Die Juristerei gilt gemeinhin als sehr „trockenes“ Fach, dass sich dem Außenstehenden nur schwer erschließen kann. Auch wenn man dem als Jurist selbst nicht uneingeschränkt zustimmen möchte, zeigen sich doch stets aufs neue Fälle, die aufgrund ihres Themas und der Herangehensweise zum Schmunzeln und Kopfschütteln anregen.
Ein sehr schönes Beispiel ist hier der heute vom OLG Düsseldorf entschiedene Fall Flecki vs. Paula. Zur Einstimmung hier einige Auszüge aus dem Urteil der Vorinstanz:
Das Muster ist insgesamt geprägt durch die in einer grob unregelmäßigen Spirale angeordneten, fleckenartigen Flächen und die ausgeprägte, zweifarbige Gestaltung der Deckschicht. Soweit die Verfügungsklägerin behauptet, der Anteil der hellen Creme sei deutlich geringer, widerspricht dies den hinterlegten Abbildungen des Verfügungsgeschmacksmusters, wonach das Mengenverhältnis sich jedenfalls in einem relativ ausgewogenen Bereich von ungefähr 40% der hellen Masse zu 60% der dunklen Masse bewegt, was insbesondere auch für die Deckschicht gilt.[…]
Auch eine getupfte […] Masse konnte man dem Formenschatz schon entnehmen. Insoweit kann zwar bezüglich des […] deutschen Geschmacksmusters 40502143-0001 (Anlage AG 15) nicht davon ausgegangen werden, dass diese Gestaltung schon zuvor den Fachkreisen bekannt gemacht worden ist. Eine Tupfengestaltung kann der informierte Benutzer aber der Europäischen Patentschrift EP 0 853 888, die am 22.071998 veröffentlicht wurde, entnehmen. Sie zeigt wie pürierte Früchte tupfenförmig in eine milchbasierte Masse eingebracht werden können.[…]
Allerdings unterscheidet sich das Verfügungsgeschmacksmuster von diesen Mustern deutlich dadurch, dass die von unten bis oben durchgezogenen Spiralen beim Verfügungsgeschmacksmuster in sich unregelmäßig sind und sich in der Weise von den gleichmäßigen Spiralen der vorbestehenden Formen abheben, dass hier der Eindruck eines nur kurz, etwas grobschlächtig und langsam und nicht von einer präzisen Maschine, sondern von Menschenhand ausgeführten Rührvorgangs entsteht.[…]
Auch ist das Merkmal 4 bei der angegriffenen Ausführungsform festzustellen, wobei sich insoweit bei genauerer Betrachtung eine Abweichung deshalb ergibt, weil dem angegriffenen Produkt die dynamisch-quirlige diagonal hochgezogene Ausrichtung fehlt, die das Verletzungsgeschmacksmuster aufweist. Die Massen sind hier eher in Form unregelmäßiger großer Fleckenbereiche übereinander angeordnet mit dazwischen liegenden schmaleren Stegen. Dadurch wird ein statisch-ruhiger Gesamteindruck erweckt, der eher der Zeichnung eines Kuhfells entspricht als einer umgerührten Masse.[…]
Dem schließt sich eine Beschreibung eines vergleichbaren Produkts an:
Bei identischer Farbgebung der einzelnen verstrudelten Massen ähneln sich zwar die bei der Verstrudelung gezeichneten Muster einer Art unterschiedlich dicker Flecken. Hierin erschöpfen sich aber die Übereinstimmungen. In der Seitenansicht sind die einzelnen Massen in „Flecki“ gegeneinander durch unschärfere Konturen abgegrenzt als diejenigen in „Paula“. Das Produkt „Paula“ weist klar begrenzte Flecken auf, die wie Inseln in einer andersfarbigen Masse liegen und einander nicht berühren. Demgegenüber haben die einzelnen Felder in „Flecki“ dadurch eine Verbindung zueinander, dass es sich um Flecken und Stege handelt, wobei sich, anders als bei „Paula“, auch gelegentlich Schlieren bilden. Insgesamt wird daher bei Flecki ein eher schlierenartiger Gesamteindruck hervorgerufen. Als Zeichnung eines Kuhfells ist die Verstrudelung in „Flecki“ in der Seitenansicht naturgetreuer und diejenige im Produkt „Paula“ mit der nahezu schachbrettartigen Optik von Flecken, die überwiegend eher regelmäßigen, leicht verzerrten Quadraten ähneln, stilisierter. In der Draufsicht bestehen ebenfalls augenfällige Unterschiede. Bei „Paula“ zieht sich die Fleckencreme bis zum oberen Rand des Produkts, so dass sich das Fleckenmuster auch in der Draufsicht zeigt. „Flecki“ verfügt demgegenüber über eine im Wesentlichen einfarbige Deckschicht, bei der bei einzelnen Produkten die andersfarbige Schicht nur in geringem Umfang am äußeren Rand nach oben dringt.
Zum krönenden Abschluss wird noch die Verpackung eingehend beschrieben:
Soweit auf den sich gegenüberstehenden Produkten jeweils eine Kuh abgebildet ist, so liegen deutliche Unterschiede in den Details der Zeichnungen vor. Während „Paula“ als fett stilisierte Kuh mit Sonnenbrille dargestellt wird, die sich mit sichtbarer Zunge genießerisch das Maul ableckt und deren Farben denjenigen des Puddings entspricht, zeigt das Etikett von „Flecki“ ein magere weiße Kuh mit Kuhglocke um den Hals und einem Blümchen im Maul. Insgesamt ist das Bild auf dem angegriffenen Produkt detailreich und unruhig, während das Bild des Produkts „Paula“ einen ruhigen und „coolen“ Gesamteindruck erweckt. Anders als „Paula“, die nicht nur durch die unnatürliche Form der ihr Fell kennzeichnenden Flecken hervorsticht, ist die Kuh des „Flecki“-Produkts unauffällig dargestellt. Sie nimmt weniger Platz auf dem Bild ein als „Paula“ und ist von anderen Bauernhoftieren umringt. „Paula“ hingegen steht dominant in der Mitte des Bildes, andere Tiere sind nicht wiedergegeben.
Wer noch nicht geahnt hat, worum es hier geht: Es ist ein Vergleich zweier Puddingsorten, wobei geprüft wird, ob der Pudding Flecki die Markenrechte des Puddings Paula verletzt. Das OLG Düsseldorf hat dies jetzt endgültig verneint.
Insgesamt zeigt sich, dass die Arbeit in einer Kammer für Markenrechte teilweise tatsächlich wenig spannend sein mag . Niemand möchte wohl auf 79 Randnummern zwei Puddingsorten detailliert miteinander vergleichen. Als Ausgleich winkt freilich der Genuß eines großen Süßigkeitenreservoirs, hatte sich das Gericht in der Vergangenheit schon öfters mit dem „Goldhase“, mit Toblerone, Schokolade, Bountyriegeln und anderen Süßwaren zu befassen. Aber auch über „den Wendler“ hatte das Gericht schon zu entscheiden (2a O 317/11). Wahrlich also eine Berufsmöglichkeit für Genießer – sowohl juristischer als auch kulinarischer Art. Entsprechende Richterstellen sind allerdings rar gesät, werden die Zuständigkeiten nach § 140 Abs. 2 MarkenG doch zentral an einem Landgericht gebündelt.