Wir freuen uns sehr, einen Gastbeitrag von Nikolaus von Bar veröffentlichen zu können. Der Autor hat im Arzthaftungsrecht an der Universität Göttingen promoviert und ist derzeit Rechtsreferendar am KG in Berlin.
Der Bundestag hat am 9. März 2017 das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung verabschiedet. Die Bundesregierung hatte das Gesetz bereits vor einem Jahr beschlossen. Auch wenn das Gesetz erst am 1. Januar 2018 in Kraft treten wird, soll bereits jetzt auf die anstehenden Neuerungen im BGB hingewiesen werden.
I. Der Bauvertrag
Der Bauvertrag, der bisher unter den weiten Wortlaut des § 631 BGB subsumiert worden ist, soll künftig als eigener Vertragstypus in § 650a BGB wie folgt definiert werden:
(1) Ein Bauvertrag ist ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Für den Bauvertrag gelten ergänzend die folgenden Vorschriften dieses Kapitels.
(2) Ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks ist ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist.
Bei dem Bauvertrag gemäß § 650a BGB wird es sich auch künftig um einen Unterfall des Werkvertrages handeln. Titel 9 des Buchs 2 Abschnitt 8 des BGB wird insoweit neu gegliedert. Untertitel 1 des Abschnitts 8 soll in drei Kapitel (Allgemeine Vorschriften; Bauvertrag; Verbraucherbauvertrag) unterteilt werden. Die allgemeinen Vorschriften wie beispielsweise die Herstellungs- und die Vergütungspflicht gemäß § 631 Absatz 1 BGB oder die Abnahme gemäß § 640 BGB werden damit auch nach der Definierung des Bauvertrages im BGB auf diesen anwendbar sein. Die Abnahmefiktion gemäß § 640 Absatz 1 Satz 3 BGB wird künftig in abgeänderter Form in § 640 Absatz 2 BGB geregelt sein.
II. Das Anordnungsrecht des Bestellers
In § 650b Absatz 2 Satz 1 BGB wird dem Besteller eines Bauwerks ein Anordnungsrecht sowohl bezüglich des Werkerfolges, als auch bezüglich der Änderungen, die zur Erreichung des Werkerfolges (aus Sicht des Bestellers) notwendig erscheinen, zugesprochen. Zwar sollen die Parteien gemäß § 650b Absatz 1 Satz 1 BGB zunächst auf ein Einvernehmen hinwirken, bevor der Besteller einseitig von seinem Recht Gebrauch macht, ursprüngliche Vereinbarungen aus dem Bauvertrag abzuändern. Letztlich handelt es sich bei diesem Anordnungsrecht jedoch um eine Ausnahme von dem Grundsatz pacta sunt servanda.
Wendet der Besteller das Mittel der Anordnung an, dann kann der Unternehmer zwar die für den Mehraufwand erforderlichen Kosten verlangen (der Anspruch für die Mehrkosten ergibt sich dann aus §§ 631 Absatz 1, 650c Absatz 1 BGB), er ist jedoch im Gegensatz zu anderen Werkvertragstypen an die Anordnung des Bestellers gemäß § 650b Absatz 2 Satz 2 BGB gebunden. Der Beförderungsvertrag von Passagieren im Flugverkehr stellt dementgegen beispielweise auch einen Werkvertrag dar, Passagiere können dem Piloten jedoch nicht einseitig kurz vor der Landung in New York dazu auffordern, nach Miami zu fliegen.
In der Klausur könnte im Einzelfall argumentiert werden, dass es dem Unternehmer nicht zugemutet werden kann, der Anordnung des Bestellers nachzukommen. Ein solches Verweigerungsrecht wird in § 650 Absatz 2 Satz 2 BGB festgelegt, wobei die Schwelle nach der Gesetzesbegründung „unterhalb der des allgemeinen Leistungsverweigerungsrechts wegen Unzumutbarkeit (§ 275 Absatz 2 und 3) liegen“ soll. Was mit „unterhalb der Schwelle“ des allgemeinen Leistungsverweigerungsrechts wegen Unzumutbarkeit konkret gemeint ist, weiß nur der Gesetzgeber.
