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Schlagwortarchiv für: § 680 BGB

Dr. Melanie Jänsch

BGH: Sportlehrer müssen Erste Hilfe leisten

Rechtsprechung, Staatshaftung, Startseite

Mit Urteil vom 4.4.2019 (Az.: III ZR 35/18) hat sich der BGH mit Amtshaftungsansprüchen eines (ehemaligen) Schülers gegen das Land Hessen auseinandergesetzt. Bei einem im Sportunterricht erlittenen Zusammenbruch hätten die Sportlehrerin und ihr Kollege – so die Behauptung des Schülers – unzureichende Erste-Hilfe-Maßnahmen ergriffen, was letztlich zu einem Hirnschaden des Schülers geführt habe. Die Vorinstanz, das OLG Frankfurt a.M., hatte mit Urteil vom 25.01.2018 (Az.: 1 U 7/17) eine Amtshaftung abgelehnt, weil nicht bewiesen werde könne, ob das Unterlassen der Erste-Hilfe-Maßnahmen ursächlich für den Hirnschaden war. Dass das Gericht hiervon ausgehend den Beweisantrag des Klägers, ein Sachverständigengutachten zur Kausalität einzuholen, abgelehnt hat, war verfahrensfehlerhaft. Daher hat der BGH das vorangegangene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen; auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes sei ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht auszuschließen und es bedürfe insoweit weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Die Entscheidung des BGH ist unter verschiedenen Gesichtspunkten als äußerst klausur- und examensrelevant einzuordnen: Dies betrifft zum einen die Konkretisierung der Amtspflichten, aber auch den Haftungsmaßstab bei Amtsträgerhandeln (Stichwort: analoge Anwendung des § 680 BGB) sowie Fragen zu einer möglichen Beweislastumkehr entsprechend den im Arzthaftungsrecht entwickelten Beweisgrundsätzen bei groben Behandlungsfehlern.
 
A) Sachverhalt (der Pressemitteilung 42/2019 entnommen)
Der seinerzeit 18 Jahre alte Kläger war Schüler der Jahrgangsstufe 13 und nahm im Januar 2013 am Sportunterricht teil. Etwa fünf Minuten nach Beginn des Aufwärmtrainings hörte er auf zu laufen, stellte sich an die Seitenwand der Sporthalle, rutschte dort in eine Sitzposition und reagierte auf Ansprache nicht mehr. Um 15.27 Uhr ging der von der Sportlehrerin ausgelöste Notruf bei der Rettungsleitstelle ein. Die Lehrerin wurde gefragt, ob der Kläger noch atme. Sie befragte dazu ihre Schüler; die Antwort ist streitig. Sie erhielt sodann von der Leitstelle die Anweisung, den Kläger in die stabile Seitenlage zu verbringen. Der Rettungswagen traf um 15.32 Uhr, der Notarzt um 15.35 Uhr ein. Die Sanitäter und der Notarzt begannen sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen, die ungefähr 45 Minuten dauerten. Sodann wurde der intubierte und beatmete Kläger in eine Klinik verbracht. Im dortigen Bericht ist unter anderem vermerkt: „Beim Eintreffen des Notarztes bereits 8 minütige Bewusstlosigkeit ohne jegliche Laienreanimation“. Es wurde ein hypoxischer Hirnschaden nach Kammerflimmern diagnostiziert, wobei die Genese unklar war. Während der stationären Behandlung ergaben sich weitere – teils lebensgefährliche – Erkrankungen. Seit Oktober 2013 ist der Kläger zu 100% als Schwerbehinderter anerkannt.
Der Kläger verlangt nunmehr Schadensersatz vom Land Hessen mit der Begründung, sein gesundheitlicher Zustand sei unmittelbare Folge des erlittenen Hirnschadens wegen mangelnder Sauerstoffversorgung des Gehirns infolge unterlassener Reanimationsmaßnahmen durch seine Sportlehrerin und einen weiteren herbeigerufenen Sportlehrer. Hätten diese im Rahmen der notfallmäßigen Erste-Hilfe-Versorgung eine Atemkontrolle und – angesichts des dabei festgestellten Atemstillstands – anschließend eine Reanimation durch Herzdruckmassage und Atemspende durchgeführt, wäre es nicht zu dem Hirnschaden gekommen.
 
