Mit noch nicht rechtskräftigem Urteil vom 30.10.2013 (Az.: 26 O 211/13) hat das LG Köln entschieden, dass die Vereinbarung einer Tempodrosselung der Internetverbindung durch die Deutsche Telekom AG in ihren AGB unwirksam ist.
Sachverhalt:
Mit der Klage vor dem Landgericht Köln richtete sich die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gegen die seit April 2013 öffentlich gewordenen Pläne der Deutschen Telekom AG, im Rahmen von Festnetz-Flatrate-Verträgen eine Klausel aufzunehmen, nach welcher die Drosselung der Internetgeschwindigkeit bei Überschreitung eines bestimmten, tarifabhängigen Datenvolumens pro Monat durch den Nutzer vereinbart würde. Vorausgegangen waren der Klage bereits Abmahnungen durch die Verbraucherzentrale mit Verlangen zur Abgabe einer Unterlassungserklärung. Dem war die nunmehr Beklagte nicht nachgekommen. Die konkrete Tempodrosselung sollte zunächst auf 384 Kilobit pro Sekunde erfolgen. Im Rahmen der der Klage vorausgegangenen Diskussionen erwog die Deut scheTelekom AG zuletzt eine Drosselung auf 2 Megabit pro Sekunde. Die Änderung soll erst in Verträgen ab 2016 umgesetzt werden.
Das LG Köln hat der Drosselung insgesamt, gleich auf welche konkrete Geschwindigkeit letztlich gedrosselt werde, eine Absage erteilt und der Klage der Verbraucherzentrale stattgegeben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Deutsche Telekom AG hat die Einlegung von Rechtsmitteln bereits angekündigt.
Entscheidung:
Das LG Köln hielt die zulässige Klage vollumfänglich für begründet.
I. Die Klage war zunächst zulässig. Insbesondere war die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen prozessführungsbefugt als qualifizierte Einrichtung gemäß §§ 3, 4 UKlaG. Daher konnte Sie den Anspruch auf Unterlassung der Verwendung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) gegenüber Verbrauchern hier geltend machen.
II. Die Klage war auch begründet.
Der Anspruch der Verbraucherzentrale auf Unterlassung ließ sich auf § 1 UKlaG stützen. Danach kann ein Unterlassen hinsichtlich der Verwendung unwirksamer AGB in Verbraucherverträgen verlangt werden. Zu prüfen war hier also vom LG Köln, ob es sich bei den angegriffenen Klauseln hinsichtlich der Tempodrosselung bei der Datenübertragung um unwirksame AGB handelte.
Vorliegen von AGB
Es müsste sich zunächst überhaupt um AGB handeln. AGB sind gemäß § 305 I 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Vorliegend handelte es sich bei den Bedingungen zur Drosselung der Datenübertragungsgeschwindigkeit um standardmäßig verwendete Klauseln, die zukünftig in Festnetz- und Internet-Flatrate-Verträgen von der Beklagten verwendetwerden sollten. Zweifelsfrei handelte es sich damit um AGB im Sinne des § 305 I 1 BGB.
Einbeziehung in Verbraucherverträge
Sie müssten auch wirksam in einen Vertrag einbezogen werden. Das richtet sich im Grundsatz nach § 305 II BGB. Danach bedarf es zur wirksamen Einbeziehung der Klauseln eines ausdrücklichen Hinweises an den Vertragspartner sowie der Verschaffung einer Kenntnisnahmemöglichkeit. Vorliegend werden die AGB aktuell noch nicht in Verträgen verwendet. Sofern jedoch eine Verwendung erfolgen würde, würden durch die Neueinfügung der Klauseln lediglich die bereits von der Beklagten verwendeten AGB ergänzt. Daran, dass diese naturgemäß wirksam in entsprechende Verträge einbezogen werden, besteht grundsätzlich kein Zweifel. Auch an der wirksamen Einbeziehung fehlt es daher nicht.
