Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Ansgar Kalle veröffentlichen zu können. Der Autor ist Wiss. Mitarbeiter am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Universität Bonn, Lehrstuhl Prof. Dr. Stefan Greiner.
Die hier zu besprechende Entscheidung des BGH (Urt. v. 30. Juli 2020 – Az. VI ZR 5/20 = NJW 2020, 2798) stellt die bislang jüngste Entscheidung des BGH zum Abgasskandal dar. Rechtsfragen des Abgasskandals werden seit Jahren intensiv erörtert und berühren mit dem Kauf- und dem Deliktsrecht Kernthemen des Zivilrechts. Dies macht das gesamte Thema äußerst examensrelevant.
Die hier zu erörternde Entscheidung rückt mit § 823 Abs. 2 BGB und § 826 BGB zwei examensrelevante Normen in den Vordergrund, die wegen ihrer Wertungsoffenheit viel Streit- und Argumentationspotential bergen. Sie enthält viel Lehrreiches zur Prüfung dieser Paragraphen.
1. Sachverhalt (verkürzt und vereinfacht)
Der Kläger erwarb im August 2016 einen gebrauchten VW Touran von der S-GmbH, die ein Autohaus betrieb. Der Dieselmotor des Fahrzeugs, Typ EA189, war von der beklagten VW-AG mit einer illegalen technischen Vorrichtung ausgestattet worden, die den Motor speziell für Messungen auf dem Prüfstand in einen besonders schadstoffarmen Modus schaltete. Nur in diesem Modus, also nicht im alltäglichen Fahrbetrieb, hielt das Fahrzeug die Grenzwerte der Euro 5-Norm ein.
Bereits im September 2015 hatte die Beklagte Mitteilungen veröffentlicht, in denen sie eingestand, dass der Motor des Typs EA189 mit der beschriebenen Vorrichtung ausgestattet war und dass man sich bemüht, den Vorfall in Kooperation mit den Behörden rasch aufzuklären. Im Oktober 2015 hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Beklagte dazu aufgefordert, bei den Fahrzeugen, die mit dem betroffenen Motor ausgestattet waren, in Zukunft einen rechtmäßigen Betrieb zu gewährleisten. Zu diesem Zweck entwickelte die VW-AG ein Software-Update, das die Vorrichtung deaktivierte. Dieses spielte sie u.a. beim Touran des Klägers auf.
Der Kläger begehrt nun von der VW-AG Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises zzgl. Zinszahlung Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs.
2. Anspruch auf Schadensersatz iHd. Kaufpreises aus § 823 Abs. 2 BGB wegen Schutzgesetzverletzung
Der erste Schwerpunkt des Falls liegt auf einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift knüpft an den Verstoß gegen ein Schutzgesetz an. Der BGH zog drei Schutzgesetze in Betracht.
a. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV
Zunächst stellte das Gericht auf zwei Normen aus der Kraftfahrzeuggenehmigungsverordnung ab: §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.
aa. Vorwort
In einer Klausur wird keinesfalls erwartet, dass diese exotischen Vorschriften bekannt sind. Sie wären abgedruckt, damit sie in der Klausur (erstmals) gelesen und ausgelegt werden (Beispiel bei Pohlmann/Scholz JA 2020, 574).
Zusammengefasst ordnen §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV an, dass ein Fahrzeug nur dann veräußert werden darf, wenn bescheinigt ist, dass es mit allen einschlägigen Vorschriften übereinstimmt. Zu den einschlägigen Vorschriften zählt insbesondere Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007, wonach Kraftfahrzeuge nicht mit Abschalteinrichtungen ausgestattet werden dürfen, die Emissionskontrollsysteme täuschen.
Die Prüfung des § 823 Abs. 2 BGB wirft regelmäßig drei Fragen auf, die in einer Klausur in aller Regel nacheinander gutachterlich beantwortet werden sollten.
- Liegt eine Schutznorm vor?
