Mit seinem Urteil vom 21.12.2012 hat das OLG Schleswig entschieden, dass ein Auftraggeber, der mit einem Handwerker vereinbart, dass die in Auftrag gestellten Arbeiten „ohne Rechnung“ erfolgen sollen, keine Mängelgewährleistungsrechte geltend machen kann (1 U 105/11). Angesichts des griffigen Sachverhalts, der zum Teil auf Bewährtem aufbaut, aber auch einige Neuerungen beinhaltet, ist die Entscheidung vor allem auch für eine mündliche Prüfung interessant.
Sachverhalt
Die Parteien schlossen einen Werkvertrag über Pflasterarbeiten. Für die Pflasterung der Auffahrt des Auftraggebers war ein Preis von EUR 1.800 vereinbart worden, wobei die Arbeiten ohne Rechnung erbracht werden sollten. Kurz nach Durchführung der Pflasterung traten Unebenheiten auf. Zwar bemühte sich der Auftragnehmer darum, diese Unebenheiten zu beseitigen, allerdings erfolglos. Ein Gutachten ergab, dass die Sandschicht unterhalb des eigentlichen Pflasters zu dick aufgetragen worden war und es aus diesem Grund zu den Unebenheiten kam. Der Auftraggeber verlangte nunmehr von dem Auftragnehmer die Kosten für die Beseitigung der Unebenheiten, die er mit rund EUR 6.000 bezifferte.
Nichtigkeit des Werkvertrages wegen Verstoßes gegen das SchwArbG
Nach Auffassung des OLG Schleswig haben die Parteien mit ihrer Abrede, dass eine Rechnung nicht erteilt werde, einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 SchwArbG begangen, was wiederum die Nichtigkeit des Werkvertrages nach sich ziehe. Der Verstoß sei deswegen vorhanden, weil die Abrede keine Rechnung zu erteilen/zu verlangen, die Vorbereitung einer Steuerhinterziehung darstelle. Dies wiederum habe unmittelbare Auswirkungen auf die Preisgestaltung, da der Preis infolge der nicht anfallenden Steuer niedriger ausfalle. Da aber der Preis essentieller Vertragsbestandteil sei, führe die Nichtigkeit dieses Teils der Abrede zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages.
Die Mitteilung des OLG Schleswig ist nicht sehr detailliert. Man wird aber annehmen können, dass das OLG sich hier in erster Linie auf § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwArbG berufen hat (das SchwArbG ist umfassend neugestaltet worden mit dem Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit v. 23.7.2004, BGBl. I S. 1842), da als Nichtigkeitsgrund die Vorbereitung der Steuerhinterziehung hervorgehoben ist. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwArbG geht davon aus, dass Schwarzarbeit im Sinne des Gesetzes geleistet wird, wenn Dienst- oder Werkleistungen erbracht werden oder ihre Ausführung gestattet wird und dabei die steuerlichen Pflichten nicht erfüllt werden, die die Person als Steuerpflichtigen aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen treffen. Es gibt eine Reihe solcher Pflichten, allen voran die Pflicht zur Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer (§ 41a EStG) und die Vorauszahlungspflicht bei der Umsatzsteuer (§ 18 UStG).
Das OLG sah es offenbar bereits als ausreichend an, dass die Abrede der Parteien dazu diente, eine Steuerhinterziehung vorzubereiten. Ob hier tatsächlich der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwArbG bereits erfüllt ist, also eine konkrete steuerliche Verpflichtung verletzt wurde, lässt sich der Mitteilung nicht entnehmen. Allein aus der Vorbereitungshandlung zur Steuerhinterziehung kann aber die Nichtigkeit nicht gefolgert werden, denn an diese knüpft das Gesetz nicht den Begriff der (unzulässigen) Schwarzarbeit, sondern an die Verletzung der Pflicht als Steuersubjekt. Da aber offensichtlich ist, wozu die Abrede diente, kann man wohl zumindest dahin argumentieren, dass bereits in dem Abschluss der Vereinbarung, die Leistungen ohne Rechnung zu erbringen, eine Verletzung einer steuerlichen Verpflichtung liegt, nämlich gegen die entsprechende steuerliche Dokumentationsverpflichtung.
Folgt man dem OLG Schleswig und bejaht einen Verstoß gegen das SchwArbG, so ist die Nichtigkeitsfolge richtig und konsequent. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass solchen Geschäften, die unter den im SchwArbG umschriebenen Umständen zustande gekommen sind, die rechtliche Wirksamkeit versagt werden soll. Dies erfolgt primär um das Allgemeinwohl zu schützen. Dieses wird in erster Linie deshalb negativ von Schwarzarbeit betroffen, weil es zu Ausfällen in der Sozialversicherung und im Steueraufkommen kommt.
