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Schlagwortarchiv für: § 80 Abs. 5 VwGO

Gastautor

Versammlungsverbot an einem Tag des Gedenkens

Examensvorbereitung, Lerntipps, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Versammlungsrecht, Verwaltungsrecht

Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Marius Marquardt veröffentlichen zu können. Der Autor ist Jurastudent (5. Semester) im Schwerpunktbereich Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Konstanz.
 
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich ausgehend von einem Sachverhalt mit dem Versammlungsrecht und der Problematik des Verbots einer Versammlung an besonders geschützten Tagen. Neben der Behandlung dieses Problems aus dem besonderen Verwaltungsrecht wird ebenfalls auf den einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 80 Ab. 5 VwGO eingegangen.
Zur Aktualität der Problematik sei auf die Entscheidung des Thüringer OVG (3 EO 842/16) hingewiesen.
 
Sachverhalt

V meldet für seine Vereinigung „ Patriotische Deutsche für das christliche Abendland und gegen dessen Islamisierung“ eine Versammlung von 500 Personen am 09.11. an, bei der diese gegen die Bildungspolitik der Landesregierung Baden-Württemberg protestieren wollen.
Die Vereinigung hat bereits an anderen historisch sensiblen Daten solche Veranstaltungen angemeldet und letztlich doch gemäß ihrer rechtsextremen Gesinnung gegen Geflüchtete oder „die Stigmatisierung der Herrschaft unseres Führers“ demonstriert und die Teilnehmer* haben dies lautstark, insbesondere durch Sprechchöre, kundgetan (dies ist als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu unterstellen).
Die zuständige Behörde ordnete die Verlegung der Versammlung auf den 10.11. an, sowie die sofortige Vollziehbarkeit (diese ist als formell rechtmäßig zu unterstellen). Zur Begründung führte sie aus, dass an diesem Tag einige bereits genehmigte Veranstaltungen zum Gedenken an die im Rahmen des Naziregimes Ermordeten statt finde. Diesen Marsch würde die Versammlung insbesondere deshalb stören, weil Megafone dieses Gedenken unmöglich machen würden. Außerdem sei wegen anderer, in diesem Jahr bereits erfolgter Versammlung, die ebenfalls geltend machten ein unproblematisches Thema behandeln zu wollen letztlich doch in menschenverachtender Weise gegen bestimmte Gruppen demonstriert worden sei. Aufgrund dessen, dass die Vereinigung die Taten des Unrechtsregimes nicht verurteile, sondern sogar preise, sei das ethische und soziale Empfinden der Gesellschaft verletzt.
Der Verlegungsbescheid erging am 05.11., V fragt, ob die Anrufung eines Gerichts erfolgreich wäre.
Es ist davon auszugehen, dass dem 9.11. wegen der „Reichsprogromnacht“ ein eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt.

 
Gutachten
 
V könnte sich erfolgreich gegen den Verlegungsbescheid wehren, wenn ein Rechtsmittel zulässig und begründet wäre.
 
I. Zulässigkeit
1. Verwaltungsrechtsweg
Mangels aufdrängender oder abdrängender Sonderzuweisung, bleibt nur die Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Nach der modifizierten Subjektstheorie liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn die voraussichtlich streitentscheidende Norm öffentlich-rechtlich ist und dies ist dann der Fall, wenn zumindest auf einer Seite ein Träger hoheitlicher Gewalt als solcher berechtigt oder verpflichtet wird. Diese Norm ist hier § 15 VersG. Dadurch dass diese die Behörde berechtigt, zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einzugreifen, ist diese öffentlich-rechtlicher Art. Da sich vorliegend keine Verfassungsorgane um Verfassungsrecht streiten, ist der Streit doppelt verfassungsunmittelbar.
Der Verwaltungsrechtsweg ist daher eröffnet.
 
2. Statthaftes Rechtsschutzmittel
Angesichts dessen, dass die Versammlung innerhalb von 4 Tagen stattfinden soll, bleibt dem V nur der einstweilige Rechtsschutz. Fraglich ist, ob § 123 VwGO oder § 80 Abs. 5 VwGO anzuwenden ist. Dies hängt davon ab, welche Klage im Hauptsacheverfahren statthaft wäre.
Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Dadurch dass Versammlungen keiner Erlaubnis bedürfen, will sich V nur gegen die Verlegung der Versammlung richten. Dieser Bescheid könnte ein VA sein. Dadurch dass eine Behörde bezogen auf die konkrete Veranstaltung (Einzelfall) eine Regelung (Verlegungsanordnung) als hoheitliche Maßnahme traf, liegt ein solcher vor.
In der Hauptsache wäre die Anfechtungsklage statthaft, hier ist § 80 Abs. 5 VwGO einschlägig. 
 
3. Antragsbefugnis
Fraglich ist, ob V den Antrag für die Vereinigung stellen kann. Hierfür müsste er durch Art. 8 GG geschützt sein. Die Vereinigung ist eine inländische juristische Person. Gemäß Art. 19 Abs. 3 finden die Grundrechte hier entsprechend Anwendung, soweit sie ihrem Wesen nach anwendbar sind. Dadurch dass Art. 8 GG gerade die gemeinsame Versammlung schützt, ist dieses Grundrecht auf diese Vereinigung anwendbar, da sonst die dahinterstehenden natürlichen Personen ihr Grundrecht nicht effektiv ausüben könnten.
Als Adressat eines belastenden VA ist die Vereinigung antragsbefugt, da zumindest eine Verletzung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG möglich erscheint.
 
4. Rechtsschutzbedürfnis
Streitig ist, ob ein Vorverfahren nach § 80 Abs. 4 erforderlich ist. Dadurch dass § 80 Abs. 6 dies nur für einen bestimmten Fall anordnet (Anforderung von Kosten und Abgaben), ist davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist.
Problematisch ist außerdem, dass V keinen Widerspruch eingelegt hat. Ob dies erforderlich ist, ist umstritten. Angesichts dessen, dass die Erforderlichkeit zu einer Verkürzung der Widerspruchsfrist führen würde (statt einem Monat hätte V hier nur wenige Tage Zeit), ist dies abzulehnen. V muss keinen Widerspruch einlegen. Das gleiche gilt für die Erhebung der Anfechtungsklage, auch diese ist daher entbehrlich. Nach der anderen Ansicht wäre die Klage nicht unzulässig, Widerspruch und/oder Anfechtungsklage müssten nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben werden.
 
5. Antragsgegner, Beteiligten- und Prozessfähigkeit
Richtiger Antragsgegner ist der Rechtsträger der Behörde (§ 78 VwGO analog). Die Beteiligten- und Prozessfähigkeit ergibt sich für die Vereinigung aus §§ 61 Nr. 1, 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.
 
II. Begründetheit
Der Antrag ist begründet, wenn die Vollzugsanordnung formell rechtswidrig ist, oder das Aussetzungsinteresse des Einzelnen das öffentliche Interesse an der Vollziehung überwiegt. Letzteres ist der Fall, wenn sich in einer summarischen Prüfung [Anm.: Dies bedeutet keinesfalls eine nur oberflächliche juristische Prüfung sondern nur ein Absehen vom Grundsatz des Vollbeweises. Im ersten jur. Examen ist dies daher von geringer Bedeutung.] ergibt, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist (am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Interesse bestehen) oder dass kein besonderes Vollzugsinteresse besteht.
 
1. Formelle Rechtmäßigkeit der Vollzugsanordnung
Die Anordnung ist formell rechtmäßig, wenn die Behörde in der Begründung die wesentlichen Gründe für die Ermessensentscheidung im Einzelfall von der Regelwirkung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel abzuweichen angegeben hat, wobei nicht nur die Ausführungen des Hauptverwaltungsakts wiederholt werden dürfen. Da die Argumentation dennoch eine ähnliche sein kann, sind grundsätzlich keine zu hohen Anforderungen zu stellen.
Hiervon ist laut Sachverhalt auszugehen.
 
2. Rechtmäßigkeit des Bescheids
a) Ermächtigungsgrundlage
Beim Eingriff in ein Grundrecht ist eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich (Vorbehalt des Gesetzes, Wesentlichkeitstheorie).
Alle Deutschen haben gemäß Art. 8 Abs. 1 GG das Recht, sich ohne Anmeldung zu versammeln. Einschränkungen sind nach Art. 8 Abs. 2 GG nur durch oder auf Grund eines Gesetzes und nur für Versammlungen unter freiem Himmel zulässig. Eine Versammlung läge bei der Zusammenkunft von mindestens zwei Personen (str.) vor, die damit den Zweck verfolgen, an der öffentlichen Meinungsbildung teilzunehmen (str.). Entgegen dem Wortlaut ist „unter freiem Himmel“ keine Begrenzung nach oben, sondern eine zu Seite. Es kommt darauf an, ob die Veranstaltung von allen Menschen erreicht werden kann (öffentlich ist) oder ob sie nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich ist. Hier möchte V in der Stadt demonstrieren und somit liegt eine Versammlung unter freiem Himmel i.S.d. Art 8 Abs. 2 GG vor, da sowohl bei Zugrundelegung der Absichten die die Stadt unterstellt wie auch derer, die V vorträgt die Meinungsbildung beeinflusst werden soll.
Mangels Versammlungsgesetz des Landes bleibt nur das Bundesrecht. Hier kommt als Ermächtigungsgrundlage für Verbote oder Auflagen nur § 15 VersG in Betracht. Einschlägig könnte § 15 Abs. 2 Nr. 1, 2 VersG sein. Dieser spricht von Gedenkstätten, also Orten. Angesichts des Vorbehalts des Gesetzes scheidet eine Ausdehnung auf Gedenktage aus. Somit durfte die Behörde nur gemäß § 15 Abs. 1 VersG ein Verbot oder eine Auflage erteilen, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar gefährdet ist.
 
b) Formelle Rechtmäßigkeit
Mangels Sachverhaltsangaben ist davon auszugehen, dass die zuständige Behörde gemäß den Verfahrensvorschriften (insbesondere: Anhörung des V) den VA gemäß den Formvorschriften erlassen hat, er formell rechtmäßig ist.
 