- Wurde die Schutznorm verletzt?
- Hat der Anspruchssteller einen Schaden erlitten, der kausal auf die Schutzgesetzverletzung zurückzuführen ist?
bb. Kausaler Schaden
Der BGH ging nicht auf die Fragen Nr. 1 und 2 ein, sondern wandte sich in seiner Entscheidung direkt der Frage Nr. 3 zu.
(1) Schaden
Um diese zu beantworten, ist zunächst zu prüfen, ob ein Schaden vorliegt. Der Kläger macht als Schaden den Abschluss des Kaufvertrags geltend. Er rügt also die Verletzung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in ihrer speziellen Ausprägung als wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht.
Als Schaden kommt jede unfreiwillige Einbuße an schadensersatzrechtlich geschützten Rechten, Gütern und Interessen in Frage. Ob eine Einbuße vorliegt, ist im Ausgangspunkt nach der Differenzhypothese zu ermitteln. Es ist also die gegenwärtige Vermögenslage mit der zu vergleichen, die ohne das schädigende Ereignis bestünde. Der Kläger müsste also darlegen, dass er den Kaufvertrag über den Touran nicht abgeschlossen hätte, wenn es nicht zur Schutzgesetzverletzung gekommen wäre.
Ob dies gelang, ließ der BGH offen, weil es aus seiner Sicht hierauf nicht ankam.
(2) Kausalität, insb. Schutzzweck der Norm
Stattdessen befasste sich das Gericht ausführlich mit dem Schutzzweck der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV. Beim Schutzzweck der Norm liegt häufig der Schwerpunkt von Klausuren zu § 823 Abs. 2 BGB. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB kommt nur dann in Frage, wenn das verletzte Schutzgesetz genau vor der Art von Schaden schützen will, die der Anspruchssteller geltend macht. Um dies zu klären, ist der Zweck der Schutznorm durch Auslegung präzise herauszuarbeiten.
Der BGH ging davon aus, dass §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV keinen Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts bezweckten. Hierfür fehlte es an Anhaltspunkten im Gesetz. Dementsprechend hielt das Gericht den geltend gemachten Schaden für nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst. Dieses Ergebnis hielt das Gericht für so eindeutig, dass es nach der Acte-claire-Doktrin auf eine Vorlage an den EuGH verzichtete. Zur Begründung verwies das Gericht auf seine vorangegangene Diesel-Entscheidung aus Mai 2020. Bereits dort hatte es den Anspruch am Schutzzweck §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV scheitern lassen (BGH, Urt. v. 25. Mai 2020 – Az. VI ZR 252/19 Rn. 76; s. auch unsere Urteilsbesprechung hier ). Leider hatte der BGH auch dort seine Sichtweise nicht näher erläutert.
Dies enttäuscht ein wenig, da in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum Gegenteiliges ausführlich begründet vertreten wird: Zum einen solle die von §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV geforderte Übereinstimmungsbescheinigung dem Käufer versichern, dass das Fahrzeug betrieben werden darf. Sie habe den Charakter einer Garantieerklärung. Daher schütze das Verbot des Handelns mit Fahrzeugen, denen diese Bescheinigung fehlt, Käufer davor, ein Fahrzeug zu erwerben, das nicht betrieben werden darf (LG Ingolstadt, Urt. v. 15. Mai 2018 – Az. 42 O 1199/17 = BeckRS 2018, 33798 Rn. 25-37; Artz/Harke NJW 2017, 3409, 3412 f.). Zum anderen sei wegen des Effektivitätsgebots (effet utile) und der großen Bedeutung der Übereinstimmungsbescheinigung für das europarechtlich geprägte Typgenehmigungsverfahren ein Individualschutz durch § 27 Abs. 1 EG-FGV gar nicht erforderlich. Nach den Grundsätzen der EuGH-Entscheidung in der Rs. Muñoz (EuGH, Urt. v. 17. September 2002 – Rs. C-253/00 = Slg. I 2002, 7289) müsse es für den Anspruch genügen, dass das Unionsrecht eine privatrechtliche Sanktion gebietet (Harke VuR 2017, 83, 84 f.).
