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Schlagwortarchiv für: allgemeines Wohngebiet

Dr. Jan Winzen

VG Berlin: Ferienwohnungen im allgemeinen Wohngebiet unzulässig

Baurecht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite

Das VG Berlin hat in einer aktuellen Entscheidung vom 21.02.2014 (VG 13 L 274. 13) einen Eilantrag zurückgewiesen, mit dem sich der Eigentümer eines Wohnkomplexes in Berlin Pankow gegen eine Untersagungsverfügung des zuständigen Bezirksamts gewendet hatte.
I. Sachverhalt
Das streitbefangene mit einem mehrgeschossigen Wohnhaus bebaute Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. Die nähere Umgebung ist ganz überwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Ab dem Frühjahr 2013 gingen beim Antragsgegner (dem zuständigen Bezirksamt) widerholt Mieterbeschwerden ein. Gegenstand der Beschwerden waren u.a. nächtliche und am Wochenende erfolgende Lärmbelästigungen durch den Ein- und Auszug von Feriengästen, laute Musik, versehentliches Klingeln und den Lärm von Reinigungskräften. Bei bauaufsichtlichen Kontrollen vor Ort stellte der Antragsgegner fest, dass eine Reihe der insgesamt etwa 30 Wohnungen als Ferienwohnungen genutzt wurden. Daraufhin untersagte der Antragsgegner der Hauseigentümerin nach vorheriger Anhörung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Nutzung der „Ferienwohnungen“. Hiergegen hat die Antragstellerin am 27. November 2013 einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie macht geltend, die tatsächlich ausgeübte Nutzung halte sich im Rahmen der gewöhnlichen „Wohnnutzung“. Insbesondere liege kein Beherbergungsbetrieb vor. Davon abgesehen sei die Nutzungsuntersagung ermessensfehlerhaft.
II. Entscheidung des Gerichts
Das VG Berlin weist den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zurück.
Auf die Zulässigkeit des Antrags geht das Gericht in seiner vorliegenden Entscheidung zwar nicht ein. Im Examen sollte man aber zumindest kurz etwas zur Statthaftigkeit und zum Rechtsschutzbedürfnis sagen (siehe zur Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ausführlich hier).
In der Begründetheit prüft das Gericht die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung und die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung. Dies wäre in einer Klausur gutachterlich wie folgt darzustellen.
1. Obersatz
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO, gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn das private Aussetzungsinteresse (auch: Suspensivinteresse) der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung überwiegt. Dies richtet sich in erster Linie nach der (summarisch geprüften) Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ist der Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtswidrig, hat der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO Erfolg. Ist der Verwaltungsakt rechtmäßig, bedarf es darüber hinaus noch eines besonderen Vollzugsinteresses der Behörde.
2. Ermächtigungsgrundlage
Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung ist § 79 Satz 2 BauO Bln. Danach kann eine im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgende Nutzung von baulichen Anlagen untersagt werden (in anderen Landesbauordnungen finden sich gleichlautende Ermächtigungsgrundlagen).
a) Nutzung im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften
Eine Nutzung im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften läge jedenfalls dann vor, wenn die Wohnungen, für die nur eine gewöhnliche Wohnnutzung genehmigt ist, als Ferienwohnungen genutzt werden, ohne dass die für diese Nutzungsänderung erforderliche Baugenehmigung vorliegt.
aa) Definition „Nutzung als Ferienwohnung“
Eine Nutzung als Ferienwohnung ist nach dem VG Berlin gegeben, wenn

eine Wohnung ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt wird. Eine solche gewerbliche Kurzzeitvermietung stellt zwar regelmäßig (noch) keinen Beherbergungsbetrieb im bauplanungsrechtlichen Sinne dar, bildet aber eine eigenständige planungsrechtliche Nutzungsart, nämlich eine besondere Art der gewerblichen Nutzung, die von der gewöhnlichen Wohnnutzung zu unterscheiden ist. Darüber besteht soweit ersichtlich Einigkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Einigkeit besteht ferner darüber, dass der „vorübergehende“ Charakter des Aufenthalts nicht nur einen wenige Tage dauernden, sondern auch einen nach Wochen bemessenen Aufenthalt umfasst. Maßgeblich für die auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die den Begriff des Wohnens prägt, ist darüber hinaus nach Ansicht der Kammer, dass es bei den abgeschlossenen Mietverträgen typischerweise zu einer Anmeldung i. S. des Melderechts kommt.

