Das BAG hat mit einer Entscheidung vom 18.3.2009 (10 AZR 281/08) seine ständige Rspr zur gegenläufigen/negativen betrieblichen Übung aufgegeben. Damit dürfte das ein oder andere Weihanchtsgeld auch in den Krisenjahren sicher sein.
Was ist eigentlich eine „betriebliche Übung“?
Zunächst einmal soll hier kurz das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung erklärt werden. Das Entstehen von Ansprüchen aus betrieblicher Übung setzt einen Umstandsfaktor (vorbehaltslose Gewährung einer Leistung) und einen Zeitfaktor (regelmäßige Wiederholung) voraus. So entsteht beim Weihnachtsgeld nach stRspr des BAG ein Anspruch aus betrieblicher Übung dann, wenn der Arbeitgeber drei Jahre hintereinander ohne Vorbehalt zahlt.
Die dogmatische Grundlage für die betriebliche Übung ist umstritten. Insofern stehen sich zwei wesentliche Positionen gegenüber: die Vertrauenstheorie und die Vertragstheorie. Nach der erstgenannten Ansicht basiert die betriebliche Übung auf einem vom Arbeitgeber gesetzten Vertrauenstatbestand. Nach der Vertragstheorie hingegen handelt es sich um eine stillschweigende Änderung der Arbeitsvertrags. Das konkludente Angebot des Arbeitgebers sei in der mehrfachen vorbehaltlosen Gewährung der Leistung zu sehen, wobei er gem. § 151 BGB auf den Zugang der Annahme verzichte. Der Arbeitnehmer würde durch die Entgegennahme des Vorteils seine Zustimmung signalisieren.
Und was war eine „gegenläufige/negative betriebliche Übung“?
Nach der bisherigen Rspr. konnte der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers aus der betrieblichen Übung durch eine gegenläufige betriebliche Übung beseitigen. So urteilte das BAG in einem Fall vom 26.3.1997 – 10 AZR 612/96:
„Gibt der Arbeitgeber über einen Zeitraum von drei Jahren zu erkennen, daß er eine betriebliche Übung anders zu handhaben gedenkt als bisher (hier: Gratifikationszahlung nur noch unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt), so wird die alte betriebliche Übung einvernehmlich entsprechend geändert, wenn die Arbeitnehmer der neuen Handhabung über diesen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widersprechen.“
Diese Rechtsprechung wurde zurecht von der Literatur kritisiert, denn zumindest wenn man der Vertragstheorie folgt, lassen sich eigentlich keine entsprechenden „gegenläufigen“ Willenserklärungen ausmachen. Es ist schwerlich möglich, in der Entgegennahme des Vorteils durch den Arbeitnehmer und seinem Schweigen eine Zustimmung zu erblicken.
Begründung des BAG für Rechtsprechungswandel: § 308 Nr. 5 BGB
Das BAG hat seine Rspr. nun aufgegeben: „Erklärt ein Arbeitgeber unmissverständlich, dass die bisherige betriebliche Übung einer vorbehaltlosen Weihnachtsgeldzahlung
beendet werden und durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht, kann nach dem
Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. 1. 2002 nach § 308 Nr. 5 BGB eine dreimalige
widerspruchslose Entgegennahme der Zahlung durch den Arbeitnehmer nicht mehr den Verlust des Anspruchs auf das
Weihnachtsgeld bewirken“
Dem Schweigen des Arbeitnehmers kann somit in Zukunft keine Erklärung mehr entnommen werden. Es bleibt damit bei der Grundregel, dass Schweigen rechtlich unerheblich ist (Schweigen als sog. rechtliches nullum). Der Verweis des BAG auf die Vorschrift des § 308 Nr. 5 BGB ist wohl erfolgt, um einen offenen Rechtsprechungswandel zu vermeiden.
Künftig sollten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer also explizit auf etwaige Folgen ihres Schweigen aufmerksam machen. Die sinnvollste Lösung wäre wohl – gerade in Krisenzeiten – eine einvernehmliche Lösung mit dem Arbeitnehmer zu erzielen und diesen zu einem Verzicht zu bewegen. Denkbar ist auch eine Änderungskündigung.
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