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Schlagwortarchiv für: Androhung

Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zur Erforderlichkeit der Notwehrhandlung

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Mit Beschluss vom 17.04.2019 (Az.: 2 StR 363/18) hat der BGH die Anforderungen an die Erforderlichkeit der Notwehrhandlung i.S.d. § 32 Abs. 2 StGB präzisiert. Konkret widmete er sich der Frage, ob der sofortige Einsatz eines Messers gegenüber dem Angreifer durch Notwehr gerechtfertigt sein kann oder ob die vorherige Androhung des Gebrauchs als milderes Mittel vorrangig zu wählen ist. Anders als die Vorinstanz ging der BGH davon aus, dass im konkreten Fall gemessen an den Besonderheiten der Kampflage der sofortige Messereinsatz ohne vorherige Androhung gegenüber dem unbewaffneten Angreifer erforderlich sein kann. Die Entscheidung soll zum Anlass genommen werden, um sich mit den Voraussetzungen der Notwehr mit besonderer Fokussierung auf das Merkmal der Erforderlichkeit eingehender auseinanderzusetzen. Eine sichere Kenntnis der Notwehrvoraussetzungen ist insbesondere für ein gutes Abschneiden in Strafrecht AT-Klausuren oder der Übung im Strafrecht unentbehrlich. Ein Blick in die Entscheidung lohnt aber nicht nur für die unteren Semester: Auch in Examensklausuren oder mündlichen Prüfungen eignet sich ein Abstecher in die Rechtfertigungsgründe hervorragend, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. 
 
I. Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt):
Was war passiert? W war Wirt in einer Gaststätte und hatte dem C dort Hausverbot erteilt, nachdem dieser die Frau F des W respektlos behandelt hatte. Zudem war der Verdacht aufgekommen, C würde in der Gaststätte mit Drogen handeln. Gleichwohl suchte C die Gaststätte erneut auf. Dies bemerkte die verärgerte F und forderte den W auf, das Lokalverbot durchzusetzen. Zudem fiel auf, dass der C mehrfach in kurzen Abständen die Toilette aufsuchte, sodass F und W vermuteten, dass C dort abermals Drogengeschäfte abwickelte. Daraufhin begab sich W zur Toilette und forderte C auf, die Gaststätte umgehend zu verlassen. Nachdem dieser der Aufforderung nicht nachkam und ausfällig wurde, kündigte W an, die Polizei zu verständigen und ergriff das hinter der Theke im Gastraum befindliche Telefon. C folgte ihm und schlug ihm das Telefon aus der Hand. Im folgenden Verlauf kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung und anschließendem Gerangel, zu dessen Beginn C den W mit der Faust – wenngleich nicht mit voller Wucht – schlug. Die F holte einen Billardstock hervor und hielt ihn drohend in die Höhe, ohne aber einzugreifen. Weitere in der Gaststätte befindliche Personen versuchten, den C zu beruhigen, wohingegen W zunehmend über das Verhalten des C in Wut geriet und sich zudem um das körperliche Wohl der F sorgte. Im Zuge der nun „längstens seit wenigen Minuten andauernden Auseinandersetzung“ ergriff W schließlich für den C unbemerkt ein 26 cm langes Bowiemesser mit einer ca. 16 cm langen und ca. 2,7 cm breiten Klinge. Während C den W weiterhin durch Schubsen und einfaches Schlagen bedrängte, war dem W bewusst, dass der C unbewaffnet war und die von ihm vereinzelt verabreichten Schläge mit allenfalls mittlerer Intensität geführt wurden. Es bestand zu diesem Zeitpunkt weder für den W noch für F Lebensgefahr. Der W wusste überdies, dass C das Messer nicht bemerkt hatte, und dass sich dieser aller Voraussicht nach zurückgezogen hätte, wenn ihm seine zwischenzeitliche Bewaffnung zur Kenntnis gelangt wäre. Auch ging er nicht davon aus, dass seine Möglichkeiten zur Beendigung der körperlichen Attacken beeinträchtigt würden, wenn er dem C zuvor das Messer zeigte. W war aber zwischenzeitlich so in Wut geraten, dass er gleichwohl zum unmittelbaren Messereinsatz entschlossen war. Ohne weitere Ankündigung führte er mehrere schnelle, tangentiale Stichbewegungen in Richtung des Oberkörpers des C aus, um weitere Einwirkungen von ihm abzuwenden. C erlitt Stichverletzungen, die allerdings nicht lebensbedrohlich waren und ließ endgültig von W ab.
 
Strafbarkeit des W?
 