B) Rechtliche Erwägungen
Ansprüche des Klägers gegen das Land Hessen auf Ersatz der Schäden, die durch die von der Sportlehrerin unterlassenen Reanimationsmaßnahmen hervorgerufen wurden, könnten sich aus einem Amtshaftungsanspruch ergeben, der auf einer Zusammenschau von § 839 Abs. 1 BGB und Art. 34 S. 1 GG basiert. Während § 839 BGB als anspruchsbegründende Norm zuerst zu zitieren ist, ergibt sich aus Art. 34 S. 1 GG (so schon Art. 131 WRV) die Überleitung der Haftung auf den Staat. Art. 34 GG fungiert damit als verfassungsrechtlich verbürgte befreiende Schuldübernahme.
 
I. Ausübung eines öffentlichen Amtes
Hierfür müsste die Sportlehrerin in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben. Maßgeblich ist hierbei der haftungsrechtliche Beamtenbegriff. Dieser setzt voraus, dass der betreffenden Person von der zuständigen Stelle die Ausübung eines öffentlichen Amtes anvertraut worden ist, wobei unter einem öffentlichen Amt jede dienstliche Betätigung zu verstehen ist, die öffentlich-rechtliche Belange wahrnimmt. Das heißt, es muss gerade kein beamtenrechtliches Dienst- und Treueverhältnis im Sinne des staatsrechtlichen Beamtenbegriffs bestehen, sondern auch Personen, die in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft stehen, können dem haftungsrechtlichen Beamtenbegriff unterfallen (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl. 2017, BGB § 839 Rn. 130 f.). Dies zugrunde legend sind Lehrer an öffentlichen Schulen – die regelmäßig ohnehin als Beamte im staatsrechtlichen Sinne tätig sind – im Rahmen ihrer Tätigkeit offensichtlich auch vom haftungsrechtlichen Beamtenbegriff erfasst (s. hierzu schon BGH v. 15.3.1954 – III ZR 333/52, NJW 1954, 874), und zwar unabhängig davon, ob sie verbeamtet oder angestellt sind. Die Sportlehrerin im vorliegenden Fall befand sich daher in Ausübung eines öffentlichen Amtes.
 
II. Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht
Fraglich ist, ob sie eine Amtspflicht verletzt hat, die ihr gegenüber Dritten oblag. Besondere Amtspflichten ergeben sich aus der Funktion des konkreten Amtes: Nach ständiger Rechtsprechung des BGH trifft Lehrer die Amtspflicht gegenüber ihnen anvertrauten Schülern, diese vor Schäden zu bewahren (s. beispielhaft BGH v. 15.3.1954 – III ZR 333/52, NJW 1954, 874). Dies beinhalte auch die Verpflichtung, Gesundheitsschäden von ihren Schülern abzuwenden. Es handele sich hierbei um eine Nebenpflicht, die neben die allgemeinen Pflichten – Unterrichtung und Erziehung – trete. Dass Sportlehrern konkret die Amtspflicht zukommt, im Notfall Erste Hilfe zu leisten, hat der BGH ausdrücklich klargestellt:

„Den Sportlehrern des beklagten Landes oblag die Amtspflicht, etwa erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen.“

Indem dies nur unzureichend geschehen ist, haben die Lehrer also eine Amtspflicht verletzt. Die Amtspflicht ist offensichtlich auch drittbezogen: In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die dem Lehrpersonal obliegende Pflicht, die Schüler während des Sportunterrichts zur Verhinderung von Schäden zu beaufsichtigen, eine Amtspflicht darstellt, die auch Dritten gegenüber besteht (s. etwa OLG Frankfurt a.M. v. 18.1.2010 – 1 U 185/08, NVwZ-RR 2010, 479). Dann erscheint es nur konsequent, dies bei der Leistung lebensrettender Maßnahmen im Sportunterricht erst recht anzunehmen: Durch die Verpflichtung zur Ergreifung von Erste-Hilfe-Maßnahmen soll in qualifizierter und individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises von Dritten – Leben und Gesundheit der Schüler – Rücksicht genommen werden. Indem die Lehrer die Vornahme der notwendigen Maßnahme unterlassen haben, haben sie also – so wird dies für diese Lösung unterstellt – eine drittbezogene Amtspflicht verletzt.
 
