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Schlagwortarchiv für: § 434 BGB

Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zum Rücktritt wegen Sachmangels – Keine zweite Chance zur Nachbesserung erforderlich

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Mit Urteil vom 26.08.2020 hat sich der BGH (Az.: VIII ZR 351/19) abermals mit dem extrem klausur- und examensrelevanten Gebiet des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts auseinandergesetzt. Konkret wurden die Anforderungen an einen Rücktritt vom Kaufvertrag und Schadensersatzansprüche nach einem erfolglosen Nachbesserungsversuch präzisiert: Wurde eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt, innerhalb derer der Verkäufer voraussichtlich nicht nur die Leistungshandlung vornehmen, sondern auch den Leistungserfolg herbeiführen kann, und ist diese Frist erfolglos verstrichen, so muss der Käufer dem Verkäufer grundsätzlich keine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einzuräumen, bevor er sekundäre Gewährleistungsrechte geltend machen kann. Der Fall eignet sich hervorragend, um systematische Feinheiten des Mängelrechts abzuprüfen, und kann problemlos Einzug in Klausuren ab dem Grundstudium finden – eine Auseinandersetzung mit den Grundzügen der Entscheidung ist angesichts dessen nicht nur für Examenskandidaten dringend zu empfehlen.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: K kaufte am 12.09.2017 bei V einen Neuwagen zum Preis von 18.750 Euro. Mit Schreiben vom 14.05.2018 rügte K Mängel an der Lackierung des Fahrzeugs im Bereich der Motorhaube, der A-Säule und am Heckdeckel. Hierbei setzte er V eine Frist zur Nachbesserung bis zum 30.05.2018. Mit Anwaltsschreiben vom 28.05.2018 bot V dem K an, einen Vertragshändler seiner Wahl zum Zwecke der Besichtigung des Fahrzeugs und der Nachbesserung aufzusuchen. Hiervon machte K Gebrauch und überstellte das Fahrzeug am 03.07.2018 einer Vertragswerkstatt zur Untersuchung. Im Anschluss hieran fand die Nachbesserung im Zeitraum vom 14. bis zum 21.08.2018 statt. Indes wurden die beanstandeten Mängel im Zuge dieser ersten Nachbesserung nicht vollständig beseitigt und die Neulackierung nicht fachgerecht ausgeführt, weshalb der K das Fahrzeug einige Tage später erneut bei der Werkstatt vorstellte und einen zweiten Nachbesserungstermin vereinbarte. Diesen Termin nahm er jedoch nicht wahr, sondern erklärte mit Anwaltsschreiben vom 24.09.2018 den Rücktritt vom Kaufvertrag gegenüber V. Er verlangt nun unter anderem – unter Anrechnung gezogener Nutzungen – Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 17.437,50 Euro nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs.
 
B) Rechtsausführungen
Nach Abweisung der Klage vor dem Landgericht Hanau ist auch die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem OLG Frankfurt erfolglos geblieben. In der Revision hat der BGH nunmehr festgestellt, dass ein Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises nach §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 434 Abs. 1, 323 Abs. 1 i.V.m. 346 ff. BGB sowie auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 437 Nr. 3, 434 Abs. 1, 325, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB nicht verneint werden kann, und die Sache an das OLG Frankfurt zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
 
I. Anwendungsbereich des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts
Der Anwendungsbereich des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts ist zweifellos eröffnet: Angesichts der genannten Mängel ist der Verkäufer seiner Pflicht aus dem Kaufvertrag zur mangelfreien Verschaffung der Sache gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB nicht nachgekommen. Es liegen also Sachmängel i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB vor, die nach den gerichtlichen Feststellungen auch bereits im Zeitpunkt der Übergabe i.S.v. § 446 S. 1 BGB, also bei Gefahrübergang, bestanden.
 
II. Rücktrittsvoraussetzungen
Die Voraussetzungen des Rücktritts wegen – wie hier vorliegender – behebbarer Mängel richten sich nach §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 BGB.
Der zunächst erforderliche gegenseitige Vertrag besteht in dem von den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag; die zuvor festgestellten Sachmängel bei Gefahrübergang bedeuten eine nicht vertragsgemäße Leistung i.S.v. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1 Alt. 2 BGB.
Damit liegt der Schwerpunkt der Prüfung – parallel zum Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB – auf der Frage, ob eine angemessene Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen ist. Denn § 323 Abs. 1 BGB zufolge kann der Gläubiger dem Grundsatz nach nur dann zurücktreten, wenn er dem Schuldner gegenüber zuvor ergebnislos eine angemessene Frist zur Erbringung der ausstehenden Leistung bzw. Nacherfüllung bestimmt hat. Mit anderen Worten: Sobald die angemessene Frist fruchtlos verstrichen ist, der Schuldner also vor ihrem Ablauf nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß geleistet hat, steht dem Gläubiger ein Rücktrittsrecht zu. Welche konkrete Zeitspanne objektiv angemessen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 323 Rn. 72).
 
Anmerkung: Erweist sich die konkret gesetzte Frist als unangemessen kurz, ist die Rechtsfolge jedoch nicht ihre Unwirksamkeit, sondern es wird eine längere (angemessene) Frist in Gang gesetzt (s. hierzu exemplarisch BGH, Urt. v. 13.07.2016 – VIII ZR 49/15, NJW 2016, 3654, 3655 Rn. 31).
 