II. Rechtserwägungen
Den Kernpunkt der Entscheidung bildet die Frage, ob die tatbestandlich offensichtlich vorliegende gefährliche Körperverletzung im Wege der Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt ist. Gemäß § 32 Abs. 2 StGB handelt es sich bei Notwehr um die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
 
1. Notwehrlage: Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff
Vorliegen muss hierfür zunächst eine Notwehrlage, die als gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut zu definieren ist. Ein Angriff ist „die von einem Menschen drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen“ (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 17). Das Bedrängen des W durch Schubsen und die leichten Schläge drohten ihn in seiner körperlichen Unversehrtheit zu verletzen, sodass ein Angriff seitens des C evident zu bejahen ist. Der Angriff müsste aber auch gegenwärtig gewesen sein. Dies ist der Fall, wenn eine Rechtsgutsverletzung unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert. Unmittelbar bevorstehend ist nach ständiger Rechtsprechung ein Verhalten, „das zwar noch kein Recht verletzt, aber unmittelbar in eine Verletzung umschlagen kann und deshalb ein Hinausschieben der Abwehrhandlung unter den gegebenen Umständen entweder deren Erfolg gefährden oder den Verteidiger zusätzlicher nicht mehr hinnehmbarer Risiken aussetzen würde“ (vgl. beispielhaft BGH, Beschl. v. 1.2.2017 – 4 StR 635/16, BeckRS 2017, 102724, Rn. 7; BGH, Urt. v. 24.11.2016 – 4 StR 235/16, NStZ-RR 2017, 38, 39 m.w.N.). Hat bereits eine Verletzungshandlung durch den Angreifer stattgefunden, so dauert der Angriff so lange fort, wie eine Wiederholung und damit ein erneutes Umschlagen in eine Verletzung unmittelbar zu befürchten ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Verletzung durch eine erneute Handlung vertieft werden könnte (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 21). Maßgeblich ist dabei die objektive Sachlage, subjektive Befürchtungen des Angegriffenen sind ohne Belang (BGH, Urt. v. 24.11.2016 – 4 StR 235/16, NStZ-RR 2017, 38). Im vorliegenden Fall war dem Geschehen bereits eine verbale und körperliche Auseinandersetzung vorangegangen. Zudem bedrängte der C den W zum maßgeblichen Zeitpunkt immer noch durch Schubsen und leichte Schläge, sodass festzustellen ist, dass der Angriff noch fortdauerte. Mithin handelte es sich auch um einen gegenwärtigen Angriff. Der Angriff stand auch – da der C seinerseits nicht gerechtfertigt handelte – im Widerspruch zur Rechtsordnung, er war mithin rechtswidrig. Eine Notwehrlage lag damit vor.
 
Anmerkung: Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Notwehrlage erfolgt hier aus didaktischen Gründen und sollte selbstverständlich in einem Fall, in dem eine Notwehrlage offensichtlich gegeben ist, aus Gründen der Schwerpunktsetzung kürzer ausfallen.
 
2. Notwehrhandlung
Ferner müsste es sich bei dem sofortigen Messereinsatz um eine erforderliche und gebotene Notwehrhandlung gehandelt haben.
 
a) Erforderlichkeit
Eine in einer Notwehrlage verübte Tat ist erforderlich, wenn sie nach objektiver ex-ante-Sicht zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs führt und sie das mildeste Abwehrmittel darstellt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung steht (s. hierzu auch BGH, Beschl. v. 22.6.2016 – 5 StR 138/16, NStZ 2016, 593, 594). Die Notwehrhandlung müsste damit zunächst überhaupt zur sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs geeignet gewesen sein. Hierbei ist ausreichend, dass der Angriff durch die Handlung abgeschwächt wird. Im konkreten Fall beseitigte der Messereinsatz den Angriff sogar; der C ließ von W ab.
Fraglich ist indes, ob es sich hierbei auch um das mildeste Mittel handelte, das dem W in der konkreten Situation zur Abwehr des Angriffs zur Verfügung stand. Es handelt sich bei einer spezifischen Verteidigungshandlung dann um das relativ mildeste Mittel, wenn unter mehreren bereitstehenden Mitteln dasjenige eingesetzt wird, das sich für den Angreifer am wenigsten gefährlich darstellt. So ist beispielsweise ein Schuss auf die Beine grundsätzlich einem Schuss in die Brust vorzuziehen, gleiches gilt für einen Schlag mit einer Pistole anstelle eines Schusses (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 30). Auch ein Messereinsatz ist in der Regel – vor allem gegenüber einem unbewaffneten Angreifer – vorher anzudrohen. Dabei gilt indes – insbesondere angesichts des Schutzzwecks der Notwehr, auch die Rechtsordnung zu verteidigen: Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen. Konkret heißt das, dass der Täter zwar das mildeste Mittel wählen muss, allerdings werden in die Auswahl nur diejenigen Mittel einbezogen, die auch geeignet sind, den Angriff sofort und endgültig abzuwehren. Sofern weniger gefährliche Verteidigungsmittel zur Verfügung stehen, muss der Angegriffene nur dann darauf zurückgreifen, „wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Die mildere Einsatzform muss im konkreten Fall eine so hohe Erfolgsaussicht haben, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann“ (BGH, Beschl. v. v. 22.6.2016 – 5 StR 138/16, NStZ-RR 2016, 271). Dies hat der BGH in seinem Beschluss noch einmal bezogen auf den sofortigen Messereinsatz ausdrücklich festgestellt:

„Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz eines Messers kann danach durch Notwehr gerechtfertigt sein, ohne dass zunächst aufgrund der konkreten Gefährdungslage der Einsatz eines Messers angedroht werden muss, was bei einem unbewaffneten Angreifer in der Regel jedoch der Fall ist, wenn es hinreichenden Erfolg verspricht.“ (Rn. 10)

Ob also der Einsatz zuvor angedroht werden muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Nach diesen Maßstäben hatte die Vorinstanz die Erforderlichkeit unter anderem mit dem Argument verneint, eine Androhung wäre ebenso gut geeignet gewesen, die Einwirkungen sofort zu beenden, denn C sei unbewaffnet und die Intensität des Angriffs nicht hochgradig gewesen. Überdies habe der C nicht bemerkt, dass W das Messer ergriffen habe, sodass er auf die veränderte Kampflage nicht habe reagieren können. Dem ist der BGH entschieden entgegengetreten:

„Es bleibt an dieser Stelle von der Strafkammer unberücksichtigt, dass sich der Angeklagte einem seit einigen Minuten dauernden Angriff durch den Nebenkläger ausgesetzt sah, der immer wieder von Schlägen begleitet wurde. Dass dieser Angriff nur von einem Gegner geführt wurde, nicht auf das Leben des Angeklagten, sondern „nur“ auf seinen Leib und seine körperliche Unversehrtheit zielte und die Intensität des Angriffs nicht „hochgradig“ war, ändert nichts am Vorliegen einer objektiven Notwehrlage, die den Angeklagten grundsätzlich berechtigte, zur Beendigung dieses Angriffs ein sofort wirksames Mittel einzusetzen.“ (Rn. 13)

Überdies sei die Androhung des Messereinsatzes auch nicht ebenso gut geeignet gewesen, den Angriff sofort und endgültig zu beenden:

„Dass diese Auseinandersetzung sich vor den Augen zahlreicher anderer Gäste zutrug und zudem zwei davon dabei waren, den Nebenkläger zu beschwichtigen und aus dem Thekenbereich zu ziehen, ist – entgegen der Ansicht des Landgerichts – kein Umstand, der in der konkreten Situation dafür sprach, die Androhung des Messereinsatzes wäre genau so erfolgversprechend gewesen. Dies schon deshalb, weil der einige Zeit andauernde Angriff trotz des Eingreifens von zwei Personen, die den Nebenkläger erkennbar erfolglos zu beschwichtigen versuchten, nicht beendet werden konnte. (…) In dieser Situation erweist sich mit Blick auf die Angriffslage und die geringe Kalkulierbarkeit eines Fehlschlagrisikos die Entscheidung des Angeklagten für den Messereinsatz und gegen eine vorherige Androhung als rechtlich unbedenklich. Soweit die Strafkammer insoweit anführt, dem Angeklagten hätten keine Anhaltspunkte für eine Eskalation der Situation vorgelegen, stellt dies kein tragfähiges Argument gegen einen ohne vorherige Androhung erfolgten, unmittelbaren Messereinsatz dar. Denn es geht bei der Entscheidung für ein erforderliches Abwehrmittel im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB nicht darum, ob durch die Androhung des Messereinsatzes eine weitere Eskalation der Situation heraufbeschworen wird; maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob es in der zugespitzten Angriffssituation gewährleistet ist, dass der Angriff endgültig beendet wird.“ (Rn. 14 f.)

Auf dieser Grundlage kann sich also auch der sofortige Messereinsatz gegenüber dem unbewaffneten Angreifer als erforderlich darstellen, wenn in der konkreten Kampfsituation die vorherige Androhung nicht gewährleisten kann, dass der Angriff sofort und endgültig beendet wird. Daher ist im konkreten Fall davon auszugehen, dass die Notwehrhandlung des W erforderlich war.
 
b) Gebotenheit
Des Weiteren müsste die Notwehrhandlung auch geboten gewesen sein. In der Regel wird dies angenommen, wenn sie erforderlich ist. Lediglich in Ausnahmefällen kann die Gebotenheit zu verneinen sein, und zwar dann, wenn unter sozialethischen Gesichtspunkten dem Angegriffenen dennoch ein Notwehrrecht verwehrt werden muss. Von den diesbezüglich anerkannten Fallgruppen (s. hierzu ausführlich Schönke/Schröder/Perron/Einsele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 32 Rn. 43 ff.) ist hier aber keine einschlägig. Mithin war der Messereinsatz auch die gebotene Verteidigung.
 