III. Kausalität
Diese müsste auch kausal zu einer Rechtsgutverletzung – hier: dem Hirnschaden – geführt haben. Ob die Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Rechtsgutverletzung im vorliegenden Fall gegeben war, konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, „ob die Sportlehrer nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme ihre Amtspflicht, erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen zu leisten, verletzt haben. Denn es lasse sich jedenfalls nicht feststellen, dass sich ein etwa pflichtwidriges Unterlassen einer ausreichenden Kontrolle der Vitalfunktionen und etwaiger bis zum Eintreffen der Rettungskräfte gebotener Reanimationsmaßnahmen kausal auf den Gesundheitszustand des Klägers ausgewirkt habe […]. Denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Atmung des Klägers erst kurz vor dem Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt habe oder dass selbst bei Durchführung einer bereits vorher gebotenen Reanimation der Kläger heute in gleicher Weise gesundheitlich beeinträchtigt wäre. Die Wertung des Landgerichts, wonach sich der Zeitpunkt, zu dem der Kläger aufgehört habe zu atmen, nicht verlässlich festlegen lasse, sodass auch nicht festgestellt werden könne, ab wann Wiederbelebungsmaßnahmen geboten gewesen wären, sei nicht zu beanstanden.“ Dann aber hätte das Berufungsgericht – so der BGH – den Beweisantrag des Klägers, ein Sachverständigengutachten zur Kausalität einzuholen, nicht ablehnen dürfen. Für die weiteren Darstellungen wird daher unterstellt, dass der Hirnschaden bei Vornahme der notwendigen Erste-Hilfe-Maßnahmen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre, sodass die Amtspflichtverletzung der Lehrer auch kausal war.
 
IV. Verschulden
1. Grundsatz: Vorsatz oder Fahrlässigkeit
Ihnen müsste auch ein Verschulden anzulasten sein. Hierfür müssten sie entweder vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit müssen sich lediglich auf die Amtspflichtverletzung, nicht aber (auch) auf den schädigenden Erfolg beziehen (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl. 2017, BGB § 839 Rn. 284). In Betracht kommt hier ersichtlich nur fahrlässiges Handeln, das nach allgemeiner Definition dann vorliegt, wenn der Amtswalter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Ein pflichtgetreuer Durchschnittsbeamter hätte erkannt, dass er bei einem im Sportunterricht erlittenen Zusammenbruch eines Schülers Erste-Hilfe-Maßnahmen ergreifen muss. Insofern ist hier wohl von fahrlässigem Handeln auszugehen.
 
2. Haftungsprivilegierung analog § 680 BGB?
Möglicherweise sind hier jedoch analog § 680 BGB andere Maßstäbe anzulegen, mithin könnte die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt sein. Nach § 680 BGB hat der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckt. Der BGH hat eine analoge Anwendung jedoch ausdrücklich abgelehnt. Hier komme die Haftung des Landes nicht nur im Falle grober Fahrlässigkeit in Betracht. Denn:

„§ 680 BGB will denjenigen schützen, der sich bei einem Unglücksfall zu spontaner Hilfe entschließt. Dabei berücksichtigt die Vorschrift, dass wegen der in Gefahrensituationen geforderten schnellen Entscheidung ein ruhiges und überlegtes Abwägen kaum möglich ist und es sehr leicht zu einem Sichvergreifen in den Mitteln der Hilfe kommen kann. Die Situation einer Sportlehrkraft, die bei einem im Sportunterricht eintretenden Notfall tätig wird, ist aber nicht mit der einer spontan bei einem Unglücksfall Hilfe leistenden unbeteiligten Person zu vergleichen. Den Sportlehrern des beklagten Landes oblag die Amtspflicht, etwa erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen. Um dies zu gewährleisten, mussten die Sportlehrer bereits damals über eine aktuelle Ausbildung in Erster Hilfe verfügen. Die Situation des § 680 BGB entspricht damit zwar der von Schülern, aber nicht der von Sportlehrern, zu deren öffentlich-rechtlichen Pflichten jedenfalls auch die Abwehr von Gesundheitsschäden der Schüler gehört. Selbst wenn es sich nur um eine Nebenpflicht der Sportlehrer handelt, sind Sinn und Zweck von § 680 BGB mit der Anwendung im konkreten Fall nicht vereinbar. Insoweit ist der Anwendungsbereich des § 839 Abs. 1 BGB auch davon geprägt, dass ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab gilt, bei dem es auf die Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt, die für die Führung des übernommenen Amtes erforderlich sind. Zur Führung des übernommenen Amtes gehören bei Sportlehrern aber auch die im Notfall gebotenen Erste-Hilfe-Maßnahmen. Dazu stände eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit in Widerspruch. Eine solche einschneidende Haftungsbegrenzung erscheint dem Senat auch vor dem Hintergrund nicht gerechtfertigt, dass mit jedem Sportunterricht für die Schüler gewisse Gefahren verbunden sind. Es wäre aber nicht angemessen, wenn der Staat einerseits die Schüler zur Teilnahme am Sportunterricht verpflichtet, andererseits bei Notfällen im Sportunterricht eine Haftung für Amtspflichtverletzungen der zur Durchführung des staatlichen Sportunterrichts berufenen Lehrkräfte nur bei grober Fahrlässigkeit und damit nur in Ausnahmefällen einträte.“

