• Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > Art. 1 GG

Schlagwortarchiv für: Art. 1 GG

Jennifer Eggenkämper

VG Hannover: Die „Super Nanny“ verletzt die Menschenwürde

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Startseite, Verfassungsrecht

Das VG Hannover (Urteil vom 08.07.2014 – Az. 7 A 4679/12) hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellt, wenn Kinder vor laufender Kamera von ihrer Mutter misshandelt werden und diese Szenen anschließend mehrfach im TV ausgestrahlt werden. Der TV-Sender berief sich darauf, dass dies in erster Linie pädagogischen Zwecken und dem Kinderschutz diene. Weiterhin ging es um die Frage, ob eine positive verlaufene Vorab-Überprüfung durch die FSF einer nachträglichen Beanstandung durch staatliche Stellen entgegensteht.
Sachverhalt
2011 strahlte der Privatsender RTL eine Folge der Fernsehserie „Die Super Nanny“ aus, in der eine Mutter ihre drei Kinder im Alter von 3, 4 und 7 Jahren vor laufender Kamera mehrfach schlug, beschimpfte und bedrohte. Um die Mutter mit ihren Handlungen zu konfrontieren, wurden diese Szenen im Laufe der Sendung mehrfach wiederholt.
Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) konnte in der Vorabprüfung der Folge keinen Verstoß gegen die Menschenwürde nach den Bestimmungen des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (JMStV) feststellen und gab sie zur Ausstrahlung frei. Die aufgrund von Zuschauerbeschwerden eingeschaltete Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) sah dies anders: sie stellte einen Verstoß gegen die Menschenwürde fest und beanstandete die Sendung. Die zuständige Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) war derselben Auffassung. Sie führte in ihrem Beanstandungsbescheid aus, dass es sich um eine „reißerische Darstellung“ handele, die primär auf den „Voyeurismus“ der Zuschauer abziele. Die Kinder würden „zu kommerziellen Zwecken instrumentalisiert“, zur „Objekten der Zurschaustellung herabgewürdigt“ und in ihrem “sozialen Achtungsanspruch verletzt“. Außerdem wurde der Sender aufgefordert, die Ausstrahlung künftig zu unterlassen.
Gegen diesen Bescheid wandte sich RTL mit einer Klage vor dem VG Hannover. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Unterlassungsaufforderung in dem Beschluss der KJM nicht enthalten und diese daher rechtswidrig sei. Weiterhin habe sich die KJM nicht abweichend über die Entscheidung der FSF hinwegsetzen dürfen, da diese eine gesetzliche Sperrwirkung entfalte. Auch sei überhaupt kein Verstoß gegen die Menschenwürde gegeben, weil es in der Sendung primär um erziehungspädagogische Ziele und den Kinderschutz gehe.
Entscheidung des VG Hannover
Das VG Hannover hat die Klage abgewiesen. Die Richter sahen in der Ausstrahlung der Folge ebenfalls einen Verstoß gegen die Menschenwürde. Die NLM sei in ihrem Bescheid zu Recht von einem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 JMStV ausgegangen. Die Mutter habe mit ihrem Verhalten gegen das Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung sowie das Verbot körperlicher Strafen, seelischer Verletzungen und anderer entwürdigenden Maßnahmen gem. § 1631 Abs. 2 BGB verstoßen. Die gefilmten Gewalthandlungen seien mehrfach in der Folge dargestellt und auch im Vorspann gezeigt worden. Insgesamt seien so 22 Gewalthandlungen ausgestrahlt worden, wovon sich allein 14 gegen den vierjährigen Sohn richteten. Die wiederholte Gewaltdarstellung während der Sendung und die Zusammenstellung dieser Szenen im Vorspann, um Zuschauer anzulocken, verletze die Menschenwürde der Kinder. Auch sei zu beachten, dass 9 der Gewalthandlungen vom Aufnahmeleiter hingenommen wurden, ohne dass dieser dagegen einschritt. Dies müssten die Kinder als ein Gefühl des „Ausgeliefertseins“ empfunden haben. Erst die „Super Nanny“ sei nach ihrem Hinzutreten bei der insgesamt zehnten Gewalthandlung eingeschritten. Dies ergebe sich aus dem Sendungszusammenhang.
Nach § 11 Abs. 3 NMedienG (Niedersächsiches Mediengesetz) war die NLM auch berechtigt, aufgrund der Beanstandung der KLM zugleich die Aufforderung auszusprechen, den Verstoß in Zukunft zu unterlassen. Grund dafür sei, dass es sich hierbei um eine einheitliche Rechtsfolge des Verstoßes handele. Auch entfalte die Entscheidung der FSF keine Sperrwirkung, so dass eine hiervon abweichende nachträgliche Beanstandung von KJM und NLM zulässig war. Die Beurteilung der FSF entfalte nämlich bei verfassungskonformer Auslegung des § 20 Abs. 1 S. 3 JMStV jedenfalls dann keine Sperrwirkung, wenn ein Verstoß gegen die Menschenwürde als oberster Verfassungswert in Frage stehe.
Die Berufung zum OVG wurde zugelassen. Grund dafür ist, dass das VG Hannover der vorliegend zu beantwortenden Frage, ob bei dem Infragestehen eines Verstoßes gegen die Menschenwürde ein Einschreiten der KJM gem. § 20 Abs. 3 S.1 JMStV gesperrt sei, wenn der Rundfunkveranstalter die Vorgaben einer für ihn positiven FSF-Entscheidung beachtet, grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist ein Staatsvertrag zwischen den deutschen Bundesländern, welcher der Selbstkontrolle der Medien dient. Er bezweckt den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor entwicklungsgefährdenen und –beeinträchtigenden Angeboten in Rundfunk und Telemedien. Weiterer Zweck ist der Schutz -auch von Erwachsenen- vor solchen Angeboten, die die Menschenwürde oder sonstige strafrechtlich geschützten Güter verletzen.
Kontrolliert wird die Einhaltung der Vorgaben des JMStV durch die KJM, welche die zentrale Aufsichtsstelle der Länder für den Jugendschutz im privaten Fernsehen und im Internet ist, sowie durch die zuständige Landesmedienanstalt. Darüber hinaus überprüfen Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle -wie hier die FSF oder die Freiwillige Selbstkontrolle der Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM)- die Einhaltung dieser Bestimmungen.
Um den veränderten Anforderungen im Internet Rechnung zu tragen, soll der JMStV geändert werden. Eine 2010 geplante Novelle des JMStV im Rahmen des 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrages ist nach kontroverser Diskussion gescheitert. Bei der geplanten Änderung ging es im Kern um die Einführung einer freiwilligen Alterskennzeichnung von Netzinhalten durch die Anbieter, welche in Kombination mit am Computer zu installierenden Jugendschutzprogrammen ungeeignete Inhalte filtern und sperren sollten. Als Alternative dazu stand im Raum, dass jugendbeeinträchtigende Inhalte erst ab 22 Uhr abrufbar sein sollten. Derzeit wird an einem neuen Entwurf gearbeitet.
Fazit
Das TV-Format wurde bereits 2011 eingestellt, nachdem es vom Deutschen Kinderschutzbund lange Zeit kritisiert wurde. Auch die KJM hatte zuvor schon einmal eine Folge der „Super Nanny“ beanstandet.
RTL bedauert die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Falls Berufung einlegt wird, bleibt die Entscheidung des OVG abzuwarten. Dass dieses in dem geschilderten Sachverhalt keine Verletzung gegen die Menschenwürde sehen wird, ist wohl eher unwahrscheinlich. Interessant wird die Beantwortung der Frage sein, ob eine vor Ausstrahlung der Sendung positiv verlaufene Kontrolle durch die FSF (bei der es sich ja schließlich um eine private Einrichtung handelt) dazu führen kann, dass der Sender nach den Vorgaben des JMStV keinen Maßnahmen durch die KJM mehr ausgesetzt werden kann.

