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Schlagwortarchiv für: Aktuelles

Dr. Gerrit Forst

BGH: Absolute Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung i.S.d. § 439 Abs. 3 BGB

Schuldrecht, Zivilrecht

Der 8. Zivilsenat hat sich am 14.1.2009 (VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660 = ZIP 2009, 376 = WM 2009, 524 = ZGS 2009, 186) zu der Frage geäußert, wie die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung bei § 439 Abs. 3 BGB zu definieren ist.
Sachverhalt
Der Käufer hatte von einem Baustoffhändler Bodenfliesen gekauft und diese selber eingebaut. Die Fliesen waren mangelhaft. Daraufhin verlangte der Käufer Nacherfüllung sowie Übernahme der für den Austausch der Fliesen erforderlichen Kosten. Der Beklagte erhob die Einrede nach § 439 Abs. 3 BGB. Das OLG Frankfurt (ZGS 2008, 315) verurteilte den Beklagten auf Übernahme der Kosten für die neuen Fliesen sowie die Kosten des Ausbaus und der Entsorgung der alten Fliesen.
Entscheidung
Der BGH lässt erkennen, dass er einem Anspruch des Käufers auf Ausbau der Fliesen (und dementsprechend auch Schadensersatzansprüche aus §§ 280, 281 BGB) ablehnend gegenüber steht, hält insoweit allerdings eine Vorabentscheidung des EuGH (Art. 234 Abs. 3 EG) darüber für erforderlich, ob die Ablehnung eines solchen Anspruches mit der RL 1999/44/EG vereinbar ist.
Weiter lässt der BGH die Entscheidung, ob der Ausbau geschuldet ist, offen, weil dem Anspruch die Einrede nach § 439 Abs. 3 BGB entgegenstehe. Als Faustregel gilt nach Auffassung des BGH, dass eine absolute Unverhältnimäßigkeit der Nacherfüllung gegeben ist, wenn die Kosten der Nacherfüllung 150% des Werts der Sache im mangelfreien Zustand oder 200% des mangelbedingten Minderwerts übersteigen würden. Diese Faustregel ersetze freilich nicht eine Wertung im Einzelfall.
Allerdings stellt sich dem BGH sodann das Problem, dass die RL 1999/44/EG die Einrede scheinbar nur dann gewährt, wenn die Nacherfüllung im Verhältnis zu der anderen Art der Nacherfüllung unverhältnismäßig wäre (relative Unverhältnismäßigkeit). Deshalb legt er dem EuGH als zweite Frage vor, ob § 439 Abs. 3 BGB mit der RL 1999/44/EG vereinbar ist.
Bewertung
Das Urteil ist äußerst examensrelevant, weil es nicht nur eine der streitigsten Fragen des neuen Schuldrechts behandelt, nämlich den Ersatz der Kosten für den Ausbau einer mangelhaften Sache, sondern weil auch die Europarechtskonformität des deutschen Umsetzungsrechts in Frage steht. Der deutsche Gesetzgeber könnte danach binnen kurzer Zeit gezwungen sein, das neue Kaufrecht aufgrund der Rechtsprechung des EuGH erneut zu ändern (s. zuletzt die Änderung des § 474 BGB infolge der EuGH-Rechtsprechung in der Rs. „Quelle“). Jeder Examenskandidat muss dieses Urteil und die damit verbundenen Rechtsfragen kennen! Solange der EuGH nicht entschieden hat, atmet hier allerdings alles große Unsicherheit.
S. auch: Unberath/Cziupka, JZ 2009, 313; Lorenz, NJW 2009, 1633 und AG Schorndorf, 25. Februar 2009, Az: 2 C 818/08.