Der BGH argumentiert überzeugend mit teleologischen Gesichtspunkten: § 680 BGB soll denjenigen privilegieren, der sich im Notfall spontan – ohne Erste-Hilfe-Ausbildung – zur Rettung entschließt. Dieser Gedanke greift aber offensichtlich dann nicht, wenn der betreffende Amtsträger einem Personenkreis angehört, der verpflichtet ist, über eine Erste-Hilfe-Ausbildung zu verfügen, und den ohnehin die Nebenpflicht trifft, Gesundheitsschäden von anderen abzuwenden. Daher vermag eine analoge Anwendung des § 680 BGB mit der Folge, dass der Haftungsmaßstab auf grobe Fahrlässigkeit begrenzt wäre, nicht zu überzeugen. Es bleibt also bei den allgemeinen Regeln, die einfache Fahrlässigkeit genügen lassen. Indem fahrlässiges Handeln zu bejahen ist, trifft die Lehrer also auch ein Verschulden.
 
Anmerkung: Dass § 680 BGB nicht analog auf den Amtshaftungsanspruch anwendbar ist, hat der BGH schon in seiner Entscheidung vom 14.06.2018 – III ZR 54/17, NJW 2018, 2723 festgestellt, in der es um die Haftung eines Feuerwehrbeamten ging, s. hierzu unsere ausführlich Besprechung.
 
V. Kausaler Schaden
Die Amtspflichtverletzung muss bei dem geschützten Dritten zudem einen Vermögensschaden verursacht haben. Dabei ist zu prüfen, welcher Verlauf sich bei pflichtgemäßem Verhalten der Amtsträger ergeben hätte und wie sich in diesem Fall die Vermögenslage des Verletzten darstellen würde (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl. 2017, BGB § 839 Rn. 276). Ein Schaden, der auch bei amtspflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, ist damit nicht kausal, was insbesondere bei einem Unterlassen – wie es im vorliegenden Fall gegeben ist – Relevanz erlangt. „Besteht die Amtspflichtverletzung in einem Unterlassen, kann ein Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nur bejaht werden, wenn der Schadenseintritt bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre. Eine bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügen nicht (s. BGH v. 27.1.1994 – III ZR 109/92, Rn. 33, juris)“. Da nicht abschließend geklärt werden konnte, ob die unzureichenden Rettungsmaßnahmen kausal für den Hirnschaden bzw. die hiermit verbundenen Kosten waren, kann Abhilfe wohl nur das Sachverständigengutachten schaffen. Auch insoweit muss die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. abgewartet werden.
 
VI. Beweislast
Im Übrigen äußerte sich der BGH zudem zur Beweislast. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Kläger beweisbelastet. Man könnte jedoch erwägen, ob – entsprechend den im Arzthaftungsrecht entwickelten Beweisgrundsätzen bei groben Behandlungsfehlern (s. hierzu ausführlich Spickhoff, NJW 2004, 2345 ff.) – eine Beweislastumkehr stattfindet mit der Folge, dass das Land die Nichtursächlichkeit etwaiger Pflichtverletzungen der Sportlehrer nachweisen muss. Das hat der BGH aber mit überzeugender Begründung verneint:

„Zwar gelten diese Grundsätze nach der Senatsrechtsprechung wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage entsprechend bei grober Verletzung von Berufs- oder Organisationspflichten, sofern diese als Kernpflichten, ähnlich wie beim Arztberuf, spezifisch dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dienen. Dies hat der Senat für Hausnotrufverträge und die Badeaufsicht in Schwimmbädern angenommen. Die Amtspflicht der Sportlehrer zur Ersten Hilfe bei Notfällen ist wertungsmäßig jedoch nur eine die Hauptpflicht zur Unterrichtung und Erziehung begleitende Nebenpflicht. Die Sportlehrer werden an der Schule nicht primär oder in erster Linie – sondern nur „auch“ – eingesetzt, um in Notsituationen Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen zu können. Eine Verletzung dieser Nebenpflicht, auch wenn sie grob fahrlässig erfolgt sein sollte, rechtfertigt keine Beweislastumkehr in Anlehnung an die oben aufgeführten Fallgruppen.“

Für eine Beweislastumkehr sei also erforderlich, dass es sich bei der Pflicht zur Erste-Hilfe-Leistung um eine Hauptpflicht handele. Da dies bei Sportlehrern ersichtlich nicht der Fall sei, bleibe es bei den allgemeinen Grundsätzen, dass den Kläger die Beweislast treffe.
 