15.07.2014/0 Kommentare/von Jennifer Eggenkämper
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Jennifer Eggenkämper https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Jennifer Eggenkämper2014-07-15 10:00:552014-07-15 10:00:55VG Hannover: Die „Super Nanny“ verletzt die Menschenwürde
Dr. Christoph Werkmeister

OLG Düsseldorf: Recht am eigenen Bild bei Verfremdung

Deliktsrecht, Rechtsprechung

In einem kürzlich ergangenen Judikat des OLG Düsseldorf (Urteil vom 23.07.2013 – I-20 U 190/12)  ging es einmal mehr um eine Klärung von Rechtsfragen zur Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR). In diesem Fall ging es im Speziellen um die Ausprägung des APR in Form des Rechts am eigenen Bild. Da derartige Sachverhalte stets eine sehr hohe Examensrelevanz aufweisen, sei in diesem Kontext direkt auch auf weitere Konstellationen zur Durchsetzung des APR  hingewiesen, siehe dazu kürzlich im öffentlich-rechtlichen Bereich hier, aktuell in zivilrechtlicher Hinsicht hier und zu einem Präzedenzfall des BGH, dem sog. Herrenreiter-Fall, hier.
Sachverhalt
Im dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall hatte ein Händler im Internet Bilder zum Verkauf angeboten. Diese Bilder waren auf der entsprechenden Verkaufsseite für jedermann sichtbar. Die Bilder zeigten eine Fotografie des Golf-Profis Martin Kaymer, die allerdings durch eine Abänderung der Farbkombination verfremdet wurde, so dass sie nun im Pop Art-Stil gestaltet war. Eines der Bilder wurde für knapp 45 EUR verkauft.
Martin Kaymer wurde bezüglich der Veröffentlichung seines Bildnisses nicht um seine Erlaubnis gefragt und war mit einer derartigen Verbreitung nicht einverstanden. Aus diesem Grund klagte er auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der Bilder und forderte zusätzlich Schadensersatz. Der Maler berief sich im Verfahren auf seine Kunstfreiheit aus Art. 5 III S. 1 GG. Außerdem argumentierte er, seien seine Bilder doch gute Werbung für Martin Kaymer und würden zudem eine Art Tribut zu seinen Ehren darstellen.
Anspruch auf Unterlassung
Das OLG Düsseldorf erblickte in dem Verhalten des Malers einen Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild aus Art 2, Art. 1 GG. Aus diesem Grunde nahm es einen quasinegatorischen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. §§ 22, 23 Abs. 2 KUG zugunsten von Martin Kaymer an. In diesem Kontext galt es für das Gericht im Rahmen der Rechtswidrigkeit die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 KUG zu prüfen.
Gemäß §23 Abs. 1 Nr. 1 dürfen Bildnisse von Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne deren vorherige Zustimmung verbreitet werden. Zu differenzieren sind dabei „absolute Personen“ der Zeitgeschichte, darunter fallen Prominente, die aufgrund ihrer Bekanntheit immer wieder in der Öffentlichkeit stehen, und „relative Personen“ der Zeitgeschichte, die nur durch ein einmaliges Ereignis in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Bezüglich der Verbreitung der Bildnisse relativer Personen legte die Rechtsprechung einen strengeren Maßstab für die Veröffentlichung und Nutzung an. Kaymer erschien aufgrund seiner sportlichen Leistungen und seines Bekanntheitsgrades häufiger in Zeitungen und Zeitschriften und ist somit der ersten Gruppe zuzuordnen. Der BGH änderte seine gradlinige Rechtsprechung, nachdem ihm der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte widersprochen hatte. Auch Bildnisse absoluter Personen dürfen nicht mehr ohne Weiteres verwendet und kommerziell genutzt werden, die Zulässigkeit beurteilt sich nun danach, ob eine Frage des allgemeinen Interesses bedient würde. Auf den möglichen Werbeeffekt oder die Ehrerbietung für den Prominenten kommt es dabei nicht an.
Nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG ist die Verbreitung eines Bildnisses einer Person auch ohne dessen Einwilligung zulässig, sofern die Verbreitung des Werkes, das nicht auf Bestellung angefertigt wurde, einem höheren und überwiegenden Interesse der Kunst dient.
Das OLG führte hierzu indes aus, dass ein höheres und überwiegendes Interesse der Kunst im Falle einer Bildverfremdung im Pop Art-Stil im konkreten Fall nicht feststellbar sei. Die Bilder wiesen über rein handwerkliches Können hinaus keinen künstlerischen Gehalt auf. Auch komme den Bildern lediglich ein sehr geringer Informationswert für die Allgemeinheit zu, sie dienten vielmehr vorrangig kommerziellen Interessen. Es überwiege daher das Recht von Martin Maymer, selbst über die Verwendung von Bildnissen seiner Person zu kommerziellen Zwecken zu bestimmen. Dennoch
Sofern der Künstler noch mehr Energie in die Umbearbeitung und künstlerische Gestaltung des Bildes gesteckt hätte, wäre ein anderes Ergebnis denkbar gewesen. Erforderlich wäre ein eigener Entwicklungs- und Bearbeitungsprozess des Künstlers, durch den etwas Neues, über das reine Bildnis in anderen Farben Hinausgehendes, erschaffen worden wäre. Die bloße Verfremdung der Fotografie, die übrigens mittlerweile sogar einfach am Computer oder sogar Smartphone herzustellen möglich ist, reichte dem OLG nicht aus.
Anspruch auf Schadensersatz
Herrn Kaymer wurde vom OLG Düsseldorf zudem Schadensersatz zuerkannt. Ein derartiger Anspruch kann sich im Kontext von Verletzungen am Recht des eigenen Bildes aus verschiedenen Anspruchsgrundlagen ergeben.
Zum einen ist ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 22, 23 KUG denkbar. Ein derartiger Anspruch bestand im vorliegenden Fall, da das Gericht einen Verstoß gegen §§ 22, 23 KUG annahm. Verschulden i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB war ebenso gegeben, da der Künstler die Bilder anfertigte und vertrieb, ohne zuvor bei Herrn Kaymer nachzufragen.
Im Hinblick auf die Schadenshöhe ist bei einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild Folgendes zu beachten: Es besteht nämlich ein Wahlrecht zwischen der Herausgabe des durch die Verletzung erzielten Gewinns, der Geltendmachung des konkreten Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns und der Beanspruchung eines Schadensersatzes in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr. Die hier letztgenannte Option ist insbesondere im Hinblick auf Sachverhalte, die die Veröffentlichungen von Bildern von Prominenten betreffen, die übliche.
Die vorgenannte fiktive Lizenzgebühr kann im Übrigen auch im Rahmen eines Anspruchs nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB eingefordert werden. Vorteilhaft ist an dieser Anspruchsgrundlage, dass kein Verschuldenserfordernis besteht. Nachteilig ist, dass sich der Beklagte hier nach § 818 Abs. 3 BGB ggf. auf Entreicherung berufen kann.
Für alle Referendare sei an dieser Stelle noch gesagt, dass die Höhe der fiktiven Lizenzgebühr nicht durch Beweise dargelegt werden muss. Das Gericht kann im im Zivilprozess in derartigen Fällen nach § 287 ZPO selbst eine Schätzung vornehmen.
Schmerzensgeld
Sofern die Bildveröffentlichung zugleich noch eine ganz erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt, kann außerdem noch Schmerzensgeld gem. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22 und 23 Abs. 2 KUG i.V.m. Art. 1 und 2 Abs. 1 GG (nach anderer Auffassung direkt aus Art. 1 Abs. 1 GG) erwogen werden. Ein derartiger Anspruch ist allerdings nur bei ganz besonders schweren Eingriffen denkbar. Beim Recht am eigenen Bild könnte eine derartige Schwere etwa beim Veröffentlichen von Fotos beim Geschlechtsverkehr oder durch grob ehrverletzende Bilder angenommen werden. Für den vorliegenden Fall, bei dem Kaymer nicht in entwürdigender oder lächerlich machender Pose dargestellt wurde, kam dieser Anspruch also nicht in Betracht.