1. Berufen auf Verstreichen der ursprünglich gesetzten Frist als Verstoß gegen Treu und Glauben
Nach diesen Maßstäben hat der BGH zunächst – im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht – festgestellt, dass ein Rücktrittsrecht nicht schon deswegen besteht, weil die Nachbesserungsarbeiten nicht innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist (bis zum 30.05.2018), sondern erst im Zeitraum vom 14. bis zum 21.08.2018 durchgeführt worden sind. Anders als das Berufungsgericht ausgeführt hat, ergebe sich dies allerdings noch nicht daraus, dass ein vor Ablauf der Nachbesserungsfrist eingegangenes Angebot des Verkäufers auf Untersuchung des Fahrzeugs für eine fristwahrende Nachbesserung ausreiche. Unabhängig davon, dass das vor Fristablauf erfolgte Angebot auf Vorstellung des Fahrzeugs beim Vertragshändler als bloß vorgeschalteter Schritt zur Nacherfüllung, mithin nicht als Leistungshandlung selbst zu werten sei, komme es nämlich bei der Nacherfüllung auf das Ausbleiben des Leistungserfolgs innerhalb der Frist an. Allein die fristgerechte Erbringung der Leistungshandlung könne weitergehende Rechte des Käufers nicht ausschließen; dies folge bereits aus dem Sinn und Zweck der Nacherfüllung, die Durchsetzung und Ermöglichung der Erfüllung der Verkäuferpflichten sicherzustellen, und stehe auch nur nach diesem Verständnis im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben:

„Das erfolglose Verstreichen der vom Käufer gesetzten (angemessenen) Frist führt dazu, dass der Käufer, der eine mangelhafte Sache erhalten hat, nun sekundäre Gewährleistungsrechte (Rücktritt, Minderung, Schadens- oder Aufwendungsersatz) geltend machen kann. Es ist weder ein Bedürfnis des Verkäufers erkennbar, dem Käufer bereits bei einer fristgerecht vorgenommenen Leistungshandlung den Übergang zu den sekundären Gewährleistungsrechten zu verwehren, noch würde dies den Interessen des Käufers gerecht. Denn die vom Käufer zu setzende Frist ist so zu bemessen, dass der Verkäufer bei ordnungsgemäßem Vorgehen vor Fristablauf voraussichtlich nicht nur die Leistungshandlung vornehmen, sondern auch den Leistungserfolg herbeiführen kann.“ (Rn. 28)

Ob die konkret gesetzte Frist bis zum 30.05.2018 als angemessen einzustufen sei, könne gleichwohl dahinstehen. Denn angesichts der Tatsache, dass sich der Käufer freiwillig auf eine Nachbesserung im August eingelassen habe, wurde damit entweder die gesetzte Frist verlängert oder jedenfalls kein Widerspruch dagegen erhoben, dass die Mängelbeseitigung erst später vorgenommen wurde – sodass ein Berufen auf die nicht erfolgte Nachbesserung bis zum 30.05.2018 nach dem Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB als rechtsmissbräuchlich zu werten sei.
 
2. Keine zweite Chance zur Nachbesserung erforderlich
Dennoch: Die Geltendmachung sekundärer Gewährleistungsrechte sei nicht an die Einräumung einer zweiten Chance zur Nachbesserung gekoppelt. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass eine Fristsetzung zur Nachbesserung nicht erst dann erfolglos im Sinne des § 323 Abs. 1 BGB verstrichen sei, wenn – wie in § 440 S. 2 BGB für den Fall einer ausnahmsweise entbehrlichen Fristsetzung infolge einer fehlgeschlagenen Nacherfüllung vorgesehen – zwei Nachbesserungsversuche des Verkäufers nicht zur Beseitigung des Mangels geführt hätten. Im Gegenteil sei § 440 S. 1 Alt. 2, S. 2 BGB, wonach die Nachbesserung nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt und die Fristsetzung in der Konsequenz für den Übergang zu sekundären Gewährleistungsrechten ausnahmsweise entbehrlich ist, angesichts seines Ausnahmecharakters gerade keine allgemeine Wertung zu entnehmen:

„Das Gesetz unterscheidet konsequent zwischen dem Fristsetzungserfordernis nach den Regeltatbeständen (§ 323 Abs. 1 BGB [Rücktritt und Minderung [iVm § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB]], § 281 Abs. 1 BGB [Schadensersatz statt der Leistung]) und den Fallgestaltungen, in denen eine Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich ist (§ 323 Abs. 2, 3, § 281 Abs. 2 BGB, § 440 Satz 1 BGB). Der grundsätzlich gebotenen Fristsetzung ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers bereits dann genügt, wenn der Käufer einmalig fruchtlos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Die gesetzlichen Vorschriften, die einen Rücktritt, eine Minderung oder ein Verlangen auf Schadensersatz statt der Leistung in Ausnahmefällen auch ohne Fristsetzung erlauben, zeichnen sich jeweils dadurch aus, dass sie den Verzicht auf dieses einmalige Erfordernis durch andere (gleichwertige) Anforderungen ersetzen. Weiter verkennt das Berufungsgericht den Sinn und Zweck des § 440 Satz 2 BGB, der dem Käufer die Geltendmachung eines Fehlschlagens der Nachbesserung in praktischer Hinsicht erleichtern (BT-Drucks. 14/6040, S. 234), nicht aber den Übergang zu den sekundären Gewährleistungsrechten erschweren soll.“ (Rn. 38 f.)

Anders gesagt: Einem Schuldner, der eine fällige Leistung nicht erbracht hat, wird durch das einmalige Setzen einer angemessenen Frist hinreichend deutlich gemacht, dass ein weiteres Ausbleiben der Leistung Rechtsfolgen nach sich zieht – so die Grundkonzeption der Mängelrechte. In bestimmten Fällen muss der Käufer aber ausnahmsweise keine Frist setzen, weil dies keinen Erfolg versprechen würde oder ihm aus anderen Gründen nicht zugemutet werden kann (§§ 323 Abs. 2, 440, 281 Abs. 2 BGB). Aus diesen Ausnahmetatbeständen und den ihnen zugrunde liegenden Wertungen lassen sich aber keine Rückschlüsse auf die Auslegung der Regeltatbestände ziehen:

„Denn dies würde das vom Gesetzgeber als Regelfall ausgestaltete Fristerfordernis obsolet machen. Wenn der Käufer dem Verkäufer trotz Fristsetzung regelmäßig zweimal eine Nachbesserungsmöglichkeit einräumen müsste, ist nicht zu erkennen, warum der Käufer überhaupt noch eine Frist setzen und nicht stattdessen ein Fehlschlagen der Nachbesserung im Sinne von § 440 BGB geltend machen sollte. Zugleich wären dem Käufer die Vorteile einer Fristsetzung abgeschnitten. Er könnte sich – entgegen dem Willen des Gesetzgebers – nicht mehr darauf verlassen, dass bei Ablauf einer von ihm gesetzten angemessenen Frist zur Nachbesserung ein Übergang zu den sekundären Gewährleistungsrechten möglich ist.“ (Rn. 50)

Der Käufer muss dem Verkäufer also grundsätzlich keine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einräumen, bevor er zurücktreten oder Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Das Recht zur Nachbesserung ist mit dem erfolglosen Versuch, den Wagen zu lackieren, abgegolten gewesen; die Frist ist mithin erfolglos abgelaufen.
 