VII. Ergebnis
Ein Anspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG kommt damit grundsätzlich in Betracht.
 
C) Fazit
Fest steht damit: Sportlehrer trifft die Pflicht, im Notfall zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen zu ergreifen. Wird dies unterlassen, kommt ein Anspruch gegen das Land aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht. Dabei kommt ihnen auch keine Haftungsprivilegierung analog § 680 BGB zu. Denn § 680 BGB verfolgt den Zweck, denjenigen zu privilegieren, der sich spontan und ohne Erste-Hilfe-Ausbildung zu Rettungsmaßnahmen entschließt – dieser Gedanke trifft auf Sportlehrer, die ohnehin über eine derartige Ausbildung verfügen müssen, aber nicht zu. Genau wie es der BGH für die Berufsfeuerwehr entschieden hat, ist eine Analogiebildung also auch bei Sportlehrern nicht angezeigt. Ob jedoch im konkreten Fall ein Anspruch bejaht werden kann, ist noch unklar; insofern muss die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. abgewartet werden.
 
 

23.04.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-04-23 09:18:092019-04-23 09:18:09BGH: Sportlehrer müssen Erste Hilfe leisten
Dr. Sebastian Rombey

BGH: § 680 BGB ist nicht analog auf den Amtshaftungsanspruch anwendbar – Zur Staatshaftung für einen Feuerwehrbeamten

