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Schlagwortarchiv für: Art. 2 I GG

Anna Ebbinghaus

IHK Zwangsmitgliedschaft und Art. 9, 12 I und 2 I GG

Aktuelles, Öffentliches Recht, Startseite, Verfassungsrecht

Industrie- und Handelskammern sind berufsständische Körperschaften des öffentlichen Rechts und bestehen aus Unternehmen einer Region. Alle Gewerbetreibenden und Unternehmen mit Ausnahme reiner Handwerksunternehmen, Landwirtschaften und Freiberufler gehören ihnen per Gesetz, zB IHK-Gesetz, an.
Es regt sich jedoch wiederholt Widerstand gegen eine solche Zwangsmitgliedschaft. Wie die SZ berichtet, werfen viele Mitglieder der IHK Misswirtschaft, überzogene Ausgaben für Bauvorhaben und Spitzenposten und nicht zuletzt einen undemokratischen Aufbau vor.
Nun wird sich das Bundesverfassungsgericht erneut mit der Frage der Zwangsmitgliedschaft befassen, nachdem zwei Unternehmer Beschwerden eingereicht haben.
 
I. Überblick Art. 9 I GG
Art. 9 I GG schützt die Vereinigungsfreiheit.
1. Schutzbereich
Art. 9 I GG schützt das Recht, Vereine und Gesellschaften (=Vereinigung) zu bilden, also das Prinzip freier sozialer Gruppenbildung.
Eine Vereinigung ist ein Zusammenschluss mehrerer (mind.  zweier Mitglieder) natürlicher oder juristischer Personen bzw. Personenvereinigungen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck auf freiwilliger Basis bei Unterwerfung unter eine organisatorische Willensbildung, Mannsen, § 22, Rn. 520.
Der Zweck der Vereinigung ist dabei unerheblich. Auch idielle oder wirtschaftliche Zwecke sind erfasst.
Anknüpfungspunkt ist der freie Vereinigungswille, weshalb gesetzlich angeordnete öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse (Rechtsanwaltskammern, Ärztekammern) nicht zu den von Art. 9 IGG geschützten Vereinigungen gehören, Mannsen, § 22, Rn. 520.
2. Eingriff
Die Vereinigungsfreiheit kann zB durch Entziehung der Rechtsfähigkeit oder durch ein Verbot der Vereinigung beeinträchtigt werden.
Sonstige Bestimmungen des Gesellschafts- und Vereinsrechts sind keine Grundrechtseingriffe, sondern lediglich Ausgestaltung des Grundrechts.
3. Verfassungsmäßige Rechtfertigung
Art. 9 I GG steht nach Art. 9 II GG unter Gesetzesvorbehalt (hM).
Die Verbotsgründe sind in Art. 9 II GG abschließend aufgezählt. Im Übrigen sind andere Eingriffe als das Verbot durch kollidierendes Verfassungsrecht zu rechtfertigen.
Eingriffe in Vereinigungsfreiheit bedürfen dabei einer formell-gesetzlichen Grundlage.
II. Urteil des BVerfG von 2001

Das BVerfG entschied 2001 u.a. über die Verhältnismäßigkeit der Zwangsmitgliedschaft in der IHK, BVerfG Beschluss vom 07.12.2001 (1 BvR 1806/98).
Beschwerdeführerin B war damals eine Versicherungsmaklerin. Sie richtete sich gegen ihre Zwangsmitgliedschaft in der IHK und vertrat die Auffassung, in ihrem negativen Grundrecht aus Art. 9 I GG und ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG verletzt zu sein. Nach ihrer Ansicht könne die IHK auch ohne eine Zwangsmitgliedschaft ihre ihnen übertragenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben wahrnehmen.
Das BVerfG prüfte in seiner Entscheidung die Verletzung folgender Grundrechte:
1. Art. 9 I GG
Möglicherweise könnte die B durch die Zwangsmitgliedschaft in ihrem negativen Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit, also dem Recht, sich nicht vereinigen zu müssen, aus Art. 9 I GG verletzt sein.
a) Schutzbereich
Fraglich ist, ob der Schutzbereich eröffnet ist.
Dazu führt das BVerfG aus:

Der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 1 GG ist nicht berührt. […]

 Art. 9 Abs. 1 GG schützt nicht vor einer gesetzlich angeordneten Eingliederung in eine öffentlichrechtliche Körperschaft. […]

Der Schutz der Vereinigungsfreiheit greift ein, wenn es um einen privatrechtlichen Zusammenschluss natürlicher oder juristischer Personen geht, der auf Dauer angelegt ist, auf der Basis der Freiwilligkeit erfolgt, zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks konstituiert ist und eine organisierte Willensbildung aufweist.[…]

 Damit ist das Element der Freiwilligkeit für den in Art. 9 Abs. 1 GG verwandten Vereinsbegriff konstituierend. Vereinigungen, die ihre Entstehung und ihren Bestand nicht grundrechtsinitiierter Freiwilligkeit verdanken – wie hier die Industrie- und Handelskammer -, unterfallen daher von vornherein nicht dem Vereinsbegriff des Art. 9 Abs. 1 GG.[…]

 Auch aus der Entstehungsgeschichte folgt, dass Art. 9 Abs. 1 GG nicht im Sinne eines umfassenden Fernbleiberechts gegenüber öffentlichrechtlichen Verbänden verstanden werden kann.[…]

 

Den Mitgliedern des Parlamentarischen Rats war in dieser Diskussion die Existenz berufsständischer Zwangszusammenschlüsse bewusst. Diesen alten Traditionszusammenhang wollten sie weder unterbrechen noch aufheben, sonst hätte dies besonders zum Ausdruck gebracht werden müssen. […]

Wenn vom Bundesverfassungsgericht der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG in ständiger Rechtsprechung auf das Recht ausgedehnt wird, einer Vereinigung fernzubleiben (vgl. BVerfGE 10, 89; 50, 290 ), so reicht dieser Schutz der negativen Vereinigungsfreiheit daher nicht weiter als der Schutzbereich der positiven Gewährleistung. Den Bürgerinnen und Bürgern ist die Freiheit garantiert, sich auf freiwilliger Basis zusammenzuschließen, und der Staat darf nicht andere Bürger zwingen, sich diesem freiwilligen Zusammenschluss anzuschließen.