Ferner dürfte der Mangel nicht unerheblich gemäß §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 5 S. 2 BGB bzw. § 281 Abs. 1 S. 3 BGB sein. Hierzu bedarf es gleichwohl weiterer Feststellungen seitens des Berufungsgerichts. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob dem Käufer eine Berufung auf den erklärten Rücktritt wegen widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB verwehrt ist. Daher hat der BGH die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
 
III. Letztlich kann ein Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises nach §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 434 Abs. 1, 323 Abs. 1 i.V.m. 346 ff. BGB sowie auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 437 Nr. 3, 434 Abs. 1, 325, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB daher nicht mit der Begründung verneint werden, dass ein zweiter Nachbesserungsversuch nicht stattgefunden hat.  
 
C) Zusammenfassung
Kurz zusammengefasst gilt:

  • Damit sekundäre Gewährleistungsrechte (Rücktritt, Minderung, Schadensersatz statt der Leistung) geltend gemacht werden können, bedarf es dem Grundsatz nach der Setzung einer angemessenen Frist durch den Käufer, die erfolglos ablaufen muss.
  • Innerhalb dieser Frist muss es dem Verkäufer voraussichtlich möglich sein, nicht nur die Leistungshandlung vorzunehmen, sondern auch den Leistungserfolg herbeizuführen.
  • Ist diese Frist verstrichen, ohne dass der Leistungserfolg herbeigeführt wurde, muss der Käufer dem Verkäufer grundsätzlich keine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einräumen. Dem Ausnahmetatbestand nach § 440 S. 1 Alt. 2, S. 2 BGB, dem zufolge die Nachbesserung erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt, ist keine allgemeine Wertung zu entnehmen, die Rückschlüsse auf die Auslegung der Regeltatbestände zulassen könnte.

 

22.10.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-10-22 08:50:242020-10-22 08:50:24BGH: Neues zum Rücktritt wegen Sachmangels – Keine zweite Chance zur Nachbesserung erforderlich
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Mängelgewährleistung beim Kauf von Anteilen an einer GmbH (share deal)

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In seinem Urteil vom 26.09.2018 (Az.: VIII ZR 187/17, NZG 2018, 1305) hat sich der BGH mit dem Mängelgewährleistungsrecht beim Kauf von Mitgliedschaftsrechten an einer GmbH auseinandergesetzt. Die Entscheidung betrifft schwerpunktmäßig den Klassiker, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei einem Anteilskauf (share deal), der als solcher einen Rechtskauf i.S.v. § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB darstellt, die für einen Sachkauf geltenden Gewährleistungsrechte der §§ 434 ff. BGB gelten können. Thematisiert wird außerdem das Verhältnis des Mängelgewährleistungsrecht zur Störung der Geschäftsgrundlage. Flankiert wird dabei die Problematik, ob die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB herangezogen werden können, wenn bei dem Kauf der Mitgliedschaftsrechte die Vertragsparteien irrtümlich von der Solvenz der Gesellschaft ausgehen. Die hohe Examensrelevanz liegt damit auf der Hand: Kombiniert werden kann klassisches Mängelgewährleistungsrecht, das durch die Grundsätze des Unternehmenskaufs den Studierenden auf regelmäßig unvertrautem Terrain begegnet und insofern auf erhöhtem Schwierigkeitsgrad abgeprüft werden kann, mit dem Schuldrecht AT-Institut der Störung der Geschäftsgrundlage.
 

Anmerkung: Dass die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB den Rechtsanwender regelmäßig vor Probleme stellt, liegt schon in der Fassung der Norm begründet, die eine Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen und Wertungsgesichtspunkten enthält. Empfohlen wird daher unser Grundlagenbeitrag, der die Grundzüge der Störung der Geschäftsgrundlage darstellt und typische Fallkonstellationen aufzeigt.

 
A. Sachverhalt (vereinfacht und abgewandelt):
A und B sind beide zu je 50% an der C-GmbH beteiligt. Nach Meinungsverschiedenheiten vereinbaren die beiden, dass der A die vom B gehaltenen Anteile kaufen soll. Um den Wert der C-GmbH zu ermitteln, gibt der A bei einer Wirtschaftsprüfgesellschaft ein Gutachten in Auftrag, dem die Werte des Jahresabschlusses 2009 zugrunde gelegt werden und das unter Berücksichtigung von Einwänden des B ergänzt wird. Ausgehend von diesen Berechnungsgrundlagen veräußert der B seine Anteile an der C-GmbH durch notariellen Vertrag vom 5.10.2011 zu einem Kaufpreis von 4 Mio. Euro an den A. Der Kaufvertrag enthält dabei detaillierte Regelungen, zum Beispiel verschiedene Garantievereinbarungen im Hinblick auf das rechtswirksame Bestehen der Geschäftsanteile sowie die nicht vorhandene Belastung mit Rechten Dritter. Auch sollen gesetzliche Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sein, „soweit dies rechtlich möglich ist“. Vereinbart wird zudem, dass der Vertrag hinsichtlich dessen Gegenstandes das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend regeln soll. Nicht thematisiert wird jedoch, ob die finanzielle Lage des Unternehmens als Beschaffenheit der Anteile anzusehen ist. Nachdem A den Kaufpreis gezahlt hat, kommen ihm allerdings Zweifel, ob er ein gutes Geschäft gemacht hat. Für den Prüfbericht zum Jahresabschluss für das Jahr 2011 beauftragt er ein anderes Wirtschaftsprüfunternehmen, das feststellt, dass in den Jahren 2008-2010 massive Abgrenzungsfehler unterlaufen sind. Insbesondere der Jahresabschluss 2009, an dem sich die Parteien schwerpunktmäßig im Rahmen der Kaufpreisfindung orientiert haben, weist deutlich zu hohe Umsatzerlöse aus. Hätten die Parteien die zutreffenden Unternehmenszahlen zugrunde gelegt, hätte sich der Kaufpreis „auf allenfalls Null“ belaufen.
A ist empört und verlangt von B Rückzahlung des Kaufpreises sowie die Zahlung weiterer 4 Mio. Euro zur Sanierung der C-GmbH, gestützt auf Ansprüche auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage sowie hilfsweise auf Gewährleistungsansprüche. Zu Recht?
 