18.08.2009/2 Kommentare/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2009-08-18 09:02:482009-08-18 09:02:48BGH: Absolute Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung i.S.d. § 439 Abs. 3 BGB
Dr. Gerrit Forst

Arbeitnehmerdatenschutz: Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Arbeitsrecht, Zivilrecht

Lidl soll seine Arbeitnehmer per Videokamera ausgespäht haben. Damit hat der Arbeitnehmerdatenschutz einen aktuellen Aufhänger, der sich im Schwerpunkt und in der mündlichen Prüfung bemerkbar machen kann.  Die Videoüberwachung von Arbeitnehmern hat schon mehrfach das BAG beschäftigt, zuletzt im August 2008.
Gesetzliche Grundlagen
Maßgeblich für die Zulässigkeit der Videoüberwachung ist zunächst die EG-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG. Diese ist allerdings „technologieneutral“ verfasst, so dass sich für die Videoüberwachung keine Besonderheiten ergeben. Die Richtlinie wurde in Deutschland mit dem BDSG umgesetzt.
Im Datenschutzrecht geht es häufig darum, widerstreitende Grundrechtspositionen in praktische Konkordanz zu bringen (dadurch lässt sich auch die Grundrechtsdogmatik sehr gut anhand diese Themas abprüfen). Dabei  geraten regelmäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer sowie das Eigentumsrecht und die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers in Konflikt. In Fällen, die das BAG zu entscheiden hatte, waren zudem Briefsendungen abhanden gekommen, so dass das Gericht auch das Postgeheimnis der Postkunden in die Abwägung mit einbeziehen musste.
Auf einfachgesetzlicher Ebene regeln § 6b BDSG und §§ 32, 38 BDSG die Videoüberwachung. Dabei ist die Unterscheidung zwischen der Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum und im nicht öffentlich zugänglichen Raum grundlegend.
Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum
§ 6b BDSG erfasst die Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum, er gilt auch für Arbeitsplätze, sofern diese im öffentlich zugänglichen Raum belegen sind. Öffentlich zugänglich ist ein Raum, wenn er durch den Berechtigten einem unbestimmten oder nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Personenkreis zur tatsächlichen Nutzung eröffnet worden (gewidmet) ist. Erfasst sind beispielsweise Bahnhöfe, Banken, Bibliotheken, Einzelhandelsgeschäfte, Friseursalons, Fußgängerzonen, Kaufhäuser, Kinos, Museen, Parkplätze, Parks, Restaurants, Tankstellen, Spielhallen, Stadien sowie Straßen und Wege. Eine Videoüberwachung ist hier zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Nach § 6b Abs. 2 BDSG ist die Videoüberwachung kenntlich zu machen, so dass eine heimliche Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum stets rechtswidrig ist.
Videoüberwachung im nicht öffentlich zugänglichen Raum
Im nicht öffentlich zugänglichen Raum will das BAG die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung ausschließlich (!) am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen (BB 2008, 2743, 2746, 2747) und nicht auf die §§ 32, 28 BDSG abstellen. Damit käme es zu einer unmittelbaren Grundrechtswirkung zwischen Privaten, die ganz überwiegend abgelehnt wird. Richtig ist es, auf die §§ 32, 28 BDSG abzustellen. § 32 BDSG ist lex specialis für den Arbeitnehmerdatenschutz. Daneben kann nach Auffassung der Bundesregierung § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG Anwendung finden (BT-Drucks. 16/13657, S. 34 f.). Praktisch bedeutsam ist vor allem die heimliche Videoüberwachung von Arbeitnehmern zur Feststellung von Straftaten, die eine Kündigung rechtfertigen. Sedes materiae hierzu ist § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG. Dieser kodifiziert nach Auffassung der Bundesregierung die Rechtsprechung des BAG in den Fällen NZA 2003, 1193 und BB 2008, 2743 (BT-Drucks. 16/13657, S. 35). Danach ist die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.
Betriebsrat ist zu beteiligen
Zu beachten ist, dass der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG der Einführung einer Videoüberwachung im Betrieb zustimmen muss. Bei einer Regelung durch Betriebsvereinbarung haben die Parteien das APR der Arbeitnehmer nach § 75 Abs. 2 BetrVG zu beachten (dazu BAG NZA 2004, 1281; NJOZ 2005, 2708; BB 2008, 2743).
Rechtsfolgen unzulässiger Videoüberwachung
Beachtet der Arbeitgeber diese Grundsätze nicht, besteht im Kündigungsschutzprozess ein Beweisverwertungsverbot für die Videoaufzeichnung (str.). Ferner können dem Arbeitnehmer Abwehr- und Unterlassungsansprüche nach §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog i.V.m. §§ 6b, 28, 32 BDSG zustehen. Zudem besteht die Gefahr einer Verwirklichung des Straftatbestandes des § 201a StGB.
Rechtsprechung: BAG, NZA 2003, 1193; NZA 2004, 1281; NJOZ 2005, 2708; BB 2008, 2743.
Literatur: Forst, RDV 2009, 204 ff.
S. auch:
Arbeitnehmerdatenschutz: Neuer § 32 BDSG tritt am 1.9.2009 in Kraft
§ 32 BDSG tritt heute in Kraft

Arbeitnehmerdatenschutz: Blutentnahme bei Bewerbern?