 
Das BVerfG stellt also klar, dass entscheidend für den Schutzbereich des Art. 9 I GG die Freiwilligkeit ist. Nur der Zusammenschluss von Vereinigungen auf freiwilliger Basis ist demnach geschützt. Als negatives Grundrecht schützt Art. 9 I GG also nur vor einer Zwangsmitgliedschaft bezüglich solcher freiwilligen Vereinigungen.
Begründet wird dies auch mit der Entstehungsgeschichte:  Dem Gesetzgeber waren damals schon die Mitgliedschaften in öffentlichen, verpflichtenden berufsständischen Zusammenschlüssen bekannt. Wenn er diese Tradition hätte aufbrechen wollen, so hätte er dies im GG berücksichtigen müssen, was unterblieben ist.
Folglich ist nach Ansicht des BVerfG der Schutzbereich des Art. 9 I GG nicht eröffnet.
b) Ergebnis
Mangels Schutzbereichseröffnung scheidet eine Verletzung der negativen Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 I GG aus.
2. Art 12 I GG
Das BVerfG prüfte eine Verletzung von Art. 12 GG in dieser Entscheidung nicht. Gleichwohl könnte die B in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG verletzt sein.
a) Schutzbereich
Es müsste der einheitliche Schutzbereich des Art. 12 I GG eröffnet sein.
Ein Beruf ist eine Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient.Von Art. 12 I GG ist auch die Ausübung des Berufs geschützt.
Die Tätigkeit der B als Versicherungsmaklerin ist insoweit die Ausübung eines Berufs.
Folglich ist der Schutzbereich des Art. 12 I GG eröffnet.
b) Eingriff
Ein Eingriff in Art. 12 I GG könnte in der staatlichen Maßnahme der Anordnung der Zwangsmitgliedschaft liegen. Diese müsste insoweit berufsregelnde Tendenz aufweisen.
Bei der Zwangsmitgliedschaft in der IHK fehlt es an einer subjektiv berufsregelnden Tendenz, da diese nicht zielgerichtet die Wahl oder die Ausübung eines bestimmten Berufes betrifft.
Auch führt sie nicht zu einer besonderen Belastung der Mitglieder hinsichtlich der Wahl oder Ausübung ihres Berufes, so dass auch eine objektiv berufsregelnde Tendenz nicht vorliegt.
Aufgrund fehlender berufsregelnder Tendenz greift die Pflichtmitgliedschaft in der IHK nicht in Art. 12 I GG ein.
c) Ergebnis
Die B ist nicht in Art. 12 I GG verletzt.
3. Art. 2 I GG
Vielmehr sieht das BVerfG den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG für eröffnet an:

Prüfungsmaßstab für den Schutz gegen die Inanspruchnahme als Mitglied einer Zwangskorporation ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 10, 89). […]

Diese Vorschrift stellt ein hinreichendes Instrument zur Abwehr unnötiger Pflichtverbände dar und erlaubt damit auch, dem Prinzip der freien sozialen Gruppenbildung, das Art. 9 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 38, 281; 50, 290) zugrunde liegt, gerecht zu werden. Zugleich lässt dieser Prüfungsmaßstab aber dem Staat genügende Gestaltungsfreiheit, damit er seine Aufgaben angemessen wahrnehmen kann. […]

 
a)  Schutzbereich des Art. 2 I GG
Der Schutzbereich des Art. 2 I GG müsste eröffnet sein.
 Zu beachten ist, dass Träger des Grundrechts zunächst jede persönliche Person ist. Ist eine juristische Person oder Vereinigung Beschwerdeführerin, so muss kurz angemerkt werden, dass dieses Grundrecht gem. Art. 19 III GG auch in diesem Fall anwendbar ist.
b) Eingriff
In das Grundrecht wird durch jede imperative Regelung der öffentlichen Gewalt eingegriffen (Mannsen). Dies schließt auch die Anordnung einer Zwangsmitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts wie der IHK ein.
c) verfassungsmäßige Rechtfertigung
Der Eingriff könnte jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.
Gem. Art. 2 I GG ist die allgemeine Handlungsfreiheit begrenzt durch die Rechte Anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz ( sog. Schrankentrias des Art. 2 I GG).
Das Verbot könnte als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung gerechtfertigt sein.
Verfassungsmäßige Ordnung isd Art. 2 I GG ist die Gesamtheit aller Rechtsnormen, die mit der Verfassung in Einklang stehen, d.h. formell und materiell verfassungsmäßig sind.
Ein Gesetz, welches die Zwangsmitgliedschaft anordnet, müsste insoweit formell und materiell verfassungsmäßig sein.
Materiell verfassungsmäßig wäre ein solches Gesetz  insbesondere dann, wenn es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt.
Insoweit auch das BVerfG:

Zwangsverbände sind danach nur zulässig, wenn sie öffentlichen Aufgaben dienen und ihre Errichtung, gemessen an diesen Aufgaben, verhältnismäßig ist.

 
aa) legitimer Zweck
Mit der Zwangsmitgliedschaft müsste ein legitimer Zweck verfolgt werden:

Voraussetzung für die Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Verbands mit Zwangsmitgliedschaft ist, dass der Verband legitime öffentliche Aufgaben erfüllt.

Dazu gehören Aufgaben der Wirtschaftsförderung, die Vertretung der gewerblichen Wirtschaft und die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet. Nicht zuletzt soll durch die Kammern auch der Staat beraten werden.
bb) Geeignetheit
Weiterhin müsste die Zwangsmitgliedschaft ein geeignetes Mittel sein, um solche Ziele verfolgen zu können. Ausreichend ist hier die Möglichkeit der Zweckerreichung.
Im Übrigen steht dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum bei der Beurteilung der zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu.
Aus Sicht des BVerfG ist die Maßnahme geeignet:

Die Entscheidung des Gesetzgebers, Wirtschaftsförderung und -verwaltung mit Hilfe von Selbstverwaltungseinrichtungen zu organisieren, ist von diesen Grundsätzen gedeckt. […]

Aus der Sicht des Gesetzgebers ist die Erfüllung von Wirtschaftsverwaltungsaufgaben durch die Kammern sachnäher und wegen der Beteiligung der Betroffenen durch selbstgewählte Organe auch freiheitssichernder als durch staatliche Behörden. Die Interessenvertretung durch private Verbände ist in dieser Sicht nicht im gleichen Maße am Gesamtinteresse und am Gemeinwohl orientiert. […]

cc) Erforderlichkeit
Darüberhinaus müsste die Zwangsmitgliedschaft auch erforderlich für die Erreichung der gesetzgeberischen Ziele sein.
Sie ist erforderlich, wenn es kein anderes milderes Mittel gibt, das zur Erreichung des Ziels ebenso effektiv ist.
Bezüglich der Errichtung rein privater Verbände als milderes Mittel führt das BVerfG aus:

Rein private Verbände wären mangels Gemeinwohlbindung nicht in der Lage, die Aufgaben wahrzunehmen, die die Industrie- und Handelskammern mit Hilfe der Pflichtmitgliedschaft zu erfüllen befähigt sind. […]

 Auch kann der Staat so besser die besondere Sachnähe und Kompetenz der Kammern nutzen, BVerfGE 15, 235.