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Der BGH hat sich in einer Entscheidung vom 14.06.2018 – III ZR 54/17, NJW 2018, 2723 mit dem Haftungsmaßstab auseinandergesetzt, der bei dem Einsatz von Feuerwehrbeamten zur Brandbekämpfung gilt. Dies deshalb, weil der durch Art. 34 S. 3 GG angeordnete Zivilrechtsweg sich bereits in letzter Instanz befand (erstinstanzlich zuständig sind gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG nämlich die Landgerichte). Da in dem Urteil nahezu mustergültig das Bestehen eines Amtshaftungsanspruchs sowie die Voraussetzungen, die für das Vorliegen einer Analogiebildung erfüllt sein müssen, geprüft werden – zentral war nämlich die Frage, ob die Haftungsprivilegierung des § 680 BGB zur Geschäftsführung bei Gefahrenabwehr für Feuerwehrbeamte analog herangezogen werden kann –, ist auch auf Grund der praktischen Relevanz der Entscheidung mit einer deutlich gesteigerten Examensrelevanz zu rechnen – zumal neue Entscheidungen auf dem Gebiet des Staatshaftungsrechts vergleichsweise selten sind.
I. Sachverhalt (der PM Nr. 105/2018 v. 14.06.2018 entnommen)
„Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sich das Auslieferungslager und das Verwaltungsgebäude eines Handelsunternehmens befanden. Am Abend des 8. Februar 2010 brach dort ein Feuer aus, das auf das Lager- und das Verwaltungsgebäude übergriff. Die Einsatzkräfte stellten fest, dass der Brand der Lagerhalle nicht mehr zu löschen war. Sie bemühten sich, das Ausbreiten des Feuers auf eine benachbarte Lagerhalle zu vermeiden. Zu diesem Zweck setzte die Feuerwehr [Ergänzung des Verfassers: auf Befehl des Einsatzleiters] zwischen der brennenden Halle der Klägerin und dem benachbarten Lagergebäude ein [Ergänzung des Verfassers: verbotenes, da] perfluoroctansulfathaltiges Schaummittel ein. Die Schaumbestandteile gelangten in das Erdreich und das Grundwasser. Die beklagte Stadt gab der Klägerin auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes sowie des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes umfangreiche Maßnahmen zur Sanierung ihres Grundstücks auf.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten u.a. die Erstattung der bislang angefallenen und die Freistellung von künftigen Kosten für die Sanierung ihres Grundstücks infolge des Einsatzes des fluorhaltigen Schaums sowie den Ersatz des Wertverlustes, den ihr Grundstück trotz durchgeführter Sanierung erlitten habe. Sie hat vorgetragen, der von der Feuerwehr der Beklagten verwendete Löschschaum habe unter Berücksichtigung des dadurch verursachten Schadens nicht eingesetzt werden dürfen. Ein Ausbreiten des Brandes habe auch ohne den Einsatz des Schaums verhindert werden können.“
II. Die Entscheidung des BGH
Ansprüche der Klägerin gegen die beklagte Stadt auf Ersatz der Schäden, die der Feuerwehreinsatz bzw. die Anordnung des Einsatzleiters, dem die beklagte Stadt das Amt anvertraut hatte, hervorgerufen hat, könnten sich aus einem Amtshaftungsanspruch ergeben, der sich aus einer Zusammenschau von § 839 Abs. 1 BGB und Art. 34 S. 1 GG ergibt. Während § 839 BGB als anspruchsbegründende Norm zuerst zu zitieren ist, ergibt sich aus Art. 34 S. 1 GG (so schon Art. 131 WRV) die Überleitung der Haftung auf den Staat.
1. Ausübung eines öffentlichen Amtes
Zunächst müsse jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben. Die Berufsfeuerwehr, oder genauer gesagt der Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr, ist fraglos als Beamter im staatshaftungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren, der auch aus seinem öffentlichen Amt heraus gehandelt hat, denn er hat sich bei seiner Anordnung zum Einsatz des Löschschaums auf öffentlich-rechtliche Vorschriften (vor allem § 34 Abs. 1 S. 1 BHKG) gestützt, die ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt, also den Einsatzleiter, berechtigen und verpflichten. § 34 Abs. 1 S. 1 BHKG regelt die Befugnisse der Einsatzleitung und lautet: „Die Einsatzleitung ist befugt, den Einsatz der Feuerwehren sowie der Einheiten des Katastrophenschutzes zu regeln, erforderliche Einsatzmaßnahmen zu treffen und zusätzliche Einsatzmittel und Einsatzkräfte über die Leitstelle anzufordern.“ Dabei handelte der Einsatzleiter auch in Ausübung eben dieses öffentlichen Amtes, als er den Einsatz des Löschschaumes anordnete, und nicht bloß bei Gelegenheit; mit anderen Worten bestand hier ersichtlich ein innerer wie äußerer Funktionszusammenhang zwischen der Anordnung des Löschschaumeinsatzes und dem öffentlichen Amt als Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr.
2. Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht
Problematisch war dagegen, ob der Einsatzleiter durch die Anordnung des Löschschaumeinsatzes auch eine drittbezogene Amtspflicht verletzt hatte, die als Dritte auch die Klägerin umfasst. Als verletzte Amtspflicht kommt hier die aus Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitete Pflicht zum rechtmäßigen Verwaltungshandeln in Betracht. Zu dieser gehört es auch, dass der Einsatzleiter einer Berufsfeuerwehr die aus § 34 Abs. 1 S. 1 BHKG folgenden Leitungsrechte ermessensfehlerfrei ausübt. Diese Amtspflicht obliegt dem Einsatzleiter auch und gerade gegenüber der Klägerin, also der Inhaberin des Grundstücks, auf dem der Brand gelöscht werden soll, sodass keine bloße Pflicht gegenüber der Allgemeinheit besteht. Deshalb ist eine Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden Löschschaumeinsatzes angezeigt.
Im vorliegenden Fall bestehen Bedenken gegen das aus § 34 Abs. 1 S. 1 BHKG folgende Auswahlermessen, das auch die Auswahl der richtigen Mittel umfasst. Der BGH nahm insoweit einen Ermessensnichtgebrauch an, da der Einsatzleiter der Berufsfeuerwahr nach den instanzgerichtlichen Feststellungen nicht von einem bestehenden Ermessen ausgegangen war, sondern vielmehr angenommen hatte, er wäre zum Einsatz des Löschschaumes verpflichtet. Wäre sich der Einsatzleiter dagegen seines bestehenden Ermessens bewusst gewesen, läge ein Fall der Ermessensüberschreitung vor, da der Einsatz des Löschschaumes nicht im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht, da die Ausbreitung des Brandes auch mit gleich effektiven, milderen Mitteln, die das Erdreich sowie das Grundwasser weniger belastet hätten, möglich gewesen wäre, sodass es an der Erforderlichkeit des Löschmitteleinsatzes mangelt. Damit hat der Einsatzleiter durch die Anordnung des Löschschaumeinsatzes die drittgerichtete Amtspflicht zum rechtmäßigen Verwaltungshandeln verletzt.
3. Verschulden
Den Kern des Rechtsstreits bildete allerdings nachgelagert die Frage, ob diese Amtspflichtverletzung auch schuldhaft begangen wurde, dem Einsatzleiter also ein Verschulden im Sinne des § 276 Abs. 1 BGB angelastet werden kann. Maßstab ist insoweit allerdings nicht der konkret handelnde Einsatzleiter, sondern vielmehr ein besonnener und gewissenhafter, mit anderen Worten pflichtgetreuer Durchschnittsbeamter. Schon aus der Formulierung des Sachverhalts folgt, dass am Vorliegen einfacher Fahrlässigkeit im Sinne des Außerachtlassens der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach § 276 Abs. 2 BGB bei dem nicht erforderlichen Einsatz des Löschschaums keine Bedenken bestehen – zumal der Einsatzes dieses sog. PFOS-Schaumes in verschiedenen Verordnungen, die jedenfalls Berufsfeuerwehrleuten bekannt sein sollten, explizit verboten wird (so hat der BGH bereits in einer früheren Entscheidung klargestellt, dass sich ein Beamter die für die Amtsausübung notwendigen Kenntnisse selbst verschaffen muss, vgl. Urt. v. 26.01.1989 – III ZR 194/87, NJW 1989, 976). Gleichwohl formuliert § 276 Abs. 1 BGB, dass der Haftungsmaßstab der einfachen Fahrlässigkeit nur dann herangezogen werden kann, wenn eine strengere oder – wie hier – möglicherweise mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist. Dies könnte hier der Fall sein, wenn man aus der Haftungsprivilegierung für die Geschäftsführung bei Gefahrenabwehr, die sich aus § 680 BGB ergibt, eine Analogie herleiten könnte. Voraussetzung dafür wäre das Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage sowie einer planwidrigen Regelungslücke.
a) vergleichbare Interessenlage?
Der BGH verneint (in den Rn. 54 ff.) bereits das Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage, die in der Literatur teilweise damit begründet wird, dass ein berufsmäßiger Helfer nicht schlechter stehen dürfe als ein nicht-berufsmäßiger Helfer:
„Nach Sinn und Zweck von § 680 BGB soll der potenzielle Geschäftsführer in Augenblicken dringender Gefahr zur Hilfeleistung ermutigt werden, weil dies auch im allgemeinen Interesse erwünscht und nach § 323 c StGB unter Umständen sogar gefordert ist. Die Vorschrift des § 680 BGB will also denjenigen schützen und in gewissem Umfang vor eigenen Verlusten bewahren, der sich zu spontaner Hilfe entschließt. Sie berücksichtigt, dass wegen der in Gefahrensituationen geforderten schnellen Entscheidung ein ruhiges und überlegtes Abwägen ausgeschlossen ist und es sehr leicht zu einem Sichvergreifen in den Mitteln der Hilfe kommen kann […]. Diese Situation entspricht nicht derjenigen von Amtsträgern, zu deren öffentlich-rechtlicher Pflicht die „berufsmäßige“ Abwehr einer dringenden Gefahr für Einzelne oder die Allgemeinheit gehört (vgl. § 2 Absatz I 1 BWFwG zur gesetzlichen Aufgabe der von der Bekl. unterhaltenen Feuerwehr). Die genannten Amtsträger sind auf die mit der Gefahrenabwehr häufig verbundenen Noteinsätze typischerweise vorbereitet und können auf entsprechende Erfahrungen aus dem Berufsalltag zurückgreifen, so dass das Risiko eines Fehlverhaltens deutlich geringer ist als bei zufällig hinzutretenden Personen […]. Zudem hat die hinter der Haftungsbeschränkung des § 680 BGB stehende Erwägung, den fremdnützig in einer Notsituation eingreifenden Helfer vor eigenen Verlusten zu bewahren, in Fällen der Gefahrenabwehr durch Behörden deutlich weniger Gewicht.“