22.07.2009/4 Kommentare/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2009-07-22 08:26:092009-07-22 08:26:09Arbeitnehmerdatenschutz: Videoüberwachung am Arbeitsplatz
Samuel Ju

Der „Emmely-Prozess“ – außerordentliche (Verdachts-)Kündigung wegen 1,30 € ?

Arbeitsrecht

Der Emmely-Prozess erregte in letzter Zeit die Gemüter und zwar nicht nur unter Juristen – sogar eine ganze Anne-Will-Talkshow wurde diesem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg gewidmet. Das Urteil bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des AG Berlin und damit die außerordentliche Kündigung einer Kassiererin bei Kaiser’s, welche (angeblich) Pfandbons im Wert von 1,30 € „unterschlagen“ hatte.
Die Prüfungsrelevanz dieser Entscheidung kann angesichts der ausführlichen gesellschaftspolitischen Debatte nicht hoch genug geschätzt werden, zumal die Kündigungsschutzklage und auch die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung noch zum Standardwissen im „Nebenfach“ Arbeitsrecht zählen dürften. Auch in der mündlichen Prüfung dürfte dieser Fall bald in beiden Staatsexamina aufkreuzen.
Deshalb soll im Folgenden der Sachverhalt und das Urteil hier zusammengefasst werden. Zugleich werden die Voraussetzungen für eine außerordentliche (Verdachts-)Kündigung und das Schema für die Kündigungsschutzklage dargestellt.
Der Sachverhalt:
(nach AG Berlin, Urt. v. 21.08.2008 – 2 Ca 3632/08, BB 2008, 1954 sowie in zweiter Instanz LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.02.2009 – 7 Sa 2017/08, DB 2009, 625)
Die Kassiererin E arbeitet seit über 30 Jahren bei der Supermarktkette Kaiser’s. Der Arbeitgeber hegt den Verdacht, dass E zwei Pfandbons widerrechtlich eingelöst hat und so insgesamt 1,30 € unterschlagen oder durch Vorlage an der Kasse einen Betrug begangen hat. Für diesen Verdacht sprechen eine Reihe von Indizien: Im Supermarkt waren zwei Kundenbons (diese sind im Gegensatz zu Mitarbeiterbons nicht vorher abgezeichnet) im Wert von 0,48 € und 0,82 € gefunden und im Kassenbüro deponiert worden. Diese waren später nach einem Einkauf der E nicht mehr auffindbar. Eine andere Angestellte bestätigt, dass E bei einem Einkauf zwei Bons eingelöst hatte, von denen einer 0.48 € betrug und nicht abgezeichnet war. Ein „E-Journal“, das alle eingelösten Bons dokumentiert, bestätigt diese Vorgänge und auch, dass zeitgleich ein Bon im Wert von 0,82 € eingelöst wurde. Der Arbeitgeber K entlässt E nach weiteren Nachforschungen und einer vorherigen Anhörung, bei der sich die Vorfälle nicht definitiv aufklären ließen. Er begründet dies damit, dass er E nicht mehr als Kassiererin vertrauen könne. Außerdem müsse man in Anbetracht des großen Schadensausmaßes, welches durch Diebstahl und Unterschlagung seitens der eigenen Mitarbeiter dem Unternehmen jährlich entsteht, rigoros durchgreifen und in solchen Fällen auch bei geringen Schäden null Toleranz zeigen. Die E zeigte sich im Rahmen der Anhörung und im weiteren Verfahren wenig kooperativ, zum Teil beschuldigte sie ohne irgendeinen Beweis andere Mitarbeiter  oder behauptete, dass ihre Tochter ihr die Bons zugesteckt habe und ließ diese Anschuldigungen dann später wieder fallen. Auch sonst verstrickte sie sich teilweise in Widersprüche.
Die Voraussetzungen für eine außerordentliche (Verdachts-)Kündigung:
Eine außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB) erfordert in materieller Hinsicht neben einer wirksamen Kündigungserklärung (insoweit ist die Schriftform gem. § 623 BGB zu beachten; weiterhin lassen sich BGB AT-Probleme einstricken) vor allem einen wichtigen Grund für die Kündigung. Schließlich ist die Ausschlussfrist nach § 626 II BGB zu beachten.