3. Verteidigungswillen
Schließlich wird – als subjektives Rechtfertigungselement – von der h.M. vorausgesetzt, dass der W mit Verteidigungswillen gehandelt hat. Er muss mithin in Kenntnis der Notwehrlage handeln sowie Absicht im Sinne eines zielgerichteten Wollens besitzen, den Angriff abzuwehren oder zumindest abzuschwächen. Dabei ist es unschädlich, wenn andere Motive wie beispielsweise Wut oder Hass vorliegen, solange der Wille zur Verteidigung nicht als ganz nebensächlich zurücktritt (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 46). Den Angaben im Sachverhalt zufolge war wohl die Wut des W bewusstseinsdominant; gleichwohl ist angesichts der Kampfumstände anzunehmen, dass er den Angriff auch zielgerichtet abwehren wollte – so hat es jedenfalls die Vorinstanz angenommen, was auch durch den BGH nicht beanstandet wurde.
 
Anmerkung: Mangels detaillierter Angaben zum Verteidigungswillen könnte hier in einer Klausur mit guter Begründung sicherlich auch anderes vertreten werden, zumal im Sachverhalt eindeutig die Wut des W in den Vordergrund gestellt wird.
 
4. Ergebnis
Damit war das Handeln des W durch Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt. Eine Strafbarkeit nach §§ 223, 224 StGB scheidet aus.
 
III. Fazit
Bezüglich der Erforderlichkeit der Notwehrhandlung sollte man sich also merken: Der Angegriffene muss zwar das relativ mildeste Mittel wählen, aber in die Auswahl der Verteidigungsmittel werden nur diejenigen einbezogen, die auch geeignet sind, den Angriff sofort und endgültig abzuwehren. Welches Verteidigungsmittel hiervon ausgehend in einer konkreten Situation zu wählen ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Pauschale Aussagen dahingehend, dass der sofortige Messer- oder Waffeneinsatz stets nicht erforderlich ist, soweit eine Androhung noch möglich ist, verbieten sich. Wie der BGH festgestellt hat, kann vielmehr auch ein sofortiger Messereinsatz gegen einen unbewaffneten Angreifer im Wege der Notwehr gerechtfertigt sein, sofern nur ein solcher in der konkreten Situation geeignet ist, den Angriff sofort und endgültig zu beenden.

26.08.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-08-26 09:00:022019-08-26 09:00:02BGH: Neues zur Erforderlichkeit der Notwehrhandlung
Gastautor

Die Androhung von Zwangsmitteln in der Verwaltungsvollstreckung

Öffentliches Recht, Referendariat, Schon gelesen?, Verschiedenes, Verwaltungsrecht