31.07.2013/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-07-31 09:00:002013-07-31 09:00:00OLG Düsseldorf: Recht am eigenen Bild bei Verfremdung
Dr. Christoph Werkmeister

VGH München: Paintball und die Menschenwürde

Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsprechung

Der VGH München hat mit Urteil vom 30.01.2013  (Az. 15 BV 09.2719) entschieden, dass das Paintball-Spiel grundsätzlich nicht gegen die Menschenwürde verstößt (laut Wikipedia ist Paintball ein Mannschaftssport, bei dem Gegenspieler mit Hilfe von Druckluft- oder Gasdruckmarkierern und Farbgeschossen markiert werden, s. dazu hier). Wir berichteten bereits im Februar 2010 über eine ähnlich lautende Entscheidung des OVG Lüneburg (Urteil vom 18.02.2010 – 1 LC 244/07; siehe dazu hier).

Der Verwaltungsgerichtshof kommt in einer umfassenden Bewertung zu dem Ergebnis, dass Paintball nicht gegen die Menschenwürde verstößt. Insbesondere komme eine entwürdigende Behandlung der (gegnerischen) Mitspieler beim Paintball-Spiel nicht zum Ausdruck, weil sich die Spieler beim Wettkampf chancengleich gegenüberstünden und der Gegenspieler nicht gleichsam zur bloßen Zielscheibe herabgewürdigt werde. Auch entscheide jeder Spieler freiwillig, ob er teilnehme. Ob das Paintball-Spiel als moralisch verwerflich eingestuft werden könne, sei ohne Relevanz, da dies eine Verletzung des Grundrechts auf Menschenwürde nicht begründen könne.

Schutzbereich der Menschenwürde
Die Entscheidung gibt also Grund genug, sich noch einmal mit Art. 1 Abs. 1 GG und der dazugehörigen Prüfungssystematik auseinanderzusetzen. Für die Klausur und mündliche Prüfung ist es insbesondere wichtig, wie es argumentativ angehen kann, dass kriegsähnliche Unterhaltungsspiele überhaupt in den Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG fallen können. Exemplarisch lassen sich zu diesem Gesichtspunkt ausgewählte Passagen des vorgenannten Urteils aus dem Jahr 2010 heranführen:

Mit der Menschenwürde ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Menschenwürde in diesem Sinne ist nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde des Menschen als Gattungswesen. Jeder besitzt sie, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status. Sie ist auch dem eigen, der aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht sinnhaft handeln kann. Selbst durch „unwürdiges“ Verhalten geht sie nicht verloren. Sie kann keinem Menschen genommen werden. Verletzbar ist aber der Achtungsanspruch, der sich aus ihr ergibt.
Darin erschöpft sich jedoch der erkennbare Sinn der Vorschrift nicht. Vielmehr ergibt sich aus deren Wortlaut und systematischem Zusammenhang, daß sie vor allem auch Fälle erfassen soll, in denen die Schilderung des Grausamen und Unmenschlichen eines Vorgangs darauf angelegt ist, beim Betrachter eine Einstellung zu erzeugen oder zu verstärken, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugnet, der jedem Menschen zukommt. Das geschieht insbesondere dann, wenn grausame oder sonstwie unmenschliche Vorgänge gezeigt werden, um beim Betrachter ein sadistisches Vergnügen an dem Geschehen zu vermitteln, oder um Personen oder Gruppen als menschenunwert erscheinen zu lassen. Eine solche Tendenz schließt die Vorstellung von der Verfügbarkeit des Menschen als bloßes Objekt ein, mit dem nach Belieben verfahren werden kann. Deshalb kann auch eine menschenverachtende Darstellung rein fiktiver Vorgänge das Gebot zur Achtung der Würde des Menschen verletzen. Sie ist zudem geeignet, einer allgemeinen Verrohung Vorschub zu leisten, den Respekt vor der Würde des Mitmenschen beim Betrachter zu mindern und so auch die Gefahr konkreter Verletzungen dieses Rechtsguts zu erhöhen. Daß auch solche Darstellungen unter den Tatbestand fallen sollen, wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. So wird im Bericht des federführenden Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit das „genüßliche“ Verharren bei einem unmenschlichen Vorgang als Beispiel für den Anwendungsbereich der Norm angeführt (BTDrucks. 10/2546, S. 21 f.).

Subsumtion im Einzelfall
Konkret zum hiesigen Fall des Paintball- Spiels subsumierte das OVG Lüneburg damals folgendermaßen:

Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich kein Grundsatz dahin, dass der Staat die Würde des Menschen als Gattungswesen auch unterhalb der Schwelle des § 131 StGB schützen muss. Im Gegenteil mehren sich die Warnungen, dass bei der Annahme einer Menschenwürdeberührung Zurückhaltung zu üben ist […].