Für die Sichtweise des BGH lässt sich jedoch anführen, dass es in der Tat schwer ist, dem § 27 Abs. 1 EG-FGV konkrete Anhaltspunkte für einen Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Käufers zu entnehmen. Das EG-FGV regelt das öffentlich-rechtliche Typengenehmigungsverfahren, in das der Käufer nicht eingebunden ist. Auch hätte die beschriebene Deutung der Rs. Muñoz einen beachtlichen Eingriff in die Dogmatik des § 823 Abs. 2 BGB zur Folge, dessen Notwendigkeit fraglich ist (ablehnend auch Armbrüster ZIP 2019, 837, 839 f.; Lorenz NJW 2020, 1924; Riehm DAR 2019, 247, 248 f.; skeptisch ebenfalls Gutzeit JuS 2019, 649, 656).
Folgt man an dieser Stelle dem BGH, scheiden §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV als Schutzgesetze aus.
b. Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007
Im Anschluss wandte sich der BGH der Frage zu, ob Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 als Schutzgesetz dem Kläger zu einem Anspruch verhelfen konnte.
Auch dies verneinte er, was angesichts der Bewertung der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV konsequent ist. Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 enthalte keine Anhaltspunkte dafür, dass sie das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht des Käufers schützen will. Ausweislich ihrer Erwägungsgründe diene die Richtlinie dem Umwelt- und Gesundheitsschutz. Das Effektivitätsgebot ändere hieran nichts. Laut der Rs. Muñoz könne dieses zwar gebieten, dass die Verletzung von Unionsrecht in einem Zivilprozess geltend gemacht werden kann, allerdings müsse der Betroffene hierfür durch die Norm geschützt werden. Die Rs Muñoz zwinge also nicht dazu, auf den Individualschutz des Schutzgesetzes zu verzichten. Da die VO keinen Individualschutz bezwecke, könne deren Verletzung daher keinen Schadensersatzanspruch nach sich ziehen.
Schließt man sich dem an, eröffnet auch Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 dem Kläger keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB.
c. Zu § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB
aa. Schwerpunkt: Verletzung des Schutzgesetzes
Im Anschluss stellte der BGH auf § 263 StGB als Schutzgesetz ab. Für § 263 Abs. 1 StGB ist anerkannt, dass es sich um ein Schutzgesetz handelt. Auch war der geltend gemachte Schaden zweifellos vom Schutzzweck der Norm umfasst. Daher kam es hier entscheidend darauf an, ob der Betrugstatbestand erfüllt war.
An dieser Stelle wäre in einer Klausur eine vollständige, gutachterliche Inzidentprüfung des § 263 Abs. 1 StGB geboten.
bb. Objektiver Tatbestand
Zu Täuschung und Irrtum gibt der Sachverhalt keine Informationen. Es sei an dieser Stelle unterstellt, dass beide Merkmale vorliegen. In einer Klausur sollte man bei diesen Merkmalen insbesondere an die Problembereiche Täuschung durch Unterlassen, Aufklärungspflichten und sachgedankliches Mitbewusstsein denken (eingehend Berg Jura 2020, 239, 240 f.; Isfen JA 2016, 1, 2 f.).
Die notwendige Vermögensverfügung nahm der Kläger dadurch vor, dass er mit der S-GmbH einen Kaufvertrag abschloss und sich dadurch zur Kaufpreiszahlung verpflichtete (Eingehungsbetrug).