Die Wahrnehmung der Aufgabe durch den Staat könnte das zulässige rechtspolitische Ziel der Verlagerung auf die primären Träger wirtschaftlicher Interessen, deren Sachkompetenz der Staat zur Entfaltung volkswirtschaftlich sinnvoller Rahmenbedingungen für sich nutzbar machen will, nicht erreichen. […]

Wegen des Gemeinwohlauftrags der Industrie- und Handelskammern und ihrer vielfältigen Wirtschaftsverwaltungsaufgaben ist ein alle Branchen und Betriebsgrößen umfassender Mitgliederbestand vonnöten. Für die wirtschaftliche Selbstverwaltung bedarf es der Mitwirkung aller Unternehmen, gerade auch der mittleren und kleinen, damit die Kammern ihre Aufgaben umfassend erfüllen können. […]

 
Rein private Verbände stellen daher zwar ein milderes, aber  kein gleich geeignetes Mittel dar, mit der Folge, dass die Maßnahme mithin erforderlich ist.
dd) Angemessenheit/ Verhältnismäßigkeit ieS
Schließlich müsste die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft auch angemessen, also zumutbar sein.
Dazu ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.
Das BVerfG bewertete die Interessen der Beschwerdeführerin wie folgt:

Die Beeinträchtigung des einzelnen Gewerbetreibenden durch die Pflichtmitgliedschaft bedeutet keine erhebliche Einschränkung der unternehmerischen Handlungsfreiheit. Zu berücksichtigen ist dabei vor allem, dass die Pflichtmitgliedschaft den Kammerzugehörigen zum einen die Chance zur Beteiligung und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen eröffnet, dabei aber zum anderen ihnen die Möglichkeit offen lässt, sich nicht aktiv zu betätigen. Zugleich hat die Pflichtmitgliedschaft eine freiheitssichernde und legitimatorische Funktion, weil sie auch dort, wo das Allgemeininteresse einen gesetzlichen Zwang verlangt, die unmittelbare Staatsverwaltung vermeidet und statt dessen auf die Mitwirkung der Betroffenen setzt.

Im Übrigen könnten etwaige Aufgabenüberschreitungen durch den Zwangsverband und seiner Organe im Klagewege abgweehrt werden.
Somit ist eine Zwangsmitgliedschaft auch angemessen.
ee) Ergebnis
Die Anordnung einer Zwangsmitgliedschaft ist verhältnismäßig, ein dies anordnendes Gesetz wäre insoweit materiell verfassungsmäßig und würde der verfassungsmäßigen Ordnung entsprechen.
Das Verbot ist also verfassungsmäßig gerechtfertigt, so dass die B nicht in Art. 2 I GG verletzt ist.
III. Ausblick
Noch ist nicht abzusehen, ob das BVerfG von seiner ständigen Rechtsprechung abweicht.
Dagegen könnte die lange Rechtsprechungstradition sprechen. Entscheidend dürfte auch sein, ob das BVerfG ohne Zwangsmitgliedschaften die Interessen des Staates wirklich als ausreichend gewahrt sieht.
Hinzu kommt, dass es eine Vielzahl von Vereinigungen existieren, die eine Zwangsmitgliedschaft verlangen. Nicht alle müssen per se die Mängel aufweisen, die der betreffenden IHK vorgeworfen werden.
Allerdings könnte die Möglichkeit bestehen, einen Austritt als ultima ratio dann zu ermöglichen, wenn die betreffende Vereinigung augenscheinlich keinen demokratischen Aufbau ermöglicht und so ggf. gegen das Demokratieprinzip aus Art. 20 I GG und das Rechtstaatlichkeitsprinzip aus Art. 20 III GG verstößt oder die auch durch das Grundgesetz geschützten Interessen und Rechtsgüter der Mitglieder durch eklatante Misswirtschaft innerhalb einer solchen Zwangsmitgliedschaft massivst beeinträchtigt werden und einzulegende Rechtsmittel gegen solche Beeinträchtigungen nicht mehr zumutbar sind.
Ebenso denkbar wäre es, nur eine Aussetzung der Zwangsmitgliedschaft ausnahmsweise zu ermöglichen, bis alle Mängel beseitigt sind oder sich die Vereinigung unter Wahrung der Interessen der Mitglieder neu konstituiert hat.
Ob aber die angegriffenen Zustände überhaupt in dem vorliegenden Fall zumindest für eine Aufweichung der Zwangsmitgliedschaft ausreichen würden, bleibt abzuwarten.
IV. Fazit
Die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 I GG, Art. 2 I GG ist sicherlich nicht das wichtigste Grundrecht, kann aber immer mal wieder Aktualität erlangen und in Verbindung mit einer Verfassungsbeschwerde leicht abgeprüft werden.
Die Entwicklung bzgl. der Zwangsmitgliedschaften in öffentlich- rechtlichen Vereinigungen sollte unbedingt weiter verfolgt werden. Wird sich tatsächlich eine Änderung der Rechtsprechung vollziehen, so ist dies nicht nur von Examenskandidaten unbedingt zu beachten.