Das OVG erläutert insbesondere, was es mit der leeren Phrase „die Menschenwürde sei keiner Abwägung zugänglich“ auf sich hat:

Unergiebig ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis etwa von Kramer (NVwZ 2004, 1083), die Menschenwürde sei keiner Abwägung zugänglich (vgl. dazu grundsätzlich Hömig, EuGRZ 2007, 633, 640; Hofmann, NVwZ 2010, 217). Damit würde als feststehend davon ausgegangen, dass eine Menschenwürdemissachtung überhaupt vorliegt. Das kann jedoch erst das Ergebnis einer Gesamtbetrachtung sein, die auch die thematisch berührten Freiheitsrechte der Bürger einbezieht. Diese Freiheitsrechte konturieren nicht nur mit, wo die schwer bestimmbare Grenze der Menschenwürdeverletzung liegt (vgl. Maunz-Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 24; ferner VGH München, Beschl. v. 21.2.2003 – 4 CS 03.462 -, NJW 2003, 1618 – Körperwelten), sondern stellen ihrerseits – namentlich Art. 5 GG – Anforderungen an die Bewertung der inkriminierten Tätigkeit. Dieser darf mit anderen Worten nichts „unterschoben“ werden, sondern ihr Bedeutungsgehalt ist mit besonderer Sorgfalt auszuloten (vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 u.a., BVerfGE 93, 266 = NJW 1995, 3303).
Jedenfalls wird allgemein zu gelten haben, dass eine Einschränkung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG) um so begründungsbedürftiger ist, je abstrakter die geltend gemachte Menschenwürdeverletzung ist. Zwar ist das genannte Recht durch die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz begrenzt; das bietet aber keine Handhabe für moralische und geschmackliche Gängelung.
Soweit […] einer Teilnahme am Paintball-/Reballspiel nachteilige Wirkungen auf die charakterliche Entwicklung zugeschrieben wird, fehlt es an einer tragfähigen und gesicherten empirischen Grundlage. Die sogenannte Wirkungsforschung bemüht sich zwar bereits seit Jahrzehnten um belastbare Ergebnisse. Diese liegen jedoch noch nicht vor.
Die gesetzgebenden Organe haben auch kein anderes Material präsentiert, das schlüssig in eine bestimmte Richtung weist. Generell scheint zwar vermutet zu werden, dass – bei hohem Einfluss kultureller Faktoren – ein übermäßiger Konsum von Gewalt im Fernsehen, im Kino, im Internet und bei Spielen (insbesondere Computerspielen) dann zu Verhaltensstörungen führen oder diese verstärken kann, wenn der Betreffende nicht über eine hinreichende soziale Einbettung verfügt. Quantifiziert wird dieser Effekt allerdings kaum. Je länger der Zeitraum andauert, in dem die Behörden keine Belege für die genannten nachteiligen Wirkungen vorlegen können, um so weniger können sie sich angesichts der berührten Freiheitsrechte auf die bislang nur vermuteten Effekte berufen.

Das OVG räumt überdies im Hinblick mit oft geäußerten Vorurteilen auf und erforscht vortrefflich die Grundzüge des menschlichen Verhaltens:

Das Spielgeschehen übt keineswegs die Situation eines Amoklaufs ein. Die Gegner sind gerade nicht arg- und wehrlos, sondern – jedenfalls im Durchschnitt – „gleich stark“. Schon aus praktischen Gründen spricht eine Vermutung dafür, dass sich die Spieler gegenseitig im Ansatz fair behandeln, weil sie andernfalls dem Spielbetrieb sehr schnell den Boden entziehen würden. Das erbarmungslose „Niedermetzeln“ hoffnungslos unterlegener Opfer wäre dagegen kein erfolgversprechendes Spielkonzept, weil sich niemand finden würde, der die Rolle des Opfers übernimmt. „Spielerische Gewalt“ und fair play müssen sich nicht gegenseitig ausschließen. Die in der mündlichen Verhandlung betrachteten Videoclips zeigen deutlich, dass getroffene Mitspieler von sich aus anzeigen, dass sie getroffen sind; dass „gefoult“ wird wie etwa beim Fußball, ist nicht bekannt geworden. Erkennbar ist auch, dass es sich um ein Mannschaftsspiel handelt, bei welchem der einzelne Mitspieler keinen ungezügelten Aggressionstrieb auslebt, sondern spielstrategisch und -taktisch für seine Mannschaft eintritt; „soziales“ Verhalten ist also sogar gewinnentscheidend.
Der Senat sieht auch keinen letztlich entscheidenden Unterschied zwischen der hier in Rede stehenden Variante von Paintball/Reball und herkömmlichen sozial anerkannten Sportarten. Wie verschiedentlich hervorgehoben worden ist, gibt es reiches Anschauungsmaterial an Spielen, bei denen es um die „Ausschaltung“ von Gegnern geht (vgl. auch die Anmerkungen von Bosbach, http://wolfgang-bosbach.de/news/sit-no-labitur-maiorum-nominati). Bestätigt wird dadurch offenbar, dass die Lust am Wettkampf zu den Grundelementen des menschlichen Wesens gehört, was möglicherweise entwicklungsgeschichtlich bedingt ist.
Gemessen am Realitätsgrad mancher Computerspiele, deren Schauplatz historische oder fiktionale Kriegshandlungen sind, wirkt Paintball/Reball geradezu harmlos. Dass die Teilnehmer, die – wie andere Mitbürger auch – wesentlich plastischeren Gewaltdarstellungen in Fernsehen, Kino und Internet ausgesetzt sind, gerade durch dieses Spiel zu einer Einstellung gelangen sollen, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugnet, der jedem Menschen zukommt, ist schwer nachvollziehbar. Eher ist anzunehmen, dass die Teilnehmer das Spiel ebenso als Gemeinschaftserlebnis empfinden wie andere Mannschaftsspiele auch und dass soziale Kontakte dadurch eher geknüpft und bestärkt werden als dass moralischer Verfall eintritt. Es wäre lebensfremd, anzunehmen, dass der Gegner, mit dem man nach dem Spiel bei einem Bier zusammensitzt, mit Hass und Verachtung verfolgt wird, oder dass diese Einstellung unbeteiligten Dritten gegenüber eintritt. Soweit bei anderen Spielen wie dem Fußball gelegentlich Gewaltexzesse auftreten, steht dies in gänzlich anderem Zusammenhang und betrifft vor allem nicht die an den Spielen Beteiligten.