c) Materielle Rechtmäßigkeit
Eine Versammlung i.S.d. § 15 Abs. 1 VersG liegt vor. Des Weiteren müsste eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestehen. Unter der öffentlichen Sicherheit versteht man die gesamte objektive Rechtsordnung, alle subjektiven Rechte sowie die Einrichtungen des Staates. Anhaltspunkt für eine Verletzung dieser Rechtsgüter liegen nicht vor.
Jedoch kommt eine Verletzung der öffentlichen Ordnung in Betracht. Dies ist die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, die nach den herrschenden sozialen und ethischen Anschauung unerlässliche Voraussetzung für ein geregeltes Zusammenleben in einer Gesellschaft sind und mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sind. Soweit einem bestimmten Tag ein eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, so darf bei einer Versammlung dieser Sinngehalt nicht in einer Weise angegriffen werden, die gleichzeitig die soziale und ethische Anschauung in erheblicher Weise verletzt (vgl.: BVerfG 6 C 1/13). Dieses Gedenken würde empfindlich gestört werden, wenn diese Veranstaltung von Reden via Megafon begleitet würde. Durch die Veranstaltung droht ein „Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes“ (BVerfG 1 BvQ 22/01) sodass Bürger eingeschüchtert werden können. Auch ein provozierendes Verhalten der Teilnehmer erscheint zumindest möglich. Die öffentliche Sicherheit ist daher betroffen.
Fraglich ist, ob eine Gefahr für die öffentliche Ordnung vorliegt. Darunter versteht man einen Sachverhalt, der bei ungehinderter Fortentwicklung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an der öffentlichen Ordnung führt. Je höher der Wert des geschützten Rechtsguts, desto eher liegt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vor. Bei der Beschränkung der Versammlungsfreiheit muss beachtet werden, dass die Gefahr nicht von der geäußerten Meinung selbst abhängen darf, sondern von der Art und Weise der Durchführung (BVerfGE 1 BvQ 9/01). Zur Art der Durchführung gehört auch die Wahl des Datums. Hiervon kann eine provozierende Wirkung ausgehen, denn es wird gezeigt, dass die Vereinigung „Patriotische[r] Deutsche[r] für das christliche Abendland und gegen dessen Islamisierung“ als rechtsextreme Vereinigung auch an solchen Daten demonstrieren kann. Des Weiteren ist das Verhalten der Vereinigung, die für ihre Veranstaltungen regelmäßig historisch sensible Daten wählt, rechtsmissbräuchlich. Der Vortrag, es sei eine bloß zufällige Häufung stellt sich als Schutzbehauptung dar, die auf Grund der tatsächlichen Durchführung bereits erfolgter Veranstaltungen nicht zu überzeugen vermag. Zwar wird ein allgemeinpolitischer Grund vorgeschoben, dieser ist jedoch wenig glaubhaft, sodass hier davon ausgegangen werden kann, dass die Versammlung eine eindeutig gegen das Gedenken gerichtete Stoßrichtung hat. Etwas anderes könnte sich nur ergeben, wenn die Gründe nicht vorgeschoben wären/ es hierfür nicht ausreichend Anhaltspunkte gäbe, denn dann wäre zu befürchten, dass eine von der, von den Teilnehmern vertretenen Meinung abhängige Entscheidung vorläge, was mit den grundsätzlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes (z.B. Meinungsfreiheit, Gleichbehandlungsgrundsatz) unvereinbar wäre. Dadurch dass die Vereinigung dies früher bereits getan hat und dabei die Art und Weise der Durchführung gegen die öffentliche Ordnung verstieß, ist die Gefahr auch keine bloße Unterstellung, sondern stützt sich auf Tatsachen. Das Argument, dass so jede Veranstaltung rechtsextremer Vereinigungen an historisch sensiblen Daten verhindert werden könne und insbesondere in der Rechtsprechung Anklang findet (vgl.: VG Trier 1 K 180/12.TR), ist nicht tragfähig: Wenn bei jeder Veranstaltung dieser Vereinigung an einem solchen Termin eine Gefahr für die öffentliche Ordnung vorliegt, kann sich aus dem ständigen rechtswidrigen Verhalten keine Besserstellung dieser Vereinigung ergeben. [Anm.: a.A. hier gut vertretbar; sofern man eine Gefahr für die öffentliche Ordnung ablehnt, sollte hilfsgutachtlich weiter geprüft werden.]
Fraglich ist des Weiteren, ob eine Auflage oder ein Verbot vorliegt, denn es ist umstritten, ob eine Gefahr für die öffentliche Ordnung ein Verbot oder nur Auflagen rechtfertigen kann. Im Brockdorf-Entschluss hatte das BVerfG entschieden, dass Verbote von Versammlungen nur zum Schutz wesentlicher Rechtsgüter in Betracht kommen. Eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung genüge regelmäßig nicht. Später ergänzte es diese Ansicht um den Aspekt, dass ein Verbot bei der Gefahr für die öffentliche Ordnung nur in Betracht kommt, wenn nicht auf die Meinung selbst (dann wären die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu beachten) sondern auf Art und Weise der Durchführung abgestellt wird. Insbesondere bei Veranstaltungen an Tagen, die dem Gedenken an den Holocaust oder allgemein dem Unrecht im Nationalsozialismus dienen sollen, sei auch bei einer Gefahr für die öffentliche Ordnung ein Verbot denkbar, die Einzelfallmaßnahme muss aber dem Gebot der Verhältnismäßigkeit gerecht werden. Daher kann eine Gefahr für die öffentliche Ordnung auch eine Verbot rechtfertigen und eine Abgrenzung der Verlegungsverfügung ist hier entbehrlich. 
Fraglich ist, ob die Maßnahme im Rahmen des Ermessens der Behörde lag. In Betracht kommt hier ein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit. Ein legitimer Zweck liegt in der Verhinderung der Gefahr für die öffentliche Ordnung. Die Verlegung ist geeignet dies zu erreichen, da an anderen Tagen, die nicht dem Gedenken dienen Meinungsäußerungen durch Megafone nicht geeignet sind die ethischen und sozialen Anschauungen zu stören. Die Maßnahme müsste aber auch erforderlich sein. In Betracht kommt etwa die Auflage, keine Megafone zu benutzen. Dies schränkt jedoch die Meinungsäußerung stark ein, da die Sprechenden dann von den Teilnehmern nicht mehr gehört werden können. Ob diese Maßnahme daher milder ist, kann stark bezweifelt werden. Außerdem sind Sprechchöre der Teilnehmer ebenso wahrscheinlich und kaum zu verhindern, stören das Gedenken aber ebenso. Eine mildere Maßnahme als die Verlegung gab es daher nicht. Im Rahmen der Angemessenheit ist insbesondere zu beachten, dass sich die Verfügung eher als Auflage darstellt. Die Wahl eines in naher Zukunft liegenden Datums betrifft weniger das Ob der Veranstaltung, sondern vielmehr das Wie [Anm.: wenngleich diese Abgrenzung oben nicht relevant war, so ist eine Auflage natürlich eher gerechtfertigt, als ein Verbot]. Die Veranstaltung wird nicht vollständig verboten, es wird lediglich eine Regelung in Hinblick auf die Zeit der Versammlung vorgenommen. Dadurch dass die erlaubte Versammlung der nicht gestatteten stark ähnelt und ohne weiteres wiedererkannt werden kann, wird nicht der Kern der Versammlung verändert. Auch indem die Veranstaltung direkt auf den nächstmöglichen Termin verlegt wird, an dem keine Störung der öffentlichen Ordnung vorliegt, ist die Maßnahme  angemessen.
 
c) Besonderes Vollzugsinteresse
Dadurch dass wegen der rechtshemmenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage  eine tatsächliche Verlegung nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erreicht werden kann, liegt das besondere Vollzugsinteresse vor.
Der VA ist formell und materiell rechtmäßig.
 
III. Ergebnis
Der zulässige Antrag ist unbegründet, er hat keine Aussicht auf Erfolg.
 
Literatur:
Detterbeck, Steffen: Allgemeines Verwaltungsrecht
Kopp, Ferdinand; Schenke, Wolf-Rüdiger: VwGO Kommentar (insbes. § 80)
Pieroth, Bodo; Schlink, Bernhard; Kniesel, Michael: Polizei und Ordnungsrecht (insbes. §§ 20ff.)
*Zur besseren Lesbarkeit wird nur die männliche Form verwendet, es ist stets auch die weibliche gemeint.

02.01.2017/17 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2017-01-02 11:00:012017-01-02 11:00:01Versammlungsverbot an einem Tag des Gedenkens
Redaktion

Schema: Der Antrag nach §§ 80 Abs. 5 S. 1, 80a VwGO

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Verwaltungsrecht

Antrag auf Anordnung/Wiederherstellung

der aufschiebenden Wirkung, § 80 V 1 VwGO, § 80a VwGO

A. Sachentscheidungsvoraussetzungen

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges, § 40 I 1 VwGO

II. Statthafte Antragsart

1. Antragsbegehren des Antragstellers, § 88 VwGO analog: Antragsteller muss die Suspendierung eines VA begehren

2. Statthafter Antrag

a)  Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 V 1 Alt. 1 VwGO) in den Fällen des § 80 II 1 Nr. 1-3 VwGO oder

b)  Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 V 1 Alt. 2 VwGO) in den Fällen des § 80 II 1 Nr. 4 VwGO oder

c)  Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung eines VA mit Drittwirkung durch den Begünstigten (§ 80a III 1, I Nr. 1 VwGO), falls der Nachbarrechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat oder

d)  Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung eines VA mit Drittwirkung durch den Nachbarn (§ 80a III 1, I Nr. 2 VwGO), falls der Nachbarrechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung (klassisch: § 212a I BauGB) oder

e)  Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung eines VA mit Drittwirkung des begünstigten Dritten (§ 80a III 1, II VwGO, falls der Rechtsbehelf des belasteten Adressaten aufschiebende Wirkung hat) oder

f)  Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung, § 80 V VwGO analog

III. Antragsbefugnis, § 42 II VwGO analog
Antragsteller muss die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte geltend machen.

IV. Antragsgegner, § 78 VwGO analog

V. Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO

VI. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

1. Erforderlichkeit eines vorherigen Rechtsbehelfes [(-), Wortlaut]

2.Vorheriger Antrag an die Behörde auf Aussetzung der Vollziehung [§ 80 IV VwGO, nur im Rahmen des § 80 VI iVm § 80 II 1 Nr. 1 VwGO erforderlich]

3.Rechtsbehelf in der Hauptsache nicht offensichtlich unzulässig (Frist)

B. Begründetheit

I. Nur bei Antrag nach § 80 V 1 Alt. 2  VwGO und § 80a III 1, I Nr. 2 VwGO: Formell ordnungsgemäße Anordnung der sofortigen Vollziehung

1. Zuständigkeit, § 80 II 1 Nr. 4 VwGO

2. Verfahren [Str.: § 28 VwVfG]

3. Form: Schriftform und Begründung, § 80 III 1 VwGO

II. Interessenabwägung
Antrag begründet, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt

1. Erfolgsaussichten in der Hauptsache

a) „Ernstliche Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des VA (in den Fällen des § 80 II 1 Nr. 1-3, 2 VwGO) oder offensichtliche Rechtswidrigkeit des VA (im Fall des § 80 II 1 Nr. 4 VwGO):  Antrag begründet

b) Offensichtliche Rechtmäßigkeit des VA

– Antrag i.d.R. unbegründet in den Fällen des § 80 II 1 Nr. 1-3, 2 VwGO (gesetzliche Wertung: Vorrang des Vollzugsinteresses, Ausnahme: Unbillige Härte)

– Im Fall des § 80 II 1 Nr. 4 VwGO: Str. ob zusätzlich Interessenabwägung erforderlich

2. Bei offenen Erfolgsaussichten

– Antrag i.d.R. unbegründet in den Fällen des § 80 II 1 Nr. 1-3, 2 VwGO (gesetzliche Wertung: Vorrang des Vollzugsinteresses)

– Im Fall des § 80 II 1 Nr. 4 VwGO: umfassende Abwägung der beteiligten Interessen


 
Das Schema ist entnommen von myjurazone.de.
Vertiefte Erörterungen zum Antrag nach § 80 V VwGO könnt ihr hier finden.

14.07.2016/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2016-07-14 11:00:552016-07-14 11:00:55Schema: Der Antrag nach §§ 80 Abs. 5 S. 1, 80a VwGO
Gastautor

Der einstweilige Rechtsschutz im Verwaltungsrecht – Formale Unterschiede zum Urteil und Tenorierungsbeispiele

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Wir freuen uns nachfolgend einen Gastbeitrag von Ass.iur. Susanne Münch veröffentlichen zu können. Der Beitrag beschäftigt sich mit den formalen Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes in verwaltungsrechtlichen Assessorklausuren.
 
1. Der einstweilige Rechtsschutz
Der einstweilige Rechtsschutz spielt im Assessorexamen eine sehr wichtige Rolle. Im Folgenden werden die wichtigsten formalen Anforderungen des Beschlusses dargestellt und einige Tenorierungsbeispiele zur Übung gegeben.
Sowohl über die Anordnung (bzw. Wiederherstellung) der aufschiebenden Wirkung im Zusammenhang mit einem Anfechtungsbegehren, §§ 80, 80 a VwGO, also auch über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO  wird im Wege des Beschlusses entschieden.
2. Im Unterschied zum Urteilsaufbau müssen folgende formalen Unterschiede beachtet werden:
a) Rubrum:
– Es wird nicht „im Namen des Volkes“ verkündet, da der Beschluss kein Urteil ist.
– Parteien heißen Antragsteller und Antragsgegner, nicht Kläger und Beklagter.
– Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit (§ 5 III S.2 VwGO).
 
b) Beschlussformel:
– Es wird „beschlossen“, nicht „entschieden“.
– Sie enthält einen Hauptausspruch und eine Kostenentscheidung; ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt nicht, da einstweilige Anordnungen per se vollstreckbar sind (§ 168 I Nr.2 VwGO; § 149 I VwGO).
– Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes wird in Klausuren i.d.R. erlassen (§ 53 III iVm § 52 I, II GKG).
 
c) Gründe:
– Kein Differenzierung in „Tatbestand und Entscheidungsgründe“; alles wird unter der Überschrift „Gründe“ abgehandelt:
I. (Sachverhaltsdarstellung)
II. (Entscheidungsgründe)
 
d) Rechtsmittelbelehrung:
– Die Beschwerde nach §§ 146, 147 VwGO.
 
e) Tenorierungsbeispiele:
(1) Der Antrag nach § 80 V VwGO hat keinen Erfolg: „Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.“
 
(2)  Die Stadt S erlässt gegen A eine Untersagungsverfügung und erklärt diese für sofort vollziehbar. A erhebt Widerspruch und beantragt mit Erfolg vorläufigen Rechtsschutz: „Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom (…) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom (…) wird wiederhergestellt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.“
 
(3) Die Stadt S erlässt gegen A eine Untersagungsverfügung und erklärt diese ohne Begründung für sofort vollziehbar (Vollziehungsanordnung formell rechtswidrig). A erhebt Widerspruch und beantragt vorläufigen Rechtsschutz: „Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids der Antragsgegnerin vom (…) wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.“
Anm. (str.): Nach h.M. wird hier gerade nicht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt, sondern nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben; danach kann die Stadt S (mit Begründung) erneut die sofortige Vollziehung anordnen.
 
(4) Die Stadt S erlässt gegen A einen Abschleppkostenbescheid. A legt Widerspruch ein. Die Stadt S hält den Abschleppkostenbescheid kraft Gesetzes für sofort vollziehbar und will nun die Forderung eintreiben. A, der den Bescheid nicht für sofort vollziehbar kraft Gesetzes hält, beantragt vorläufigen Rechtsschutz: „Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des A gegen den Bescheid der Stadt S vom (…) aufschiebende Wirkung hat. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.“
Anm.: Die Kosten einer Ersatzvornahme oder einer unmittelbaren Ausführung fallen nach h.M. weder unter § 80 II S.1 Nr.1 VwGO noch unter die Verwaltungsvollstreckung (also nicht unter § 20 AGVWGO). Hier droht also eine sog. „faktische Vollziehung“.
 
