In einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. 9. 2008 (4 StR 359/08) ging es um die Frage, ob ein Diebstahl mit einem zur Gewaltandrohung geeigneten Mittel nach § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB vorliegt.
Sachverhalt
A entwendete in einem Einkaufsmarkt Waren im Gesamtwert von über 120 €. Dabei trug A unter seinem T-Shirt aufgehängt an einer Schnur einen Gegenstand bei sich, der den Anschein erwecken sollte, eine Waffe zu sein. Nachdem A nach dem Verlassen des Ausgangsbereichs von einem Marktmitarbeiter auf den Diebstahl angesprochen worden war, fragte er diesen: „Willst Du ein paar Kugeln abbekommen?” Gleichzeitig zog er sein T-Shirt hoch, so dass der oben beschriebene Gegenstand für den Marktmitarbeiter sichtbar wurde. Dieser hielt ihn für eine „scharfe Waffe”, fürchtete um sein Leben und gab die Verfolgung des A auf. Ein Zeuge sagt, es habe sich um eine „schwarze Waffe gehandelt, die mit einer Schnur am Abzug befestigt war und mit der Mündung nach oben zeigte“, dies ist jedoch nicht bewiesen.
Das Landgericht Essen hatte den A unter anderem wegen Diebstahls mit einem Werkzeug gem. §§ 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB bestraft. Zu Recht?
Entscheidung des BGH
Nach der Rechtsprechung des BGH sind „Werkzeug oder Mittel” i.S.d. § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB zwar grundsätzlich alle Gegenstände, die als Mittel zur Überwindung des Widerstands des Tatopfers mittels Gewalt oder Drohung geeignet sind. Sie müssen aber, sofern sie als Drohmittel eingesetzt werden (sollen), unter den konkreten Umständen ihrer geplanten Verwendung aus Sicht des Täters ohne weiteres geeignet sein, bei dem Opfer den Eindruck hervorzurufen, sie können zur Gewaltanwendung verwendet werden und deshalb gefährlich sein. Dies ist indes nicht der Fall, wenn der Gegenstand schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet ist, mit ihm auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken. Dann steht die Täuschung und nicht – wie erforderlich – die Drohung im Vordergrund. Diese Begriffsbestimmung gilt auch für § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB.
Die Richtigkeit der Angabe des Zeugen, es habe sich um eine „schwarze Waffe gehandelt, die mit einer Schnur am Abzug befestigt war und mit der Mündung nach oben zeigte” konnte im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen werden. Auf der Grundlage ist somit nicht erwiesen, dass der A bei dem Diebstahl ein „Werkzeug oder Mittel” im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB bei sich geführt hat. Daher ist zu Gunsten des A davon auszugehen, dass er bei objektiver Betrachtung nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich war.
Mithin hat das LG Essen den A zu Unrecht gem. § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB bestraft.
Zusätzliche Erläuterungen:
In diesem Kontext sei an den Strafrechts-Klassiker „Labello-Fall“ aus dem Jahr 1996 erinnert, der noch vor der Strafrechtsreform im Jahre 1998 spielte. Der § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. lautete wie folgt:
„Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raube eine Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand eines anderen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden.“
Unter Geltung des § 250 Abs. 1 Nr.2 StGB a.F. verneinte der BGH die Anwendbarkeit der Vorschrift in Fällen wie dem oben genannten, in denen der eingesetzte Gegenstand nicht nur – wie jede Scheinwaffe – objektiv ungefährlich war, sondern auch bereits als solcher offensichtlich ungefährlich erschien, so dass der Eindruck der Gefährlichkeit lediglich durch ein zusätzliches Täuschungselement erweckt wurde. Dem Wortlaut des § 250 Abs. 1 Nr.1b nach würden an sich auch Labellostift oder ein Plastikrohr erfasst sein. Nach der Gesetzesbegründung soll allerdings die bisherige Rechtsprechung auch bei der Neufassung berücksichtigt werden. Die Auslegung wird wohl weiterhin unter Berücksichtigung objektiver Kriterien wie dem äußeren Erscheinungsbild erfolgen.
BGH NStZ 2007, 332 ff: „Jedenfalls wird aber regelmäßig davon auszugehen sein, dass bei Verwendung eines objektiv ersichtlich ungefährlichen Gegenstandes, den das Opfer nicht oder nur unzureichend sinnlich wahrnehmen kann (und soll) das Täuschungselement im Vordergrund steht. Entsprechend dem gesetzgeberischen Willen erscheint es daher weiterhin gerechtfertigt, solche Gegenstände, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich sind, vom Anwendungsbereich des Qualifikationstatbestandes des § 250 I 1 b auszuschließen.“