B. Lösung
Fraglich ist, ob der A einen Zahlungsanspruch hat.
 
I. Anwendbarkeit der Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage
Ein solcher könnte sich aus einem Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1, 2 BGB ergeben. Damit ein Anspruch auf Vertragsanpassung bestehen kann, müssen die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage aber überhaupt anwendbar sein. Die Norm kommt nämlich erst dann in Betracht, wenn keine spezielleren Regelungen, deren Wertungen nicht unterlaufen werden dürfen, einschlägig sind. Insbesondere ist nach nahezu einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass § 313 BGB nicht zur Anwendung gelangt, wenn die Störung der Geschäftsgrundlage auf einem Mangel der Kaufsache beruht und die Vorschriften über die Mängelhaftung gemäß §§ 434 ff. BGB einschlägig sind. Denn – und so führt es der BGH in der vorliegenden Entscheidung aus –
 
„nach § 313 Abs. 1, 2 BGB kommt die Anpassung eines Vertrags wegen wesentlicher Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind und sich als falsch herausstellen, nur in Betracht, wenn und soweit die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie dieser Fehlvorstellung nicht erlegen wären (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 16. September 2008 – VI ZR 296/07, VersR 2008, 1648 Rn. 23; MünchKomm-BGB/Finkenauer, 7. Aufl., § 313 Rn. 58), und einem Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. In diesem Verweis auf die gesetzliche Risikoverteilung kommt zum Ausdruck, dass eine Anwendung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage auszuscheiden hat, wenn und soweit es um Fehlvorstellungen geht, deren Auswirkungen auf den Vertrag der Gesetzgeber bereits durch Aufstellung bestimmter gesetzlicher Regeln zu erfassen versucht hat (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2015 – VIII ZR 266/14, BGHZ 208, 18 Rn. 23). Dementsprechend kann § 313 BGB im Anwendungsbereich der kaufrechtlichen Sach- und Rechtsmängelhaftung grundsätzlich nicht herangezogen werden, da andernfalls die den Bestimmungen der §§ 434 ff. BGB zugrunde liegende Risikoverteilung durch die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage verändert werden würde. Das gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen einer Mängelhaftung im Einzelfall– etwa aufgrund eines wirksamen Haftungsausschlusses, wie ihn das Berufungsgericht vorliegend angenommen hat – nicht gegeben sein sollten.“ (Rn. 15 f.)
 
Mit anderen Worten: Selbst, wenn – wie hier – vertraglich vereinbart wird, dass gesetzliche Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sein sollen, können die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage nicht herangezogen werden, soweit es sich bei den Fehlvorstellungen der Parteien um einen Mangel handelt.
 
II. Mangel der Kaufsache
Daher ist vorrangig zu prüfen, ob das hohe negative Eigenkapital der C-GmBH denn überhaupt einen Mangel der Kaufsache darstellt. Wichtig ist dabei, dass es sich gerade um einen Kauf von Anteilen an einer GmbH – also einen Rechtskauf – handelt, der als solcher nach § 453 BGB beurteilt wird. Ein Rechtsmangel liegt vor, „wenn das verkaufte Recht nicht in dem vertraglich festgelegten Umfang besteht oder ihm andere Rechte entgegenstehen“ (BeckOK/Faust, 48. Edt., Stand: 01.11.2018, § 453 BGB Rn. 10). Das ist etwa der Fall, wenn der Gesellschaftsanteil mit Rechten Dritter belastet ist. Problematisch ist indes, ob die Überschuldung des Unternehmens einen Rechtsmangel bedeuten kann. Hier gilt der Grundsatz, den vermutlich jeder Examenskandidat schon einmal gehört hat: Der Verkäufer haftet grundsätzlich nur für die Verität, nicht aber für die Bonität. Das bedeutet konkret, dass die wirtschaftliche Verwertbarkeit des Rechts oder der Zustand der Sache, auf den sich das Recht bezieht, nicht erfasst ist; beim share deal ist also nur maßgeblich, dass der Anteil in entsprechender Höhe besteht, gehaftet wird aber nicht für den Wert des Anteils oder etwaige Mängel des von der GmbH betriebenen Unternehmens (Jauernig/Berger, 17. Aufl. 2018, § 453 BGB Rn. 4), soweit keine entsprechenden Garantien vereinbart wurden. Laut Sachverhalt haben die Parteien hinsichtlich der finanziellen Lage des Unternehmens aber keine Garantie vereinbart. Hiervon ausgehend müsste man das Vorliegen eines Mangels mithin verneinen.
 
Etwas anderes könnte sich aber aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Unternehmenskauf ergeben: Der BGH vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass der
 
„Kauf von Mitgliedschaftsrechten an einer GmbH zwar als Rechtskauf angesehen und die Gewährleistung gemäß den hierfür in § 433 Abs. 1 Satz 2, §§ 437 ff. BGB aF vorgesehenen Regelungen – die eine Haftung grundsätzlich nur für den Bestand des Rechtes (Verität) vorsahen – bemessen  [wird], auf Mängel des von der GmbH betriebenen Unternehmens jedoch die Vorschriften über die Sachmängelhaftung für die Fälle entsprechend herangezogen [werden], in denen sich der Erwerb dieses Rechts sowohl nach der Vorstellung der Parteien als auch objektiv als Kauf des Unternehmens selbst und damit bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Sachkauf darstellte […]. Ein solcher Unternehmenskauf wurde insbesondere dann bejaht, wenn der Käufer von seinem Verkäufer sämtliche oder nahezu sämtliche Geschäftsanteile (vgl. hierzu Senatsurteile vom 2. Juni 1980 – VIII ZR 64/79, NJW 1980, 2408 unter II 2 a; vom 4. April 2001 – VIII ZR 32/00, aaO [jeweils zu §§ 459 ff. BGB aF]) erwarb und damit, ohne durch die Befugnisse von Mitgesellschaftern beeinträchtigt zu sein, uneingeschränkt über das Unternehmen verfügen konnte, obgleich formell die GmbH Trägerin des Unternehmens und Eigentümerin der Sachwerte desselben blieb.“ (Rn. 19 f.)
 