Fraglich ist der Vermögensschaden. Ein solcher liegt vor, wenn die Verfügung nicht durch eine Gegenleistung kompensiert wird. Dies ist im Ausgangspunkt durch eine Saldierung der wechselseitigen Leistungen zu beurteilen. Als Kompensation kommt der Anspruch des Käufers auf Verschaffung des Fahrzeugs (§ 433 I 1 BGB) in Frage. Dieser Anspruch glich die Vermögensverfügung aus, wenn die Kaufsache ihr Geld wert war. Ein Vermögensschaden kann also nicht bereits darin erblickt werden, dass der Käufer einen Vertrag abgeschlossen hat, den er ohne Täuschung nicht abgeschlossen hätte. Das Merkmal „Vermögensschaden“ ist wegen des Bestimmtheitsgebots und des Analogieverbots enger auszulegen als der zivilrechtliche Schadensbegriff. An dieser Stelle wäre etwa zu klären, ob das Update zu einer Wertminderung führte oder ob ein Fall des subjektiven Schadenseinschlags vorlag. Der BGH ließ offen, ob ein Schaden vorlag, da er jedenfalls den subjektiven Tatbestand nicht für erfüllt hielt.
cc. Subjektiver Tatbestand
Im subjektiven Tatbestand ist das Merkmal der Bereicherungsabsicht problematisch. Diese liegt vor, wenn der Täter für sich selbst oder einen Dritten nach einem Vermögensvorteil strebt, auf den er keinen Anspruch hat und der mit dem Vermögensschaden stoffgleich ist. Da die Beklagte keinen Bezug zum Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der S-GmbH hatte, kommt nur eine Drittbereicherungsabsicht zugunsten der S-GmbH in Frage.
Zweifelhaft ist, ob die Beklagte nach einem stoffgleichen Vorteil der S-GmbH strebte. Stoffgleichheit liegt vor, wenn der Vermögensschaden des Opfers die unmittelbare Kehrseite des angestrebten Vermögensvorteils ist.
Aus Sicht des BGH fehlte es hieran: Die Beklagte wollte durch ihre Manipulation ihre Fahrzeuge günstiger produzieren und dadurch ihren Umsatz steigern. Dieses Ziel wurde bereits durch den Verkauf als Neuwagen erreicht. Ein späterer Weiterverkauf der Wagen als Gebrauchtfahrzeuge war der Beklagten daher egal. Deshalb lag keine Bereicherungsabsicht vor.
dd. Ergebnis
Gegen § 263 Abs. 1 StGB wurde nicht verstoßen. Daher fehlt es bereits an einer Schutzgesetzverletzung.
d. Ergebnis
Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB bestehen nicht.
3. § 826 BGB
Schließlich setzte sich der BGH mit einem Anspruch aus § 826 BGB auseinander. § 826 BGB erfordert eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Der Schwerpunkt der Prüfung liegt meistens beim Merkmal der Sittenwidrigkeit. So verhält es sich auch im Fall: Der BGH befasste sich im Wesentlichen damit, ob das oben beschriebene Verhalten der beklagten Herstellerin sittenwidrig war.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, das sich also durch eine besondere Verwerflichkeit auszeichnet. Um dies zu beurteilen, ist das gesamte Verhalten des Schädigers zwischen der ersten Schädigungshandlung und dem Schadenseintritt in den Blick zu nehmen.
a. Sittenwidrigkeit bei Kauf vor Bekanntwerden der Manipulation
Der BGH hatte bereits im Mai entschieden (BGH, Urt. v. 25. Mai 2020 – Az. VI ZR 252/19 = NJW 2020, 1962 Rn. 13-28), dass das Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit einer illegalen Abschalteinrichtung zur Manipulation von Abgastests sittenwidrig ist. Der Hersteller habe zum Zweck der Gewinnerzielung seine arglosen Kunden in großem Umfang vorsätzlich, systematisch und langjährig darüber getäuscht, dass die Fahrzeuge die gesetzlichen Vorgaben einhielten. Dabei habe er die Gefahr in Kauf genommen, dass den Kunden der Betrieb der Fahrzeuge untersagt wird.
b. Keine Sittenwidrigkeit bei Kauf nach Bekanntwerden der Manipulation
Diese Bewertung beschränkte der BGH nun im Juli jedoch auf Kunden, die ihre Fahrzeuge vor Bekanntwerden der Manipulationen gekauft haben. Bei Kunden, die ihre Wagen erst später erworben haben, sei eine abweichende Beurteilung geboten, weil bei diesen ein größerer Zeitraum in den Blick genommen werden könne.