Gemessen an diesen Kriterien spricht nach Ansicht des VG Berlin, bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung, alles dafür, dass die streitgegenständlichen Wohnungen als Ferienwohnungen i. S. der dargestellten obergerichtlichen Rechtsprechung genutzt werden. Das Gericht lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:

  • Die Auslobung der Wohnungen zur (auch) tageweisen Vermietung im Internet auf mehreren Webseiten sowie die aktenkundigen Beschwerden mehrerer Hausbewohner über die „in kurzen Intervallen“ an- und abreisenden Touristengruppen und die von diesen ausgehenden, konkret beschriebenen, Störungen stellen gewichtige Indizien dafür dar, dass eine gewerbliche Kurzzeitvermietung stattfindet.

  • Dasselbe gilt für die auf den Klingelschildern der entsprechenden Wohnungen angebrachten Fantasienamen (ohne entsprechenden Melderegistereintrag), den Wäscheservice (Wäschewechsel nach Ein- und Auszug, spezieller Kellerraum zur Lagerung der Wäsche) sowie die Informationsblätter in englischer Sprache, die ganz augenscheinlich für die Kurzzeitmieter bestimmt sind und u. a. eine „check-in time“ und „check-out time“ festlegen sowie einen Briefkasten angeben, in den der Wohnungsschlüssel bei Abreise einzuwerfen ist. Anmeldungen erfolgen offensichtlich nicht.

Der Einwand der Antragsstellerin, die ensprechenden Mietverträge sähen überwiegend eine Mietzeit von mehreren Wochen oder Monaten vor, greift nach Ansicht des Gerichts nicht durch,

da eine Nutzung als Ferienwohnung auch dann vorliegen kann, wenn die Nutzungsüberlassungen nicht lediglich tageweise erfolgen, sondern sich jeweils über mehrere Wochen erstrecken. Eine äußerste Grenze dürfte nach Ansicht der Kammer bei 12 Wochen zu ziehen sein. Dabei dürften einzelne Überschreitungen ebenso unerheblich sein wie eine gelegentliche (Mit-)Nutzung durch den Eigentümer oder Hauptmieter selbst, weil solche „Einsprengsel“ das Gesamtbild einer gewerblichen Kurzzeitvermietung nicht beeinflussen.

Die Wohnungen werden im Ergebnis also als Ferienwohnungen genutzt.
bb) Genehmigungspflicht
Die als Ferienwohnung genutzten Wohnugen werden im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften genutzt, wenn für diese Nutzungsänderung eine Baugenehmigung erforderlich ist und nicht vorliegt.
Nach dem VG Berlin liegt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor, wenn

sich die neue Nutzung von der bisherigen (legalen), durch die Baugenehmigung dokumentierten Nutzung dergestalt unterscheidet, dass sie anderen oder weitergehenden bauordnungs- oder bauplanungsrechtlichen Anforderungen unterworfen ist oder unterworfen sein kann, also die der bisherigen Nutzung eigene, gewisse Variationsbreite verlassen wird und durch die Veränderung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können.

Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die streitgegenständlichen Wohnungen erfüllt:

Das ist für eine Nutzung als gewerbliche Ferienwohnung im Verhältnis zur gewöhnlichen Wohnnutzung ersichtlich der Fall (vgl. nur VGH München, Beschluss vom 4. September 2013 – 14 ZB 13.6 -; VG Schwerin, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 2 A 621/11 -). Die Nutzung durch Feriengäste ist gegenüber der „normalen“ Wohnnutzung typischerweise andersartig; ihr Nebeneinander kann zu städtebaulichen Konflikten führen, weil damit Unruhe in ein Wohngebiet getragen wird (so ausdrücklich OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. November 2013 – 1 LA 49/13 -; VGH München, Beschluss vom 4. September 2013 – 14 ZB 13.6 -).