Das heißt, dass, auch wenn ein Rechtskauf stattgefunden hat, das Sachmängelgewährleistungsrecht beim Unternehmenskauf Anwendung finden kann, sodass unter Umständen auch Mängel des „Substrats“ des Unternehmens geltend gemacht können. Der share deal wird insoweit dem asset deal– dem Kauf der einzelnen Unternehmensgegenstände – gleichgestellt. Die Voraussetzung ist aber, dass es sich aber bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sowohl aus Sicht der Vertragsparteien als auch nach den objektiven Umständen um einen Kauf des ganzen Unternehmens, also faktisch um einen Sachkauf, handelt – wobei im Einzelnen umstritten ist, ab welcher Grenze der Kauf des ganzen Unternehmens angenommen werden kann. Unabhängig davon, ob denn überhaupt das hohe negative Eigenkapital der GmbH als Sachmangel des Unternehmens angesehen werden kann, muss daher zunächst die Frage beantwortet werden, ob im vorliegenden Fall bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Kauf des gesamten Unternehmens anzunehmen ist.
 
Das hat der BGH im Gegensatz zur Berufungsinstanz mit der Begründung verneint, dass der Käufer vorliegend nur einen Anspruch auf Übertragung der Hälfte der Anteile hatte: Es fehle damit „nach der Parteivorstellung und der Verkehrsanschauung an einem – gemäß den dargestellten Grundsätzen für die entsprechende Anwendung der Sachmängelhaftung entscheidenden – auf den Erwerb des Unternehmens insgesamt gerichteten Ziel des Vertrags“ (Rn. 26). Die Berufungsinstanz habe missverstanden, dass es nicht darum gehe, dass der A nunmehr 100% der Anteile halte; vielmehr sei lediglich der konkrete Kaufgegenstand entscheidend – und das seien eben nur 50% der Anteile. Denn die Anwendung der §§ 434 ff. BGB könne nicht von Umständen außerhalb des Vertrags abhängen, auch wenn der A dadurch, dass er zuvor schon 50% der Anteile gehalten hat, nunmehr im Ergebnis die alleinige Verfügungsgewalt über das Unternehmen hat. Damit bleibt es bei den Grundsätzen des Rechtskaufs – und dabei, dass die von A behauptete schlechtere finanzielle Lage des Unternehmens keinen Rechtsmangel i.S.v. § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB darstellt. Gesetzliche Gewährleistungsansprüche können damit, unabhängig davon, dass diese im vorliegenden Fall nach der vertraglichen Vereinbarung ohnehin ausgeschlossen sind, nicht bestehen.
 
III. Ansprüche aus § 313 Abs. 1, 2 BGB möglich
Mangels Eingreifens spezieller Regelungen kommt daher ein Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1, 2 BGB in Betracht. Inwieweit der Anspruch gegeben ist, bedarf allerdings weiterer Feststellungen, sodass der BGH die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat, § 563 Abs. 1 S. 1 ZPO. Denn die Parteien seien zwar davon ausgegangen, dass das Unternehmen fortführungsfähig sein; ob und in welchem Umfang allerdings sich relevante Umstände nachträglich als falsch herausgestellt hätten und inwieweit dem A das Festhalten am unveränderten Vertrag zugemutet werden könne, sei offengelassen worden. Allein darauf, dass die Parteien im Kaufvertrag den Ausschluss gesetzlicher Gewährleistungsrechte vereinbart hätten, könne man die Zuweisung des Risikos an den A nicht stützen: „Der zwischen den Parteien geschlossene Anteilkaufvertrag enthält […]gerade – wie auch das Berufungsgericht mehrfach hervorgehoben hat – keine näheren Angaben zur wirtschaftlichen Lage der GmbH und trifft dementsprechend auch keine Aussagen darüber, wer insoweit das Risiko einer Störung des angestrebten Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung tragen sollte.“ (Rn. 45) Insoweit mag man also die Entscheidung des Berufungsgerichts abwarten. Ob dem A ein Zahlungsanspruch zusteht, kann nicht abschließend beurteilt werden.
 
C. Fazit
Eine Entscheidung, die unter Billigkeitsgesichtspunkten etwas unbefriedigend erscheint, dogmatisch aber überzeugt. Zutreffend stellt der BGH fest, dass „der von den Parteien übereinstimmend und im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit bestimmte Kaufgegenstand eben keine Sache, sondern ein Recht ist“ (Rn. 32) und der Verkäufer daher nach allgemeinen Grundsätzen nur für die Verität, nicht aber für die Bonität und dementsprechend eben nicht für die Werthaltigkeit der Sache, auf die sich das Recht bezieht, haftet. Zur Vertiefung ist ein Blick in die ausführliche Begründung des BGH lohnenswert. Das Urteil ist auch interessant im Hinblick auf die Feststellungen zum Verhältnis des Mängelrechts zur Störung der Geschäftsgrundlage: Dass, wenn das Gewährleistungsrecht nicht einschlägig ist, die subsidiären Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage herangezogen werden können, darf in einer Klausur nicht übersehen werden – ob der Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1, 2 BGB dann bejaht oder verneint wird, ist zweitrangig; wichtig ist hier eine gute Argumentation.
 

07.01.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-01-07 09:30:072019-01-07 09:30:07BGH: Mängelgewährleistung beim Kauf von Anteilen an einer GmbH (share deal)
Dr. Yannik Beden, M.A.

