Wir freuen uns, einen Beitrag von Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M. (Harvard) zu einer aktuellen Entscheidung des AG Frankfurt a.M. veröffentlichen zu können. Der Autor ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit in Bonn.
Die Inserate in Internet und Illustrierten versprechen zuweilen viel: „Fett weg: 10 Kilo in 4 Wochen“. Man muss nur den ein oder anderen Shake trinken und sonst möglichst wenig zu sich nehmen, und schon klappt es. Das alles für einen stolzen Preis, aber dafür sind dann auch die Pfunde weg.
Manchmal – vielleicht oft – klappt das aber nicht. Und so einen Fall entschiede das Amtsgericht Frankfurt a. M., Urt. v. 22.03.2019, Az.: 31 C 2664/18 (23). Wegen Schlechtleistung wollte die Dickgebliebene die zweite Rate von 1.390 Euro nicht zahlen, die fällig war für eine vierwöchige Gewichtsabnahmeberatung, die eine regelmäßige Diätkontrolle unter Gabe von homöopathischen Mitteln (Shakes) umfasste.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat (auf knappen zwei Seiten Entscheidungsgründen) entschieden, dass durch die Annahme des Angebots zu einer Gewichtsabnahmetherapie im konkreten Fall aber kein Behandlungs-, sondern (lediglich) ein Dienstleistungsvertrag zustande gekommen sei. Gegenstand des geschlossenen Vertrages sei im konkreten Fall keine „medizinische Behandlung“ i.S.v. § 630a BGB gewesen, da weder die abstrakte Feststellung von Übergewicht an sich eine fachliche Qualifikation erfordere, noch ein individuelles Beschwerde- oder Leidensbild der Beklagten einer heilkundigen oder ernährungsberatenden Behandlung unterzogen worden sei. Bei dem damit vorliegenden Dienstleistungsvertrag sehe das Gesetz den Einwand der Schlechtleistung nicht vor (wie übrigens auch beim Behandlungsvertrag, s. § 630b BGB).
Was hätte die Beklagte machen können, um Ihren Einwand, sie sei dick geblieben, auch juristisch fruchtbar zu machen? Das Gericht weist auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen (§§ 280, 241 BGB) hin, die die Beklagte aber im Rechtstreit nicht im Wege der Aufrechnung einbrachte. Der Hinweis der Beklagten, der Vertrag sei sittenwidrig und deshalb nichtig, verfing ebenso nicht. Das mag alles reichlich teuer gewesen sein – man mag also ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bejahen. Das allein reicht aber nicht. Man kann auch teuer kaufen, wenn man das eben will und keine rechtserhebliche Trübung des Wilens vorliegt. Die bloße laesio enormis reicht nicht. Die Anwendung von § 138 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass in subjektiver Hinsicht der Wucherer (hier: die Klägerin) eines der dort genannten Defizite, also eine Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwächen bei seinem Vertragspartner ausbeutet. Das muss vorgetragen und ggf. nachgewiesen werden, und das war vorliegend nicht der Fall.
Bleibt die Anfechtung. War die möglich, etwa wegen Täuschung durch allzu vollmundige Versprechungen? Das Gericht sagt nein und betont, dass eine „erfolgreiche Anfechtung wegen arglistiger Täuschung neben einer objektiven Täuschungshandlung im Sinne einer Erregung, Verstärkung oder Unterhaltung eines Irrtums, der für die Willenserklärung des Getäuschten kausal werden muss, in subjektiver Hinsicht eine Arglist des Täuschenden – bzw. eines Dritten im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB – voraus[setzt]. Arglist liegt vor bei bewusst unwahren Angaben oder Verschweigen von Tatsachen, aber auch bei Angaben „ins Blaue hinein“, bei denen der Täuschende damit rechnet, dass sie falsch sein können. Die Beklagte hat indes nichts vorgetragen, was die konkrete Annahme eines solchen der Klägerin zurechenbaren Verhaltens rechtfertigen würde.“
Alles in allem also einige Rechtfragen, die auch im mündlichen Examen geprüft werden könnten, vor allem in Hessen, denn da hat die Justiz diese Entscheidung zum Urteil des Monats April gekürt. Zum Nachlesen siehe hier.
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