III. Verbraucherbauvertrag
Ist der Besteller des Baus eines neuen Gebäudes oder für die Vornahme von „erheblichen“ Umbaumaßnahmen ein Verbraucher, finden gemäß § 650h Absatz 2 BGB die für Verbraucherverträge geltenden ergänzenden Vorschriften dieses Kapitels Anwendung.
Für die Examensklausur ist in diesem Zusammenhang insbesondere § 650k BGB von Bedeutung. Hiernach steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu, soweit der Vertrag nicht notariell beurkundet worden ist. Der Unternehmer ist dazu verpflichtet, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu belehren. Die Widerrufsfrist beträgt dann gemäß § 355 Absatz 2 Satz 1 BGB 14 Tage. Unterbleibt die Belehrung über das Widerrufsrecht oder ist die Belehrung nicht ausreichend, dann beträgt die Widerrufsfrist gemäß §§ 356d, 355 Absatz 2 Satz 2 BGB 12 Monate und 14 Tage ab Vertragsschluss. Die Belehrung muss gemäß § 356d BGB den Anforderungen von Artikel 249 § 3 EGBGB genügen; sollte dies problematisch sein, würde sich hierzu in der Examensklausur ein Hinweis finden.
Hat der Verbraucher den Bauvertrag widerrufen, so hat er dem Unternehmer die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen zurück zu gewähren oder soweit dies wegen der Natur der Leistung ausgeschlossen ist, Wertersatz gemäß § 357d Satz 1 BGB zu leisten.
IV. Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung
Nach dem Gesetz soll in § 439 BGB ein Absatz 3 eingefügt werden:
(3) Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, nach seiner Wahl entweder selbst den erforderlichen Ausbau der mangelhaften und den Einbau der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache vorzunehmen oder dem Käufer die hierfür erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen.
Die Bundesregierung reagiert mit dieser Gesetzesänderung auf das Urteil des EuGH vom 16. Juni 2011. Dieser hatte entschieden, dass der Verkäufer einer beweglichen Sache im Rahmen der Nacherfüllung gegenüber dem Verbraucher verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen.
In der Klausur mussten seit diesem Urteil die Kandidaten in Anwendung der Rechtsprechung des BGH (der sogenannte „Fliesenlegerfall“ – BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 70/08, hier besprochen) § 439 Absatz 1 Alternative 2 BGB richtlinienkonform auslegen.
Der „Examensklassiker“ der richtlinienkonformen Auslegung wird damit wegfallen, wohingegen die Examensrelevanz des neuen § 439 Absatz 3 BGB diese Lücke füllen dürfte.
Dem Verkäufer steht künftig ein Wahlrecht zu, ob er den erforderlichen Ausbau der mangelhaften und den Einbau der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache vornimmt oder dem Käufer die hierfür erforderlichen Aufwendungen ersetzt. Dieses Wahlrecht des Verkäufers ist auf den Aufwendungsersatz beschränkt, wenn gemäß § 439 Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 BGB „berechtigte Interessen“ des Käufers einem Aus- und Einbau entgegenstehen oder gemäß Nr. 2 der Verkäufer nicht innerhalb einer vom Käufer gesetzten Frist erklärt, den Ein- und Ausbau selbst vorzunehmen.
In der Klausur wäre – sofern hierfür Hinweise bestehen – eine Abwägung zwischen dem Recht (der Gesetzgeber sieht hierin ein begünstigendes Recht und keine benachteiligende Pflicht!) des Verkäufers zur zweiten Andienung und dem entgegenstehenden „berechtigten Interesse“ des Käufers vorzunehmen.
V. Fazit
Es ist eine Frage des „Wann“ und nicht des „Ob“, dass die hier dargestellten Änderungen Gegenstand von Examensklausuren werden. Der Hang des Gesetzgebers, möglichst viele Einzelheiten im BGB zu regeln, führt auf den ersten Blick zu einer Flut undurchschaubarer neuer Regelungen. Bei näherer Betrachtung kommt diese Reform des Bauvertragsrechts und der Mängelhaftung den Kandidaten jedoch zu Gute. Nunmehr gilt es vermehrt, das geschriebene Gesetz anzuwenden, ohne auswendig gelernte Rechtsprechung darlegen zu müssen.