Sachmangel bei Kauf von Doppelbett: Kein Rücktritt aufgrund von „Kuhlenbildung“

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Liegt ein Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB vor, wenn sich bei einem zwei Jahre alten Boxspringbett mit doppeltem Matratzenuntergestell eine Kuhle in der Mitte des Bettes bildet? Mit dieser Rechtsfrage durfte sich das LG Koblenz in seinem Beschluss vom 17.8.2018 – 6 S 92/18 beschäftigen. Die Entscheidung beleuchtet das Verständnis des kaufrechtlichen Mangelbegriffs speziell für den Kauf von Betten und bietet dabei gleichzeitig Gelegenheit, die grundlegende Systematik des § 434 BGB zu rekapitulieren:
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen)
„Der Kläger, alleinstehend und Alleinschläfer, interessierte sich für die Anschaffung eines neuen Bettes. Nach kurzem Probeliegen kaufte er bei dem später beklagten Möbelhaus ein Boxspringbett in der Größe 1,60m*2,00m zum Preis von 2.000,00 €. Das Boxspringbett bestand – entsprechend des unterschriebenen Kaufvertrages – aus einem gefederten Untergestell als Basis, zwei aufgelegten Matratzen in den Größen 0,8m*2,00m in einem durchgehenden Bezug und einem noch aufgelegten, durchgehenden sog. Topper. Nach nicht ganz zweijähriger Nutzung hatte sich eine Kuhle in der Mitte des Bettes gebildet, der Schlafkomfort war beeinträchtigt. Der Kläger verlangte daher vom Möbelhaus, diesen Mangel zu beseitigen. Das Möbelhaus verweigerte die Mangelbeseitigung mit dem Hinweis, das Bett sei zur Alleinnutzung nicht geeignet, beim Schlafen in der Mitte des Bettes bilde sich zwangsläufig wegen der zwei Matratzen eine Kuhle, es liege ein bestimmungswidriger Gebrauch vor. Dies wollte der Kläger nicht akzeptieren, schließlich habe er bei den Verkaufsverhandlungen deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Bett alleine nutzen werde. Er reichte daher Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages beim Amtsgericht Mayen ein.“
II. Überblick zur Regelungssystematik des § 434 Abs. 1 BGB
Wann ist der Kaufgegenstand frei von Sachmängeln i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB? Im Ausgangspunkt bedarf es stets einer negativen Abweichung der „Ist-Beschaffenheit“ von der vertraglich geschuldeten „Soll-Beschaffenheit“ (vgl. BeckOK/Faust, BGB, 46. Ed. Stand 1.5.2018, § 434 Rn. 12). Welchen Zustand die Sache aufweisen soll, können die Vertragsparteien im Rahmen einer Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB selbst festlegen, wobei dies nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen kann. Welche Umstände als „Eigenschaften“ einer Sache zu qualifizieren sind ist mitunter umstritten: Diskutiert wird vor allem, inwieweit eine Beschaffenheit der Sache physisch anhaften muss bzw. ob auch Umweltbeziehungen des Kaufgegenstands zur Bestimmung der Beschaffenheit heranzuziehen sind (ausführlich MüKo/Westermann, BGB, 7. Auflage 2016, § 434 Rn. 9).
Besteht keine (explizite oder stillschweigende) Vereinbarung über die Beschaffenheit der Sache, kann ein Mangel auch vorliegen, wenn sich die Sache nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine vertraglich vorausgesetzte Verwendung anzunehmen, sofern beide Parteien eine solche übereinstimmend unterstellen, wobei es keiner vertraglichen Vereinbarung bedarf (BGH Urteil v. 16.3.2012 – V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078). Gibt es keine Beschaffenheitsvereinbarung und wurde keine Verwendungsmöglichkeit vorausgesetzt, ist nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf die Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung bzw. die verkehrsübliche Beschaffenheit des Gegenstands abzustellen. Mangelfrei ist die Sache dabei nur, wenn sie die übliche Beschaffenheit und Eignung zur gewöhnlichen Verwendung kumulativ aufweist (BeckOK/Faust, BGB, 46. Ed. Stand 1.5.2018, § 434 Rn. 53).   
III. Wie entschied das Gericht?
Das LG Koblenz schloss sich der Vorinstanz an und verneinte eine Mangelhaftigkeit des Bettes, sodass kein Rücktrittsgrund bestand. Eine Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zog das Gericht von vornherein nicht in Erwägung. Auch eine vertragliche vorausgesetzte Verwendungsmöglichkeit i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB nahm das Gericht nicht an. Es entspreche darüber hinaus nicht der üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) eines Doppelbettes, dass der Bereich zwischen den für jeweils eine Person vorgesehenen Liegeflächen zum Schlafen genutzt werde. Auch der Aufbau des Boxspringbettes bestehend aus zwei Matratzen, die als Untergestell für den Topper fungieren, mache dies deutlich. Ebenso wenig bestehe – so das Gericht – eine Pflicht des Verkäufers des Bettes zur Aufklärung über etwaige Nutzungsmöglichkeiten der Liegefläche. Zuletzt verwies der Käufer noch auf eine Werbung des Möbelhauses, in der eine Frau abgebildet war, die allein und diagonal auf einem großen Boxspringbett lag und ein Prospekt durchblätterte. Doch auch dieser Einwand überzeugte die Zivilkammer nicht: Es sei ersichtlich, dass in der Werbung des Verkäufers keine typische Schlafsituation dargestellt werde. Auch § 434 Abs. 1 S. 3 BGB ist den Ausführungen des Gerichts zufolge deshalb nicht einschlägig. Der Käufer musste sich letztlich also mit der Kuhle in der Mitte seines Bettes abfinden.
Die Wertung des LG Koblenz lässt sich durchaus bestreiten. Auch bei Nutzung des Doppelbettes durch zwei Personen kann – etwa durch unruhigen Schlaf o.ä. – eine Kuhle in der Bettmitte auftreten, insbesondere wenn beide Personen zur Mitte des Toppers rücken. Die Argumentation des Gerichts verfängt insofern nicht vollständig. Allerdings wird man auch bei bestimmungsgemäßer Nutzung des Bettes durch zwei Personen keinen Sachmangel bejahen können: Der Topper eines Boxspringbettes ist üblicherweise in verschiedenen Härten erhältlich, sodass für verschiedene Belastungen unterschiedliche Härtegrade geeignet sind. Zudem müssen auch die unterliegenden Matratzen auf die individuelle Belastung angepasst sein. Die richtige Zusammensetzung des Boxspringbetts liegt jedoch nicht zwangsläufig in der Risikosphäre des Verkäufers, sondern regelmäßig nur dann, wenn ein dahingehender Parteiwille ersichtlich ist.  
IV. Kurzes Resümee
Legt sich ein Alleinstehender ein Boxspringbett mit Doppelunterlage zu, hat er zwei Möglichkeiten: Auf einer Seite des Bettes schlafen oder eine Partnerin bzw. eine Partner finden. Mittiges Schlafen stellt jedenfalls nach der instanzgerichtlichen Rechtsprechung einen bestimmungswidrigen Gebrauch dar, sodass eine Kuhlenbildung hinzunehmen ist. Ob dieses Ergebnis überzeugt, mag dahinstehen. Nicht zuletzt ist das Entstehen einer Vertiefung in der Mitte des Bettes auch denkbar, wenn zwei Personen das Boxspringbett nutzen und während des Schlafens näher zur Mitte des Toppers rücken. Ungeachtet dessen bietet die Entscheidung eine gute Gelegenheit, den kaufrechtlichen Sachmangelbegriff zu vergegenwärtigen und eigene Argumentationsstränge für unbekannte Rechtsfragen zu entwickeln.    