Wir freuen uns, heute erneut einen Gastbeitrag von David Ullenboom veröffentlichen zu können. David ist zur Zeit Rechtsreferendar am LG Münster.
I. Einführung
Gem. § 63 Abs.1 S.1 VwVG NRW sind Zwangsmittel (Ersatzvornahme, Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang) grds. vor ihrer Anwendung dem Betroffenen gegenüber anzudrohen. Auf die Androhung kann nur ausnahmsweise verzichtet werden (§ 63 Abs.1 S.5 VwVG NRW). Das betrifft insbesondere die Fälle des sog. „Sofortvollzugs“ ohne vorausgehenden VA (§ 55 Abs.2 VwVG NRW). Die Androhung ist ein notwendiger Verfahrensschritt auf dem Weg hin bis zur Anwendung eines Zwangsmittels. Die Androhung eines Zwangsmittels ist in besonderem Maße Ausdruck eines rechtsstaatlichen Vollstreckungsverfahrens (Art. 20 III GG). In einem Rechtsstaat verbietet es sich, Verwaltungsakte gegen den Bürger „überfallartig“ ohne Ankündigung zu vollstrecken.
Der folgende Beitrag widmet sich allein der Problematik der Androhung von Zwangsmitteln in Nordrhein-Westfalen. Einschlägige Regelung ist hier § 63 VwVG NRW. Daneben existieren – teils abweichende – spezielle Regelungen der Androhung in § 56 PolG NRW, § 13 VwVG Bund und im besonderen Verwaltungsrecht z. B. in § 59 AufenthG, die hier nicht näher behandelt werden sollen.
II. Allgemeines
Die Androhung eines Zwangsmittels ist ein eigenständiger Verwaltungsakt („Androhungs-VA“, vgl. Kopp/Schenke, § 42 Rn. 32). Der Regelungsinhalt der Androhung wird überwiegend in der Auswahl eines bestimmten Zwangsmittels (Ersatzvornahme, Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang) durch die Vollzugsbehörde und der Bestimmung einer angemessenen Frist für die Verpflichtung aus dem Grund-VA gesehen (vgl. § 63 Abs.1 S.2-4, Abs.3 S.1 VwVG NRW).
Die Androhung ist ein eigenständiges Beugemittel im Vorfeld der Anwendung des Zwangsmittels. Der Pflichtige soll durch die Androhung des Zwangsmittels veranlasst werden, die im Grund-VA geregelte Verpflichtung zu erfüllen (Dietlein/Burgi/Hellermann, Landesrecht NRW, § 3 Rn. 247)
Der Androhungs-VA soll gem. § 63 Abs.2 VwVG NRW regelmäßig mit dem Grund-VA, der vollstreckt wird, verbunden werden. In der Praxis, insbesondere im Bereich von Ordnungsverfügungen, ist dies der Regelfall. Daraus ergibt sich, dass die typische Ordnungsverfügung regelmäßig zwei Verwaltungsakte enthält: Die Grundverfügung und die Zwangsmittelandrohung. Die ebenfalls in Ordnungsverfügungen oftmals ausgesprochene Anordnung der sofortigen Vollziehung (ASofVZ) gem. § 80 Abs.2 S.1 Nr.4 VwGO ist hingegen nach h. M. kein eigenständiger VA, sondern ein bloßer unselbständiger Annex (Kopp/Schenke, § 80 Rn. 78).
Diese in praxi weit verbreitete Verbindung von Grund-VA und Androhungs-VA hat zur Folge, dass regelmäßig der gesamte Bescheid nach den Vorschriften des LZG NRW förmlich zugestellt werden muss, weil die Androhung als zustellungsbedürftiger VA den gesamten Bescheid „infiziert“ (vgl. § 63 Abs.6 VwVG NRW).
Da die Androhung ein selbständiger VA ist, kann sie auch isoliert mittels Widerspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden, z. B. wenn die Androhung ausnahmsweise nicht mit dem Grund-VA verbunden wurde. Dem steht auch nicht § 44a VwGO entgegen. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass die Androhung nur eine unselbständige Verfahrenshandlung auf dem Weg zur Anwendung des Zwangsmittels darstellt (Androhung, Festsetzung, Anwendung). § 44a VwGO setzt aber ein Verwaltungsverfahren voraus, das auf den Abschluss durch Sachentscheidungs-VA gerichtet ist (Kopp/Schenke, § 44a Rn. 3). Die Androhung gehört aber zum Vollstreckungsverfahren, welches dem Verwaltungsverfahren (vgl. § 9 VwVfG NRW) nachgelagert ist, und ist zudem nicht auf einen Sachentscheidungs-VA gerichtet, sondern auf einen Realakt in Form der Anwendung des angedrohten Zwangsmittels.
Rechtsbehelfe gegen den Androhungs-VA haben gem. § 80 Abs.2 S.1 Nr.3 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung, weil die Androhung des Zwangsmittels eine „Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung“ ist. Eine ASofVZ durch die Behörde auch in Bezug auf die Androhung wäre also nicht notwendig. Dem Adressaten wird effektiver Rechtsschutz gegen die Androhung somit nur mittels eines Antrags nach § 80 Abs.4 an die Behörde oder gem. § 80 Abs.5 VwGO an das Verwaltungsgericht gewährt. Rechtsbehelfe gegen den Grund-VA haben hingegen vorbehaltlich von Ausnahmen grds. aufschiebende Wirkung (vgl. § 80 Abs.1 VwGO). Will die Behörde den Grund-VA sofort vollziehen, muss sie somit gem. § 80 Abs.2 S.1 Nr.4 VwGO die sofortige Vollziehung anordnen.
Will der Adressat die in einem Bescheid verbundenen Verwaltungsakte (Grundverfügung, Androhung) gleichzeitig mittels Anfechtungsklage angreifen, so ist dies eine grds. gem. § 44 VwGO zulässige objektive Klagehäufung, weil beide im Zusammenhang stehen, sich gegen den selben Beklagten richten und für beide Anfechtungsklagen das Verwaltungsgericht zuständig ist.
III. Ermächtigungsgrundlage
Da die Androhung eines Zwangsmittels ein selbständiger belastender VA ist, erfordert diese nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes und vom Parlamentsvorbehalt eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Ermächtigungsgrundlage für den Androhungs-VA ist hierbei § 55 i.V.m. § 63 Abs.1 S.1 VwVG NRW (Näheres dazu sogleich).
IV. formelle Anforderungen
