Das OVG Münster hat in einem bereits Anfang November getroffenen Urteil, die Rechtswidrigkeit der sog. „Licht Aus-Aktion“ des Düsseldorfer Oberbürgermeisters festgestellt (Az. 15 A 2293/15). Die Aktion hatte im vergangenen Jahr bundesweit für Aufsehen gesorgt und richtete sich gegen den Düsseldorfer Pegida-Ableger „Dügida“. Da sich das OVG in seinem Urteil mit der Reichweite der Neutralitätspflicht sowie dem Sachlichkeitsgebot auseinandersetzt und die Entscheidung damit Examensrelevanz hat, sollen im Folgenden die wesentlichen Erwägungen vorgestellt werden.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte als verantwortliche Leiterin für den 12.01.2015 in Düsseldorf eine Versammlung mit dem Motto „Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ angemeldet. Aus Anlass dieser Veranstaltung stellte der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf auf der städtischen Internetseite www.düsseldorf.de eine Erklärung mit dem Titel „Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz“ ein. Darin kündigte er an, dass am 12.01.215 anlässlich der angemeldeten Versammlung die Stadt die Beleuchtung bestimmter öffentlicher Gebäude abschalten werde. Darüber hinaus rief er die Düsseldorfer Bürger und Geschäftsleute dazu auf, ebenfalls die Beleuchtung an ihren Gebäuden auszuschalten, um ein „Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ zu setzen und auch an der parallel stattfindenden Gegendemonstration „Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger für Demokratie und Vielfalt – Mit rheinischer Toleranz gegen Ausgrenzung und Hass“ teilzunehmen. Am 12.01.2015 wurde die Beleuchtung seitens der Stadt Düsseldorf an bestimmten öffentlichen Gebäuden tatsächlich abgeschaltet.
Wesentliche Erwägungen
I. Befugnisnorm für die Erklärung und das Abschalten
Nach Auffassung des OVG konnte der Oberbürgermeister seine Erklärung sowie das Abschalten der Lichter im Grundsatz auf die Aufgabenzuweisung der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 78 LVerfG NRW, § 2 GO NRW i.V.m. mit seiner Organkompetenz nach §§ 40 Abs. 2 Satz 1, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 GO NRW stützen, da diese dem Oberbürgermeister die Befugnis zu kommunalpolitischen Stellungnahmen vermitteln.
Staatliche – d. h. im gegebenen Zusammenhang auch kommunale – Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Hierbei handelt es sich um eine Aufgabe der Staatsleitung als Bestandteil der Staatsaufgaben, die, ohne dass es dazu einer besonderen gesetzlichen Eingriffsermächtigung bedürfte, hoheitliches Informationshandeln legitimieren kann. Unter dieses fällt namentlich die Darlegung und Erläuterung der Politik hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben angesichts bestehender oder sich abzeichnender Probleme sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über den Bürger unmittelbar betreffende Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit.
Allerdings ist erforderlich, dass ein spezifischer Bezug zur örtlichen Gemeinschaft besteht, da sich die grundgesetzlich gewährleistete kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) nur auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und gerade nicht auf Angelegenheiten der allgemeinen Politik erstreckt. Zwar besteht bei den hier in Rede stehenden Äußerungen gewiss auch ein grundlegender Bezug zu allgemeinen politischen Themen (Ausländer- und Asylrecht, Rechtsextremismus), allerdings bezogen sie sich auf eine für die Stadt Düsseldorf angemeldete Veranstaltung. Darüber hinaus nahm die Versammlung mit dem Motto „Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ konkret auf die Stadt Düsseldorf und ihre Einwohner Bezug und vereinnahmte diese für sich, so dass ein spezifischer örtlicher Bezug der Erklärung des Oberbürgermeisters gegeben ist.
II. Kein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot
Das OVG sieht in den streitigen Äußerungen allerdings keinen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot. Die Richter sind vielmehr der Auffassung, dass eine strikte Neutralitätspflicht von Amtsträgern im Hinblick auf politische Äußerungen allein Parteien gegenüber bestehen könne. Bei der hier in Rede stehenden „Dügida“-Bewegung handelt es sich allerdings nicht um eine politische Partei. Einer im Schrifttum vertretenen Auffassung, die das Neutralitätsgebot auch auf das Verhältnis zu politischen Bewegungen bzw. Gruppierungen erstrecken will, die nicht als Parteien organisiert sind (so Barczak, NVwZ 2015, 1014 ff.), erteilt der Senat somit eine Absage. Anders als das OVG hatte auch das VG Düsseldorf das Neutralitätsgebot auf die Dügida-Bewegung angewandt (VG Düsseldorf, Beschl. v. 09.01.2015 – 1 L 54/15).