08.05.2014/5 Kommentare/von Anna Ebbinghaus
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Anna Ebbinghaus https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Anna Ebbinghaus2014-05-08 09:00:432014-05-08 09:00:43IHK Zwangsmitgliedschaft und Art. 9, 12 I und 2 I GG
Dr. Marius Schäfer

VG Aachen: Teilnahme an Auswahlverfahren für Polizeidienst auch mit Unterarm-Tätowierungen

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Verfassungsrecht

Sachverhalt (verkürzt)
Das VG Aachen hat mit noch nicht veröffentlichtem Urteil (1 K 1518/12) vom 29.11.2012 entschieden, dass ein Bewerber, welcher sich für den Vorbereitungsdienst im Rahmen der Einstellung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst beworben hat, nicht schon deshalb als für den Polizeidienst ungeeignet abgelehnt bzw. nicht schon von vornherein vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden darf, weil dieser an beiden Armen große Tätowierungen von der Schulter bis zu den Unterarmen aufweist. Die Teilnahme am Auswahlverfahren ist für jeden Bewerber Voraussetzung für dessen Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst und das am 01.09.2012 beginnende Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung. In diesem Sinne folgt das Urteil einer Entscheidung (1 L 277/12) gleichen Rubrums vom 31.07.2012, welche durch das VG Aachen bereits im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 I 2 VwGO erfolgt ist.
Rechtliche Würdigung
Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zur Geeignetheit eines Beamten aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes häufen sich in den letzten Jahren, sodass damit fast zwangsläufig auch eine gewisse Klausurrelevanz verbunden ist. Es gilt hier stets die Grundrechte des Beamten – oder in diesem Falle des Bewerbers – in Einklang mit den im öffentlichen Dienst vorherrschenden Strukturprinzipien zu bringen.
In diesem Fall könnten der Einstellung eines auffällig tätowierten Bewerbers für den Polizeivollzugsdienst die in Art. 33 GG verankerten Strukturprinzipien des öffentlichen Dienstrechts entgegenstehen. Betroffen ist, mit der Berücksichtigung für das Auswahlverfahren und der vom Kläger beabsichtigten Einstellung in den Polizeivollzugsdienst, insbesondere der Zugang zu einem öffentlichen Amt. Zwar enthält das in Art. 33 II GG begründete Leistungsprinzip für jeden Bewerber in diesem Zusammenhang das Recht, bei seiner Bewerbung um ein öffentliches Amt allein nach den hier genannten Voraussetzungen – d.h. Eignung, Befähigung und fachliche Leistung – beurteilt und unter gleichen Zugangsmöglichkeiten eingestellt zu werden,[1] doch bleibt insofern fraglich, inwieweit das äußere Erscheinungsbild des Klägers diesem eine Eignung für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis versagen könnte. Vom Begriff der Eignung umfasst sind die Persönlichkeit sowie auch solche charakterlichen Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind.[2] Zu beachten ist dabei, dass die Auswahlkriterien des Art. 33 II GG in gleicher Weise auch für ein vorgeschaltetes Auswahlverfahren gelten, mit dem der Dienstherr das Vorliegen der Eignungsvoraussetzungen möglichst zuverlässig in Erfahrung bringen möchte.[3]
So führte das Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen (LAFP) aus, dass eine deutlich sichtbare Tätowierung nicht mit der Neutralität eines Polizeibeamten in Einklang zu bringen sei. Ausgehend von einem Erlass des Innenministeriums aus dem Jahre 1995, welche durch einen weiteren Erlass im August des Jahres 2012 bestätigt wurde, stellten derartige Tätowierungen, die beim Tragen von Hemden mit kurzen Ärmeln zu sehen seien, mithin einen Eignungsmangel dar. Von daher berief sich die Einstellungsbehörde darauf, dass der Kläger anhand seines äußeren Erscheinungsbildes nicht dem in Art. 33 II GG enthaltenen Leistungsprinzip gerecht werde und sich somit auch nicht für einen Zugang zum Polizeivollzugsdienst qualifizieren könne.
Gegenüber einem so begründeten, generellen Ausschluss vom Auswahlverfahren zur Einstellung in den Vorbereitungsdienst des Polizeivollzuges, können die Grundrechte des Bewerbers allerdings nicht unbeachtet bleiben. Zum einen könnte sich der Kläger auf sein Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG berufen, denn dessen erkennbare Tätowierungen sind gerade ein nach außen kundgegebener Ausdruck seiner Persönlichkeit. Andererseits könnte der Bewerber auch geltend machen, dass eine verfassungsrechtlich unzulässige Vorenthaltung des in Art. 12 I GG verbürgten Grundrechts auf freie Wahl des Berufes bzw. des in Art. 33 II GG grundrechtsgleich gewährleisteten Rechts auf Zugang zu einem öffentlichem Amt verletzt wurde, indem die Einstellungsbehörde die Eignung des Bewerbers fehlerhaft beurteilt hat und diesem so die Teilnahme am erforderlichen Auswahlverfahren versagt hat. Diese verfassungsrechtliche Gewährleistung ist überdies auch einfachgesetzlich in den §§ 8, 9 BeamtStG i.V.m. § 15 III 1 LBG NRW enthalten.
Unter dem Aspekt, dass eine Einschränkung von Grundrechten möglich ist, um die Funktionsfähigkeit des Polizeivollzugsdienstes zu erhalten, ist sodann eine Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellen, um die Grundrechte des Bewerbers in Einklang mit den Strukturprinzipien des Beamtentums zu bringen. Insoweit könnte der Einstellungsbehörde bei der Beurteilung hinsichtlich der Eignung eines an beiden Armen tätowierten Bewerbers, eine ermessensfehlerhafte Entscheidung im Rahmen des Auswahlermessens zur Last zu legen sein.
Die Versagung der Teilnahme am Auswahlverfahren müsste einen legitimen Zweck verfolgen und an sich auch geeignet sein, diesen legitimen Zweck zu erreichen. Sinngemäß stellt die Einstellungsbehörde hier darauf ab, dass vor allem Polizeibeamten eine Geltung in der Öffentlichkeit zukomme, dessen Auftreten es erforderlich mache, eine gewisse Neutralität und Einheitlichkeit des Staates und seiner Beamten zu bewahren und auszudrücken. Der Respekt gegenüber einem Polizeibeamten könnte von daher vermindert sein, wenn dieser deutlich sichtbare Tätowierungen zur Schau stellt und so eine überzogene Individualität nach außen Preis gibt, mit dem die Toleranz anderer übermäßig beansprucht wird. Um jedoch die Funktionstüchtigkeit des Polizeivollzugsdienstes dahingehend zu sichern, dass den Beamten in der Öffentlichkeit das gleiche Maß an erforderlicher Geltung zukommt, erscheint es durchaus als geeignet, tätowierten Bewerbern bereits die Teilnahme am Auswahlverfahren zu versagen. Allerdings dürfen darüber hinaus keine milderen aber gleich geeigneten Mittel zur Verfügung stehen oder eine unzureichende Abwägung mit den Grundrechten des Bewerbers erfolgt sein.
Das VG führte im Ergebnis hierzu aus, dass eine generelle Versagung der Teilnahme, mit ablehnendem Bescheid des LAFP, zu beanstanden sei, soweit die Behörde die Prüfung einer Entscheidungsrelevanz der individuellen Tätowierung nicht vorgenommen hat. Vielmehr müsse aus einer solchen Einzelprüfung hervorgehen, dass es dem Bewerber an einer geeigneten Persönlichkeit oder charakterlichen Eigenschaft mangele. Es gehe aus dem Bescheid insofern nicht klar hervor, inwieweit es diesbezüglich überhaupt an der Eignung des Bewerbers fehle, zumal das Grundrecht des Bewerbers aus Art. 2 I GG nicht hinreichend beachtet wurde, denn eine Versagung – unter Verweis auf einen 15 Jahre alten Erlass – werde dem vollzogenen gesellschaftlichen Wandel hinsichtlich der Akzeptanz von Tätowierungen in der Öffentlichkeit nicht mehr in anzustellendem Maße gerecht. Schließlich komme auch ein milderes Mittel in Betracht, welches vorrangig zu berücksichtigen wäre, um dem Ausdruck des Persönlichkeitsrechts des Beamten sowie der Funktionsfähigkeit des Polizeivollzugsdienstes gerecht zu werden: Der Dienstherr kann den Beamten auch im Sommer anweisen, ein Hemd mit langen Ärmeln zu tragen, um so die Tätowierungen ggf. zu verdecken. Damit ist es nicht erforderlich, dem Bewerber im vorgeschalteten Auswahlverfahren eine Teilnahme hieran zu versagen, ohne hinreichende Versagensgründe für dessen Eignung darzulegen, welche sich nicht von vornherein aus dessen auffälliger Tätowierung ergeben. Generell könne eine solche Tätowierung nicht als Eignungsmangel herangezogen werden, sodass sich das Auswahlermessen des LAFP jedenfalls dahingehend reduziere, den Kläger zumindest zum Auswahlverfahren zuzulassen.
Bewertung
Eine Entscheidung des VG Aachen, welche im Ergebnis überzeugt und sich ohne weiteres in einer Klausur wiederfinden könnte. Angesichts der Abwägung der Grundrechte des Bewerbers mit der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sollte das Augenmerk in Bezug auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auf den gesellschaftlichen Wert der Tätowierung als Ausdruck des Persönlichkeitsrechtes nach Art. 2 I GG sowie die Möglichkeit eines Eignungsmangels im Sinne des Art. 33 II GG gelegt werden.