Zuständig für die Androhung eines Zwangsmittels ist gem. § 56 Abs.1 VwVG NRW die Ausgangsbehörde, die den Grund-VA erlassen hat. Der Begriff des „Vollzugs des VA“ i.S.v. § 56 Abs.1 VwVG NRW ist hierbei weit zu verstehen und erfasst nicht nur die eigentliche Anwendung des Zwangsmittels, sondern auch die vorgelagerte Androhung und Festsetzung des Zwangsmittels.
Eine Anhörung gem. § 28 Abs.1 VwVfG NRW ist vor dem Erlass des Androhungs-VA gem. § 28 Abs.2 Nr.5 VwVfG NRW nicht notwendig, weil die Androhung eine „Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung“ ist. Wird die Androhung hingegen gem. § 63 Abs.2 VwVG NRW mit dem Grund-VA verbunden, muss der Adressat in Bezug auf den Grund-VA vorher angehört werden.
Die Androhung muss gem. § 63 Abs.1 S.1 VwVG NRW schriftlich ergehen.
V. materielle Anforderungen
1. Allgemeine Voraussetzungen
§ 63 Abs.1 S.1 VwVG NRW spricht nur davon, dass Zwangsmittel anzudrohen sind. Der Androhungs-VA ist aber nicht voraussetzunglos. Ansatzpunkt muss hier zunächst § 55 Abs.1 VwVG sein. Danach kann ein Grund-VA mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Die Androhung ist nun selbst aber kein „Zwangsmittel“ (vgl. § 57 VwVG NRW) i.S.d. § 55 Abs.1 VwVG NRW. Man könnte wiederum geneigt sein, den Begriff der „Durchsetzung mit Zwangsmitteln“ weit zu verstehen und auch die Androhung (und Festsetzung) darunter zu subsumieren. Dies würde aber zu der unerwünschten Konsequenz führen, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs.1 VwVG NRW im Zeitpunkt des Erlasses des Androhungs-VA oftmals (noch) nicht vorlägen. Erlässt die zuständige Ordnungsbehörde beispielsweise gegen einen Störer eine Ordnungsverfügung ohne gem. § 80 Abs.2 S.1 Nr.4 VwGO die sofortige Vollziehung anzuordnen und droht gleichzeitig ein bestimmtes Zwangsmittel an, fehlt es für die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 55 Abs.1 VwVG NRW im Zeitpunkt der Androhung an der Unanfechtbarkeit des Grund-VA, weil diese erst nach Ablauf von einem Monat ab Zustellung des Grund-VA eintritt (§§ 70, 74 VwGO). Dies alles zeigt, dass eine direkte Anwendung des § 55 Abs.1 VwVG NRW auf den Erlass des Androhungs-VA nicht so recht passt. Erforderlich sind einige Modifizierungen.
Zunächst könnte man sagen, dass § 55 Abs.1 VwVG NRW im Falle des Androhungs-VA so zu lesen ist, dass dessen Voraussetzungen erst bei Ablauf der in der Androhung gesetzten Frist vorliegen müssen. Da die Frist in den Fällen, in denen keine ASofVZ ergeht, gem. § 63 Abs.1 S.3 VwVG NRW die Rechtsmittelfrist von einem Monat nicht unterschreiten darf, tritt bei Fristablauf grds. Unanfechtbarkeit ein, sodass in diesem zukünftigen Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 55 Abs.1 VwVG NRW grds. vorlägen.
Problematisch wird dies aber wiederum dann, wenn der Adressat der Ordnungsverfügung nun mit aufschiebender Wirkung ein Rechtsmittel einlegt. Da die Bestandskraft dann über den Zeitraum von einem Monat hinaus gehemmt ist, lägen die Voraussetzungen des § 55 Abs.1 VwVG NRW nach Ablauf von 1 Monat ab Zustellung des Grund-VA auch dann nicht vor.
Dennoch ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber jedenfalls in den Fällen, in denen die Androhung mit dem Grund-VA verbunden wird, eine Androhung bereits vor Unanfechtbarkeit des Grund-VA zulassen wollte. Ansonsten wäre die in § 63 Abs.2 S.1 VwVG NRW vorgesehene Möglichkeit, den nicht für sofort vollziehbar erklärten Grund-VA mit der Androhung zu verbinden, aus sich heraus nicht verständlich. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Verwaltung die Möglichkeit einer rechtswidrigen Verbindung von zwei VAen einräumt. § 63 Abs.2 VwVG NRW dient insbesondere der Verfahrensvereinfachung in der Zwangsvollstreckung.
Auch bei nicht sofort vollziehbaren oder bestandskräftigen Grundverfügungen ist eine Androhung somit zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 55 Abs.1 VwVG NRW bei Ablauf der gesetzten Frist vorliegen, nämlich in dem Fall, dass der VA vom Adressaten nicht angefochten wird (Engelhardt, VwVG NRW, § 63 Rn. 16).
2. Fristsetzung
Enthält der Grund-VA ein Handlungsgebot für den Adressaten, dann ist dem Betroffenen in der Androhung eines Zwangsmittels eine angemessene Frist zur Erfüllung dieser Handlungspflicht zu bestimmen. Im Falle einer Unterlassungs- oder Duldungsverfügung ist eine Fristsetzung nicht erforderlich (vgl. § 63 Abs.1 S.2 VwVG NRW). Ist der Grund-VA nicht für sofort vollziehbar erklärt worden und noch nicht bestandskräftig, darf die gesetzte Frist die Rechtsbehelfsfrist von einem Monat ab Bekanntgabe (vgl. §§ 70, 74 VwGO) nicht unterschreiten (§ 63 Abs.1 S.3 VwVG NRW). Der Grund dieser Regelung ist darin zu sehen, dass dem Adressaten eines nicht vollziehbaren VA die Möglichkeit verbleiben soll, die Rechtsbehelfsfrist voll auszuschöpfen (effektiver Rechtsschutz). Vor Ablauf der Monatsfrist ist der VA zudem gar nicht vollziehbar. Zwangsmittel dürfen aber nicht für einen Zeitpunkt angekündigt werden, zu dem die Vollstreckungsvoraussetzungen sicher noch gar nicht vorliegen. Wichtig ist auch die Regelung des § 63 Abs.1 S.4 VwVG NRW. Hat die Behörde im Androhungs-VA als Fristbeginn die Zustellung bestimmt, so tritt an dessen Stelle kraft Gesetzes der Zeitpunkt der Bestandskraft der Grundverfügung, wenn der Adressat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung einlegt. Diese Regelung ermöglicht die in praxi weit verbreitete Tenorierung nach Art von:

1. (Grund-VA)
2. Für den Fall, dass Sie der Verfügung zu Ziff.1 dieses Bescheids nicht innerhalb einer Frist von 1 Monat ab Zustellung dieses Bescheids nachkommen, drohe ich Ihnen an…

Legt der Adressat nun einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung ein, so wird die Bestandskraft des VA über die Monatsfrist hinaus gehemmt. Grundsätzlich wäre der Grund-VA daher trotz Fristablaufs nicht vollstreckbar. Die Behörde müsste dann das Zwangsmittel unter neuer Fristsetzung (nun: ein Monat ab Bestandskraft des VA) erneut androhen. Hier setzt § 63 Abs.1 S.4 VwVG NRW an, der bestimmt, dass kraft Gesetzes an die Stelle der Zustellung als Fristbeginn, die Bestandskraft des Grund-VA tritt, falls der Adressat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung einlegt (Verfahrensvereinfachung).
Um Missverständnisse beim Bürger zu vermeiden, wird bisweilen vorgeschlagen, im Androhungs-VA als Fristbeginn sogleich die Bestandskraft des Grund-VA zu bestimmen (z. B. „1 Monat ab Bestandskraft dieses Bescheids“; vgl. etwa Engelhardt, VwVG NRW, § 63 Rn. 18). Dem ist nicht zuzustimmen. Danach könnte die Verwaltung, selbst wenn der Adressat keinen Rechtsbehelf einlegt, erst nach Ablauf von zwei Monaten ab Zustellung der Grundverfügung vollstrecken. Ein solcher automatischer Vollstreckungsaufschub für den Adressaten der Verfügung ist aber nicht gerechtfertigt und widerspricht einer effektiven Vollstreckung von VAen.
Wird die Androhung mit dem Grund-VA verbunden (§ 63 Abs.2 VwVG NRW), so ist fraglich, ob die Fristsetzung im Rahmen der Grundverfügung oder der Androhung erfolgen soll. Gem. § 63 Abs.1 S.2 VwVG NRW ist dem Betroffenen „in der Androhung…eine angemessene Frist zu setzen“. Gem. § 37 Abs.1 VwVfG muss der Grund-VA inhaltlich hinreichend bestimmt sein, was voraussetzt, dass der Betroffene erkennen kann, was wann von ihm verlangt wird (vgl. Kopp/Ramsauer, § 37 Rn. 6a). Eine doppelte Fristsetzung in der Grundverfügung und im Androhungs-VA ist offensichtlich unsinnig. Der Wortlaut des § 63 Abs.1 S.2 VwVG NRW („Dem Betroffenen ist in der Androhung eine Frist zu bestimmen“) und der Lex-specialis-Charakter der Vorschrift gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 37 Abs.1 VwVfG sprechen dafür, eine Fristsetzung nur im Androhungs-VA auszusprechen. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass § 37 Abs.1 VwVfG nicht voraussetzt, dass sich der bestimmte Inhalt des VA allein aus dem Verfügungssatz des VA präzise ergibt. Vielmehr soll es ausreichend sein, wenn sich dieser aus dem sonstigen Umständen des VA (andere Teile des Tenors, Begründung) ergibt (vgl. Kopp/Ramsauer, § 37 Rn. 6). Andererseits wird durch eine Fristsetzung nur im Grund-VA der Zweck des Fristsetzungserfordernisses ebenso gut erreicht wie bei einer Platzierung im Androhungs-VA. Deshalb dürften im Ergebnis beide Wege gangbar sein (vgl. Sadler, VwVG Bund, § 13 Rn. 71). Man kann demnach alternativ formulieren:
a) Fristsetzung im Grund-VA