Die nach §§ 60 Abs. 1, 62 Abs. 2 Nr. 1 BauO Bln für die Nutzungsänderung erforderliche Baugenehmigung liegt nicht vor.
Die Wohnungen werden im Ergebnis im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften genutzt.
b) Ermessen
Auf der Rechtsfolgenseite dürfte die Untersagungsverfügung schließlich nicht ermessensfehlerhaft sein. Dies erscheint hier zunächst insoweit unproblematisch, als eine Untersagungsverfügung (anders als eine Beseitigungsverfügung) bei (nur) formeller Illegalität ergehen kann. Anderenfalls würde das bauordnungsrechtliche Genehmigungsverfahren weitgehend unterlaufen und könnte das formelle Baurecht seine Ordnungsfunktion nicht mehr erfüllen.
Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn, wenn die streitige Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist oder unter Bestandsschutz steht oder wenn bei atypischen Fallgestaltungen ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip vorliegt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Mai 2007- OVG 2 S 26.07 -).
Das Gericht verneint in der vorliegenden Konstellation einen solchen Ausnahmefall. Der offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit steht nach Ansicht des Gerichts entgegen, dass

wegen der von der Ferienwohnungsnutzung ausgehenden erheblichen Störungen ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot naheliegt.

Zur weiteren Begründung bezieht sich das Gericht auf zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts:

U. U. ist das Vorhaben bereits gebietsunverträglich, also aufgrund typisierender Betrachtungsweise mit der Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets nicht verträglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 B 8/13 -), weil allgemeine Wohnnutzung und Freizeitwohnen „grundverschieden“ sind (so BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 4 GN 7/12 -).

Auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt, mangels milderer Mittel, nicht vor:

Ebenso wenig erscheint die Nutzungsuntersagung unverhältnismäßig. Mildere Mittel als eine (vollständige) Untersagung der Nutzung als Ferienwohnungen sind nicht ersichtlich.

Die Untersagungsverfügung stellt sich damit im Ergebnis als offensichtlich rechtmäßig dar.
3. Besonderes Vollzugsinteresse
Das bei einer Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderliche besondere Vollzugsinteresse sieht das Gericht schließlich auf der Grundlage folgender Erwägung als gegeben an:

Es liegt ein besonderes Vollzugsinteresse insbesondere wegen der Besorgnis einer negativen Vorbild- oder Nachahmungswirkung vor. Es ist geboten, die rechtswidrigen Zustände umgehend zu beenden, um die Ordnungsfunkti-on des formellen Baurechts zu sichern und zugleich den wirtschaftlichen Anreiz für illegale Nutzungsänderungen gegenüber einer sonst möglichen Ausnutzung des Suspensiveffektes von Widerspruch und Klage möglichst effektiv zu minimieren. Zudem liegen zahlreiche Nachbarbeschwerden wegen Lärmbelästigungen vor

III. Fazit
Ein interessanter Fall zu § 80 Abs. 5 VwGO, der sich gut für Klausuren des ersten und zweiten Staatsexamens eignet. Da der Sachverhalt relativ einfach und schnell erzählt ist, scheint der Fall auch für ein Prüfungsgespräch nicht ungeeignet, zumal § 80 Abs. 5 VwGO und bauordnungsrechtliche Grundlagen gerne auch zum Gegenstand mündlicher Prüfungen gemacht werden.
Die Originalentscheidung enthält zudem noch einige Passagen, die zum einen eher die tatsächliche Ebene betreffen. Dabei geht es um die Frage, ob die Antragstellerin richtige Adressatin der Untersagungsverfügung war (sie hatte geltend gemacht, die Vermietung sei doch eine dritte GmbH erfolgt) und ob die Verfügung inhaltlich hinreichend bestimmt war. Zum anderen enthält die Entscheidung noch eine teilweise übereinstimmende Erledigung und einen weiteren Antrag, der sich gegen eine Zwangsgeldandrohung richtet. Insgesamt also reichlich Themen, die sie für das zweite Staatsexamen besonders interessant machen. Die Lektüre der Originalentscheidung ist insoweit also durchaus zu empfehlen.