(5) Die Stadt S erteilt Gastwirt W eine Gaststättenerlaubnis. Nachbar N legt Widerspruch ein. Die Stadt S lehnt die von W beantragte Anordnung der sofortigen Vollziehung der Erlaubnis ab. W beantragt jetzt beim VerwG die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Erlaubnis. Das Gericht lädt N bei, N stellt keinen Antrag. W hat mit seinem Antrag Erfolg: „Die sofortige Vollziehung der Gaststättenerlaubnis der Stadt S vom (…) wird angeordnet. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.“
 Anm.: § 80a III iVm I Nr.1 VwGO
 
(6) Nachbar N erhält eine Baugenehmigung. W legt Widerspruch ein und beantragt erfolglos, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. W wendet sich an das VerwG. Dieses lädt N bei, der eine Ablehnung des Antrags beantragt. W hat keinen Erfolg: „Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragssteller trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.“
Anm.: Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 I VwGO. Es entspricht der Billigkeit i.S.v. § 162 III VwGO, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen dem Antragssteller aufzuerlegen, denn der Beigeladene hat sich durch seine Antragsstellung dem Risiko ausgesetzt, im Falle des Unterliegens gem. § 154 III VwGO mit Verfahrenskosten belastet zu werden.
 
(7) Die XYZ- Partei will in wenigen Tagen in der Stadthalle der Stadt S ihren Landesparteitag durchführen. Der Antrag hat Erfolg: „Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin am (…) die Stadthalle zur (…) zu überlassen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.“
Anm.: Regelungsanordnung
 
(8) Der Antragsteller möchte vor dem Hintergrund seiner beamtenrechtlichen Konkurrentenklage verhindern, dass der Beigeladene vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache befördert wird (nach einer Beförderung stünde seinem Anliegen der Grundsatz der Ämterstabilität im Wege). Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Der Antrag hat Erfolg.„Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache von der Beförderung des Beigeladenen abzusehen. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.“
Anm: Sicherungsanordnung

11.04.2014/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2014-04-11 09:00:552014-04-11 09:00:55Der einstweilige Rechtsschutz im Verwaltungsrecht – Formale Unterschiede zum Urteil und Tenorierungsbeispiele
Dr. Jan Winzen

VG Berlin: Ferienwohnungen im allgemeinen Wohngebiet unzulässig

Baurecht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite

Das VG Berlin hat in einer aktuellen Entscheidung vom 21.02.2014 (VG 13 L 274. 13) einen Eilantrag zurückgewiesen, mit dem sich der Eigentümer eines Wohnkomplexes in Berlin Pankow gegen eine Untersagungsverfügung des zuständigen Bezirksamts gewendet hatte.
I. Sachverhalt
Das streitbefangene mit einem mehrgeschossigen Wohnhaus bebaute Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. Die nähere Umgebung ist ganz überwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Ab dem Frühjahr 2013 gingen beim Antragsgegner (dem zuständigen Bezirksamt) widerholt Mieterbeschwerden ein. Gegenstand der Beschwerden waren u.a. nächtliche und am Wochenende erfolgende Lärmbelästigungen durch den Ein- und Auszug von Feriengästen, laute Musik, versehentliches Klingeln und den Lärm von Reinigungskräften. Bei bauaufsichtlichen Kontrollen vor Ort stellte der Antragsgegner fest, dass eine Reihe der insgesamt etwa 30 Wohnungen als Ferienwohnungen genutzt wurden. Daraufhin untersagte der Antragsgegner der Hauseigentümerin nach vorheriger Anhörung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Nutzung der „Ferienwohnungen“. Hiergegen hat die Antragstellerin am 27. November 2013 einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie macht geltend, die tatsächlich ausgeübte Nutzung halte sich im Rahmen der gewöhnlichen „Wohnnutzung“. Insbesondere liege kein Beherbergungsbetrieb vor. Davon abgesehen sei die Nutzungsuntersagung ermessensfehlerhaft.
II. Entscheidung des Gerichts
Das VG Berlin weist den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zurück.
Auf die Zulässigkeit des Antrags geht das Gericht in seiner vorliegenden Entscheidung zwar nicht ein. Im Examen sollte man aber zumindest kurz etwas zur Statthaftigkeit und zum Rechtsschutzbedürfnis sagen (siehe zur Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ausführlich hier).
In der Begründetheit prüft das Gericht die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung und die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung. Dies wäre in einer Klausur gutachterlich wie folgt darzustellen.
1. Obersatz
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO, gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn das private Aussetzungsinteresse (auch: Suspensivinteresse) der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung überwiegt. Dies richtet sich in erster Linie nach der (summarisch geprüften) Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ist der Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtswidrig, hat der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO Erfolg. Ist der Verwaltungsakt rechtmäßig, bedarf es darüber hinaus noch eines besonderen Vollzugsinteresses der Behörde.
2. Ermächtigungsgrundlage
Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung ist § 79 Satz 2 BauO Bln. Danach kann eine im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgende Nutzung von baulichen Anlagen untersagt werden (in anderen Landesbauordnungen finden sich gleichlautende Ermächtigungsgrundlagen).
a) Nutzung im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften
Eine Nutzung im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften läge jedenfalls dann vor, wenn die Wohnungen, für die nur eine gewöhnliche Wohnnutzung genehmigt ist, als Ferienwohnungen genutzt werden, ohne dass die für diese Nutzungsänderung erforderliche Baugenehmigung vorliegt.
aa) Definition „Nutzung als Ferienwohnung“
Eine Nutzung als Ferienwohnung ist nach dem VG Berlin gegeben, wenn

eine Wohnung ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt wird. Eine solche gewerbliche Kurzzeitvermietung stellt zwar regelmäßig (noch) keinen Beherbergungsbetrieb im bauplanungsrechtlichen Sinne dar, bildet aber eine eigenständige planungsrechtliche Nutzungsart, nämlich eine besondere Art der gewerblichen Nutzung, die von der gewöhnlichen Wohnnutzung zu unterscheiden ist. Darüber besteht soweit ersichtlich Einigkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Einigkeit besteht ferner darüber, dass der „vorübergehende“ Charakter des Aufenthalts nicht nur einen wenige Tage dauernden, sondern auch einen nach Wochen bemessenen Aufenthalt umfasst. Maßgeblich für die auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die den Begriff des Wohnens prägt, ist darüber hinaus nach Ansicht der Kammer, dass es bei den abgeschlossenen Mietverträgen typischerweise zu einer Anmeldung i. S. des Melderechts kommt.

Gemessen an diesen Kriterien spricht nach Ansicht des VG Berlin, bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung, alles dafür, dass die streitgegenständlichen Wohnungen als Ferienwohnungen i. S. der dargestellten obergerichtlichen Rechtsprechung genutzt werden. Das Gericht lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:

  • Die Auslobung der Wohnungen zur (auch) tageweisen Vermietung im Internet auf mehreren Webseiten sowie die aktenkundigen Beschwerden mehrerer Hausbewohner über die „in kurzen Intervallen“ an- und abreisenden Touristengruppen und die von diesen ausgehenden, konkret beschriebenen, Störungen stellen gewichtige Indizien dafür dar, dass eine gewerbliche Kurzzeitvermietung stattfindet.

  • Dasselbe gilt für die auf den Klingelschildern der entsprechenden Wohnungen angebrachten Fantasienamen (ohne entsprechenden Melderegistereintrag), den Wäscheservice (Wäschewechsel nach Ein- und Auszug, spezieller Kellerraum zur Lagerung der Wäsche) sowie die Informationsblätter in englischer Sprache, die ganz augenscheinlich für die Kurzzeitmieter bestimmt sind und u. a. eine „check-in time“ und „check-out time“ festlegen sowie einen Briefkasten angeben, in den der Wohnungsschlüssel bei Abreise einzuwerfen ist. Anmeldungen erfolgen offensichtlich nicht.

Der Einwand der Antragsstellerin, die ensprechenden Mietverträge sähen überwiegend eine Mietzeit von mehreren Wochen oder Monaten vor, greift nach Ansicht des Gerichts nicht durch,

da eine Nutzung als Ferienwohnung auch dann vorliegen kann, wenn die Nutzungsüberlassungen nicht lediglich tageweise erfolgen, sondern sich jeweils über mehrere Wochen erstrecken. Eine äußerste Grenze dürfte nach Ansicht der Kammer bei 12 Wochen zu ziehen sein. Dabei dürften einzelne Überschreitungen ebenso unerheblich sein wie eine gelegentliche (Mit-)Nutzung durch den Eigentümer oder Hauptmieter selbst, weil solche „Einsprengsel“ das Gesamtbild einer gewerblichen Kurzzeitvermietung nicht beeinflussen.

Die Wohnungen werden im Ergebnis also als Ferienwohnungen genutzt.
bb) Genehmigungspflicht
Die als Ferienwohnung genutzten Wohnugen werden im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften genutzt, wenn für diese Nutzungsänderung eine Baugenehmigung erforderlich ist und nicht vorliegt.
Nach dem VG Berlin liegt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor, wenn

sich die neue Nutzung von der bisherigen (legalen), durch die Baugenehmigung dokumentierten Nutzung dergestalt unterscheidet, dass sie anderen oder weitergehenden bauordnungs- oder bauplanungsrechtlichen Anforderungen unterworfen ist oder unterworfen sein kann, also die der bisherigen Nutzung eigene, gewisse Variationsbreite verlassen wird und durch die Veränderung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können.

Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die streitgegenständlichen Wohnungen erfüllt:

Das ist für eine Nutzung als gewerbliche Ferienwohnung im Verhältnis zur gewöhnlichen Wohnnutzung ersichtlich der Fall (vgl. nur VGH München, Beschluss vom 4. September 2013 – 14 ZB 13.6 -; VG Schwerin, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 2 A 621/11 -). Die Nutzung durch Feriengäste ist gegenüber der „normalen“ Wohnnutzung typischerweise andersartig; ihr Nebeneinander kann zu städtebaulichen Konflikten führen, weil damit Unruhe in ein Wohngebiet getragen wird (so ausdrücklich OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. November 2013 – 1 LA 49/13 -; VGH München, Beschluss vom 4. September 2013 – 14 ZB 13.6 -).

Die nach §§ 60 Abs. 1, 62 Abs. 2 Nr. 1 BauO Bln für die Nutzungsänderung erforderliche Baugenehmigung liegt nicht vor.
Die Wohnungen werden im Ergebnis im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften genutzt.
b) Ermessen
Auf der Rechtsfolgenseite dürfte die Untersagungsverfügung schließlich nicht ermessensfehlerhaft sein. Dies erscheint hier zunächst insoweit unproblematisch, als eine Untersagungsverfügung (anders als eine Beseitigungsverfügung) bei (nur) formeller Illegalität ergehen kann. Anderenfalls würde das bauordnungsrechtliche Genehmigungsverfahren weitgehend unterlaufen und könnte das formelle Baurecht seine Ordnungsfunktion nicht mehr erfüllen.
Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn, wenn die streitige Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist oder unter Bestandsschutz steht oder wenn bei atypischen Fallgestaltungen ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip vorliegt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Mai 2007- OVG 2 S 26.07 -).
Das Gericht verneint in der vorliegenden Konstellation einen solchen Ausnahmefall. Der offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit steht nach Ansicht des Gerichts entgegen, dass

wegen der von der Ferienwohnungsnutzung ausgehenden erheblichen Störungen ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot naheliegt.

Zur weiteren Begründung bezieht sich das Gericht auf zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts:

U. U. ist das Vorhaben bereits gebietsunverträglich, also aufgrund typisierender Betrachtungsweise mit der Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets nicht verträglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 B 8/13 -), weil allgemeine Wohnnutzung und Freizeitwohnen „grundverschieden“ sind (so BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 4 GN 7/12 -).

Auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt, mangels milderer Mittel, nicht vor:

Ebenso wenig erscheint die Nutzungsuntersagung unverhältnismäßig. Mildere Mittel als eine (vollständige) Untersagung der Nutzung als Ferienwohnungen sind nicht ersichtlich.

Die Untersagungsverfügung stellt sich damit im Ergebnis als offensichtlich rechtmäßig dar.
3. Besonderes Vollzugsinteresse
Das bei einer Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderliche besondere Vollzugsinteresse sieht das Gericht schließlich auf der Grundlage folgender Erwägung als gegeben an:

Es liegt ein besonderes Vollzugsinteresse insbesondere wegen der Besorgnis einer negativen Vorbild- oder Nachahmungswirkung vor. Es ist geboten, die rechtswidrigen Zustände umgehend zu beenden, um die Ordnungsfunkti-on des formellen Baurechts zu sichern und zugleich den wirtschaftlichen Anreiz für illegale Nutzungsänderungen gegenüber einer sonst möglichen Ausnutzung des Suspensiveffektes von Widerspruch und Klage möglichst effektiv zu minimieren. Zudem liegen zahlreiche Nachbarbeschwerden wegen Lärmbelästigungen vor

III. Fazit
Ein interessanter Fall zu § 80 Abs. 5 VwGO, der sich gut für Klausuren des ersten und zweiten Staatsexamens eignet. Da der Sachverhalt relativ einfach und schnell erzählt ist, scheint der Fall auch für ein Prüfungsgespräch nicht ungeeignet, zumal § 80 Abs. 5 VwGO und bauordnungsrechtliche Grundlagen gerne auch zum Gegenstand mündlicher Prüfungen gemacht werden.
Die Originalentscheidung enthält zudem noch einige Passagen, die zum einen eher die tatsächliche Ebene betreffen. Dabei geht es um die Frage, ob die Antragstellerin richtige Adressatin der Untersagungsverfügung war (sie hatte geltend gemacht, die Vermietung sei doch eine dritte GmbH erfolgt) und ob die Verfügung inhaltlich hinreichend bestimmt war. Zum anderen enthält die Entscheidung noch eine teilweise übereinstimmende Erledigung und einen weiteren Antrag, der sich gegen eine Zwangsgeldandrohung richtet. Insgesamt also reichlich Themen, die sie für das zweite Staatsexamen besonders interessant machen. Die Lektüre der Originalentscheidung ist insoweit also durchaus zu empfehlen.