Durch die Offenlegung des Vorfalls habe die Beklagte zum einen das Vertrauen der Kunden in die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge zerstört, also deren Arglosigkeit beseitigt. Zum anderen habe sie es aufgegeben, die Manipulation zu verschleiern. Stattdessen habe sie sich – wenn auch nur begrenzt freiwillig – um deren Aufklärung bemüht. Zudem habe sie eine Lösung entwickelt, um in Zukunft einen rechtmäßigen Betrieb der Fahrzeuge zu ermöglichen, um also die Folgen der Manipulation zu minimieren.
Wegen dieser Umstände sei das Verhalten der Beklagten insgesamt als nicht mehr sittenwidrig zu bewerten.
c. Zusammenfassung
Kunden, die ihr manipuliertes Fahrzeug vor Bekanntwerden der Manipulation erworben haben, wurden hierzu durch arglistige Täuschung, also durch ein sittenwidriges Verhalten der Herstellerin bewegt. Sittenwidrigkeit liegt vor, weil die Aufklärungs- und Verbesserungsbemühungen der Herstellerin für diese Kunden erst nach Schadenseintritt (Vertragsschluss) kamen, also zu spät, um im Rahmen der Sittenwidrigkeitsprüfung berücksichtigt zu werden. Deshalb können diese Kunden über § 826 BGB die Rückabwicklung ihrer Verträge erwirken.
Kunden, die ihr Fahrzeug demgegenüber erst nach Bekanntwerden der Manipulation erworben haben, haben keine Ansprüche aus § 826 BGB, weil hier auch die Aufklärungs- und Reparaturbemühungen der Herstellerin zu berücksichtigen sind, die den Sittenwidrigkeitsvorwurf insgesamt entfallen lassen.
d. Kritik und Alternativlösung
Es ist gut nachvollziehbar, dass der BGH nach dem Erwerbszeitpunkt unterscheidet. Jedoch tut er dies an einer fragwürdigen Stelle. Aus seiner Sicht hängt es vom Zeitpunkt des Kaufs ab, ob ein und dasselbe Verhalten, das Täuschen über die Manipulation, sittenwidrig ist oder nicht. Dies ist widersprüchlich und überspannt die bei § 826 BGB vorzunehmende Gesamtbetrachtung aller Fallumstände.
Treffender wäre eine Lösung über die Kausalität: Kauft jemand in Kenntnis der Manipulationsfälle ein Fahrzeug, kann er keinen Anspruch auf § 826 BGB darauf stützen, dass er das Fahrzeug gekauft hat, weil er auf das Nichtvorliegen einer Manipulation vertraut hat. Es fehlt also nicht an der Sittenwidrigkeit, sondern an der Kausalität zwischen Täuschung und Schaden (zutr. Arnold JuS 2020, 1076; Heese NJW 2019, 257, 262; Petzold NJW 2020, 1326, 1327).
4. Zusammenfassung
Wer einen Gebrauchtwagen nach Bekanntwerden der Dieselmanipulation kauft, kann hieraus keine Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 826 BGB ableiten.
Bei § 823 Abs. 2 sieht der BGH das Problem bei den Schutzgesetzen: Weder §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV noch Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 schützen das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht. § 263 Abs. 1 StGB scheitere an der Stoffgleichheit. Bei § 826 BGB fehle es an der Sittenwidrigkeit, weil beim Kauf erst nach Bekanntwerden der Manipulation die Aufklärungs- und Reparaturbemühungen zugunsten der Herstellerin zu würdigen seien.