
Das Problem liegt eher auf verfahrensrechtlicher Ebene. Die NPD wird nämlich vom Verfassungsschutz beobachtet (insbesondere durch sog. V-Leute; s. dazu hier). Wenn nun aber Funktionäre der für verfassungswidrig zu erklärenden Partei zugleich als Informanten des Verfassungsschutzes tätig sind, ergibt sich ein Spannungsverhältnis, ähnlich wie es bei Beweisverwertungsverboten nach der StPO der Fall ist (vgl. etwa BVerfGE 104, 370). Aus genau diesem Grund hat das BVerfG bereits das damalige Verbotsverfahren eingestellt (vgl. BVerfGE 107, 339).
Das Problem, das sich stellt, ist somit das Folgende: Einerseits werden die V-Leute benötigt, um interne Äußerungen und Zielsetzungen der NPD nachzuweisen. Andererseits können aber genau diese Beweismittel nicht verwertet werden bzw. die Überwachung führt bereits zu einem unheilbaren Verfahrensverstoß per se. Sofern nur auf öffentlich zugängliche Äußerungen, Publikationen und sonstige frei verfügbare Beweismittel abgestellt wird, fehlt es wohl indes am notwendigen Nachweis der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG.
Fraglich ist, wie in einem neuen Verfahren zu urteilen wäre. Hierfür  kommt es erneut darauf an, wie viele der Beweismittel letztlich durch Kontaktpersonen des Verfassungsschutz eingebracht werden bzw. auch, wie intensiv die Überwachung ist. Die Ansicht von Papier, dass das BVerfG abermals ein erhebliches verfahrensrechtliches Problem aufdecken wird, ist hier nicht von der Hand zu weisen. Es bleibt also abzuwarten, ob tatsächlich ein neues Verbotsverfahren eingeleitet wird.
Im Examen
Wer also im Rahmen einer Klausur oder mündlichen Prüfung mit der Parteiverbotsproblematik konfrontiert wird, sollte nicht voreingenommen an die Sache herangehen und die Möglichkeit eines Verbots auf Tatbestandsebene direkt verneinen. Es sollte vielmehr entsprechend des Wortlauts der Norm genau differenziert und definiert werden.  Anschließend erst folgt die Subsumtion, die freilich anhand des vorliegenden (verwertbaren) Beweismaterials in beide Richtungen gehen kann.
Zugleich gilt es als Prüfling stets zu betonen, dass ein Verbot nur durch das BVerfG erklärt werden kann, vgl. Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG. Insbesondere wenn Behörden sich entgegen der Monopolstellung des BVerfG anmaßen, eine Partei vertrete eine kämpferische Haltung gegenüber der freiheitlich demokratische Grundordnung des GG, wird meist eine rechtsfehlerhafte Entscheidung ergangen sein (s. vertieft zu diesen Problemkreisen hier).

04.12.2011/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-12-04 12:07:062011-12-04 12:07:06Hans-Jürgen Papier zum Parteiverbot der NPD

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