Konsequenz: Ausschluss von vertraglichen Gewährleistungsansprüchen
Durchaus folgerichtig kommt das OLG Schleswig sodann zu dem Ergebnis, dass infolge der Nichtigkeitsanordnung des § 134 BGB eine vertragliche Grundlage für den gegenseitigen Leistungsaustausch entfallen ist, so dass Mängelgewährleistungsansprüche grundsätzlich nicht in Betracht kommen können. Damit befindet sich das OLG Schleswig im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, der sich ebenfalls bereits vor längerer Zeit in diesem Sinne geäußert hat (BGH v. 31.5.1990 – VII ZR 336/89, NJW 1990, 2542 f.).
Ausnahme: Fortbestehen von Ansprüchen auch ohne Vertrag
Schon der BGH in seiner o.g. Entscheidung und auch das OLG Schleswig erkennen an, dass die Nichtigkeitsanordnung im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen kann. Um dies zu vermeiden wird ein Ausgleich über § 242 BGB gesucht, der auch im Bereich unwirksamer Vereinbarungen Anwendung finden kann da dieser Grundsatz das gesamte Rechtsleben beherrscht (BGH v.23.9.1982 – VII ZR 183/80, BGHZ 85, 39, m.w.N.). Allerdings wurde dem Kläger im vorliegenden Fall auch dieser letzte „Rettungsanker“ versagt: So ist es schlechterdings nicht einzusehen, warum hier ausnahmsweise doch Ansprüche des Auftragsgebers wegen mangelhafter Ausführung bestehen sollen. Es ist das Risiko desjenigen, der sich sehenden Auges auf eine unwirksame Vereinbarung stützt, dass die Rechtsordnung ihm die Rechte versagt, die ihm zustünden, wenn er sich entsprechend den Vorgaben der Rechtsordnung verhalten hätte. Ein anderes Ergebnis würde dazu führen, dass der Auftraggeber, der an dem Verstoß gegen das SchwArbG mitgewirkt hat keine Sanktion im Hinblick auf das eigentliche Austauschverhältnis fürchten müsste (ggf. käme aber eine Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SchwArbG in Betracht).
In der Tat könnte man sich aber fragen, ob nicht die Gegenseite – also der Auftragnehmer – ihrerseits treuwidrig handelt, wenn er – um sich den Gewährleistungsrechten zu entziehen – auf die Nichtigkeit der Vereinbarung beruft. Problematisch ist ein solches Berufen nämlich deshalb, weil der Werkunternehmer, der seine Werkleistungen gerade unter Verstoß gegen die Vorschriften des SchwArbG erbracht hat, nicht fürchten braucht, weiteren Ansprüchen ausgesetzt zu sein, obwohl die Regelung sein Verhalten sanktionieren will. Letztlich handelt es sich hierbei aber nur um die Kehrseite des Umstandes, dass der Auftraggeber fürchten muss Gewährleistungsansprüche zu verlieren. Will man sie dem Auftraggeber versagen, muss man dem Auftragnehmer zubilligen, dass er hier zur Leistung nicht verpflichtet ist. Eine „Feinsteuerung“ kann hier weiterhin auf der Grundlage von § 242 BGB erfolgen, so dass Abweichungen bei besonderen Fallkonstellationen durchaus denkbar sind. Indes lagen solche Besonderheiten im Fall des OLG Schleswig nicht vor.
Andere in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen im Bereich der Schwarzarbeit
In Konstellationen, bei denen der Vertrag wegen eines Verstoßes gegen das SchwArbG unwirksam ist, kommen v.a. Rückabwicklungsansprüche in Betracht. Diese können im Einzelfall wirtschaftlich ein vergleichbares Ergebnis zu dem erreichen, was der Anspruchssteller in erster Linie erstrebt. Neben Ansprüche aus cic. sind hierbei vor allem zu denken an die Ansprüche aus GoA und Bereicherungsrecht. Es folgen dann die „klassischen“ Probleme , nämlich ob bei einem nichtigen Vertrag die Grundsätze der GoA in Betracht kommen (so der BGH) oder aber vorrangig Bereicherungsrecht anzuwenden ist (so die wohl h.L.). Gerade für die Frage, ob ein Werkunternehmer, der seine Werkleistungen unter Verstoß gegen das SchwArbG aber im Voraus erbracht hat, nicht doch einen „Werklohn“ verlangen kann, hat der BGH bereits in der Vergangenheit entschieden, dass zwar Ansprüche aus GoA ausgeschlossen sind (weil es sich bei den erbrachten Leistungen nicht um „erforderliche“ Aufwendungen gehandelt hat), wohl aber ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. BGB in Betracht kommt. Die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB hat er dabei gerade unter Berufung auf den oben erwähnten § 242 BGB nicht zur Anwendung gebracht (BGH v. 31.5.1990 – VII ZR 336/89, NJW 1990, 2542 f.).
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