Das Vorliegen des wichtigen Grundes wird dabei nach ständiger Rechtsprechung des BAG und der wohl hL in zwei Schritten geprüft: Zunächst ist zu fragen, ob der maßgebende Sachverhalt bzw. das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten „an sich“, also generell dazu geeignet ist, einen wichtigen Grund darzustellen. Danach ist eine umfassende Interessenabwägung des Einzefalls vorzunehmen, wobei vor allem die Schwere der Pflichtverletzung, der Verschuldensgrad, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter des Arbeitnehmers, die Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen, etc. zu berücksichtigen sind. Bei der Interessenabwägung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, die außerordentliche Kündigung darf demnach nur ultima ratio sein, d. h. es dürfen keine milderen Mittel als zumutbare Handlungsalternative zur Verfügung stehen.
Alle Voraussetzungen und somit auch den wichtigen Grund muss der Arbeitgeber beweisen. Dies ist aber mitunter sehr schwer. Gleichwohl kann das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien so nachhaltig erschüttert sein, dass eine Fortführung der Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. In einem solchen Fall kann eine sog. Verdachtskündigung greifen. Zwar ist es richtig, dass bei einer Verdachtskündigung letztlich der die Kündigung tragende Vorwurf nicht hinreichend seitens des Arbeitgebers bewiesen werden konnte. Andererseits genügt aber auch nicht jeder vage Verdacht; vielmehr muss ein „dringender“ Verdacht vorliegen, der sich auf objektive Tatsachen und nicht bloße Unterstellungen des Arbeitgebers stützen muss. Weiterhin muss es sich um einen schwerwiegenden Verdacht handeln, so dass allein dieser das Vertrauensverhältnis derart beeinträchtigt, dass eine weitere Zusammenarbeit dem Arbeitgeber nicht mehr zugemutet werden kann. Eine Straftat kann dabei nach der Rspr. stets einen solchen Fall darstellen, auch wenn letztlich nur geringe Schäden entstanden sind. Weiterhin erfordert eine wirksame Verdachtskündigung, dass der Arbeitgeber alle zumutbaren Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft hat, um den Sachverhalt bestmöglich aufzuklären. Insbesondere muss er dem Arbeitnehmer im Rahmen einer Anhörung die Chance geben, seinen Standpunkt darzulegen und den im Raum stehenden Verdacht zu entkräften. Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, stellt der Verdacht einen wichtigen Grund dar, eine Kündigung ist dann möglich.
Im Emmely-Fall war der übliche Vorgang (Anhörung etc.) beachtet worden. Eine Straftatsverdacht stellt auch „an sich“ einen wichtigen Grund dar (s.o.). Vor allem wird man angesichts der zahlreichen Indizien auch von einem dringenden Verdacht ausgehen können. Somit kam es im Fall maßgeblich auf die umfassende Interessenabwägung an. Insoweit betont das LAG Berlin-Brandenburg:
„In diese Interessenabwägung sind auf Seiten des Arbeitnehmers regelmäßig die Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter einzubeziehen. Auf Seiten des Arbeitgebers sind u.a. die Funktion des Arbeitnehmers im Betrieb und die Frage der Fortdauer des für das Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauensverhältnisses zu berücksichtigen. Auch generalpräventive Gesichtspunkte können auf Seiten des Arbeitgebers Gewicht erlangen. […] Dabei kann auch auf das Verhalten des Arbeitnehmers nach der Tatbegehung abgestellt werden, ob er beispielsweise die Tat einräumt, oder aber bei den Aufklärungsmaßnahmen des Arbeitgebers weitere Täuschungshandlungen begeht. Auf den Einzelfall bezogen war hier in der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Rahmen der arbeitgeberseitigen Aufklärung den Sachverhalt beharrlich geleugnet, den Verdacht haltlos auf andere Mitarbeiter abzuwälzen versucht hat und sich im Prozess entgegen § 138 ZPO zu maßgeblichem Sachvortrag wahrheitswidrig eingelassen hat. Dadurch war der Vertrauensverlust irreparabel geworden.“