05.09.2018/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-09-05 10:00:512018-09-05 10:00:51Sachmangel bei Kauf von Doppelbett: Kein Rücktritt aufgrund von „Kuhlenbildung“
Dr. Jan Winzen

OLG Hamm: zum Maßstab der Käufererwartung beim Kauf eines Porsche Boxster

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Das OLG Hamm (28 U 162/13) hat entschieden, dass spürbares Schalten und Bremsen beim Porsche 981 Boxster S grundsätzlich keinen Mangel begründen.
Gestritten wird um die Rückabwicklung eines Neuwagenkaufs. Das streitgegenständliche Fahrzeug des Typs Porsche 981 Boxster S ist mit einem Mittelmotor – mit einer Leistung von 232 kw / 315 PS – und einem automatisch schaltenden Doppelkupplungsgetriebe (PDK) ausgestattet und zum Preis von 76.649,39 EUR erhältlich.
Schon kurze Zeit nach dem Erwerb des Fahrzeugs rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass das Fahrzeug ruckhaft beschleunige und stotternd abbremse. Nach Werkstattaufenthalt und Überprüfung des Fahrzeugs erklärte die Beklagte, keinen technischen Handlungsbedarf zu sehen, weil das Fahrzeug dem Stand der Serie entspreche und sein Fahrverhalten im unmittelbaren Vergleich mit einem modellgleichen Fahrzeug von dessen Schalt- und Bremsverhalten nicht abweiche. Daraufhin erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin u.a. Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich gezogener Nutzungen) Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Porsche Boxster S.
Rechtliche Würdigung
Zentrale Frage im Rahmen des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434 BGB ist, ob der Porsche 981 Boxster S im Zeitpunkt der Übergabe einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB aufwies.
Mangelbegriff
Ein Mangel liegt vor, wenn die Kaufsache nicht der Sollbeschaffenheit entspricht (Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit). Für die Bestimmung der Sollbeschaffenheit sind primär die Tatbestände des § 434 Abs. 1 BGB heranzuziehen. Hier kommt es auf eine saubere Prüfung der einzelnen Varianten an.
Vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB)
Ist eine Beschaffenheit zwischen den Parteien vereinbart, kommt es für das Vorliegen eines Sachmangels allein auf diese an. Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt aber nur vor, wenn der Inhalt des Kaufvertrags selbst von vornherein oder nachträglich die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die verkaufte Sache in dem Zustand zu übereignen, und zu übergeben, wie ihre Beschaffenheit im Vertrag festgelegt ist (Palandt, 70. Aufl. 2011 § 434 Rn. 15). An einer solchen Vereinbarung fehlt es im vorliegenden Fall.
Die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB)
Entsprechendes gilt für § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB. Die Verwendung muss von den Parteien vorausgesetzt worden sein. Das geschieht, indem der Käufer bei Vertragsabschluss den Zweck des Kaufs der Sache dem Verkäufer zur Kenntnis bringt und der Verkäufer dem ausdrücklich oder stillschweigend zustimmt oder sich zumindest nicht dagegen verwahrt (Palandt, 70. Aufl. 2011 § 434 Rn. 22). Auch insoweit bietet der vorliegende Fall aber keine Anhaltspunkte.
Eignung zur gewöhnlichen Verwendung + Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist
und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB)

Die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung – nämlich der Fortbewegung im Straßenverkehr – erfüllt der Porsche 981 Boxster S. Fraglich ist allein, ob das Fahrzeug die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann:

Ein solcher Mangel ist zunächst dann begründet, wenn das betreffende Fahrzeug vom technischen Stand der Serie negativ abweicht, was durch einen Vergleich mit typ- und modellgleichen Fahrzeugen desselben Herstellers festzustellen ist (vgl. Reinking/Eggert, Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rn 443).

Im Übrigen kann sich ein Mangel daraus ergeben, dass das betreffende Fahrzeug von dem jeweiligen Stand der Technik negativ abweicht; dies bedingt grundsätzlich einen herstellerübergreifenden Vergleich (Reinking/Eggert a.a.O. Rn 445ff. m.w.N., s. auch Senatsurt. v. 15.05.2008, 28 U 145/07, NJW -RR 2009, 485). Maßstab ist dabei das Niveau, das nach Typ, Alter und Laufleistung vergleichbarer Fahrzeuge anderer Hersteller erreicht wird und das der Markterwartung entspricht (OLG Köln OLG Köln, Urt. v. 27.04.2010, 15 U 185/09, NJW-RR 2011, 61; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.01.2008, 17 U 2/07, NJW-RR 2008, 1230, OLG Stuttgart, Urt. v. 15.08.2006, 10 U 84/06, NJW-RR 2006, 1720).