25.03.2014/2 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2014-03-25 09:00:302014-03-25 09:00:30VG Berlin: Ferienwohnungen im allgemeinen Wohngebiet unzulässig
Zaid Mansour

VG Neustadt: „Nichtmedizinischer Massagesalon“ im allgemeinen Wohngebiet unzulässig

Baurecht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Startseite, Verwaltungsrecht

Mit Beschluss vom 04.07.2012 (Az. 3 L 571/12.NW) hat das VG Neustadt die Versagung einer  baurechtlichen Genehmigung und ein entsprechendes Nutzungsverbot zum Betrieb eines „nichtmedizinischen Massagesalons“ in einer im allgemeinen Wohngebiet gelegenen  Eigentumswohnung für rechtmäßig erklärt.
I. Sachverhalt
Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Wohnung in einem größeren Wohngebäude in Ludwigsburg, welches in einem allgemeinen Wohngebiet liegt. Sie beantragte bei der zuständigen Behörde die Erteilung einer Baugenehmigung (Baunutzungsänderung) für die Errichtung eines „nichtmedizinischen Massagesalons“ in ihrer Wohnung. Die Antragstellerin nahm die entsprechende Nutzung auf ohne die behördliche Entscheidung abzuwarten. Nach einer Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit, lehnte die zuständige Behörde die Genehmigung ab und untersagte der Dame mit sofortiger Wirkung die (horizontal)gewerbliche Nutzung, da es sich um einen Prostitutionsbetrieb handele. Dagegen ersuchte die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz vor dem VG Neustadt. Nach ihrem Dafürhalten handele es sich bei der von ihr ausgeübten Tätigkeit nicht um Prostitution.
II. Inhalt

Zunächst stellt das VG Neustadt richtigerweise fest, dass es sich vorliegend jedenfalls um eine prostitutionsähnliche Nutzung der Wohnung handelt, da die von der Antragstellerin im Internet offerierten „erotischen Ganzkörper-Entspannungsmassagen“ auch der sexuellen Erregung und Befriedigung dienten. Bei der Einstufung der Betriebsform ist ein weiter Prostitutionsbegriff zugrunde zu legen, wonach unter Prostitution die Vornahme sexueller Handlungen – mit in der Regel – wechselnden Partnern gegen Entgelt, zu verstehen ist. Der Begriff der sexuellen Handlung umfasst dabei „alle Modalitäten und Varianten der den jeweiligen Partner sexuell stimulierenden Betätigungen“ (OVG Berlin, Beschluss vom 09.04.2003 – Az. 2 S 5.03). Die Würdigung der Gesamtumstände muss ergeben, dass es sich nicht um ein Studio für Wellnessmassagen mit lediglich untergeordnetem erotischen Einschlag handelt. Entscheidend ist allein das Gesamtgepräge der Lokalität, insbesondere kommt es bei der Einstufung der Betriebsform nicht auf anderslautende Bezeichnungen des Gewerbetreibenden an. Beispielsweise hat in einem anderen, ähnlich gelagerten Fall, ein findiger Bordellbetreiber ein bestandkräftiges Verbot zur Nutzung eines Gebäudes als Bordell, dadurch zu umgehen versucht, indem ein „Verein für zwischenmenschliche Beziehungen“ gegründet wurde. Die dort als „Wochenmitglieder“ tätigen Damen verrichteten mit den als „Tagesmitgliedern“ bezeichneten Kunden „gemeinsame Meditationen“ gegen Entgelt. Das entscheidende Gericht stufte die Einrichtung als bordellartigen Betrieb ein und wertete dieses Vorgehen als untauglichen Umgehungsversuch des Nutzungsverbots (VGH Mannhein, VBlBW 1999, 461).
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich im vorliegenden Fall nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO. In Einklang mit der bisherigen Rechtsprechungspraxis kommt das VG Neustadt zu dem Ergebnis, dass eine derartige gewerbliche Nutzung in einem Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO weder allgemein noch ausnahmsweise nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig ist, da dies dem Gebietscharakter zuwiderlaufe. Dies folge aus der prinzipiellen Unvereinbarkeit mit dem bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens sowie den städtebaulichen Ordnungszielen, die einem Wohngebiet zugrunde liegen. Bei typisierender Betrachtung sei davon auszugehen, dass derartige Betriebe die Wohnruhe erheblich stören und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen die Schwelle der Gebietsverträglichkeit überschreiten. Dies wird mit den generell negativen „milieubedingten“ Auswirkungen solcher Etablissements auf das das Wohnumfeld prägende soziale Klima begründet (so etwa OVG RP, Beschluss vom 15.01.2004 – Az. 8 B 11983/03). Ob und inwieweit der in Rede stehende Betrieb bereits konkrete Störungen der Wohnruhe verursacht hat ist dabei unerheblich (VGH Mannheim, NVwZ-RR 1998, 550).
Auch die Einführung des Prostitutionsgesetzes vermag, trotz der möglicherweise daraus ableitbaren generellen Änderungen der sozialethischen Wertungen im Zusammenhang mit der Prostitution, kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Der Wandel sozialethischer Vorstellungen hat keinen entscheidenden Einfluss auf das städtebauliche Leitbild eines allgemeinen Wohngebiets und auf die negative Auswirkungsprognose von Bordellen und Wohnungsprostitution auf das Wohnumfeld (OVG RP, Beschluss vom 15.01.2004 – 8 B 11983/03).
III. Fazit
Im Ergebnis verdient der Beschluss des VG Neustadt, auch mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Betrieben zum Zwecke der Prostitution in allgemeinen Wohngebieten, Zustimmung. Zu einem anderen Ergebnis hätte man möglicherweise gelangen können, wenn die Wohnung der Antragstellerin in einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO gelegen hätte.