21.04.2009/1 Kommentar/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2009-04-21 22:31:372009-04-21 22:31:37Der „Emmely-Prozess“ – außerordentliche (Verdachts-)Kündigung wegen 1,30 € ?
Dr. Stephan Pötters

Schadensersatzanspruch des Mieters, wenn der Vermieter einen Eigenbedarf vorgetäuscht hat

Mietrecht, Zivilrecht

Ein aktueller Fall aus dem Mietrecht mit weitreichenden Konsequenzen für die Praxis war jüngst Gegenstand einer BGH-Entscheidung.
Zum Sachverhalt: Die Klägerin (die Mieterin) verlangte vom Beklagten (dem Vermieter) Schadensersatz, nachdem sie aus der Mietwohnung ausgezogen war. Der Vermieter hatte ihr wegen angeblichen „Eigenbedarfs“ (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gekündigt. Kurze Zeit später bot er aber die Immobilie über einen Makler zum Verkauf an. Den Eigenbedarf hatte der Vermieter in der Kündigung entgegen § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht als Kündigungsgrund angeführt. Die Klägerin hatte sich später mit ihrem Vermieter über die Auflösung des Mietverhältnisses geeinigt.
Der BGH sprach der Klägerin einen Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) zu, sofern sie die Täuschung über den Eigenbedarf nachweisen kann (dies war noch streitig, der Fall wurde daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückgewiesen). Rechtsfolge kann dabei bspw. ein Anspruch auf Wiederbegründung des Mietverhältnisses als Form der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) sein. Denkbar wären z.B. auch Ersatzansprüche für die angefallenen Umzugskosten etc.
Bemerkenswert ist, dass dieser Anspruch auch nicht deshalb ausgeschlossen sein soll, weil die Kündigung wegen des Verstoßes gegen § 573 Abs. 3 BGB eigentlich unwirksam war. Auch die „einvernehmliche“ Auflösung sei unschädlich (anders urteilte insoweit noch die Vorinstanz). Nach dem BGH werde hierdurch weder der Schadensersatzanspruch ausgeschlossen, noch komme es zu einer Anspruchskürzung (nach § 254 BGB) wegen Mitverschuldens. Denn maßgebend soll gewesen sein, ob die Mieterin die Kündigung und das damit zusammenhängende Räumungsverlangen bei verständiger Würdigung für berechtigt halten durfte. Dies war hier der Fall, da die Mieterin erst später Anlass zum Zweifel am Eigenbedarf des Vermieters haben musste; mithin lag auch kein Mitverschulden vor.

20.04.2009/0 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-04-20 14:05:582009-04-20 14:05:58Schadensersatzanspruch des Mieters, wenn der Vermieter einen Eigenbedarf vorgetäuscht hat
Samuel Ju

The Fast and the Furious vor Gericht – Zur Strafbarkeit illegaler Beschleunigungsrennen