[1] Jarass/Pieroth, Art.33, Rn. 7.
[2] Sachs, Art. 33, Rn. 28.
[3] OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2007 – 6 B 48/07.

19.12.2012/1 Kommentar/von Dr. Marius Schäfer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Marius Schäfer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Marius Schäfer2012-12-19 10:00:412012-12-19 10:00:41VG Aachen: Teilnahme an Auswahlverfahren für Polizeidienst auch mit Unterarm-Tätowierungen
Dr. Christoph Werkmeister

Ausstrahlung von „Frauentausch“ wegen APR-Verletzung untersagt

Deliktsrecht, Rechtsprechung
Das LG Berlin hat mit Entscheidung vom 26.07.2012 (Az. 27 O 14/12) der Produktionsfirma der TV-Serie „Frauentausch“ untersagt, eine Folge dieser Serie selbst oder durch Dritte zu veröffentlichen oder zu verbreiten.
Geklagt hatte eine Frau, die mit ihrer Familie an der Produktion mitgewirkt hatte und sich durch die Art der Darstellung in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt sah.
Verbot trotz Einwilligung

Nach Auffassung des Landgerichts hat die Klägerin zwar vor Produktion der Sendung eine Einwilligungserklärung gegenüber der Produktionsfirma abgegeben. Darin sei von einer „TV-Dokumentations-Serie“ die Rede gewesen, die vorrangig einen Dokumentationscharakter haben sollte. Tatsächlich seien die Aufnahmen dann so nachbearbeitet worden, dass die Klägerin gezielt lächerlich gemacht worden sei. Sie sei als überforderte und geistig verwirrte, bei ihren Kindern unbeliebte Mutter der praktisch veranlagten, sympathischen und ordentlichen Tauschmutter gegenüber gestellt worden. Mit derartigen nachträglichen Bearbeitungen zum ausschließlichen Zweck der Verspottung habe sie nicht rechnen müssen.

Schmerzensgeld bei APR-Verletzung nur im Ausnahmefall

Bezüglich der Forderung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000 Euro hat das LG Berlin die Klage dagegen abgewiesen. Die Missachtung des Persönlichkeitsrechts sei nicht so schwerwiegend, dass eine finanzielle Entschädigung geboten sei.

 

18.08.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-08-18 07:30:122012-08-18 07:30:12Ausstrahlung von „Frauentausch“ wegen APR-Verletzung untersagt
Dr. Marius Schäfer

OVG Koblenz: Asche eines Verstorbenen darf nicht auf privatem Grundstück verstreut werden