25.03.2014/2 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2014-03-25 09:00:302014-03-25 09:00:30VG Berlin: Ferienwohnungen im allgemeinen Wohngebiet unzulässig
Dr. Jan Winzen

Die formell rechtswidrige Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Ö-Rechts-Klausur

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Im öffentlichen Recht gehören Klausuraufgaben zu § 80 Abs. 5 VwGO zum absoluten Standardrepertoire der Prüfungsämter. In Drittschutz-Situationen (insbesondere Nachbarstreitigkeiten im Baurecht) richtet sich der Eilrechtsschutz nach § 80 a Abs. 3 VwGO. Klausuren aus diesem Bereich sind sicher vergleichsweise seltener anzutreffen. Auch insoweit sollten die Grundlagen aber beherrscht werden, um Überraschungen zu vermeiden. Auf juraexamen.info findet Ihr bereits Lernbeiträge zu § 80 Abs. 5 VwGO (hier)  und § 80 a Abs. 3 VwGO (hier).

Der heutige Beitrag befasst sich nun mit einem Spezialproblem des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes, nämlich der formell rechtswidrigen Anordnung der sofortigen Vollziehung („Vollziehungsanordnung„) und ihrer Behandlung in der Examensklausur.

I. Regelungshintergrund

1. Wegfall der aufschiebenden Wirkung nach Maßgabe des § 80 Abs. 2 VwGO

Zum Einstieg nochmal ein Blick auf den Regelungshintergrund des § 80 VwGO: Widerspruch und Anfechtungsklage gegen belastende Verwaltungsakte haben aufschiebende Wirkung. Das folgt aus § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Macht der Betroffene von einem dieser Rechtsbehelfe Gebrauch, benötigt er deshalb grundsätzlich keinen besonderen Vollziehungsschutz (es sei denn, die Behörde gibt zu erkennen, dass sie die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs nicht beachten wird, dann kann § 80 Abs. 5 VwGO ebenfalls zur Anwendung gelangen). Diesen braucht er nur, wenn die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise nach Maßgabe des § 80 Abs. 2 VwGO entfällt. Die Tatbestände in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-3 VwGO betreffen jeweils Situationen, in denen dies von Gesetztes wegen der Fall ist (siehe zu den einzelnen Fallgruppen hier). Wichtigster und zugleich klausurrelevantester Fall ist aber § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Danach entfällt die aufschiebende Wirkung

in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.

Will die Behörde von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, muss sie die Vollziehungsanordnung regelmäßig nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründen:

In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen.

Eine (praktisch kaum relevante) Ausnahme gilt für Notstandsmaßnahmen (§ 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

2. Anforderungen an die Begründung in Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO

Das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Vollziehungsanordnung und hat primär zwei Funktionen.

a) Warnfunktion

Bei der Vollziehungsanordnung handelt es sich ausweislich der gesetzlichen Regel des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung!) um eine Ausnahme. Die Bejahung einer solchen Ausnahme setzt das Vorliegen besonderer Umstände voraus (sonst wäre sie die Regel). Ob solche besonderen, die sofortige Vollziehung rechtfertigenden Gründe vorliegen, soll die Behöre in jedem Einzelfall sorgfältig überprüfen. Sie dazu anzuhalten, ist die erste Funktion des Begründungserfordernisses.

b) Hinweisfunktion

Daneben soll die Begründung den Betroffenen über die Erwägungen, die der Entscheidung zugrundeliegen, unterrichten und ihn so in die Lage versetzen, die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abschätzen zu können.

c) deshalb: Erfordernis einer Einzelfallbegründung

Diesen beiden Funktionen wird die Behörde nur gerecht, wenn sie eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Begründung liefert. Formelhafte, also für beliebige Fallgestaltungen passenden Wendungen, formblattmäßige oder pauschale Argumentationsmuster und die bloße Wiederholung des Gesetzestextes oder der Gesetzesbegründung genügen den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vor diesem Hintergrund nicht (siehe dazu etwa Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 24. Ergänzungslieferung 2012, § 80 Rn. 247). Ob eine gegebene Begründung auch materiell (inhaltlich) zutreffend ist, spielt für § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO freilich keine Rolle.

In diesem Sinne äußert sich etwa der VGH Mannheim in einem Beschluss vom 21. 1. 2010 – 10 S 2391/09:

Der sich aus dieser Vorschrift ergebende Begründungszwang dient dem Zweck, die Behörde zu veranlassen, sich des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst zu werden, und die Frage, ob das öffentliche Interesse die sofortige Vollziehung erfordert, sorgfältig zu prüfen und dem Betroffenen sowie gegebenenfalls dem Gericht die für die Vollzugsanordnung maßgeblichen Gründe zur Kenntnis zu bringen. Dementsprechend muss aus der Begründung hinreichend nachvollziehbar hervorgehen, welche besonderen Gründe die Behörde im konkreten Fall dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen und dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung den Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einzuräumen.

II. Die Klausursituation

In einer Klausur wird man nicht selten Zweifel an der ordnungsgemäßen Begründung einer Vollziehungsanordnung haben (dies gilt natürlich erst recht, wenn der Betroffenen dies schriftsätzlich rügt). So könnte etwa die sofortige Vollziehung einer straßenrechtlichen Beseitigungsverfügung (wegen fehlender Sondernutzungserlaubnis) wie folgt begründet werden:

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist im öffentlichen Interesse geboten. Anders kann nämlich die ordnende Kraft des formellen Straßenrechts nicht durchgesetzt werden. Bleibt ein potentieller Sondernutzer nicht ausschließlich auf die Möglichkeit verwiesen, sich unter Ausnutzung der gegebenen Rechtsbehelfe zunächst um die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu bemühen, würde dies einen allgemeinen Anreiz zur Missachtung des formellen Straßenrechts bieten und demjenigen, der sich über das formelle Straßenrecht hinwegsetzt, gegenüber dem Gesetzestreuen, nicht zuletzt auch wegen der unabsehbaren Dauer eines Widerspruchs- und Verwaltungsstreitverfahrens, einen erheblichen, ungerechtfertigten Vorteil einräumen. Diese schlechthin unerträgliche Benachteiligung des Gesetzestreuen kann nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsverfügung vermieden werden. Andernfalls könnte auch der mit der Beseitigungsverfügung bezweckte Effekt der Vermeidung des Eintritts der Störung der öffentlichen Sicherheit durch Einschreiten bereits im Stadium ihrer Gefährdung nicht erreicht werden.

Eine solche Begründug ist zwar umfangreich und klingt auch sehr plausibel. Bezüge zum konkreten Einzelfall zeigt sie aber nicht. Vielmehr ließe sich diese Begründung wohl für nahezu alle Fälle einer nicht erlaubten Sondernutzung heranziehen. Würde sie aber den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO bereits genügen, so drängte sich unweigerlich die Frage auf, wieso der Gesetzgeber straßenrechtliche Beseitigungsverfügungen nicht generell (d.h.) von Gesetzes wegen für sofort vollziehbar erklärt hat. Das Instrumentarium dazu bietet § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO. Ähnliche (und auch noch viel knappere) Begründungen sind in vielen Klausuren zu § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO anzutreffen.

III. Der klausurtaktisch richtige Ansatz

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO) ist bereits begründet, wenn die Vollziehungsanordnung formell rechtswidrig ist. Einer Sachprüfung in Form der im Eilrechtsschutz typischerweise vorzunehmenden Interessenabwägung (Suspensivinteresse vs. Vollzugsinteresse) bedarf es nicht.

Nie wird aber einem Klausurersteller daran gelegen sein, den Fall mit der Feststellung der formell rechtwidrigen Vollziehungsanordnung zu beenden. Dies kommt regelmäßig schon dadurch zum Ausdruck, dass nach dem Bearbeitervermerk sämtliche rechtlichen Probleme notfalls hilfsgutachterlich zu würdigen sind. Ein Hilfsgutachten entspricht aber so gut wie nie der Musterlösung. Man sollte sich also an dieser Stelle fragen, wie der Fall elegant ohne Hilfsgutachten gelöst werden kann.

1. Annahme einer formell rechtmäßigen Begründung

Gangbar ist zunächst folgender Weg: Bei der Prüfung des § 80 Abs. 3 VwGO (also vor der materiellen Interessenabwägung) spricht man das Problem unter Hinweis auf die Funktionen des Begründungserfordernisses an (s.o.) und arbeitet heraus, dass insoweit erhebliche Bedenken bestehen. Als nächstes müsste man dann mit folgenden Erwägungen argumentieren, dass die Begründung im vorliegenden Fall ausnahmsweise noch den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt:

In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann das besondere Vollzugsinteresse mit dem der betreffenden Vorschrift allgemein innewohnenden Vollzugsinteresse zusammenfallen. Andernfalls würde die Vollziehbarkeit letztlich von der zufälligen weiteren oder engeren Fassung der Eingriffsermächtigung abhängen und wäre die Vollziehung gerade in Fällen ausgeschlossen, in denen der Gesetzgeber aus rechtsstaatlichen Gründen Erwägungen besonders enge Eingriffsvoraussetzungen festgelegt hat.

Bei den in Rede stehenden Ermächtigungsgrundlagen (typischerweise aus dem Bereich des Sondergefahrensabwehrrechts) wird ein solcher Fall vorliegen oder dessen Annahme zumindest gut vertretbar sein. Hier ist dann natürlich Argumentation an der entsprechenden Norm erforderlich. Im Straßenrecht könnte man beispielsweise argumentieren, dass insoweit straßenrechtlich relevante Gefahren (= erlaubnispflichtige Sondernutzung) im öffentlichen Straßenraum sehr kurzfrsitig auftreten können, weshalb eine schnelle und flexible Reaktion der Behörde, anders als etwa im Gaststättenrecht, regelmäßig erforderlich ist.

Wie bereits gesagt, ist eine solche Argumentation unter Hinweis auf den Wortlaut und die Systematik des Gesetzes (Regelfall ist gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung) problematisch. Sofern die Behörde aber, wie im hier gegebenen Beispiel (wenn auch abstrakt), dargelgt hat, weshalb regelmäßig die sofortige Vollziehung (hier im Straßenrecht) erforderlich ist, sollte sie aber auf jeden Fall vertretbar sein. Die Rechtsprechung macht es zudem auch so.

Im Anschluss an die Prüfung des § 80 Abs. 3 VwGO kommt man dann wie gewohnt zur Interessenabwägung.

2. Vorgehen bei Annahme einer nicht ordnungsgemäß begründeten Vollziehungsanordnung

Kommt man nicht um die Annahme einer fehlerhaften Begründung herum, etwa weil die Behörde einfach pauschal auf das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung von (z.B.) Beseitigungsverfügungen verweist und/oder die Klausur dem Sachverhalt nach erkennbar darauf angelegt ist, sollte man trotzdem eine Prüfung in der Sache (Interesenabwägung) vornehmen. Ein solches Vorgehen ist möglich, muss aber begründet werden.

a) zur gutachterlichen Lösung

Dass eine materielle Prüfung trotz (schon) formell rechtswidriger Begründung interessengerecht sein dürfte, zeigt folgende Überlegung: Hat der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung Erfolg, weil das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt, lautet der Hauptsachetenor des Beschlusses:

Die aufschiebende Wirkung des [Rechtsbehelfs] des Antragstellers gegen die [(z.B.) Beseitigungsanordnung] [des Antragsgegners] vom [Datum] wird wiederhergestellt.

An einer erneuten Anordnung der sofortigen Vollziehung ist die Behörde wegen der Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung grds. gehindert. Sie kann allenfalls einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO stellen (der aber nur begründet ist, wenn ein Abänderungsgrund vorliegt, was selten der Fall sein wird). Vor diesem Hintergund erscheint die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung allein aus formellen Gründen (fehlerhafte Begründung) nicht sachgerecht.

Die Rechtsprechung (Nachweise bei Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 24. Ergänzungslieferung 2012, § 80 Rn. 442) billigt deshalb der Behörde mit unterschiedlicher Begründung die Möglichkeit zu, trotz der Begründetheit des Eilantrags umgehend eine neue ordnungsgemäße Vollziehungsanordnung zu erlassen. Dies gelingt entweder, indem nicht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen, sondern nur die Vollziehungsanordnung aufgehoben wird. Der Hauptsachetenor lautet dann:

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung [(z.B.) der Beseitigungsanordnung] [des Antragsgegners] vom [Datum] wird aufgehoben.