Strafrecht

Der folgende aktuelle Fall war in nahezu jeder Ausbildungszeitschrift zu finden. Dort wurde jeweils die besondere Examensrelevanz dieser BGH-Entscheidung mehrfach hervorgehoben – dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Daher eine kurze Zusammenfassung der Entscheidung des BGH (BGHSt v. 20.11.2008 – 4 StR 328/08, s. http://www.bundesgerichtshof.de/):
Sachverhalt:
Vier Jungen vom Bodensee führten mit zwei Autos ein Beschleunigungsrennen auf der B33 (autobahnähnlich ausgebaut) durch. Es trat dabei ein getunter Golf (Höchstgeschwindigkeit von etwa 240 km/h) gegen einen Porsche Carrera (Höchstgeschwindigkeit von etwa 300 km/h) an; jeweils mit einem Beifahrer. Die Beifahrer zählten – durch Handzeichen – von 3 auf 0 und die Fahrer beschleunigten die Pkws von 80 auf über 200 km/h, was von den Beifahrern gefilmt wurde.
Dann wurde ein weiterer Beschleunigungstest durchgeführt. Hierzu gab der Angeklagte S. aus dem Pkw Porsche heraus das Startzeichen und forderte den Angeklagten H. mit den Worten „Gib Gas“ oder „Los“ zum Beschleunigen auf.
Nach Beendigung dieses Rennens wechselten die Fahrzeuge die Fahrstreifen, um einen weiteren Beschleunigungstest durchzuführen; der Angeklagte B. fuhr nunmehr auf dem linken, der Angeklagte H. auf dem rechten Fahrstreifen. Zur Durchführung des Rennens verringerten die Angeklagten B. und H. zunächst die Geschwindigkeit von etwa 120 km/h auf ca. 80 km/h und zumindest J. -P. Sim. (das spätere Opfer) gab durch Handzeichen das Startsignal. Anschließend beschleunigten die Fahrer die Pkws. Das Rennen, das sowohl der Angeklagte S. als auch J. -P. Sim. wiederum filmten, wurde auch nach dem Erreichen einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h fortgeführt. Als das entsprechende Verkehrszeichen passiert wurde, hatte der vom Angeklagten H. gesteuerte Pkw Porsche eine Geschwindigkeit von mehr als 200 km/h, der vom Angeklagten B. gesteuerte Pkw VW erreichte schließlich eine Spitzengeschwindigkeit von 213 km/h. Beide setzten das Rennen fort, auch als vor ihnen auf dem rechten Fahrstreifen der vom Zeugen G. gesteuerte, mit vier Personen besetzte und knapp 120 km/h schnelle Pkw Opel Astra sichtbar wurde. Als der Zeuge die „von hinten auf ihn zuschießenden“ Fahrzeuge bemerkte, steuerte er sein Fahrzeug innerhalb des Fahrstreifens nach rechts (ein Standstreifen ist im dortigen Bereich der Bundesstraße nicht vorhanden), während der Angeklagte B. den VW auf dem linken Fahrstreifen zur Mittelleitplanke hin lenkte. Zugleich steuerte der Angeklagte H. den Porsche über die mittlere Fahrbahnmarkierung hinaus auf den linken Fahrstreifen, um das Fahrzeug des Zeugen G. ebenfalls überholen zu können. Während des Überholvorgangs befanden sich die drei Fahrzeuge zeitgleich nebeneinander, wobei der Abstand zwischen dem VW und dem Porsche etwa 30 cm betrug. Nach dem Überholvorgang erreichte der Pkw Porsche im Bereich der auf 120 km/h begrenzten Höchstgeschwindigkeit eine Geschwindigkeit von mehr als 240 km/h. „Die durch das gleichzeitige Überholen realisierte Gefährdung haben sie [die Angeklagten B. und H. ] bewusst verursacht und in Kauf genommen“.
Als sich die drei Fahrzeuge während des Überholvorgangs nebeneinander befanden, geriet das vom Angeklagten B. gesteuerte Fahrzeug mit den linken Reifen auf den Grünstreifen an der Mittelleitplanke. Bei dem Versuch, wieder auf die Fahrbahn zu gelangen, machte der Angeklagte B. eine zu starke Lenkbewegung, das von ihm gesteuerte Fahrzeug geriet ins Schleudern, kam rechts von der Fahrbahn ab, überschlug sich, prallte gegen ein Verkehrszeichen, schleuderte zurück gegen die Mittelleitplanke und kam schließlich nach etwa 300 Meter auf dem rechten Fahrstreifen zum Stehen, wo es in Brand geriet. Bereits vor dem Erreichen des Endstandes wurden die – nicht angeschnallten – Insassen aus dem Fahrzeug geschleudert. An den bei dem Unfall erlittenen Verletzungen verstarb J. -P. Sim. noch am selben Tag, der Angeklagte B. wurde schwer verletzt.