Das zum Schutz der politischen Chancengleichheit erforderliche Neutralitätsgebot, dem grundsätzlich auch Amtsträger auf kommunaler Ebene unterworfen sind, band den Oberbürgermeister der Beklagten nach alledem deshalb nicht, weil er sich nicht gegen eine politische Partei i.S.d. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG wandte, der gegenüber ein striktes Neutralitätsgebot allein eingreifen kann. Die von der Klägerin (mit-) getragene „E. “-Bewegung, die hinter der Versammlung am 12. Januar 2015 stand, ist keine politische Partei. Sie ist vielmehr eine Vereinigung ohne feste Struktur mit einem in personeller wie sächlicher Hinsicht lediglich niedrigschwelligen Organisationsgrad. Das Neutralitätsgebot hinderte den Oberbürgermeister der Beklagten aufgrund dessen nicht, sich in der gewählten Form gegen sie zu positionieren und die von ihr vertretenen Auffassungen öffentlich als von ihm als tendenziell verfassungsfeindlich eingestuft zu verurteilen.
III. Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot
Allerdings sehen die Richter in der Ankündigung des Abschaltens der Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden anlässlich der Versammlung, in dem gleichzeitigen Aufruf an die Düsseldorfer Bürger und Geschäftsleute ebenfalls die Beleuchtung ihrer Gebäude auszuschalten sowie in dem tatsächlichen Lichtlöschen einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot. Bei diesem handelt es sich um eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, an dem Äußerungen von Amtsträgern zu messen sind. Zwar sind Amtsträger auch dazu befugt, sich offensiv gegen als verfassungsfeindlich einzustufende Strömungen politisch zu positionieren, allerdings verlangt das Sachlichkeitsgebot, dass behauptete Tatsachen zutreffend sind, Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen, sie den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten sowie auf einem im Wesentlichen zutreffenden Tatsachenkern beruhen. Diese Anforderungen sehen die Richter im vorliegenden Fall nicht mehr gewahrt an:
Ausgehend von diesen Maßstäben überschritt der Oberbürgermeister der Beklagten den Rahmen des sachlich Gebotenen … Denn damit verließ der Oberbürgermeister … den auf die geistige, diskursive Auseinandersetzung beschränkten Bereich kommunalpolitischer Kommunikation. Er zweckentfremdete kommunale Einrichtungen, die zu einem bestimmten (anderen) öffentlichen Zweck gewidmet sind, zu einer politischen Symbolsetzung, die der Klägerin als davon Betroffener die Möglichkeit nahm, auf die damit verbundene politische Aussage der Missbilligung in diskursiver Form zu reagieren. Der Oberbürgermeister der Beklagten wählte ein Instrument der symbolisch-politischen Kommunikation, das in der gegebenen Situation lediglich ihm zur Verfügung stand. An die negative politische Symbolik durch öffentliches Lichtabschalten konnte die Klägerin indes nicht kommunikativ anschließen, so dass eine inhaltlich-sachbezogene Debatte auf diese Weise weder angestoßen noch fortgeführt werden konnte …
… Mit der Ankündigung des Abschaltens der Beleuchtung, dem Aufruf an private Dritte, diesem Beispiel der Beklagten zu folgen, und dem Lichtausschalten selbst, hat der Oberbürgermeister gerade nicht die argumentative Auseinandersetzung mit der Klägerin und ihrer Gruppierung gesucht. Das symbolhafte Verdunkeln der Stadt gibt für sich genommen keinen Aufschluss darüber, aus welchen inhaltlich-politischen Gründen genau die von der Klägerin auf ihrer Versammlung vertretenen Positionen zu missbilligen seien, etwa weil sie verfassungsfeindliche Tendenzen zeigten und auch sonst den Grundwerten der staatlichen bzw. örtlichen Gemeinschaft widersprächen. Es hat für den politischen Diskurs aus sich heraus – wie ausgeführt – keinen diskursiv-informatorischen Mehrwert. Ein sachlicher Beitrag auf der städtischen Internetseite für Toleranz und zugunsten einer pluralistischen Stadtgesellschaft sowie zum Thema Zuwanderung, Flüchtlinge und Ausländerfeindlichkeit lässt sich unschwer auch auf andere Weise bewerkstelligen. Dem etwaigen Eindruck, dass die Stadt E. sich nach außen sichtbar mit den Ansichten der Bewegung der Klägerin identifiziere, konnte der Oberbürgermeister der Beklagten durch entsprechende – verbal-diskursive – Verlautbarungen und eben auch mittels der nach den oben aufgeführten Maßstäben hier zulässigen Bitte zur Teilnahme an der Gegendemonstration „E. Bürgerinnen und Bürger für Demokratie und Vielfalt – Mit rheinischer Toleranz gegen Ausgrenzung und Hass“ am 12. Januar 2015 – entgegenwirken.
Zur Vertiefung eignet sich insbesondere auch unser Beitrag: „(Politische) Äußerungen von Amtsträgern – Was geht, was geht nicht?“