Vertreten wird aber auch, dass die Bindungswirkung der die aufschiebende Wirkung wiederherstellenden Entscheidung nur soweit reicht, wie das Gericht auch eine Interessenabwägung in der Sache vorgenommen hat. Nach dieser Ansicht ist die Behörde gerade nicht auf den Weg des § 80 Abs. 7 VwGO verwiesen, wenn der Antrag nur aus formellen Gründen Erfolg gehabt hat.

Exemplarisch dazu etwa VGH München, NVwZ-RR 1997, 445, 446:

In der Rechtsprechung besteht keine Einigkeit, wie im Verfahren nach § 80 Absatz V 1 VwGO zu tenorieren ist, wenn die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Absatz III VwGO nicht entspricht. Zum Teil wird – gegen den Wortlaut des § 80 Absatz V 1 VwGO (s. dazu Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl., Rdnr. 687) – die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben, um deutlich zu machen, daß es der Verwaltungsbehörde nicht verwehrt ist, eine erneute Anordnung mit tragfähiger Begründung zu erlassen (vgl. VGH München, BayVBl 1985, BAYVBL Jahr 1985 Seite 535; VGH Mannheim, DVBl 1976, DVBL Jahr 1976 Seite 948; OVG Lüneburg, NJW 1969, NJW Jahr 1969 Seite 478; Kopp, VwGO, 10. Aufl., § 80 Rdnr. 74). Zum Teil wird auch in diesem Fall die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt, wobei sich aus den Gründen ergibt, daß die Verwaltungsbehörde nicht an einer erneuten Anordnung gehindert ist (vgl. OVG Magdeburg, DÖV 1994, DÖV Jahr 1994 Seite 352; VGH Kassel, NVwZ-RR 1989, NVWZ-RR Jahr 1989 Seite 627; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 10. Aufl., § 80 Rdnr. 27a). Gleichwohl bleibt festzuhalten, daß unabhängig vom gewählten Tenor mit dem Entfall der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf die aufschiebende Wirkung nach § 80 Absatz I VwGO (erneut oder erstmals) auslöst, ohne daß die Behörde gehindert ist, eine erneute Anordnung zu erlassen (anders insoweit nur OVG Bremen, DVBl 1980, DVBL Jahr 1980 Seite 420).

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass dem Bürger nicht an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung allein aus formellen Gründen gelegen sein kann, da der daraus gewonnene Vorteil für ihn voraussichlich von kurzer Dauer ist. In einer Klausur, in der man von der Fehlerhaftigkeit der Begründung überzeugt ist, sollte man also mit den dargelegten Argumenten im Anschluss eine materielle Prüfung anhand des gewohnten Maßstabs (insb. Erfolgsaussichten der Haupsache) vornehmen. Denn nur eine solche kann letztlich zu einer dem Rechtsschutzinteresses des Bürgers ensprechenden Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (aus materiellen Gründen) führen. Auch dazu exemplarisch der VGH München, aaO:

Im Gegensatz dazu ist aber die Behörde – abgesehen von Änderungen des Verwaltungsakts, mit denen insbesondere gerichtlichen Beanstandungen im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Absatz V 1 VwGO Rechnung getragen wird – zu einem Antrag nach § 80 Absatz VII VwGO verpflichtet, wenn das VG in seiner Entscheidung nach § 80 Absatz V 1 VwGO eigenständig die widerstreitenden Interessen abgewogen hat (vgl. Kopp, VwGO, § VWGO § 80 Rdnrn. 85ff.).

Dieser Weg ist jedenfalls im Gutachten (erstes Examen) gangbar und demonstriert einen sicheren Umgang mit der prozessualen Situation.

b) die Situtaion in der Beschlussklausur

Schwieriger ist die Situtation, wenn man im zweiten Examen eine Entscheidung (Beschluss) entwerfen muss. Auch im verwaltungsgerichtlichen Urteil sind nämlich lediglich die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, dies gilt über den Wortlaut des § 122 Abs. 1 VwGO hinaus auch für Beschlüsse). Will man im Ergebnis ein überwiegendes Suspensivinteresse annehmen, kann man die formelle Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung mit dem Verweis auf das weitergehende Rechtsschutzinteresse des Betroffenen offenlassen. Überwiegt nach der materiellen Prüfung dagegen das Vollzugsinteresse der Behörde (weil der Verwaltungsakt rechtmäßig ist und ein besonderes Vollzugsinteresse besteht), ist der Antrag bei formell rechtswidriger Begründung nach dem oben Gesagten aber gleichwohl begründet. Da allein die formelle Rechtswidrigkeit für die Entscheidung tragend ist, dürfte man im Beschluss streng genommen nun gar nicht auf die materielle Interessenabwägung eingehen.  Dies kann indessen klausurtaktisch nicht gewollt sein (s.o.). Man ist gut beraten, einen anderen Weg zu finden. Dieser kann aber nur darin bestehen, mit den oben genannten Argumenten der Begründung der Vollziehungsanordnung zur Rechtmäßigkeit zu verhelfen. Eine Beschlussklausur mit formell rechtswidriger Vollziehungsanordnung und ohne Hilfsgutachten kann es also eigentlich gar nicht geben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

30.09.2013/2 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-09-30 08:00:492013-09-30 08:00:49Die formell rechtswidrige Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Ö-Rechts-Klausur
Dr. Jan Winzen

VG Aachen: Protestcamp Tagebau Hambach muss geräumt werden

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Mit Beschluss vom 03.07.2013 (5 L 193/13) entschied das Verwaltungsgericht Aachen über den Eilrechtsschutzantrag eines Grundstückseigentümers gegen eine an ihn gerichtete bauordnungsrechtliche Beseitigungsverfügung. Gegenstand der angegriffenen Verfügung des Kreises Düren war die Beseitigug eines auf dem Grundstück des Antragstellers erichteten Protestcamps gegen die Erweiterung des Tagesbaus Hambach.
A. Sachverhalt
Im Rahmen der Proteste gegen die (weitere) Ausdehnung des Tagebaus Hambach errichteten Aktivisten auf dem Grundstück, das im Bereich des geplanten Tagebaus liegt, ein aus Zelten, Wohn- und Bauwagen, Pkws mit Vorzelt bzw. Windschutz, Holzhütten sowie einer „Kriechbude“ mit blauer Folienabdeckung bestehendes Protestcamp. Der Eigentümer des im Außenbereich liegenden Grundstücks hatte den Aktivisten die Errichtung des Camps Ende 2012 gestattet. Wie von dem Antragsteller im Verfahren ausgeführt, sollte das Camp primär den „Protestorganismus“ am Leben erhalten und verhindern, dass die Beteiligten „in alle Himmelsrichtungen“ vertrieben werden. Dabei diene es auch als Obdach seiner Bewohner und als Ausgangsbasis für die Planung des Widerstands und insbesondere von Protestveranstaltungen. Mit Bescheid vom 22.03.2013 verfügte der Kreis Düren gegenüber dem Eigentümer der Wiese, unter (formell ordnungsgemäßer) Anordnung der sofortigen Vollziehung, das Camp zu beseitigen. Gegen diesen Bescheid hat der Grundstückseigentümer Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht erhoben. Zugleich begehrt er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
B. Rechtliche Würdigung
Der Antrag des Grundstückseigentümers hat Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.
I. Zulässigkeit
Angesichts der zahlreichen materiell-rechtlichen Probleme, die der Fall im Rahmen der Begründetheit aufwirft, sollte die Zulässigkeitsprüfung in einer Klausur möglichst kurz ausfallen. Gleichwohl sind im Eilrechtsschutz stets (also auch hier) folgende Punkte zumindest kurz anzusprechen (siehe ausführlich zur Zulässigkeitsprüfung unseren Grundlagenbeitrag zu § 80 Abs. 5 VwGO):
1. Statthaftigkeit
Statthaft ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGo, da sich der Antragsteller gegen den Vollzug eines ihn belastenden Verwaltungsakts (in Form der Beseitigungsverfügung) wendet, gegen den in der Hauptsache die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft ist. In diesen Fällen ist Eilrechtsschutz vorrangig nach den §§ 80, 80a VwGO und nicht nach § 123 Abs. 1 VwGO zu gewähren (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO).
2. Rechtsschutzbedürfnis
Das für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGo erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, da der Anfechtungsklage des Antragstellers wegen der Vollziehungsanordnung der Behörde keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und die Klage fristgerecht erhoben worden, also nicht offensichtlich unzulässig ist.
II. Begründetheit
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO ist begründet, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig ist und das private Aussetzungsinteresse (Suspensivinteresse) des Antragsstellers das öffentliche Vollzugsinteresse der Behörde überwiegt. Dies richtet sich in erster Linie nach den (summarisch zu prüfenden) Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ist der Verwaltungsakt danach (offensichtlich) rechtswidrig, hat der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO regelmäßig Erfolg, da an dem Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Ist der Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtmäßig, überwiegt das Vollzugsinteresse der Behörde (im Fall des § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO) aber nur, wenn ein besonderes Vollzugsinteresse vorliegt.
1. Formell rechtmäßige Anordnung der sofortigen Vollziehung
Im Hinblick auf die formellen Anforderungen an die behördliche Vollziehungsanordnung nach § 80 Abs. 3 VwGO bestehen laut Sachverhalt keine Bedenken
2. Interessenabwägung – Erfolgsaussichten in der Hauptsache
Als Ermächigungsgrundlage für die bauordnungsrechtliche Verfügung kommt § 61 Abs. 1 BauO NRW in Betracht. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden (Satz 1). Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (Satz 2).
a) formelle Rechtmäßigkeit
Die formellen Voraussetzungen (Zuständigkeit/Verfahren/Form) waren vorliegend gewahrt. Etwaige Anhörungsmängel wurden jedenfalls im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nach § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW geheilt (im Interesse der Leserlichkeit des Beitrags wird die Thematik hier nicht näher dargestellt – siehe vertiefend etwa hier).
b) materielle Rechtmäßigkeit
Auf Tatbestandsebene setzt eine auf § 61 Abs. 1 BauO NRW gestützte Beseitigungsanordnung das Vorliegen einer baulichen Anlage sowie deren formelle und materielle Illegalität voraus.
aa) Protestcamp als bauliche Anlage im Sinne der §§ 2, 61, 63 BauO NRW
Bei den das Protestcamp bildenden einzelnen Bestandteilen müsste es sich um bauliche Anlagen im Sinne des § 2 BauO NRW handeln.
Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Eine Verbindung mit dem Erdboden besteht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Erdboden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden.

Zu diesen Anlagen gehören neben Zelten, die mit Heringen und/oder ähnlichen Befestigungen mit dem Erdboden verankert sind, vgl. Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl., § 2 Rdnr. 45, auch zu Wohnzwecken genutzte Wohn-, Bau- und Verkaufswagen, bei denen die Funktion als Transportmittel bei wertender Betrachtung in den Hintergrund tritt, vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 13. März 1998 – 2 S 2.98 -, BRS 60 Nr. 206; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22. Oktober 1985 – 4 TH 1864/85 -, BRS 44 Nr. 136 = juris, sowie Pkws mit Vorzelt bzw. Windschutz, wenn diese überwiegend ortsfest benutzt werden.

Folglich handelt es sich bei den verschiedenen Bestandteilen des Camps um bauliche Anlagen.
bb) formelle Illegalität
Die formelle Illegalität folgt grds. aus dem Umstand, dass der Grundstückeigentümer die für die einzelnen baulichen Anlagen gemäß § 63 BauO NRW erforderliche Baugenehmigung nicht besitzt.
Man kann an dieser Stelle (wie auch das Verwaltungsgericht) noch eine Abgrenzung zu fliegenden Bauten im Sinne des § 79 BauO NRW vornehmen (die keiner Baugenehmigung nach § 63 BauO NRW bedürfen). Dies lässt sich leicht mit Hilfe der Legaldefinition des § 79 Abs. 1 BauO NRW vornehmen. Die insoweit erforderliche Eignung und Bestimmung zum wiederholten Aufstellen und Zerlegen an verschiedenen Orten ist vorliegend angesichts des zum Enscheidungszeitpunkt bereits monatelang unveränderten Standorts des Camps zu verneinen.
cc) materielle Illegalität
Materiell ist das im Außenbereich befindliche Vorhaben (das die Errichtung von baulichen Anlagen zum Inhalt hat, vgl. § 29 Abs. 1 BauGB) an § 35 BauGB zu messen. Im Rahmen des § 35 BauGB ist zuerst zu prüfen, ob ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB vorliegt (und öffentliche Belange nicht entgegenstehen). Ist dies nicht der Fall, kann sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit als sonstiges Vorhaben aus § 35 Abs. 2 BauGB ergeben, wenn die Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

  • Protestcamp kein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB

In Betracht kommt vorliegend allein der Tatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB. Danach sind Vorhaben privilegiert, die wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen.
Die Bestimmung stellt einen Auffangtatbestand für diejenigen nicht in § 35 Abs. 1 BauGB benannten Vorhaben dar, die auf einen Standort im Außenbereich angewiesen sind. Zur Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen bedarf es einer rechtlichen Wertung, ob das Vorhaben nach Lage der Dinge des jeweiligen Einzelfalls aus einem der in der Vorschrift genannten Gründe hier und so sachgerecht nur im Außenbereich untergebracht werden kann. Diese Wertung beinhaltet vor allem die Entscheidung, ob das Vorhaben überhaupt im Außenbereich ausgeführt werden soll. Das ist nicht der Fall, wenn es zur Erfüllung der zulässigen und an sich außenbereichsadäquaten Funktion nicht erforderlich ist (siehe dazu zuletzt etwa die lesenswerte Entscheidung des OVG Münster, Urteil vom 15.02.2013 – 10 A 237/11 Rz. 27 ff. – juris, zu einem Hundeauslaufplatz im Außenbereich).
Gemessen an diesen Kriterien verneint das Gericht die Einordnung des Protestcamps als privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB:

In Anwendung dieser Grundsätze fehlt es vorliegend an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Vorhaben auf Verhältnisse angewiesen sind, die typischerweise im Außenbereich anzutreffen sind. Die Eigentümer der streitgegenständlichen Anlagen nutzen das „Protestcamp“ nach den eigenen Angaben des Antragstellers in dem Schriftsatz vom 6. Mai 2013 primär um den „Protestorganismus“ am Leben zu erhalten und zu verhindern, dass die Beteiligten „in alle Himmelsrichtungen“ vertrieben werden. Es dient als Obdach seiner Bewohner und als Ausgangsbasis für die Planung des Widerstands und insbesondere von Protestveranstaltungen, z.B. der vom Antragsteller selbst organisierten Demonstration vom 18. November 2012 an der Autobahnabfahrt Kerpen-Buir. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass ein derartiges „Basislager“ nicht auch im Innenbereich realisiert werden könnte.

  • Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB

Zur Bestimmung möglicher öffentlicher Belange, die ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigen könnte, sollte man sich immer zunächst an den Regelbeispielen des § 35 Abs. 3 BauGB orientieren. Diese sind freilich nicht abschließend. Im vorliegenden Fall könnte das Vorhaben sowohl den Darstellungen des Flächennutzungsplans widersprechen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) (dieser stellt das Baugrundstück als „Fläche für die Landwirtschaft“ dar), oder das Entstehen einer Splittersiedlung befürchten lassen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB).
Das Verwaltungsgericht lässt die Frage jedoch offen und stellt maßgeblich auf das vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte – in § 35 Abs. 3 BauGB nicht ausdrücklich geregelte – öffentlichen Belang „Erfordernis einer förmlichen Planung“ ab. Dabei geht es vereinfacht gesagt um die Frage, ob das in Rede stehende Gebiet bauplanungsrechtlich zum Gegenstand eines Bebauungsplans gemacht werden müsste. In einem solchen Fall sind die Kriterien des § 35 BauGB nicht geeignet, um die Zulässigkeit eines Vorhabens zu beurteilen:

Die öffentlichen Belange, die der Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufzählt, haben nur beispielhaften Charakter. Zu den nicht benannten öffentlichen Belangen gehört auch das Erfordernis einer förmlichen Planung. Dieser öffentliche Belang hat allerdings eine andere Qualität als die in § 35 Abs. 3 BauGB genannten. Er bringt zum Ausdruck, dass die in § 35 BauGB selbst enthaltenen Vorgaben nicht ausreichen, um im Sinne des erwähnten Konditionalprogramms eine Entscheidung über die Zulässigkeit des beabsichtigten Vorhabens treffen zu können. Das im Außenbereich zu verwirklichende Vorhaben kann eine Konfliktlage mit so hoher Intensität für die berührten öffentlichen und privaten Belange auslösen, dass dies die in § 35 BauGB vorausgesetzte Entscheidungsfähigkeit des Zulassungsverfahrens übersteigt. Ein derartiges Koordinierungsbedürfnis wird vielfach dann zu bejahen sein, wenn die durch das Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einen in erster Linie planerischen Ausgleich erfordern, der seinerseits Gegenstand einer abwägenden Entscheidung zu sein hat. Eine in diesem Sinne „abwägende“ Entscheidung ist nach der Gesetzeslage weder der Genehmigungsbehörde noch der Gemeinde im Rahmen des § 36 Abs. 1 BauGB zugestanden. Sie ist nach Maßgabe der §§ 1 ff. BauGB allein in einem Bauleitplanverfahren zu treffen.

Ob ein Erfordernis förmlicher Planung besteht, richtet sich im Einzelfall vor allem nach dem Umfang des Vorhabens und der Möglichkeit seiner Einordnung in die nähere Umgebung, wobei der Katalog der § 35 Abs. 3 BauGB insoweit wichtige Anhaltspunkte liefert.

Lässt sich die Koordination der Belange sachgerecht letztlich nur im Wege einer Abwägung sicherstellen, so ist dies auch ein hinreichendes Anzeichen für seine bodenrechtlich relevanten Auswirkungen, die geeignet sind, ein Planungsbedürfnis auszulösen.
Eine solche Situation ist hier gegeben. Dabei kommt der Tatsache, dass nur die einzelnen baulichen Anlagen, nicht aber die Gesamtanlage als solche, bei der es sich nicht um einen Campingplatz im Sinne von § 2 Abs. 1 der Verordnung über Camping- und Wochenendplätze handelt, genehmigungspflichtig ist, keine Bedeutung zu. Die 19 baulichen Anlagen treten nämlich schon wegen ihrer Verwirklichung in einem engen räumlichen Zusammenhang auf einem Flurstück und wegen ihres Charakters als (wildes) Camp als einheitliche Anlage in Erscheinung. Ein solches inmitten landwirtschaftlich genutzter Felder gelegenes Camp setzt eine förmliche Planung voraus, weil die ortsfeste Aufstellung der Anlagen eine Nutzung des Grundstücks durch die Mitglieder der Protestbewegung ermöglicht, die gesteigerte Anforderungen an die Gestaltung der in der näheren Umgebung befindlichen Wege und Straßen, die in erster Linie für den landwirtschaftlichen Verkehr ausgebaut sind, und an die Erschließungsanlagen (Wasser und Abwasser) stellt. Dies sind Belange, die grundsätzlich einer planerischen Steuerung bedürfen.

Die Zulässigkeit des Vorhabens kann damit im Ergebnis nicht auf § 35 BauGB gestützt werden, da es einer formelle Planung bedurft hätte.

  • dd) Zwischenergebnis: Protestcamp formell und materiell illegal

c) Rechtsfolgenseite
Auf Rechtsfolgenseite sind nun verschiedene Gesichtspunkte zu erörtern. Die Erwägungen müssen in einer Klausur in eine sinnvolle (vertretbare) Reihenfolge gebracht werden. Da § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW der Behörde Ermessen einräumt („Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen“) und sich die Begründetheit des Antrags nach den Erfolgsaussichten der Hauptsache richtet (s.o.), empfiehlt es sich, zunächst – wie gewohnt – die ordnungsgemäße Ermessensbetätigung im Hinblick auf Maßnahme und Störer überprüfen (vgl. dazu § 114 VwGO) und dann auf eine mögliche Beeinträchtigung von Grundrechten einzugehen.
aa) Auswahlermessen: hohe Anforderungen an Beseitigungsanordnung im Eilrechtsschutz
Eine bauaufsichtsrechtliche (auf die Generalklausel des § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW gestützte) Verfügung, mit der die Beseitigung baulicher Anlagen (im Gegensatz zur Untersagung ihrer Nutzung oder einer Baueinstellung) angeordnet wird, setzt wegen der besonders hohen Eingriffsintensität jedenfalls die formelle und materielle Ilegalität der Anlagen voraus. Selbst wenn das Vorhaben formell und materiell illegal ist, bedarf es stets der Prüfung, ob nicht auf andere Weise (durch weniger einschneidende Maßnahmen) rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Hier ist nun zu erkennen, dass die Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung im Eilrechtsschutz höheren Anforderungen unterliegt und regelmäßig zu verneinen ist.

Der Antragsgegner konnte die angefochtene Verfügung auch in rechtlich zulässiger Weise auf die formelle und materielle Illegalität der Vorhaben stützen, soweit hierdurch das Entfernen der baulichen Anlagen vom Grundstück des Antragstellers gefordert wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einer bauaufsichtlichen Beseitigungsverfügung ist, worauf der Antragsteller zu Recht hinweist, zwar regelmäßig zu verneinen, weil der – nur durch ein Eilverfahren bestätigte – Abbruch von baulichen Anlagen die Hauptsache in unangemessener Weise vorwegnehmen kann.
Formell und materiell illegalen Baumaßnahmen ist daher regelmäßig durch Stilllegung der Baumaßnahmen oder Untersagung der Nutzungsaufnahme zu begegnen. Mit der Anordnung dieser Maßnahmen wird dem Zweck der Genehmigungspflicht – das Bauvorhaben soll (vor seiner Ausführung) auf seine Zulässigkeit geprüft werden – in aller Regel hinreichend Rechnung getragen. Auch kann der Vorteil, den der ohne die erforderliche Baugenehmigung Bauende gegenüber dem gesetzestreuen Bürger dadurch erlangt, dass er eine nicht zugelassene Baumaßnahme bzw. Nutzung schon vor der Erteilung der Baugenehmigung verwirklicht, durch die Stilllegung oder Nutzungsuntersagung weitgehend aufgehoben werden.

Gemessen an diesen Kriterien unterliegt die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung zunächst erheblichen Bedenken. Etwas anderes kann aber gelten

in Ausnahmefällen, wenn beispielsweise die Beseitigung den ohne die erforderliche Baugenehmigung Bauenden nicht wesentlich härter trifft als ein Nutzungsverbot oder – wie bei Werbeanlagen – das Nutzungsverbot einer Beseitigung gleichkommt, darf die Behörde die sofortige Entfernung des Baukörpers allein wegen formeller und materielle Illegalität verlangen. In jedem Fall muss die Beseitigung der baulichen Anlage ohne erheblichen Substanzverlust und andere – absolut und im Wert zur baulichen Anlage gesehen – hohe Kosten für Entfernung und Lagerung möglich sein.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts liegt hier ein solcher Ausnahmefall vor, denn

Die Beseitigung der streitgegenständlichen baulichen Anlagen ist ganz offensichtlich ohne (größeren) Substanzverlust und wesentliche wirtschaftliche Aufwendungen möglich. Die Zelte und Vorbauten können abgebaut, zusammengelegt, in den verschiedenen Fahrzeugen verstaut und gemeinsam mit den Fahrzeugen vom Grundstück entfernt werden. Die Hütte, die aus Holzresten behelfsmäßig gezimmert wurde, und die Kriechbude, die aus in den Boden eingegrabenen Holzplatten und hierauf befestigten Folienabdeckungen besteht, können auseinandergenommen und die Bauteile später einer erneuten Verwendung zugeführt werden. Ein nennenswerter Substanzverlust tritt daher nicht ein.
Die Beseitigung der baulichen Anlagen trifft den Antragsteller bei objektiver Betrachtung auch nicht härter als ein Nutzungsverbot. Denn ein solches hätte ebenfalls zur Folge, dass aus Sicherheitsgründen zumindest die Zelte, zeltartigen Konstruktionen und Vorbauten abgebaut und ebenso wie die Fahrzeuge entfernt werden müssten, da diese ansonsten der Gefahr einer Beschädigung durch Witterungseinflüsse ausgesetzt und/oder dem Zugriff Dritter schutzlos preisgegeben wären.
Darüber hinaus könnte eine Nutzungsuntersagung wegen der Lage der Bauvorhaben im Außenbereich aber auch nicht wirksam überwacht werden, so dass allein die Beseitigung der streitgegenständlichen baulichen Anlagen für eine Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände in Betracht kommt.

bb) Störerauswahlermessen: Grundstückseigentümer als Störer
Im Hinblick auf die Störerauswahl gilt es zu erkennen, dass grundsätzlich auch eine Inanspruchnahme der einzelnen Camp-Insassen (als Verhaltensstörer) in Betracht gekommen wäre. Allerdings lag es unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr nahe, den Eigentümer des Grundstücks in Anspruch zu nehmen:

Zwar wäre auch in Betracht gekommen, den jeweiligen Inhaber der baurechtlich illegal aufgestellten und genutzten Anlagen in den Grenzen seiner jeweiligen Verhaltensverantwortlichkeit (§ 17 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden) einzeln heranzuziehen. Eine Verpflichtung, das Auswahlermessen in der letztgenannten Weise auszuüben, bestand für den Antragsgegner jedoch nicht. Denn es gibt kein generelles Rangverhältnis zwischen der Inanspruchnahme des Verhaltens- und des Zustandsstörers; die Entschließung, wer als Pflichtiger heranzuziehen ist, ist vielmehr an den Umständen des Einzelfalles, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch dem Gebot effektiver und schneller Gefahrenabwehr auszurichten.
Ausgehend hiervon erweist sich die Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller als Störer heranzuziehen, als ermessensgerecht. Sie beruht im Kern auf der Erwägung, dass die Bewohner der baulichen Anlagen häufig wechseln und daher nur schwer zu ermitteln sind, und berücksichtigt ergänzend, dass der Antragsteller über das bloße Zurverfügungstellen des Grundstücks hinaus durch eigenes Handeln – nämlich die aktive Unterstützung der Bewohner des Camps – die baurechtlich illegalen Anlagen in ihrem (Fort-)Bestand erhält. Diese Überlegungen sind nicht zu beanstanden. Die Inanspruchnahme des Antragstellers entspricht vielmehr dem Ziel effektiven Verwaltungshandelns, weil derzeit weder die einzelnen Nutzer noch deren Namen und Anschriften bekannt sind und ein Vorgehen gegen diese Personen mit erheblichen Aufwand verbunden wäre, den zu treiben der Antragsgegner nicht verpflichtet ist.