Die Angeklagten H. und S. , die den Unfall beobachtet hatten, fuhren zunächst weiter und kehrten nach dem Ende der vierspurigen Ausbaustrecke auf der Gegenfahrbahn zur Unfallstelle zurück.
Probelm: Strafbarkeit des Angeklagten B nach dem StGB:
I. Zunächst einmal recht eindeutig (+): Strafbarkeit nach § 315c I Nr. 2 b) StGB
1. Der B führte ein Fahrzeug im Straßenverkehr; er hat beim Überholen gegen Vorschriften der StVO verstoßen (§ 5 IV 2 StVO); dies geschah auch grob verkehrswidrig; durch diese Handlung kam es auch zu einer Gefährung von Leib und Leben sowie des PKWs des G (als Sache von bedeutendem Wert);
2. B handelte auch – bedingt – vorsätzlich und rücksichtslos,
3. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor.
II. Problem des Falles: § 222 StGB?
1. Tatbestand
a. Tod eines Menschen (+)
b. Handlung des B, Kausalität (+)
c. Sorgfalspflichtverletzung (+) wegen zahlreicher Verstöße gegen StVO
d. obj. Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit (+)
e. Objektive Zurechnung
Hier lag ein erster Problemschwerpunkt. Die Lehre von der obj. Zurechnung verlangt, dass der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im Erfolg realisiert hat. Dies ist nicht der Fall, wenn das Opfer sich selbst gefährdet und diese Selbstgefährung sich im Erfolg realsiert hat, sodass dies den Beitrag des Täters überlagert.
Zunächst musste daher die eigenverantwortliche Selbstgefährung von der einverständlichen Fremdgefährung abgegrenzt werden. Dies geschieht nach hM mittels dem Kriterium der Tatherrschaft. Nach dem BGH hatte hier nur der B als Fahrer Tatherrschaft. Die Beteiligung des Beifahrers und Opfers (Startzeichen, Filmen, Anfeuern) reichte nicht aus, um dessen Tatherrschaft zu begründen. Mithin ging der BGH von einer Fremdgefährung aus und bejahte die objektive Zurechnung, denn eine Fremdgefährung wird erst auf der Ebene der Rechtfertigung relevant (dazu sogleich).
Die Vorinstanz hatte die objektive Zurechnung noch verneint, da im vorliegenden Fall die Fremdgefährdung einer Selbstgefährdung in allen relevanten Punkten gleichstehe. Diese Ansicht geht auf Roxin zurück. Das Argument der Vorinstanz war, dass es mehr oder weniger vom Zufall abhing, wer Fahrer war, da alle vier Jungs in der Szene aktiv waren und abwechselnd am Steuer saßen. Der BGH lehnte dies ab, da nach seiner Ansicht es allein auf die tatsächliche Tatsituation, die letztlich zum Unfall führte, ankomme. Hier ist die aA aber meines Erachtens gut vertretbar.
2. Problematisch war sodann die Rechtswidrigkeit. Hier war eine Einwilligung des Opfers zu diskutieren. Der BGH verneinte auch dies. Zwar gelte § 216 StGB als Einwilligungssperre bei § 222 StGB nicht direkt (str.), jedoch könne man den §§ 228, 216 StGB den Rechtsgedanken entnehmen, dass in eine Lebensgefahr nicht wirksam eingewilligt werden könne (auch str.). Es bestehe ein allgemeines Interesse an der Erhaltung des Rechtsguts Leben. Eine Einwilligung in eine Todesgefahr sei daher sittenwidrig. Hier war alles vertretbar.
3. Die Schuld war wiederum unproblematisch.
Hier noch einmal aus dem Urteil die wichtige Passage zur Einwilligung:
„2. In seinen Tod oder in das Risiko seines Todes hat J. -P. Sim. auch nicht in rechtserheblicher Weise eingewilligt.“
a) Während Rechtsprechung und herrschende Lehre darin übereinstimmen, dass entsprechend § 216 StGB eine Einwilligung in den von einem anderen vorsätzlich herbeigeführten Tod grundsätzlich nicht strafbefreiend wirkt, die vorsätzliche (oder fahrlässige) Körperverletzung dagegen unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 228 StGB gerechtfertigt sein kann, werden die Zulässigkeit und Bedeutung der Einwilligung in eine Lebensgefahr nicht einheitlich beurteilt.