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Verwaltungsrecht

1.  Vorüberlegungen

Das im Bereich des Bestattungsrechtes angesiedelte Urteil des OVG Koblenz vom 18.04.2012 (7 A 10005/12.OVG) behandelt eine klassische und damit examens- bzw. prüfungsrelevante Fallgestaltung, insbesondere im Hinblick auf das bestehende Spannungsverhältnis zwischen der verfassungsrechtlich garantierten, allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG sowie dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, welcher diesem in Bezug auf eine beschränkende, gesetzliche Regelung zukommt. Insofern ist es in diesem Zusammenhang vorrangig erforderlich, dass dieses Spannungsverhältnis – unter Zugrundelegung der einschlägigen Normen – herausgearbeitet wird und die widerstreitenden Positionen schließlich gegeneinander abgewogen werden.
2.  Sachverhalt (verkürzt)
Nach dem einschlägigen Sachverhalt begehrte der Kläger mit Antrag vom 02.02.2010 die Erlaubnis, nach seinem Tod die Asche seiner sterblichen Überreste auf einem in dessen Eigentum stehenden Waldgrundstück verstreuen zu dürfen. Unter Verweis auf den in Rheinland-Pfalz bestehenden und diesem Vorhaben entgegenstehenden Friedhofzwang (siehe § 8 BestG) lehnte die zuständige Behörde diesen Antrag mit Bescheid vom 13.04.2010 ab. Zudem sei eine nach § 4 BestG vorgesehene Ausnahme vorliegend nicht gegeben. Der demgegenüber liegende Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG könne jedenfalls „durch legitime öffentliche Interessen und überwiegende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt“ werden.
Der gegen die Versagung eingelegte Widerspruch (§ 68 II; I VwGO) hatte keinen Erfolg und wurde, anhand gleichgelagerter Erwägungen, mit dem Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses vom 28.06.2011 zurückgewiesen. Ebenso wurde die hiergegen am 20.07.2011 erhobene Klage zurückgewiesen. Im Urteil vom 11.10.2011 führte das VG Trier dabei aus, dass das Verstreuen der Asche auf einem privaten Grundstück so nicht genehmigungsfähig sei und eine Ausnahme des vom Gesetzgeber vorgesehenen Friedhofzwanges nicht dadurch anzunehmen sein könne, dass der Kläger seine Asche, aus der bloßen Verbundenheit zur Natur heraus, außerhalb einer Bestattungsstätte zu verstreuen begehrt. Im Übrigen wurde die Berufung durch das VG zugelassen.
Gegen dieses Urteil des VG Trier bzgl. des Bescheids der zuständigen Behörde vom 13.04.2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses vom 28.06.2011, hat der Kläger letztlich eine Berufung zum OVG Koblenz eingelegt, die jedoch durch das Urteil vom 18.04.2012 zurückgewiesen wurde.
3.  Rechtliche Würdigung
Das OVG Koblenz bezieht sich in seinen Entscheidungsgründen im Wesentlichen auf die der Vorinstanz. Dabei stellt es im Vorfeld zunächst fest, dass nach der landesrechtlichen Rechtslage der vom Kläger geltend gemachte Anspruch für das Verstreuen der Asche auf einem privaten Grundstück eine Genehmigung voraussetzt, da nach § 8 II BestG jede Leiche bestattet werden muss (sog. Friedhofszwang), was gem. § 8 IV BestG in Formen der Erd- oder Feuerbestattung erfolgen kann. Weitergehend kann eine Feuerbestattung insoweit nur dergestalt vorgenommen werden, dass die Einäscherung der Leiche vorgenommen wird und die Asche sodann in einer entsprechenden Grabstätte beigesetzt wird (§ 8 IV 3 BestG).
Demgegenüber stelle aber die Beisetzung auf einem privaten Grundstück, wie es der Kläger auf seinem Waldgrundstück vorzunehmen gedenkt, eine Beisetzung auf einem privaten Bestattungsplatz i.S.d. § 1 III BestG dar, was in Bezug auf die Einrichtung eines solchen und unter den Voraussetzungen des § 4 I BestG einer Genehmigung bedürfe. Zudem stehe auch das Vorhaben des Verstreuens der Asche wiederum nach § 4 II BestG unter dem Vorbehalt einer im Einzelfall erforderlichen Genehmigung durch die zuständige Behörde.
Insofern stellt das OVG mit dieser rechtlichen Argumentationsreihe die Genehmigungsbedürftigkeit klar heraus, sodass es für den Kläger zur Verwirklichung seines Vorhabens zweier Genehmigungen bedarf, die „aus dem systematischen Zusammenhang der Bestimmungen […] einem repressiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterliegen“. Damit wird auch deutlich, dass ein geltend gemachter Anspruch des Klägers auf Verstreuen der Asche nach § 4 II BestG schon dann zu verneinen ist, wenn dem Kläger schon gar kein Anspruch auf die Genehmigung eines privaten Bestattungsplatzes nach § 1 III BestG i.V.m. § 4 I BestG zusteht. Im Ergebnis stellt das OVG fest, dass dem Kläger bereits ein Anspruch auf die Genehmigung eines solchen privaten Bestattungsplatzes mithin nicht zusteht, da nach § 4 I BestG hierfür kein „berechtigtes Bedürfnis oder Interesse“ bestehe. Mithin sei damit aus den o.g. Gründen auch ein Anspruch auf ein Verstreuen der Asche abzulehnen.
Der Schwerpunkt der Erwägungen des OVG Koblenz liegt allerdings im Folgenden auf der Vereinbarkeit eines Friedhofszwanges i.S.e. repressiven Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt, mit dem aus der Verfassung gewährleisteten Freiheitsgrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG). Geschützt wird die allgemeine Handlungsfreiheit als „Tun und Lassens, was man will“. Eine Beschränkung ist „nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet; dazu gehört jede Rechtsnorm, die formell und materiell mit der Verfassung im Einklang steht“ (BVerfGE 6, 32 (36 ff.); st. Rspr.; betr. Landesrecht vgl. BVerfGE 7, 111 (119 f.) und 41, 88 (116)).
Gerade im Bereich der Regelung der mit der Bestattung Verstorbener zusammenhängenden Fragen komme dem Gesetzgeber dabei mithin ein weiter Gestaltungsspielraum zu, was sich v.a. aus der Besonderheit der zu regelnden Materie ergebe, die einen starken sozialen Bezug habe und die die Handlungsfreiheit des Einzelnen nur geringfügig berühre (BVerfGE 50, 256 – juris, Rn. 25 ff.). Von daher stehe dem Gesetzgeber auch die Entscheidung über die Regelung eines grundsätzlichen Friedhofszwanges zu, um „dabei Gründe wie die Totenruhe, das sittliche Gefühl weiter Bevölkerungskreise sowie Bau- und Verkehrsplanung zu berücksichtigen“. Damit ist bei einem derartigen repressiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers anzuerkennen, der sich dabei lediglich von bestehenden, sozialen Gepflogenheiten leiten lassen solle, um eine solche Regelung und einen Eingriff in Art. 2 I GG zu rechtfertigen (siehe dazu auch BVerwGE 45, 224 ‑ juris, Rn. 18).
Deutlich wird somit schließlich, dass der Gesetzgeber mit einem solchen Friedhofszwang und der restriktiven Handhabung einer Ausnahme für private Bestattungsplätze seinen Gestaltungsspielraum dann nicht überschreitet, solange er sich von diesen sozialen Gepflogenheiten leiten lässt, um ein legitimes Ziel zu verfolgen. Vorrangig werde die durch Art. 1 I GG geforderte Totenruhe, welche durch das allgemeine Empfinden der Bevölkerung hinsichtlich der verbreiteten Scheu vor dem Tod noch verstärkt wird, jedenfalls am besten dadurch gewährleistet, wenn die sterblichen Überreste auf einer Fläche beigesetzt würden, die für diesen Zweck gewidmet ist und auch im Schutz der Allgemeinheit steht – dies sei als legitimes Ziel des Gesetzgebers in jedem Fall anzuerkennen.
Gleichsam erkennt das Gericht in diesem Zusammenhang zwar nunmehr einen Wandel in den sittlichen Anschauungen der Gesellschaft an – denn so stiege die Anzahl vorgenommener Feuerbestattungen – doch vermag dieser Wandel keine andere Schlussfolgerung zu rechtfertigen, da eine Urne nicht im Gewahrsam der Angehörigen verbleiben solle (siehe § 9 IV 2 DVO zu BestG) und Ascheresten insoweit die „gleiche pietätvolle Behandlung und Wahrung der Totenruhe wie erdbestattete Leichen“ zukommen solle. Außerdem trage der Gesetzgeber diesem Wandel der gesellschaftlichen Auffassung zur Bestattungskultur in ausreichendem Maße Rechnung, da anonyme Bestattungen auf öffentlichen Friedhöfen und sog. Friedwäldern zugelassen werden können, um bspw. das Begehren zu berücksichtigen, keine allzu pompöse Bestattung, sondern vielmehr ein „stilles Entweichen der Existenz“ vornehmen zu lassen, falls dies gewünscht sein sollte.
Letztlich muss allerdings auch im Einzelfall entschieden werden, ob vorliegend nicht doch eine Ausnahme von diesem repressiven Verbot in Betracht kommen könnte. Dies ist jedoch restriktiv zu handhaben und anhand einer Abwägungsentscheidung zwischen den legitimen Zielen des Gesetzgebers und dem Interesse des Antragsstellers zu entscheiden. Unter diesem Aspekt führt das Gericht aus, dass allein private Belange einem solchen restriktiv zu handhabenden Charakter der Ausnahmeregelung nicht gerecht werden können, zumal hierdurch dem widerstrebenden allgemeinen Empfinden der Bevölkerung nicht ausreichend vorgebeugt werden könne. Geltend gemacht hatte der Kläger dabei lediglich seine Verbundenheit zur Natur und zu seinem Grundstück, was für die Annahme einer Ausnahme nicht auszureichen vermag. Diese Gründe müssen insofern hinter denen des Gesetzeszweckes zurückstehen.
4.  Bewertung
Anhand dieser Entscheidung des OVG Koblenz verdeutlicht sich wieder einmal die Eigenschaft des überdies auch nur subsidiär anzuwendenden Freiheitsgrundrechtes der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG, welches gerade im Hinblick auf einen weitreichenden Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers leicht einzuschränken ist. Erforderlich war hierfür bereits ein legitimes Ziel des Gesetzgebers, lediglich beeinflusst durch soziale Gepflogenheiten. Wichtig war es dabei, im Vorfeld den Gesetzgebungsspielraum in Bezug zu den einschlägigen landesrechtlichen Regelungen zu erkennen, da diese einem repressiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterliegen.
 