Anders argumentierte in einem ähnlichen Fall allerdings das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 24.10.2001 – Az.: 6 C 3/01 (Verbot eines Laserspiels). Der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Fall bestand soweit ersichtlich allerdings darin,  dass es im Rahmen des „Laserspiels“ primär darauf ankam, seine Gegner mit maschinenpistolenähnlichen Laserzielgeräten zu treffen, um dadurch Punkte zu erlangen, die mittels am Brust- und Rückenbereich befestigter Infrarotsensoren registriert wurden. Im Mittelpunkt des Spiels stand also nach Lesart des BVerwG das „spielerische Töten von Menschen“, wohingegen es bei dem hier in Rede stehenden Paintballspiel primär darauf ankommt, gegnerische Fähnchen zu erobern. Dennoch erntete das BVerwG seinerzeit zu Recht erhebliche Kritik aus dem Schrifttum. Der Autonomieanspruch des Einzelnen sei als Ausfluss der individuellen Entscheidungsfreiheit des Einzelnen bereits Kernbestandteil der Menschenwürde, sodass es mit der Schutzwirkung von Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar sei, wenn der Staat dem Bürger seine Moral- und Sittlichkeitsvorstellungen einseitig auferlegt. Die Menschenwürde dürfe also nicht zur Durchsetzung partikularer Moralvorstellungen instrumentalisiert werden. Ausgangspunkt für die Auslegung des Würdebegriffs müsse daher stets das Selbstverständnis des Grundrechtsträgers sein.
Fazit
Wer mit einer Menschenwürdediskussion im Rahmen einer Klausur konfrontiert wird, darf sich auf das Verfassen eines Besinnungsaufsatzes freuen. Wichtig ist in systematischer Hinsicht lediglich, dass sich der Eingriff in die Menschenwürde nicht positiv definieren lässt. Vielmehr hat eine negative Abgrenzung zu erfolgen. Ein Eingriff in die Menschenwürde ist indes nicht zu rechtfertigen. Das bedeutet also, dass das Bejahen eines Eingriffs gleichsam eine Verletzung des Grundrechts zur Folge hat. Aus diesem Grunde muss eine erschöpfende Diskussion, wie sie oben etwa vom OVG Lüneburg vorgenommen wurde, bereits auf Ebene des Schutzbereichs/Eingriffs stattfinden. Eine Rechtfertigungsebene mit einer klassichen Abwägung im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gibt es bei Art. 1 Abs. 1 GG insofern nicht.

03.02.2013/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-02-03 09:59:552013-02-03 09:59:55VGH München: Paintball und die Menschenwürde
Christian Muders

LG Tübingen: Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Wikipedia-Artikel

Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht, ZPO

Anm. zu LG Tübingen, Urteil v. 18.06.2012 – 7 O 525/10
1. Um was geht es?
Geklagt hatte ein außerplanmäßiger Professor an der Universität Tübingen gegen die Wikimedia-Foundation Inc., eine Stiftung nach dem Recht des amerikanischen Bundesstaates Florida, die in San Francisco ansässig ist. Anlass war ein Beitrag auf der deutschen Internetseite der Beklagten, in welchem sowohl über den Kläger selbst als auch über dessen berufliches Wirken berichtet wird. Insbesondere wird dort auf seinen Lebenslauf, seine Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen und seine Schriften Bezug genommen. Einer Veröffentlichung dieses Beitrages hatte der Kläger im Vorfeld nicht zugestimmt und forderte mit Schreiben vom 25.10.2010 die Beklagte auf, den Beitrag zu entfernen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Hierauf reagierte die Beklagte nicht. Da der Kläger der Auffassung war, er werde durch den Eintrag in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, erhob er vor dem LG Tübingen Klage mit dem Antrag, es zu unterlassen, auf der Internetseite über seine persönlichen Daten zu berichten.
2. Was sagt das Gericht?
Das Gericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
a) Zulässigkeit
Dabei ist es zunächst auf seine internationale Zuständigkeit eingegangen und hat diese unter Hinweis auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bejaht:

Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Begehungsort ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort, wobei neben Ansprüchen auf Schadensersatz auch Unterlassungsansprüche erfasst werden. Zur Entscheidung über Klagen wegen der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen sind die deutschen Gerichte nach § 32 ZPO dann international zuständig, wenn die beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland aufweisen und eine Kollision der widerstreitenden Interessen im Inland tatsächlich schon eingetreten sein kann oder noch eintreten kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Kenntnisnahme der Veröffentlichung im Inland im Gegensatz zur bloßen Abrufbarkeit der Veröffentlichung näher liegt und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch eine Kenntnisnahme auch im Inland eintreten kann. Aufgrund des Wirkens des Klägers im Inland liegt eine Kenntnisnahme des Eintrages im Inland deutlich näher als eine solche im Ausland. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Internetseite vor allem in Hinblick auf seine Stellung als außerplanmäßiger Universitätsprofessor und seine anstehenden Bewerbungen im Inland abgerufen wird.

b) Begründetheit
Im Folgenden hat das LG Tübingen allerdings einen materiellen Anspruch auf Unterlassung bzw. Beseitigung des Wikipedia-Artikels abgelehnt und insoweit dem Vortrag des Klägers bereits die Schlüssigkeit abgesprochen.
aa) Hierbei bejaht das Gericht zunächst die Anwendbarkeit des deutschen Rechts und verweist dazu auf die Regelungen des EGBGB:

Auf die geltend gemachte Rechtsverletzung ist deutsches Recht anwendbar. Das anwendbare Recht ergibt sich aus den Art. 40 ff. EGBGB, denn außervertragliche Schuldverhältnisse sind nach Art. 1 Abs. 2 lit. g der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM II-VO) vom Anwendungsbereich der ROM II-VO ausgenommen. Art. 40 EGBGB unterfällt dabei auch der Persönlichkeitsschutz einschließlich der sich daraus herleitenden Unterlassungsansprüche. Der Kläger übte jedenfalls sein Bestimmungsrecht aus Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB in der Klageschrift aus. Er berief sich in dieser ausdrücklich auf deutsche Normen. Zudem trug er vor, dass er im Inland außerordentlicher Professor ist, sich neu bewerben will und die Internetseite mit dem betreffenden Eintrag in Deutschland abrufbar ist, die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts also im Inland eintritt.

bb) Eine mögliche Anspruchsgrundlage für den Kläger erblickt das Gericht sodann in dem sog. „quasinegatorischen“ Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch analog § 1004 i.V.m. § 823 BGB. Von der erstgenannten Norm werden ihrem Wortlaut nach zwar nur Beeinträchtigungen des Eigentumsrechts (abzüglich des Entzugs, für welchen § 985 BGB gilt) erfasst, nach wohl allgemeiner Ansicht sind indes auch sonstige absolute Rechte in entsprechender Anwendung der Vorschrift vor Verletzungen geschützt. Denn es erscheint widersinnig, bei erfolgtem Eingriff zwar einen grundsätzlichen Anspruch des Geschädigten auf Naturalrestitution zu bejahen, ihm aber das Recht zu verwehren, bereits (zuvor) den drohenden Eingriff selbst abwehren zu können. Hierbei nimmt das Gericht zunächst das Vorliegen eines Eingriffs in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes absolutes Recht des Klägers an und zwar in Gestalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, welches durch die Veröffentlichung personenbezogener Daten tangiert werde:

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist, sichert dem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. Palandt/Sprau, 71. Auflage 2012, § 823, Rn.112). Hieran anknüpfend ist vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Dieses verleiht dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Hierunter fällt auch das Recht des Klägers grundsätzlich selbst darüber zu bestimmen, ob und welche Informationen über seine Person auf der streitigen Internetseite der Beklagten veröffentlicht werden. (…) Infolge des Bereithaltens der beanstandeten Inhalte zum Abruf im Internet liegt auch ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte vor. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass er über den Eintrag auf der Seite http://de.wikipedia.org und darüber, ob dessen persönliche Daten wie Beruf, Lebenslauf und Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen, veröffentlicht werden, nicht selbst entschieden hat. Vielmehr stellte die Beklagte den Eintrag ohne sein Mitwirken ein und dieser ist grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich.

cc) Im Folgenden verneint die Kammer allerdings eine Rechtswidrigkeit dieses Eingriffs. Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich – was etwa auch für das Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs gilt – um ein sog. Rahmenrecht, welches erst durch die Rechtsanwendung im Einzelfall konturiert werden kann. Wichtigste Konsequenz hieraus ist, dass bei einem tatbestandsmäßigen Verhalten, also einem bejahten Eingriff in das geschützte Rechtsgut, die Rechtswidrigkeit nicht indiziert wird, so dass bei einem Fehlen besonderer Rechtfertigungsgründe stets von einem grundsätzlich schadensersatzpflichtigen Unrecht auszugehen wäre. Vielmehr ist die Rechtswidrigkeit bei solchen Rahmenrechten immer positiv zu begründen, indem eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Parteien erfolgt. Hier ist auf Seiten des Beeinträchtigenden insbesondere die Intensität des festgestellten Eingriffs zu berücksichtigen, auf Seiten des Eingreifenden ist zu fragen, ob dieser rechtlich besonders geschützte Interessen geltend machen kann. Bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kommen insoweit v.a. die grundgesetzlich verbürgte Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit in Betracht.
(1) Das LG Tübingen prüft im Folgenden daher zunächst die Folgen der Veröffentlichung für den Kläger, denen es aber einen nur geringen Beeinträchtigungsgrad zuspricht:

Weder entfaltet der abrufbereite Eintrag über den Kläger eine erhebliche Breitenwirkung, noch ist er Anknüpfungspunkt, um den Kläger sozial auszugrenzen oder zu isolieren. Dies gilt sowohl bezüglich seiner persönlichen Daten wie Beruf oder Lebenslauf als auch hinsichtlich der Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen. Der Inhalt des Eintrages besteht zwar aus persönlichen Inhalten, es werden jedoch lediglich bestimmte zutreffende Stationen oder Vorgänge im Leben des Klägers beschrieben. Die Inhalte sind ferner zwar abrufbereit im Internet verfügbar, allerdings werden diese nur dann zur Kenntnis genommen, wenn sich ein Nutzer aktiv informieren möchte. Anders als beispielsweise bei einer Zeitungsveröffentlichung ist hier nicht von einer breiten Ausstrahlungswirkung des Beitrages auszugehen, mit welchem potentiell die gesamte Bevölkerung informiert werden soll, sondern hier beschränkt sich die Kenntnisnahme auf Personen, welche den Kläger kennen und sich über ihn informieren möchten. Zudem bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Kläger durch den Beitrag sozial ausgegrenzt oder isoliert zu werden droht.

(2) Auf der anderen Seite sieht das LG die Veröffentlichung der Wikimedia Foundation auf der deutschsprachigen Internetseite sowohl vom Schutzbereich der grundgesetzlichen Informations- als auch der Pressefreiheit erfasst:

Auf Seiten der Beklagten ist ferner zu berücksichtigen, dass es sich bei Wikipedia um eine weltweite freie Online-Enzyklopädie handelt (…). Insofern besteht ein erhebliches öffentliches Interesse nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG, 10 Abs. 1 S. 1 EMRK an den von der Beklagten bereitgehaltenen Einträgen, um sich umfassend informieren zu können. (…) Weiterhin kann die Beklagte die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG für sich in Anspruch nehmen. Diese schützt grundsätzlich die Verbreitung von Informationen, wobei unter anderem auch das Recht eingeräumt wird, wahre Tatsachen zu publizieren. Mit dieser Gewährleistung korrespondiert insbesondere das Interesse der Öffentlichkeit an einer ausreichenden Versorgung mit Informationen. Zudem kommt diesen beiden Rechten schon aufgrund ihres Charakters als demokratische Grundrechte ein hoher Stellenwert zu, sodass gewichtige Gründe erforderlich sind, welche ein Überwiegen eines kollidierenden Rechtsgutes rechtfertigen.

(3) Schlussendlich betont das Gericht nochmals die geringe Intensität des Eingriffs beim Kläger:

Jedenfalls aber muss beachtet werden, dass es sich bei den Einträgen jeweils um wahre Tatsachen handelt und der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nur als sehr gering zu qualifizieren ist. Er ist lediglich der Sozialsphäre zuzuordnen, denn hier ist nur der Bereich des menschlichen Lebens betroffen, in dem sich der Betroffenen als Teil einer sozialen Gesellschaft zeigt und wahrgenommen wird. Äußerungen, welche diese Sphäre betreffen, sind jedoch grundsätzlich hinzunehmen, denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist. Zu den hinzunehmenden Folgen gehören auch solche Beeinträchtigungen des Einzelnen, die sich aus nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung der wahren Tatsachen ergeben (BVerfG, NJW 2011, 47; BVerfG NJW 1998, 2889).