In der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde eine solche Einwilligung als grundsätzlich unbeachtlich angesehen, weil das Leben eines Menschen auch in § 222 StGB zum Schutz der Allgemeinheit mit Strafe bedroht sei und eine Einwilligung das mit einer fahrlässigen Tötung verbundene Handlungsunrecht nicht zu beseitigen vermöge (BGHSt 4, 88, 93; 7, 112, 114; BGH VRS 17, 277, 279; BGHZ 34, 355, 361; BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 – 4 StR 162/00). In neueren Entscheidungen – insbesondere zu § 227 StGB – hat der Bundesgerichtshof dagegen darauf abgestellt, dass bei einer Einwilligung in die (vorsätzliche) Körperverletzung die Grenze zur Sittenwidrigkeit jedenfalls dann überschritten sei, wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Tat der Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht werde. Für diese Eingrenzung spreche sowohl der Normzweck des § 228 StGB als auch die aus der Vorschrift des § 216 StGB abzuleitende gesetzgeberische Wertung. Sie begrenzten die rechtfertigende Kraft der Einwilligung in eine Tötung oder Körperverletzung, da das Gesetz ein soziales bzw. Allgemeininteresse am Erhalt dieser Rechtsgüter auch gegen den aktuellen Willen des Betroffenen verfolge (BGHSt 49, 34, 42, 44; 166, 173 f. = JR 2004, 472 m. Anm. Hirsch = JZ 2005, 100 m. Anm. Arzt). Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof auf die Fälle übertragen, in denen das spätere Opfer in das Risiko des eigenen Todes eingewilligt und sich dieses anschließend – im Rahmen des von der Einwilligung „gedeckten“ Geschehensablaufs – verwirklicht hat. Auch in diesen Fällen scheide eine Rechtfertigung der Tat durch die Einwilligung des Opfers bei konkreter Todesgefahr aus (BGHSt 49, 166, 175).
b) Für gefährliches Handeln im Straßenverkehr gilt nichts anderes. Zwar versucht der Gesetzgeber, den Gefahren des Straßenverkehrs durch besondere Verhaltensregeln – insbesondere in der Straßenverkehrsordnung – entgegenzuwirken; auch ist ein gefährliches Verhalten im Straßenverkehr allgemein untersagt (§ 1 Abs. 2 StVO). Dies führt jedoch nicht dazu, dass bei einem Verstoß gegen verkehrsbezogene Sorgfaltspflichten einer Einwilligung des Betroffenen in gefährdendes Verhalten eines anderen keinerlei rechtliche Bedeutung zukommt. Eine rechtfertigende Wirkung der Einwilligung in riskantes Verkehrsverhalten scheidet nur für diejenigen Tatbestände grundsätzlich aus, die zumindest auch dem Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs im Allgemeinen dienen (§§ 315 b, 315 c StGB). Bezweckt eine Vorschrift dagegen ausschließlich den Schutz von Individualrechtsgütern (wie §§ 222, 229 StGB), so verliert die Einwilligung ihre (insoweit) rechtfertigende Wirkung nur dort, wo die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten ist, also bei konkreter Todesgefahr, unabhängig von der tatsächlich eingetretenen Rechtsgutverletzung.
Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu. Ob bereits durch den mit hohen Geschwindigkeiten durchgeführten „Beschleunigungstest“ auf einer öffentlichen Straße mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h die drohende Rechtsgutgefährdung für die Insassen der an dem Rennen beteiligten Fahrzeuge so groß war, dass eine konkrete Lebensgefahr vorlag, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls lag eine solche Gefahr in der Fortsetzung des Rennens noch zu einem Zeitpunkt, als ein gleichzeitiges Überholen eines unbeteiligten dritten Fahrzeugs mit nicht mehr kontrollierbaren höchsten Risiken für sämtliche betroffene Verkehrsteilnehmer verbunden war. In eine derart massive Lebensgefahr konnte J. -P. Sim. bezogen auf seine Person nicht mit rechtfertigender Wirkung einwilligen und zwar weder allgemein zu Beginn der Fahrt in dem Sinne, dass er mit einer Durchführung des Rennens „um jeden Preis“ einverstanden war, noch in der konkreten Situation bei Beginn des Überholmanövers mit den sich deutlich abzeichnenden Gefahren.

14.04.2009/0 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2009-04-14 17:45:372009-04-14 17:45:37The Fast and the Furious vor Gericht – Zur Strafbarkeit illegaler Beschleunigungsrennen

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