Deshalb – so der BGH – sei der Körperschaft, die für die Amtspflichtverletzung anstelle des Feuerwehrbeamten haftet, ein höheres Haftungsrisiko zumutbar als einem freiwilligen (und selbst haftenden) Nothelfer.
b) planwidrige Regelungslücke?
Ob das Gesetz darüber hinaus unvollständig ist und damit eine von Gesetzgeber so nicht vorgesehene Regelungslücke planwidriger Art vorliegt, bezweifelt der BGH (in den Rn. 57 ff.) ebenfalls:
„Das Gesetz enthält auch keine planwidrige Regelungslücke […]. Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, die im Wege der Analogie ausgefüllt werden kann, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein […] Dies ist im Hinblick auf den Haftungsmaßstab für die in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgende Gefahrenabwehr nicht der Fall. […]
Würde […] für die gesamte öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr, soweit sie Notsituationen betrifft, ein reduzierter Haftungsmaßstab entsprechend § 680 BGB gelten, wären bedeutende Bereiche staatlicher Tätigkeit von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgenommen. Eine derartige Haftungsprivilegierung ist weder mit den vorgenannten Grundsätzen der Amtshaftung nach § 839 BGB vereinbar noch ist sie erforderlich. Denn der besonderen Situation eines Noteinsatzes kann – unter Berücksichtigung der Ausbildung und der Erfahrung des Amtsträgers – auch im Rahmen der Prüfung des Vorwurfs der einfachen Fahrlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden. Ist die objektiv richtige Handlung für den Amtsträger angesichts der Verhältnisse am Einsatzort und in der Kürze der für die Entscheidungsfindung zur Verfügung stehenden Zeit nicht erkennbar, kann ihm jedenfalls kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. Unter Umständen liegt bereits keine Amtspflichtverletzung vor […].
Somit liegt auch keine planwidrige Regelungslücke vor. Dies überzeugt, zeigt doch § 839 BGB selbst gerade, dass der Gesetzgeber bewusst verschiedene Haftungsprivilegierungen für die staatliche Haftung formuliert hat, sodass für die analoge Anwendung weiterer BGB-Normen schon deshalb wohl kaum Platz sein kann. Singbartl/Zintl fassen dies in ihrer Urteilsanmerkung (NJW 2018, 2723) treffend zusammen: „Hätte der Gesetzgeber eine so weitreichende Einschränkung der Staatshaftung gewollt, hätte er dies selbst regeln müssen. Ein „Überspielen“ dieser Nicht-Entscheidung des Gesetzgebers wäre contra legem, würde also die Grenze unzulässiger Rechtsfortbildung berühren.“
c) Zwischenergebnis
Damit greift der Haftungsmaßstab des § 276 Abs. 1, 2 BGB ein, sodass auch die oben beschriebene einfache Fahrlässigkeit zur Erfüllung des Verschuldenserfordernisses ausreichend ist.
4. Ersatzfähiger Schaden
Die Klägerin kann demgemäß alle durch den Einsatz des Löschschaumes adäquat kausal verursachten Schäden in Geld ersetzt verlangen.
5. Keine Ausschlussgründe
Ausschlussgründe aus § 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 oder Abs. 3 BGB (Subsidiarität, Spruchrichterprivileg oder unterlassener Rechtsmittelgebrauch) sind nicht ersichtlich.
6. Ergebnis
Demnach steht der Klägerin ein Amtshaftungsanspruch gegen die beklagte Stadt zu, § 839 Abs. 1 i.V.m. Art. 34 S. 1 GG.
III. Was folgt nun daraus?
Der BGH klärt mit seiner Entscheidung einen in der Literatur geführten Streit, der sich in allen Standardkommentaren des BGB wiederfindet (s. nur Palandt/Sprau, 77. Aufl. 2018, § 630 BGB Rn. 1). Wegen der zugleich bestehenden Praxisrelevanz handelt es sich um ein wegweisendes Judikat, das die Aktualität des Amtshaftungsanspruchs abermals unterstreicht.
Gleichwohl ist das Urteil des BGH zum Brandbekämpfungseinsatz einer Berufsfeuerwehr ergangen. Deshalb lässt sich die Folgefrage formulieren, ob sich die Erwägungen des III. Senats auch auf in Deutschland im Verhältnis zur Berufsfeuerwehr deutlich in der Überzahl befindliche freiwillige Feuerwehren übertragen lassen. Dies ist – wie Singbartl/Zintl, NJW 2018, 2723 richtigerweise anmerken – problemlos der Fall. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Auch freiwillige Feuerwehren sind öffentliche Einrichtungen der Gemeinden; sie werden mit anderen Worten öffentlich getragen. Auch hier kann sich der öffentliche Träger wie in der Argumentation des BGH beschrieben finanziell absichern – vor allem durch Abschluss einer entsprechenden Versicherung und durch Schulung der freiwilligen Feuerwehrleute. Eine Analogiebildung  zu § 680 BGB ist also auch in diesem Fall nicht angezeigt.

19.09.2018/1 Kommentar/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2018-09-19 09:01:362018-09-19 09:01:36BGH: § 680 BGB ist nicht analog auf den Amtshaftungsanspruch anwendbar – Zur Staatshaftung für einen Feuerwehrbeamten

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