dd) Im Anschluss an diese Prüfung setzt sich das Gericht noch ausführlich mit der Frage auseinander, ob die Beklagte hypothetisch überhaupt als „Störer“ im Hinblick darauf in Betracht kommt, dass nicht sie selbst, sondern die Nutzer der Plattform die Artikel im Internet einstellen und verändern. Angesprochen ist damit die Frage der Passivlegitimation, auch wenn diese bei Verneinung eines rechtswidrigen Eingriffs eigentlich dahinstehen kann. Die Kammer geht dabei ausführlich auf die spezielle Norm des § 10 TMG ein, wonach eine Verantwortlichkeit von Dienstanbietern i.S.d. § 2 TMG solange nicht besteht, wie sie keine Kenntnis von einer Rechtsverletzung haben bzw. – nur bei SE-Ansprüchen – ihnen keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung offensichtlich wird. Jedenfalls mit der erfolglosen Aufforderung des Klägers an die Wikimedia Foundation vom 25.10.2010, den Beitrag zu entfernen, dürfte allerdings die geforderte Kenntnis bei der Beklagten vorliegen.
3. Warum ist die Entscheidung interessant?
a) Die Entscheidung betrifft allgemeine Fragen des quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs und ist insofern für Klausur oder mündliche Prüfung durchaus geeignet. Der Reiz liegt dabei nicht zuletzt auch in der Gelegenheit, übergreifende rechtliche Zusammenhänge, namentlich den Einfluss der Grundrechte als „objektive Werteordnung“, bei der Beurteilung zivilrechtlicher Fragen abprüfen zu können. Hinzu kommt die Beschäftigung mit speziellen Fragen des Internetrechts, namentlich die Anwendung der Norm des § 10 TMG.
b) Im Hinblick auf den Inhalt der Entscheidung ist zunächst auf einen Widerspruch des LG Tübingen zwischen Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung hinzuweisen: Nimmt das Gericht nämlich an, dass es bereits an einem schlüssigen Vortrag des Anspruchs fehlt, ist streng genommen auch die Zuständigkeit des Spruchkörpers nach § 32 ZPO zu verneinen: Denn nach dieser Vorschrift ist ein Gericht nur dann zuständig, wenn an dessen Ort eine „unerlaubte Handlung“ begangen wurde. Das tatsächliche Vorliegen einer solchen Handlung ist damit streng genommen bereits für die Frage der Zuständigkeit entscheidend, nicht nur für die Frage der Begründetheit des Anspruchs, so dass es sich sozusagen um ein „doppelfunktionales Merkmal“ handelt. Bei solchen Merkmalen wird im Rahmen der Zulässigkeit gemeinhin aber wenigstens gefordert, dass der Kläger die Tatsachen, welche das Vorliegen einer unerlaubten Handlung begründen sollen, schlüssig darlegt, während erst die Frage des tatsächlichen Vorliegens (bei Bestreiten des Gegners) ein Problem der Sachentscheidung, also der Begründetheit ist (vgl. Musielak-Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 32 Rn. 19; MüKo/ZPO-Patzina, 4. Aufl. 2013, § 32 Rn. 39, jew. m.w.N.). Da das Gericht vorliegend bereits eine schlüssige Darlegung der anspruchsbegründenden Tatsachen verneint, wäre insofern tatsächlich durch Prozessurteil zu entscheiden gewesen, d.h. die Kammer hätte die Klage mangels eigener Zuständigkeit (schon) als unzulässig abweisen müssen.
c) Daneben erscheint auch die Ansicht des Gerichts zweifelhaft, wonach im Rahmen der Abwägung des Eingriffs u.a. das Grundrecht der Pressefreiheit zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen sein soll. Denn die Wikimedia Foundation ist als Stiftung eine juristische Person, die aber nur nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 3 GG Grundrechtsträger sein kann. Die vorgenannte Norm begrenzt die Grundrechtsfähigkeit indes ausdrücklich auf inländische juristische Personen, d.h. solche, die ihren tatsächlichen Sitz im Inland haben, was im Hinblick auf das Diskriminerungsverbot nach Art. 18 AEUV allenfalls bezüglich Vereinigungen im EU-Ausland durchbrochen wird, zu denen eine Körperschaft mit Sitz in Amerika aber jedenfalls nicht zählt. Demgemäß bleibt von der Grundrechtsargumentation des LG Tübingen eigentlich nur die von diesem ebenfalls in Bezug genommene Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG übrig, welche das Gericht nicht auf die Beklagte selbst, sondern (allgemein) Dritte bezieht, die sich über deren Plattform informieren wollen. Ebenfalls in Erwägung zu ziehen ist zudem ein Schutz nach Art. 10 EMRK, der die Meinungsfreiheit grundsätzlich auf alle Personen, auch juristische Vereinigungen, erstreckt, die von der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaates betroffen werden (vgl. dazu Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 1 Rn. 16) – auf die Frage, ob es sich hierbei um eine in- oder ausländische juristische Person handelt, kommt es also grundsätzlich nicht an.
d) Zu denken ist schließlich daran, den Schutz der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht auf die Beklagte selbst, sondern die beteiligten Nutzer zu projizieren  welche die Artikel bei Wikipedia hochladen und gestalten: Ist nämlich bereits deren Verhalten unter dem Grundrecht der Pressefreiheit zulässig, kann die Beklagte kaum eine „mittelbare“ Verhinderungspflicht dergestalt treffen, demselben Einhalt zu gebieten. Allerdings wird auch die Eigenschaft des einzelnen „Wikipedianers“ als presseberechtigter Grundrechtsträger mit dem Argument in Frage gestellt, dass bei Wikipedia keine einzelnen Autoren für einen Beitrag verantwortlich seien, sondern die Artikel Produkt eines „Schwarms“ seien, der weder durch die Vor- noch Nachkontrolle einer zentralen Redaktion begleitet werde (so Ziegelmayer, LTO v. 13.12.2012). Diese Annahme ist indes nicht unangreifbar, denn die Organisation von Wikipedia ist durchaus in grobe personelle Hierarchien – namentlich durch sog. Administratoren – gegliedert, welche über die Vorgänge auf der Plattform wachen, und der Begriff des „Schwarms“ ist selbstverständlich nur ein Bild für den Schaffensprozess, das aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass durchweg grundrechtsberechtigte Personen aus Fleisch und Blut die einzelnen Artikel gestalten und verändern. Nimmt man dennoch an, dass aufgrund der vorgebrachten Argumente das Grundrecht der Pressefreiheit insgesamt zu versagen ist, bleibt jedenfalls die allgemeine Meinungsfreiheit zugunsten der einzelnen Nutzer übrig, deren Schutzbereich unabhängig von organisatorischen Vorkehrungen im vorgenannten Sinne besteht (so auch Ziegelmayer, a.a.O.).

22.12.2012/0 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-12-22 12:00:082012-12-22 12:00:08LG Tübingen: Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Wikipedia-Artikel
Dr. Christoph Werkmeister

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG am Beispiel einer Schülermonatsfahrkarte

Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
Das BVerfG hat im Februar 2010 entschieden:

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das sich aus dem Sozialstaatsprinzip ableitet, ist aufgrund dieser weiten Formel des BVerfG eine interessante Möglichkeit, eine Vielzahl an Sachverhalten abzuprüfen.
Anspruch auf eine Schülermonatskarte aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG
Eine examenstypische Entscheidung traf z.B. das Sozialgericht Detmold. Es ging konkret um die Übernahme von Kosten für Schülermonatskarten für den täglichen Schulweg. Die Kläger empfangen Leistungen nach dem SGB II und wohnen ca. 4,8 km von ihrer Schule entfernt. Nach der SchfkVO NRW werden solche Fahrtkosten erst ab einer Entfernung von 5 km in der Oberstufe erstattet. Von den Schülern wird also verlangt, täglich und bei jedem Wetter, eine Entfernung von fast 10 km mit dem Rad oder zu Fuß zurückzulegen.
Das Sozialgericht entschied , dass ein Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten gemäß Art. 1 GG i.V.m. Art. 20 GG bestehe. Das Gericht sieht hier eine neue Anspruchsgrundlage für atypische laufende Sonderbedarfe. Aus Art. 12 GG folge ein Teilhabeanspruch auf den gleichberechtigten Zugang zu Bildungseinrichtungen. Dieser Anspruch verkomme jedoch zu einer leeren Hülse, wenn hierfür nicht auch die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt würden. Ein Fußweg von fast 10 km sei nach dem Sozialgericht dazu geeignet, sich negativ auf den schulischen Erfolg auszuwirken, so dass durch die Gewährung der Schülermonatskarten die Teilnahmechancen am Bildungserfolg deutlich gefördert werden, wodurch die Teilnahme am kulturellen und politischen Leben verbessert wird.
Restriktive Annahme von atypischen Leistungsrechten
Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG gibt somit die Möglichkeit, auch über die gesetzlich normierten Leistungsrechte hinaus, Sonderbedürfnisse geltend zu machen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass für das Vorliegen eines solchen Anspruchs enge Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen und jeweils im Einzelfall entschieden werden muss.