11.05.2012/4 Kommentare/von Dr. Marius Schäfer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Marius Schäfer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Marius Schäfer2012-05-11 15:53:582012-05-11 15:53:58OVG Koblenz: Asche eines Verstorbenen darf nicht auf privatem Grundstück verstreut werden
Samuel Ju

BVerfG: Verfassungsbeschwerde gegen § 3a des Gesetzes über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg erfolglos

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

Im Zuge der so genannten Föderalismusreform I im Jahr 2006 wurde das Recht des Ladenschlusses aus dem Katalog der Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) herausgenommen und die Gesetzgebungskompetenz insoweit auf die Länder übertragen. Inzwischen haben alle Bundesländer bis auf den Freistaat Bayern den Ladenschluss durch Landesgesetz geregelt. Das Gesetz über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg (LadÖG), das Gegenstand dieser BVerfG-Entscheidung war, trat am 1. März 2010 in Kraft, so dass Art. 125a GG in soweit nicht zur Anwendung kommt.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 11. Juni (1 BvR 915/10) eine Verfassungsbeschwerde gegen § 3a LadÖG nicht zur Entscheidung angenommen.
§ 3a LadÖG lautet:

Verkauf alkoholischer Getränke
(1) In Verkaufsstellen dürfen alkoholische Getränke in der Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr nicht verkauft werden. Hofläden sowie Verkaufsstellen von landwirtschaftlichen Genossenschaften, von landwirtschaftlichen Betrieben und auf Verkehrsflughäfen innerhalb der Terminals dürfen alkoholische Getränke abweichend von Satz 1 verkaufen.

Verkaufsstellen werden in § 2 LadÖG definiert:

§ 2 Begriffsbestimmungen
(1) Verkaufsstellen im Sinne dieses Gesetzes sind
1. Ladengeschäfte aller Art, Apotheken, Tankstellen und Verkaufsstellen in Bahnhöfen, auf Flugplätzen, von Genossenschaften, von landwirtschaftlichen Betrieben sowie Hofläden,
2. sonstige Verkaufsstände und -buden, Kioske, Basare und ähnliche Einrichtungen, falls in ihnen ebenfalls von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten werden. Dem Feilhalten steht das Zeigen von Mustern, Proben und Ähnlichem gleich, wenn Warenbestellungen in der Einrichtung entgegengenommen werden.