§ 6 Mischgebiet
(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.
(2) Zulässig sind
1. Wohngebäude,
2. Geschäfts- und Bürogebäude,
3. Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbe,
4. sonstige Gewerbebetriebe

Dabei sollte wegen des unterschiedlichen Störungspotentials unterschieden werden, ob es sich um einen bordellartigen Betrieb oder um die Ausübung sog. Wohnungsprostitution handelt. Das BVerwG bejaht das Vorliegen von Wohnungsprostitution, wenn die Wohnung von ein bis max. zwei Prostituierten sowohl dauerhaft zum Wohnen, als auch zur Verrichtung ihrer gewerblichen Tätigkeit genutzt wird. Wesensprägendes Merkmal ist dabei also, dass das Wohnen und die gewerbliche Tätigkeit „Hand in Hand“ gehen und das Ganze über einen längeren Zeitraum vollzogen wird. Kennzeichnend für das Wohnen ist eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts (Stühler, NVwZ 2000, 990 (993)). In derartigen Konstellationen kann nicht per se davon ausgegangen werden, dass solche Betriebe dem gebietsprägenden Wohncharakter zuwiderlaufen, da von solchen Einrichtungen typischerweise eben keine „milieubedingten“ Unruhen ausgehen, sodass es bezüglich der Frage, ob derartige Etablissements das Wohnen in einem Mischgebiet nicht wesentlich stören, auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt. Um einen – auch in einem Mischgebiet i.S.d. § 6 BauNVO bauplanungsrechtlich unzulässigen – bordellartigen Betrieb handelt es sich hingegen, wenn die Wohnung entweder nur zur Terminwahrnehmung oder nur für eine kurze Zeitspanne von den dort tätigen und in regelmäßigen Abständen ausgetauschten Personen (mindestens drei) gewerblich genutzt wird (dazu umfassend: Stühler, NVwZ 2000, 990).
Das Baurecht wird aufgrund der vielfältigen Klausurkonstruktionsmöglichkeiten immer wieder gerne in den staatlichen Pflichtfachprüfungen abgefragt. Gerade die vorliegende Konstellation eignet sich vortrefflich als Gegenstand einer mündlichen Prüfung.
 

17.07.2012/4 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2012-07-17 10:05:592012-07-17 10:05:59VG Neustadt: „Nichtmedizinischer Massagesalon“ im allgemeinen Wohngebiet unzulässig

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