Eine Abweichung vom technischen Stand der Serie liegt nach Ansicht des Gerichts und auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme im Hinblick auf den Porsche 981 Boxster S nicht vor. Das Gericht schließt sich insoweit den Ausführungen des Sachverständigen an und führt u.a. aus:

Soweit klägerseits ein ruckhaftes Abbremsen des Fahrzeugs moniert worden ist, beruht diese Erscheinung darauf, dass das automatische Getriebe des Sportwagens beim Bremsen zurückschaltet und zwischen den Gangstufen selbsttätig Zwischengas gibt. Diese Schaltvorgänge sind, so der Sachverständige, für den Fahrer spürbar, führten aber nicht – wie klägerseits geschildert – zu ungewollten Körperbewegungen und ließen sich auch nicht eindeutig als unangenehmes Fahrverhalten einordnen. Eine negative Abweichung vom technischen Stand der Serie ist deswegen nicht auszumachen. Zum einen ergab die vom Sachverständigen durchgeführte Fehlerspeicherauslese keinen Hinweis auf eine Funktionsstörung. Zum anderen zeigte das zum Vergleich zur Probe gefahrene modellgleiche Neufahrzeug ein ähnliches Bremsverhalten. (…) Der Sachverständige hat erläutert, dass das wegen der automatischen Zwischengasgabe spürbare Zurückschalten bei Bremsvorgängen kein technisches Defizit ist, sondern gewollt und dem von der Fahrzeugherstellerin Porsche propagierten dynamisch-sportlichen Anspruch an ihre Sportwagen geschuldet sei. Diese Lösung ermöglicht es, den Wagen nach dem Abbremsen sofort und unmittelbar wieder zu beschleunigen.

Auch eine Abweichung vom Stand der Technik auf Grundlage eines herstellerübergreifenden Vergleichs liegt nicht vor:

Eine Abweichung vom Stand der Technik lässt sich danach auch nicht ausmachen. Dass das zu Vergleichszwecken gefahrene Fahrzeug der Marke Mercedes beim Abbremsen nicht gleichermaßen spürbar zurückschaltete, steht dem nicht entgegen. Wie der Sachverständige plausibel dargelegt hat, war jenes Fahrzeug zwar von Art (Sportwagen), (Getriebe-)Ausstattung – mit einem Doppelkupplungsgetriebe – und Preisklasse durchaus mit dem Porsche Boxster S vergleichbar; allerdings ist zu beachten, dass die verschiedenen Sportwagenhersteller das Schaltprogramm ihrer Fahrzeuge an unterschiedlichen Konzepten ausrichten. Während für Porsche ein leistungsorientiertes Schaltprogramm charakteristisch ist, ist es bei Mercedes eher komfortorientiert. Vor diesem Hintergrund leuchtet es ein, dass die feststellbaren Unterschiede im Schaltverhalten nicht darauf zurückzuführen sind, dass eines der Fahrzeuge hinter dem Stand der Technik zurückbleibt.
Soweit im Prozess ein Vergleich des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einem Audi R 8 oder einem Ferrari zur Sprache gekommen ist, weil diese – wie der Porsche Boxster S und anders als der Mercedes SLK – auch mit einem Mittelmotor ausgestattet sind, hat der Sachverständige ausgeführt, dass diese Fahrzeuge einer anderen Preisklasse zuzuordnen sind und deshalb nicht zum Maßstab gemacht werden können. Im Übrigen habe die Lage des Motors im Fahrzeug nichts mit den in Rede stehenden Besonderheiten der Getriebesteuerung zu tun. Auch die weiteren von der Klägerin gerügten Phänomene des Schaltverhaltens des erworbenen Fahrzeugs hat der Sachverständige als technisch nicht zu beanstandende, typische Besonderheiten eines Porsche Boxster S gewertet. (…) Auch das beanstandete Zurückschalten bei moderatem Gasgeben ist nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht zu beanstanden, sondern gehört zu der gewollten, für einen Porsche dieser Art typischen Schaltcharakteristik, die eine unmittelbare Beschleunigung ermöglichen soll.

§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 BGB
Schließlich ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 BGB kein Anspruch des Klägers.

Sie macht selbst nicht geltend, dass die Beklagte im Rahmen der Verkaufsverhandlungen auf die Besonderheiten des Schalt- und Bremsverhaltens des fraglichen Fahrzeugs hätte hinweisen müssen. Das käme allerdings in Betracht, wenn das Fahrzeug in den Prospekten oder auf andere Weise mit unzutreffender Darstellung des Fahrverhaltens beworben worden wäre. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr lässt sich dem von den Beklagten zur Akte gereichten Prospektmaterial entnehmen, dass dort die „straffen und unmittelbaren“ Schaltvorgänge, die Auswirkungen der Zwischengasfunktion sowie der Segelmodus beschrieben werden. Ergänzender Hinweise von Verkäuferseite bedurfte es auch deshalb nicht, weil sich das klägerseits als unangenehm empfundene Schaltverhalten nicht eindeutig als Negativeigenschaft des Fahrzeugs einordnen lässt. Wie der Sachverständige C ausgeführt hat, wird eine solche Fahrweise von Personen, die sich für den Erwerb eines Sportwagens interessieren, unterschiedlich wahrgenommen. Dass der durchschnittliche Kundenkreis hierin einen Nachteil sehe, sei nicht festzustellen. Auch das steht im Einklang mit den Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen Q2. In einer solchen Konstellation ist es Sache des einzelnen, sich vor dem Kauf zu informieren, ob das ins Auge gefasste Fahrzeugmodell den eigenen subjektiven Vorstellungen entspricht.

Fazit
Ein von den Fakten her einfach gelagerter Fall, der sich als Aufhänger für eine Examensklausur – wie eigentlich fast jeder Rücktrittsfall – anbietet, weil er schuld- und kaufrechtlichen Standardthemen (Rücktritt vom Kaufvertrag, Mangelbegriff) behandelt und leicht mit weiteren Fragen angereichert werden kann.
Der eigentliche Kern der Entscheidung sind die Ausführungen zu § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Was bei Sachen der gleichen Art üblich ist und der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf, richtet sich nach der Rspr. zunächst nach dem Stand der Serie, wobei ein Vergleich mit typ- und modellgleichen Fahrzeugen desselben Herstellers zu ziehen ist. Auf einer zweiten Stufe ist der Stand der Technik zu untersuchen, wobei nach Typ, Alter und Laufleistung vergleichbare Fahrzeuge anderer Hersteller zum Vergleich heranzuziehen sind. Mehr als das darf der Käufer nicht erwarten. Eine über den Stand der Technik vergleichbarer Fahrzeuge hinausgehende tatsächliche oder durchschnittliche Käufererwartung ist deshalb unbeachtlich (BGH, Urt. v. 04.03.2009, VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056 „Rußpartikelfilter-Entscheidung“).

19.05.2014/0 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
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