Nach Ansicht des BVerfG lägen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde habe keine grundsätzliche Bedeutung. Auch eine Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG durch die angegriffene Regelung sei nicht ersichtlich.
Sachverhalt
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist § 3a LadÖG. Die Vorschrift untersagt – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – den Verkauf von alkoholischen Getränken in Verkaufsstellen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr. Sie wurde durch das Gesetz zur Abwehr alkoholbeeinflusster Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung während der Nachtzeit und zum Schutz vor alkoholbedingten Gesundheitsgefahren (Alkoholverkaufsverbotsgesetz) vom 10. November 2009 (GBl 2009, S. 628) in das Gesetz über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg eingefügt und ist am 1. März 2010 in Kraft getreten. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG. Das Verkaufsverbot stelle einen ungerechtfertigten Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar.
Entscheidung des BVerfG
Obwohl das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat, hat es dennoch dazu Stellung genommen.
Im Folgenden die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts eingeordnet in eine saubere Grundrechtsprüfung des Art. 2 Abs. 1 GG.
I. Schutzbereich
Durch Art. 2 Abs. 1 GG wird jedes menschliche Tun bzw. Unterlassen, sofern das Verhalten nicht vom Schutzbereich eines anderen Freiheitsgrundrechts erfasst wird, geschützt. Der käufliche Erwerb von alkoholhaltigen Getränken in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5 Uhr wird von keinem speziellen Freiheitsgrundrecht geschützt, fällt somit in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG.
II. Eingriff
Die beanstandete Regelung müsste auch in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen haben. Ein Eingriff ist jede staatliche Maßnahme, die dem einzelnen die Ausübung seiner Grundrechte ganz oder teilweise unmöglich macht bzw. erschwert, egal ob die Wirkung mittelbar oder unmittelbar, final oder unbeabsichtigt, rechtlich oder tatsächlich, mit oder ohne Befehl und Zwang ist. Durch die o.g. Regelung wird der Beschwerdeführer belastet, als dieser daran gehindert wird, in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr alkoholhaltige Getränke käuflich zu erwerben.
Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG liegt somit vor.
III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Fraglich ist, ob die beanstandete Regelung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist ein Gesetz, wenn es zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört (Art. 2 Abs. 1 HS 2 GG), d.h. formell und materiell mit der Verfassung im Einklang steht.
1. Formelle Verfassungsmäßigkeit des § 3a LadÖG
Aus formeller Sicht bestehen an § 3a LadÖG keine Bedenken. (s.o.)
2. Materielle Verfassungsmäßigkeit § 3a LadÖG
Aus materieller Sicht gehört § 3a LadÖG insbesondere dann zur verfassungsmäßigen Ordnung, wenn es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch im Übrigen materiell verfassungsgemäß ist (kein Verstoß gegen das Übermaßverbot, kein Einzelfallgesetz, Bestimmheit etc.) ist.
a. Verhältnismäßigkeit
aa. legitimer Zweck
Mit dem Verkaufsverbot verfolgt der Landesgesetzgeber das Ziel, einer vor allem während der Nachtzeit zu verzeichnenden Zunahme alkoholbedingter Straftaten und Ordnungsstörungen sowie Gesundheitsgefahren zu begegnen. Hierbei handelt es sich um wichtige Gemeinwohlbelange, die geeignet sind, einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit zu rechtfertigen.
bb. geeignet
Das gesetzliche Untersagung des Verkaufs von alkoholischen Getränken in Ladengeschäften aller Art sowie unter anderem auch in Tankstellen, Bahnhöfen, Kiosken und Basaren in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr müsste auch geeignet sein. Geeignet ist eine staatliche Maßnahme, wenn mit ihrer Hilfe das angestrebte Ziel gefördert werden kann. Aufgrund des ihm zukommenden Einschätzungsspielraums konnte der Landesgesetzgeber davon ausgehen, dass die Einschränkung der Alkoholverkaufszeiten zu einer Eindämmung übermäßigen Alkoholkonsums führt. Der Umstand, dass dadurch nicht jeglicher Alkoholkonsum verhindert wird, weil sich dieser auch an eine vor 22.00 Uhr erfolgte Bevorratung anschließen kann, führt nicht dazu, dass die Regelung nicht zur Förderung der verfolgten Ziele beitragen würde. Die Gesetzesbegründung verweist auf zahlreiche internationale Studien und den Vergleich mit Erfahrungen in Nachbarländern, wonach aufgrund des häufig spontanen sowie stimmungs- und bedürfnisorientierten Kaufentschlusses gerade die jederzeitige Verfügbarkeit den exzessiven Konsum fördert (vgl. LTDrucks 14/4850, S. 10 ff.). Das Gesetz stellt somit ein zwecktaugliches Mittel dar. Es ist mithin geeignet.
cc. erforderlich
Es müsste aber auch erforderlich sein. Erforderlich ist ein Gesetz, wenn es kein milderes Mittel gibt, welches den gleichen Erfolg mit der gleichen Sicherheit und einem vergleichbaren Aufwand herbeiführen würde. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich, dass temporäre Verkaufs- oder Konsumverbote durch Einzelverfügung der Ortspolizeibehörden ein milderes Mittel wären, das die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelung entfallen ließe. Zumindest konnte der Gesetzgeber, dem auch im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Regelung ein Einschätzungsspielraum zukommt, in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgehen, dass derartige polizeirechtliche Maßnahmen bereits aufgrund ihrer örtlichen Begrenztheit nicht gleichermaßen wirksam wären und lediglich eine Problemverlagerung bewirken würden. Die vorliegende gesetzliche Regelung ist somit auch erforderlich.
dd. angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne)
Schließlich müsste das Gesetz auch angemessen sein. Angemessen ist ein Gesetz, wenn das mit ihm verfolgte Ziel in seiner Wertigkeit nicht außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs steht (Zumutbarkeit der Maßnahme). Es ist nicht ersichtlich, dass die angegriffene Regelung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers führen würde. Dieser ist künftig in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr am Erwerb von alkoholischen Getränken in Verkaufsstellen gehindert. Dieser Einschränkung seiner Handlungsfreiheit stehen andererseits die Schutzgüter der Gesundheit sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegenüber, denen ein hoher Stellenwert zukommt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Beschwerdeführer auch während der Verkaufsverbotszeiten ein Konsum vorab erworbener alkoholischer Getränke ebenso wenig verwehrt ist wie der Genuss dieser Getränke in Gaststätten und sonstigen privilegierten Verkaufsstellen, ist die angegriffene Regelung auch im engeren Sinne verhältnismäßig.
ee. Zwischenergebnis
Der Eingriff ist mithin verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
b. materielle Verfassungsmäßigkeit im Übrigen
Auch im Übrigen ist § 3a LadÖG materiell verfassungsgemäß. Insbesondere ein Verstoß gegen das Übermaßverbot ist vorliegend nicht ersichtlich.
IV. Ergebnis
Das gesetzliche Regelung des § 3a LadÖG, in der Zeit vom 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr morgens keine alkoholischen Getränke kaufen zu können, ist somit verfassungsgemäß. Die Auffassung des Beschwerdeführers trifft nicht zu. Er ist weder in einem speziellen noch in dem allgemeinen Freiheitsgrundrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
Übrigens: Im letzten Monat kam in Hessen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Ladenöffnungsschutzgesetz dran, worüber wir in einem Artikel auch berichtet hatten.

06.08.2010/0 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-08-06 09:27:122010-08-06 09:27:12BVerfG: Verfassungsbeschwerde gegen § 3a des Gesetzes über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg erfolglos

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