13.07.2010/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2010-07-13 14:14:512010-07-13 14:14:51Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG am Beispiel einer Schülermonatsfahrkarte
Dr. Christoph Werkmeister

Paintball verstößt nicht gegen die Menschenwürde

Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

Der Beck-Ticker berichtet, dass Paintball nicht gegen die Menschenwürde verstößt. Das OVG Lüneburg stellte fest, dass die Spieler sich nicht wechselseitig zum bloßen „Objekt“ machen. Es bestätigt damit die Rechtsansicht der Vorinstanzen.
Meines Erachtens eine interessante Feststellung angesichts der Laserdrome-Entscheidung des BVerwG:

Unterhaltungsspiele können aber auch dadurch gegen die verfassungsrechtliche Garantie der Menschenwürde verstoßen, dass beim Spielteilnehmer eine Einstellung erzeugt oder verstärkt wird, die denfundamentalen Wert-und Achtungsanspruch leugnet, der jedem Menschen zukommt. Das geschieht insbesondere dann, wenn Gewaltakte gegen Menschen in der Absicht dargestellt werden, den Beteiligten ein sadistisches Vergnügen an dem Geschehen zu vermitteln. Denn eine solche Tendenz schließt die Vorstellung von der Verfügbarkeit des Menschen als bloßes Objekt ein, in dessen Leben und körperliche Integrität nach Belieben eingegriffen werden kann. (BVerwGE 115, 189 Laserdrome).

Wichtig ist bei Art. 1 Abs. 1 GG, dass ein Eingriff in die Menschenwürde nicht zu rechtfertigen ist. Insofern ist bei der Definition des Schutzbereichs restriktiv vorzugehen, so dass die Abwägung bereits auf dieser Ebene stattfindet.
Sofern man sich mit der Frage der Vereinbarkeit von Paintball-Veranstaltungen und Art. 1 Abs. 1 GG im Rahmen einer Klausur beschäftigt, sollte auf jeden Fall ähnlich wie beim Laser-Tag-Spiel argumentiert werden. Ob man sich im Ergebnis für oder wider die Verfassungswidrigkeit entscheidet, ist bei entsprechender Argumentation hingegen unerheblich.

20.02.2010/7 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2010-02-20 00:13:342010-02-20 00:13:34Paintball verstößt nicht gegen die Menschenwürde
Dr. Stephan Pötters

Die wichtigsten Leitentscheidungen des BVerfG – Schwangerschaftsabbruch I (BVerfGE 39, 19)

BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker, Öffentliches Recht, Schon gelesen?

Leitsätze:
1. Das sich im Mutterleib entwickelnde Leben steht als selbständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 1 Abs. 1 GG). Die Schutzpflicht des Staates verbietet nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe in das sich entwickelnde Leben, sondern gebietet dem Staat auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen.
2. Die Verpflichtung des Staates, das sich entwickelnde Leben in Schutz zu nehmen, besteht auch gegenüber der Mutter.
3. Der Lebensschutz der Leibesfrucht genießt grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren und darf nicht für eine bestimmte Frist in Frage gestellt werden.
4. Der Gesetzgeber kann die grundgesetzlich gebotene rechtliche Missbilligung des Schwangerschaftsabbruchs auch auf andere Weise zum Ausdruck bringen als mit dem Mittel der Strafdrohung. Entscheidend ist, ob die Gesamtheit der dem Schutz des ungeborenen Lebens dienenden Maßnahmen einen der Bedeutung des zu sichernden Rechtsgutes entsprechenden tatsächlichen Schutz gewährleistet. Im äußersten Falle, wenn der von der Verfassung gebotene Schutz auf keine andere Weise erreicht werden kann, ist der Gesetzgeber verpflichtet, zur Sicherung des sich entwickelnden Lebens das Mittel des Strafrechts einzusetzen.
5. Eine Fortsetzung der Schwangerschaft ist unzumutbar, wenn der Abbruch erforderlich ist, um von der Schwangeren eine Gefahr für ihr Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres Gesundheitszustandes abzuwenden. Darüber hinaus steht es dem Gesetzgeber frei, andere außergewöhnliche Belastungen für die Schwangere, die ähnlich schwer wiegen, als unzumutbar zu werten und in diesen Fällen den Schwangerschaftsabbruch straffrei zu lassen.
6. Das Fünfte Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 18. Juni 1974 (BGBl. I S. 1297) ist der verfassungsrechtlichen Verpflichtung, das werdende Leben zu schützen, nicht in dem gebotenen Umfang gerecht geworden.
Bedeutung:
Durch dieses Urteil wurde der Grundrechtschutz des ungeborenen Lebens / Nasciturus anerkannt. Eine teilweise Straffreiheit (z. B. nach einer qualifizierten Beratung, §§ 218a I, 219 StGB) einer Abtreibung ist aber verfassungsgemäß.

26.04.2009/0 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-04-26 15:34:412009-04-26 15:34:41Die wichtigsten Leitentscheidungen des BVerfG – Schwangerschaftsabbruch I (BVerfGE 39, 19)

Über Juraexamen.info

Deine Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat. Als gemeinnütziges Projekt aus Bonn sind wir auf eure Untersützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch eure Gastbeiträge. Über Zusendungen und eure Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“
  • Praktikum in einer Großkanzlei – Einblicke in das FGS „Intern-Programm“
  • Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Gastautor

Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Simon Mantsch veröffentlichen zu können. Er studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg tätig. Ein nach §§ 823 […]

Weiterlesen
16.01.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-01-16 15:42:082023-01-25 11:42:19Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“
Gastautor

Praktikum in einer Großkanzlei – Einblicke in das FGS „Intern-Programm“

Alle Interviews, Für die ersten Semester, Interviewreihe, Lerntipps, Rezensionen, Startseite, Verschiedenes

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Maximilian Drews veröffentlichen zu können. Der Autor studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und berichtet über sein absolviertes Pflichtpraktikum in einer Bonner Großkanzlei. […]

Weiterlesen
03.01.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-01-03 07:26:222023-01-04 10:57:01Praktikum in einer Großkanzlei – Einblicke in das FGS „Intern-Programm“
Gastautor

Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Tagesgeschehen, Uncategorized

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Theo Peter Rust veröffentlichen zu können. Der Autor studiert Rechtswissenschaften im siebten Semester an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Mit dem vorliegenden […]

Weiterlesen
23.12.2022/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2022-12-23 07:42:522022-12-23 08:49:11Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten

Support

Unterstütze uns und spende mit PayPal

Jetzt spenden
  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© 2022 juraexamen.info

Nach oben scrollen