cc) Ermessensüberschreitung – Beeinträchtigung von Grundrechten
Ein Ermessensfehler (in Form der Ermessensüberschreitung) kann auch in einer Verletzung von Grundrechten liegen. Das Verwaltungsgericht prüft im vorliegenden Fall, ob die Beseitigungsanordnung in den Schutzbereich des Art. 8 GG eingreift. Dann müsste da Protestcamp eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG sein. Dies verneint das Verwaltungsgericht wegen des fehlenden funktionalen Zusamenhangs zwischen der Camp-Infrastruktur und dem Versammlungszweck:

Geschützt ist zwar der gesamte Vorgang des Sichversammelns, wozu auch der Zugang und die Abreise zu einer bevorstehenden oder sich bildenden Versammlung gehört. Ebenso wenig wie es für die Eröffnung des Schutzbereich des Art. 8 GG ausreicht, dass die Teilnehmer einer Veranstaltung durch einen beliebigen Zweck miteinander verbunden sind, kann auch nicht jede Begleiterscheinung einer Versammlung oder eine für deren Durchführung begehrte Infrastruktur (Zelte, Sitzgelegenheiten, Ver- und Entsorgungseinrichtungen etc.) dem Schutzbereich des Art. 8 GG unterfallen. Dies ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn die jeweils in Rede stehenden Gegenstände und Hilfsmittel zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional und symbolisch für die kollektive Meinungskundgebung wesensnotwendig sind, denn der Versammlungsbegriff bzw. dessen Schutzbereich ist nicht weiter auszudehnen, als dies zur Schutzgewährung nach Art. 8 GG erforderlich ist. (…) Solange das Camp primär als Basislager zur Organisation des Widerstands dient, der u.a. die Mobilisierung der örtlichen Bevölkerung zum Ziel hat, ist der gemeinsame Zweck nicht auf die unmittelbare Teilnahme an einer der Meinungsäußerung und Meinungsbildung dienenden Veranstaltung gerichtet. Seine Errichtung hat vielmehr die Schaffung derjenigen „Infrastruktur“ zum Ziel, die für die Erhaltung der Protestorganisation erforderlich ist. Eine feste „Infrastruktur“ fällt aber gerade nicht unter den Schutz des Grundrechts

Die Beseitigungsanordnung ist damit auch unter Ermessensgesichtpunkten nicht zu beanstanden und stellt sich damit im Ergebnis als offensichtlich rechtmäßig dar.
3. Besonderes Vollzugsinteresse
Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg, weil der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist, bedarf es zur Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen des in § 80 Abs. 1 VwGO (Regelfall: aufschiebende Wirkung) zum Ausdruck kommenden Regel-/Ausnahme Verhältnis eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses. Hier ist stets eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls angezeigt:

Für die hier gewählte Beseitigungsanordnung spricht zudem, dass aufgrund des bisherigen Verhaltens des Antragstellers, der eine Ausweitung des Camps in der Vergangenheit nicht nur hingenommen, sondern bewusst gefördert hat, Anhaltspunkte dafür bestehen, dass weitere ungenehmigte Baumaßnahmen zu befürchten sind. Auch insoweit ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerechtfertigt, da nur so einer weiteren Verfestigung und Entstehung baurechtswidriger Zustände auf dem Grundstück des Antragstellers wirksam entgegengewirkt werden kann.
Letztlich geht von dem Protestcamp auch eine Vorbildwirkung aus, obwohl dieses im Außenbereich gelegen und nach den Angaben des Antragstellers nicht ohne Weiteres einsehbar ist. Denn es ist nicht auszuschließen, dass sich andere Gegner des Tagebaus Hambach durch das pressewirksame Camp ermutigt sehen, in der näheren Umgebung in gleicher Weise illegale bauliche Anlagen zu errichten.

III. Ergebnis

 Der Antrag des Grundstückseigentümers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen die Beseitigungsanordnung des Kreises Düren hat keine Aussicht auf Erfolg.
IV. Fazit
Die Entscheidung ließe sich unverändert als Examensklausur stellen. Sie enthälten eine ganze Reihe verwaltungsrechtlicher Problemstellungen, sowohl aus dem allgemeinen (Heilung einer unterlassenen Anhörung im gerichtlichen Verfahren, Störerauswahl, Ermessensprüfung), als auch aus dem besonderen (Begriff der baulichen Anlage, Voraussetzungen einer Beseitigungsanordnung, bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 BauGB) Verwaltungsrecht. In einer Klausur würden vermutlich einzelnen Erwägungen des Gerichts auch bereits im Sachverhalt angedeutet werden. Die zugrundeliegende Thematik (Tagebau Hambach) ist zudem äußerst öffentlichkeitswirksam und eignen sich deshalb ausgezeichnet für ein mündliches Prüfungsgespräch.
Abschließend sei noch einmal auf unseren Grundlagenbeitrag zu § 80 Abs. 5 VwGO verwiesen.
 
 
 

22.07.2013/2 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-07-22 13:00:462013-07-22 13:00:46VG Aachen: Protestcamp Tagebau Hambach muss geräumt werden
Dr. Jan Winzen

Einstweiliger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren Teil 1 – Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

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Die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kennt drei verschiedene Eilrechtsschutzverfahren. Neben die geläufigen Anträge nach §§ 80, 80 a VwGO und § 123 VwGO tritt die einstweilige Anordnung im Normenkontrollverfahren (§ 47 Abs. 6 VwGO).  Letztere ist jedoch in Praxis und Klausurexamen ohne Bedeutung und wird hier deshalb auch nicht behandelt (in der mündlichen Prüfung kann man aber sicher punkten, wenn man die Vorschrift kennt).
Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind dagegen Ausgangspunkt für einen Großteil der bei den Verwaltungsgerichten anhängigen Verfahren. Im Baunachbarrecht (vgl. dazu bereits hier) gilt entsprechendes für den Antrag nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 VwGO (dazu hier). Es verwundert deshalb auch nicht, dass beide Verfahren regelmäßig Gegenstand von Examensklausuren und Kurzvorträgen sind. Die einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erfährt demgegenüber eine eher stiefmütterliche Behandlung in der Klausurauswahl. Auch sie hat aber verschiedene Anwendungsfälle (siehe zu einer neueren Entscheidung etwa hier). Das Zusammenspiel zwischen den Verfahren nach §§ 80, 80 a VwGO  und § 123 VwGO zu verstehen, ist zudem für den sicheren Umgang mit Klausuren zum öffentlich rechtlichen Eilrechtsschutz unerlässlich.
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Die wichtigsten Klausurprobleme werden an den jeweiligen Stellen im Rahmen des hier vorgestellten Prüfungsaufbaus erörtert. Beiträge zu den Besonderheiten des sog. faktischen Vollzugs (§ 80 Abs. 5 VwGO analog), sowie zu  § 80 a VwGO (zum Beitrag) und zu § 123 VwGO werden folgen.
Vorbemerkungen zur Prüfung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO
Vorab noch einmal zum Grundverständnis: Erlässt die Behörde einen den Bürger belastenden Verwaltungsakt, kann der Bürger die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes durch Einlegung eines Widerspruchs oder Erhebung einer Anfechtungsklage hemmen und so insbesondere dessen Vollstreckung (vorerst) verhindern. Grundsätzlich ist Voraussetzung der Verwaltungsvollstreckung nämlich, dass der zu vollstreckende Verwaltungsakt unanfechtbar ist oder ein Rechtsbehelf gegen ihn keine aufschiebende Wirkung hat (siehe z.B. § 47 Abs. 1 HSOG in Hessen oder § 50 Abs. 1 PolG NRW in Nordrhein-Westfalen; instruktiv zur Verwaltungsvollstreckung ist auch dieser Beitrag). Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ist gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aber der Regelfall. Insoweit bedarf es also keines zusätzlichen Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO. Denn ein erfolgreicher Antrag führt immer nur den Eintritt der aufschiebenden Wirkung herbei. Der Anwendungsbereich des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist also auf Fälle beschränkt, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung zukommt. Wann dies der Fall ist, regelt § 80 Abs. 2 VwGO.
Der Prüfungsaufbau des Eilantrags orientiert sich strikt an dem einer Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung liegt das Hauptaugenmerk auf der Statthaftigkeit des Antrags und (insofern anders als bei der Zulässigkeitsprüfung im Rahmen einer Anfechtungsklage) dem Rechtsschutzbedürfnis. Im vorliegenden Beitrag sollen deshalb auch nur diese Punkte ausführlicher betrachtet werden. Größere Schwierigkeiten bietet dann die Prüfung der Begründetheit. Hier ist es unerlässlich, sich (in Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte im Normtext) ein Prüfungsschema, die entsprechenden Obersätze und einige Entscheidungsregeln einzuprägen (dazu unten).
I. Die Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO
1.) Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges
Zuständig für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist das Gericht der Hauptsache (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Rechtsweg für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist also eröffnet, wenn in der Hauptsache der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Dies richtet sich in Ermangelung aufdrängender Sonderzuweisungen bekanntlich nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Insoweit bestehen also beim Eilrechtsschutz keine Besonderheiten.
2.) Statthaftigkeit
Welcher Antrag statthaft ist, richtet sich nach dem Begehren des Antragstellers (Achtung: im Eilrechtsschutz gilt eine andere Terminologie als im Hauptsacheverfahren: statt Kläger/Beklagter spricht man von Antragssteller/Antragsgegner). Für das Verhältnis zu § 123 Abs. 1 VwGO enthält das Gesetz in § 123 Abs. 5 VwGO eine Abgrenzungsregel: einstweiliger Rechtschutz gegen belastende Verwaltungsakte ist danach stets über §§ 80, 80 a VwGO zu gewähren. Im Übrigen greift § 123 Abs. 1 VwGO ein (Auffangtatbestand). Das Begehren des Antragsstellers hat das Gericht (bzw. der Examenskandidat) im Zweifel nach §§ 88, 122 VwGO durch Auslegung zu ermitteln. Ein wörtlich unzutreffend gestellter Antrag ist deshalb unschädlich.
Folgender Obersatz bietet sich an: Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, wenn es dem Antragssteller darum geht, vor der Vollziehung eines Verwaltungsaktes verschont zu bleiben; was in der Regel der Fall ist, wenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft ist.
Nun befindet man sich wieder im gewohnten Fahrwasser. Gegen den Vollzug offensichtlich belastender Verwaltungsakte (Abrissverfügung im Baurecht, Beseitigungsanordnung im Straßenrecht, Rücknahme einer Gaststättenerlaubnis, Versammlungsverbot) ist stets ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Im Regelfall sollte es in den Klausuren auch um ähnlich offensichtliche Fälle gehen. Die Musik spielt schließlich in der Begründetheit.
Im Zusammenhang mit der Statthaftigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO wird als Musterbeispiel für erhöhten Begründungsaufwand häufig die Ablehnung eines Antrages auf Verlängerung des Aufenthaltstitels (§ 81 Abs. 1 AufenthG) genannt. Wer unbefangen an den Fall herangeht, sollte meinen, weil in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung statthaft sei, müsse im Eilrechtsschutz ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO gestellt werden. Indessen bestimmt § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, dass der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend gilt, wenn vor dem Ablauf des Aufenthaltstitels dessen Verlängerung beantragt wurde. Das Begehren des Antragsstellers, im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, ist also gewahrt solange die Behörde seinen Antrag nicht abgelehnt hat. Deshalb stellt die behördliche Versagung der Verlängerung eine eigenständige Rechtsbeeinträchtigung dar, der im Eilrechtsschutz mit Hilfe des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO begegnet werden kann  (dies wird im Übrigen auch durch § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bestätigt). Der Fall sollte zwar bekannt sein. Für Klausuren eignet er sich gleichwohl nicht wirklich.
Schließlich empfiehlt es sich in der Statthaftigkeit kurz anzudeuten, ob es sich um einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (wenn die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO entfällt), oder um einen solchen nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO, gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (wenn die Behörde die sofortige Vollziehung nach Maßgabe des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat), handelt.
3.) Antragsbefugnis
Der Antragsteller muss analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt sein.
4.) Antragsgegner
Auch hier keine Besonderheiten. § 78 VwGO gilt analog. Je nach Landesrecht gilt § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog (Rechtsträgerprinzip – z.B. in Hessen) oder § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO analog (Behördenprinzip – vor Inkrafttreten des JustG z.B. in NRW, dort in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Satz 1 AG VwGO, ebenfalls in analoger Anwendung).
5.) Antragsfrist
Fristen sind für den Antrag im Eilrechtsschutz grundsätzlich nicht einzuhalten, es sei denn, sie sind – wie z.B. in §§ 36 Abs. 3 Satz 1 und 18 a Abs. 4 Satz 1 AsylVerfG – spezialgesetzlich angeordnet.
6.) Rechtsschutzbedürfnis
Das Rechtsschutzbedürfnis stellt wie eingangs schon angedeutet den zweiten wichtigen Prüfungspunkt in der Zulässigkeit dar. Es empfiehlt sich, die Prüfung in die folgenden Gliederungspunkte aufzufächern.