1. Ihnen wird aufgegeben, innerhalb einer Frist von…
2. Für den Fall, dass Sie der Verfügung zu Ziff. 1 dieses Bescheids nicht fristgemäß nachkommen, drohe ich Ihnen…

b) Fristsetzung im Androhungs-VA

1. Ihnen wird aufgegeben,…
2. Für den Fall, dass Sie der Verfügung zu Ziff. 1 dieses Bescheids nicht innerhalb einer Frist von…nachkommen, drohe ich Ihnen…

3. weitere Voraussetzungen
Die Androhung muss ein bestimmtes Zwangsmittel bestimmen (Ersatzvornahme, Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang). Dies ist gerade der wesentliche Regelungsinhalt des Androhungs-VA. Werden mehrere Zwangsmittel (z. B. Ersatzvornahme und Zwangsgeld) – unüblich – angedroht, so muss die genaue Reihenfolge, in welcher die einzelnen Zwangsmittel angewendet werden sollen, angegeben werden (vgl. § 63 Abs.3 VwVG NRW). Die gleichzeitige Anwendung mehrerer Zwangsmittel ist demnach grds. unzulässig („Kumulationsverbot“).
Bei einer Ersatzvornahme müssen in der Androhung zugleich die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme (Selbst- oder Fremdvornahme) angegeben werden (§ 63 Abs.4 VwVG NRW). Da diese dem Prüfling in der Klausur nicht bekannt sein werden, sollte der Prüfling im Tenor einfach einen Betrag angeben, der ihm plausibel erscheint, um dem Prüfer zu zeigen, dass er das Problem gesehen hat. Ein Zwangsgeld ist in bestimmter Höhe anzudrohen (§ 63 Abs.5 VwVG NRW). Hier muss der Examenskandidat einen Betrag angeben, der sich innerhalb des vorgesehenen Zwangsgeldrahmens von 10 EUR bis 100.000 EUR hält (vgl. § 60 Abs.1 S.1 VwVG NRW). Aus dem Charakter des Zwangsgeldes als Beugemittel ergibt sich, dass bei der Bemessung der Höhe des Zwangsgeldes die konkreten Einkommensverhältnisse des Betroffenen und etwaige aus der Nichtbefolgung des VA fließende Vorteile zu berücksichtigen sind, damit das Zwangsmittel für diesen auch spürbar ist (§ 60 Abs.1 S.2 VwVG NRW). Die Androhung eines Zwangsgeldes „bis zu…EUR“ ist demnach aber mangels bestimmter Höhe rechtswidrig (Engelhardt, VwVG NRW, § 63 Rn. 35)
4. Androhung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“
In NRW besteht die Besonderheit, dass ein Zwangsmittel im Falle einer Unterlassungs- und Duldungsverfügung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ angedroht werden darf (vgl. § 57 Abs.3 S.2 VwVG NRW). Anders ist dies auf Bundesebene. Hier ist eine Androhung für jeden Fall der Zuwiderhandlung nach h. M. wegen Verstoßes gegen das Kumulationsverbot des § 13 Abs.3 S.2 VwVG Bund unzulässig (vgl. Engelhardt/App, VwVG Bund, § 13 Rn. 4).
 
VI. Resumée
Die Androhung von Zwangsmitteln ist vielen Studierenden der Rechtswissenschaft nur als „unselbständige“ Vollstreckungsvoraussetzung bekannt. Die Androhung ist aber ein eigenständiger VA, der grds. auch isoliert angefochten werden kann. Bei der Prüfung oder Tenorierung eines Androhungs-VA betreten viele Studierende deshalb Neuland. Die Regelung des Androhungs-VA in § 63 VwVG NRW wirft hierbei in praxi viele Probleme auf, deren Kenntnis und Einordnung dem Studierenden die Handhabung der Androhung erleichtert.



[1] Der Autor ist derzeit Rechtsreferendar am Landgericht Münster.

29.09.2012/4 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2012-09-29 13:47:572012-09-29 13:47:57Die Androhung von Zwangsmitteln in der Verwaltungsvollstreckung

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