  • Rechtsbehelf des Antragsstellers 

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Das steht ausdrücklich in § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Sofern ein Vorverfahren nicht entbehrlich ist, muss der Antragsteller aber Widerspruch gegen den ihn belastenden Verwaltungsakt eingelegt haben. Dies wird in der Klausur in aller Regel der Fall sein.

  • Rechtsbehelf nicht offensichtlich unzulässig 

Sehr viel interessanter als der Umstand, dass überhaupt ein Rechtsbehelf eingelegt wurde, ist in Klausuren die Frage, ob dieser Rechtsbehelf vielleicht offensichtlich unzulässig ist. Praktisch geht es hier immer um die Verfristung des Widerspruchs (bzw. – bei Entbehrlichkeit des Vorverfahrens – der Anfechtungsklage). Alle anderen bedeutenden Zulässigkeitsvoraussetzungen des Hauptsacherechtsbehelfs (Verwaltungsrechtsweg, Statthaftigkeit, Klagebefugnis) wurden ja bereits entsprechend für den Eilantrag geprüft.
Der Eilantrag wird an dieser Stelle der Prüfung so gut wie nie scheitern. Die Kunst besteht einfach darin, die aufgeworfenen Fristprobleme vernünftig zu bewältigen. Zu denken ist etwa an eine fehlerhafte Rechtbehelfsbelehrung mit der Folge des § 58 Abs. 2 VwGO (Jahresfrist), einen Wiedereinsetzungsantrag nach § 60 VwGO (insbesondere im zweiten Examen) oder Fragen der Fristberechnung aus dem BGB  (§ 57 Abs. 2 VwGO verweist über § 222 Abs. 1 ZPO auf die §§ 187 ff. BGB).

  • Entfallen des Suspensiveffekts

Wie bereits in der Vorbemerkung angedeutet, besteht ein Bedürfnis für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO überhaupt nur, wenn Widerspruch oder Anfechtungsklage ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung haben. Es muss im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses also positiv festgestellt werden, dass ein Fall des § 80 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Dazu folgende grundlegende Erläuterungen:
§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO (Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten): Hierdurch soll eine Gefährdung der Finanzierung notwendiger öffentlicher Aufgaben verhindert werden. Planbare Ausgaben müssen planbaren Einnahmen gegenüber stehen. Gemeint sind vor allem Beiträge und Gebühren (zur allgemeinen Definition siehe schon hier). Insbesondere Kosten, die im Zusammenhang mit Vollstreckungsmaßnahmen geltend gemacht werden (z.B. Kosten der Ersatzvornahme oder Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs), fallen nicht unter § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Zwangsinstrumente sollen zu einer Willensbeugung des Adressaten einer Verfügung führen und dienen nicht etwa der Finanzierung planbarer Ausgaben der öffentlichen Hand. Entsprechendes gilt für die Festsetzung eines Zwangsgeldes.
§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO (unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten): Diese Ausnahme dient der Effektivität der Gefahrenabwehr. Die Maßnahme muss unaufschiebbar sein. Das ist typischerweise bei mündlichen Verwaltungsakten der Fall (Musterbeispiel ist der Platzverweis). Bei schriftlich erlassenen Verwaltungsakten spricht eine Vermutung gegen die Unaufschiebbarkeit. Außerdem müssen die Maßnahmen von einem Polizeivollzugsbeamten im engeren Sinne stammen (nicht von einer allgemeinen Gefahrenabwehrbehörde!). Im Verkehrsrecht wird § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO analog angewendet. Dies ist erforderlich, weil das Bundesverwaltungsgericht Verkehrszeichen VA-Qualität (in Form der Allgmeinverfügung) beimisst (siehe dazu hier), Verkehrszeichen aber „ihrer Natur nach“ keinen Aufschub dulden (So Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl. 2010, § 54 Rn. 15).
§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO  (in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen): Aus dem Bundesrecht sind vor allem § 54 Abs. 4 BeamtenStG (keine aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Abordnung oder Versetzung eines Beamten) und § 212 a Abs. 1 BauGB (keine aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens) zu nennen. Auf Ebene des Landesrechts enthalten typischerweise die Ausführungsgesetze zur VwGO Regelungen, welche die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen, die sich gegen Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung richten, entfallen lassen (etwa § 112 JustG in NRW oder § 16 AGVwGO in Hessen, der sogar die Anforderung von Kosten oder voraussichtlichen Kosten der Verwaltungsvollstreckung erfasst).
§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO (Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde): Hier entfällt die aufschiebende Wirkung nicht – wie in den Fällen der Nr. 1 bis 3 – kraft Gesetzes. Vielmehr entscheidet hierüber allein die Behörde. Die Vorschrift hat große praktische Bedeutung und wird deshalb auch meist in der Klausur einschlägig sein. Im Rahmen des Rechtsschutzinteresses ist aber zunächst nur positiv festzustellen, dass ein Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vorliegt. Die Besonderheiten der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung betreffen sämtlich Fragen der Begründetheit (dazu unten).

  • Vorheriger Antrag bei der Behörde

Zu guter Letzt kann man im Rechtsschutzbedürfnis noch kurz auf die Frage eingehen, ob sich der Antragssteller vor Stellung des gerichtlichen Eilantrags an die Behörde wenden muss. § 80 Abs. 4 VwGO sieht ja ein behördliches Aussetzungsverfahren ausdrücklich vor. Im Umkehrschluss zu § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO – wonach der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO nur nach erfolgloser Durchführung eines behördlichen Aussetzungsverfahrens zulässig ist – folgt jedoch, dass dies in den (klausurrelevanten) Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 VwGO gerade nicht erforderlich ist. Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage sollte man auf die Frage wirklich nur eingehen, wenn der Sachverhalt einen entsprechenden Hinweis enthält. Etwas anders gilt im Rahmen des Antrags nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 VwGO. Hierzu aber erst in einem der Folgebeiträge.
II. Die Begründetheit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO
Wie bereits mehrfach angedeutet, ist die Prüfung der Begründetheit (und der richtige Umgang mit den Besonderheiten des Eilrechtsschutzes) entscheidend für die Bewertung jeder Klausur, die einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zum Gegenstand hat.
Der Normtext des § 80 VwGO ist hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes nicht sehr ergiebig. Rechtssprechung und Lehre haben aber ein mittlerweile in weiten Teilen einhellig anerkanntes Schema etabliert, an dem man sich sehr gut orientieren kann. Im Ausgangspunkt ist zwischen dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO) und dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO) zu differenzieren.
1.) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO)
(Nochmal zur Erinnerung: es geht hier um die Fälle, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO von Gesetzes wegen entfällt.)
In der Begründetheit des Eilantrags ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Der Antrag ist begründet, wenn das private Aussetzungsinteresse (auch: Suspensivinteresse) des Antragsstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Dies richtet sich in erster Linie nach der (summarisch geprüften) Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.
An dieser Stelle ist man also wieder im bekannten Fahrwasser und prüft ganz normal – wie in der Begründetheit der Anfechtungsklage – das Vorliegen einer Ermächtigungsgrundlage sowie die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, gegen dessen Vollziehung sich der Eilantrag richtet.
Ist eine Aussage über die Erfolgsaussichten in der Hauptsache  abschließend möglich, gilt Folgendes: Ist der Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtswidrig, hat der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO Erfolg. Umgekehrt ist der Antrag unbegründet, wenn der Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtmäßig ist.
Sollte aber der (schwierigere) Fall eintreten, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache offen sind (etwa weil ausweislich des Sachverhalts eine entscheidungserhebliche Tatsache im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht aufgeklärt ist), bedarf es der eigentlichen Interessenabwägung. Sind keine Umstände ersichtlich, die für ein Überwiegen von Aussetzung- oder Vollzugsinteresse sprechen, hilft die gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO (Wegfall der aufschiebenden Wirkung!). Dem öffentlichen Vollzugsinteresse ist der dann der Vorrang einzuräumen. Gerade an dieser Stelle kann der Sachverhalt aber auch eine andere rechtliche Wertung gebieten. Namentlich, wenn dem Antragsteller bei Vollziehung des Verwaltungsaktes schwere und/oder nicht wiedergutzumachende Schäden drohen, ist trotz der Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO dem Antrag stattzugeben. Häufig wird hier eine Folgenabschätzung im Sinne der Doppelhypothese (bekannt aus dem einstweiligen Rechtsschutz nach § 32 BVerfGG) durchgeführt (eine interessante Entscheidung, allerdings zu § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO, findet Ihr etwa hier). Wie so oft kommt es in erster Linie darauf an, sämtliche im Sachverhalt enthaltenen Informationen in das hier präsentierte Prüfungsschema einzuordnen und keine erheblichen Belange (insbesondere des Antragstellers) schlicht zu ignorieren.
2.) Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO)
(Hier geht es um den behördlichen Sofortvollzug, bei dem die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auf Anordnung der Behörde entfällt).
Anders als bei § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist hier der Interessenabwägung (insbesondere Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache) die formelle Überprüfung der behördlichen Vollziehungsanordnung vorzuschalten.

  • Prüfung der Anordnung der sofortigen Vollziehung

Zuständig für die Anordnung der sofortigen Vollziehung sind sowohl die Erlassbehörde als auch die Widerspruchsbehörde (Zuständigkeitskonkurrenz, vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Hier wird sich regelmäßig kein Problem ergeben.
Im Hinblick auf das Verfahren kann es im ersten Examen vorkommen, dass eine Anhörung des Betroffenen vor Erlass der Anordnung unterblieben und auch nicht während des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt worden ist (entweder steht dies ausdrücklich im Sachverhalt oder es fehlt einfach eine Information dazu). Eine Anhörung wäre gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG erforderlich, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung VA-Charakter hätte (dies ist nach einzelnen Stimmen in der Literatur der Fall). Richtigerweise ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung aber kein Verwaltungsakt. Für diese (herrschende) Meinung spricht zum Beispiel, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung das Verwaltungsverfahren nicht abschließt (wie es § 9 VwVfG aber bei Vorliegen eines Verwaltungsaktes annimmt) und – u.a. mangels Fristen für ein gerichtliches Vorgehen – nicht der Bestandskraft fähig ist. Gegen eine entsprechende Anwendung des § 28 Abs. 1 VwVfG spricht, dass § 80 Abs. 3 VwGO abschließende Regelungen über die Form der Anordnung enthält (weshalb eine Regelungslücke nicht vorliegt). Im Übrigen kann nicht gewollt sein, dass die Anordnung selbst mit Widerspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden könnte (die dann ja die aufschiebende Wirkung der Anordnung auslösen würden).
Wichtiger ist dann die ordnungsgemäße Form der Anordnung der sofortigen Vollziehung. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt die schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung. Es handelt sich hierbei ausschließlich um ein Formerfordernis (auf die inhaltliche Richtigkeit der Begründung kommt es an dieser Stelle nicht an). Der Behörde soll der besondere Charakter der Vollziehungsanordnung vor Augen geführt werden, damit sie sich ernsthaft mit der Prüfung des besonderen Vollzugsinteresses auseinandersetzt (Warnfunktion). Darüber hinaus soll der Adressat der Anordnung in die Lage versetzt werden, die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels gegen die Anordnung abzuschätzen (Informationsfunktion). Die genannten Funktionen des Begründungserfordernisses sind nur erfüllt, wenn die Behörde das besondere Vollzugsinteresse anhand des konkreten Einzelfalls darlegt. Die bloße Wiederholung des Gestztestextes, formelhafte Wendungen, Ausführungen zu Sinn und Zweck (Gesetzesbegründung) etc. genügen dem Begründungserfordernis nicht, sofern ihnen der Bezug zum Einzelfall fehlt.
Gerade an dieser Stelle kann sich häufig ein besonderes Klausurproblem ergeben, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen eines Begründungsfehlers rechtswidrig ist. Die Behandlung dieses Spezialproblems soll allerdings einem späteren Beitrag vorbehalten bleiben.

  • Interessenabwägung

Im Rahmen der Interessenabwägung gilt zunächst das oben zu § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO Gesagte entsprechend. Maßgebend sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, wobei hier die Besonderheit hinzu kommt, dass selbst bei Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben sein muss (so ausdrücklich in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vorgesehen).
Für die Entscheidung über den Antrag bedeutet das Folgendes: Ist der Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtswidrig, hat der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO Erfolg (wie oben). Ist der Verwaltungsakt aber rechtmäßig, bedarf es (anders als oben) noch eines besonderen – von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängigen -Vollzugsinteresses der Behörde. Hier ist wieder der Sachverhalt sorgfältig auszuwerten, wobei im Zweifel entsprechend der gesetzlichen Wertung des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Regelfall der aufschiebenden Wirkung) dem Suspensivinteresse des Antragsstelles der Vorrang einzuräumen ist. Entsprechendes gilt, wenn der Ausgang der Hauptsache offen ist, wobei auch hier wieder eine Folgenabschätzung zu einem anderen Ergebnis führen kann (zur Folgenabschätzung im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO etwa hier).

12.10.2012/4 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2012-10-12 09:00:482012-10-12 09:00:48Einstweiliger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren Teil 1 – Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

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