Überraschende oder mehrdeutige Klausel, § 305 c BGB
Es dürfte sich des Weiteren nicht um überraschende oder mehrdeutige Klauseln nach § 305 c BGB handeln. Diese werden schon aus diesem Grunde nicht Vertragsbestandteil. Das LG Köln hat hier den Charakter als überraschende Klausel im Sinne des § 305 c BGB bejaht. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Klauseln Verwendung finden sollten in sogenannten Flatrate-Verträgen. Diese zeichnen sich grundsätzlich dadurch aus, dass der Vertragspartner einen Pauschalpreis zahlt, um den Datenübertragungsdienst unbegrenzt in Anspruch nehmen zu können. Es erfolgt gerade nicht eine Abrechnung anhand der tatsächlichen genutzten Zeit oder Datenmenge. Werde also ein Vertrag als Flatrate-Vertrag geschlossen, so stelle sich der Verbraucher eine uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit der zur Verfügung gestellten Dienste als entscheidenden Vorteil eines Flatrate-Vertrages im Gegensatz zu einem Vertrag, dem die konkrete Abrechnung der genutzten Datenmenge zugrundeliegt, vor. Mit diesem vertraglichen Leitbild und der entsprechenden Bewerbung durch die Beklagte sei es unvereinbar, derartige Drosselungsklauseln zu verwenden. Mit ihnen habe der Verbraucher daher nicht zu rechnen. Sofern keine drucktechnische Hervorhebung der Klauseln erfolgen würde, wären sie überraschend und daher schon nicht wirksamer Vertragsbestandteil.
Kontrollfähigkeit
Zudem müssten die Klauseln auch einer Inhaltskontrolle zugänglich sein. Das ist nach § 307 III 1 nur der Fall, sofern durch sie eine Abweichung oder Ergänzung von gesetzlichen Vorschriften bewirkt wird. Vorliegend enthält das Gesetz keine Legitimation zur Drosselung der Datenübertragungsgeschwindigkeit bei Festnetz- und Internet-Flatrate-Verträgen. Daher handelt es sich um eine Abweichung von gesetzlichen Regelungen.
Anders als die Beklagte meint, sei darin nach Ansicht des LG Köln auch keine Leistungsbeschreibung zu sehen, welche der Inhaltskontrolle entzogen wäre. Die Leistungsbeschreibung finde sich in den betreffenden Verträgen nämlich bereits in der unbegrenzten Zurverfügungstellung des Datenübermittlungsdienstes gegen Entgelt. Werde in einer anderen Vertragsbestimmung dann die Legitimation der Beklagten zur Tempodrosselung nach Überschreiten eines bestimmten Datenvolumens pro Monat vereinbart, so stelle dies eine beschränkende Modifikation der vereinbarten Leistung dar, die keine reine Leistungsumschreibung mehr sei und daher vollumfänglich kontrolliert werden könne.
Inhaltskontrolle
Demnach muss anhand der §§ 307 – 309 BGB eine Inhaltskontrolle vorgenommen werden. Dabei ist bei Verbraucherverträgen – um die es hier ausschließlich schon deshalb geht, weil die Verbraucherzentrale nur Unterlassung hinsichtlich der Verwendung der AGB gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB geltend machen kann, ihm im Übrigen die Prozessführungsbefugnis abzusprechen wäre – zunächst ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 BGB in den Blick zu nehmen. Der Verstoß gegen ein solches ist hier nicht ersichtlich. Auch ein Verstoß gegen ein Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit nach § 308 BGB ist hier nicht in Betracht zu ziehen. Folglich verbliebe es bei einer Kontrolle am Maßstab des § 307 BGB.
Nach Ansicht des LG Köln waren die Klauseln hier gemäß § 307 I, II Nr. 2 BGB unwirksam. Es würden hier durch die Vertragsbestimmungen wesentliche vertragliche Rechte eingeschränkt, dadurch werde gleichsam der Vertragszweck gefährdet, was im Ergebnis eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers als Vertragspartner darstelle. Zu berücksichtigen sei dabei zunächst, dass auch hier der durchschnittliche Verbraucher zur Bestimmung des Begriffs „Flatrate“ herangezogen werden müsse. Nach seinem Verständnis könne es sich bei Verträgen, die als „Flatrate“-Verträge bezeichnet würden, nur um solche Verträge handeln, deren Gegenstand eine unbegrenzte Nutzungsmöglichkeit bei einmaliger pauschaler Gegenleistungserbringung ohne die Gefahr weiterer versteckter Kosten ist. Werde dann aber das Merkmal der unbegrenzten Nutzbarkeit derart eingeschränkt, so gefährde dies den Vertragszweck. Zudem werde durch die geplante Tempodrosselung eine Geschwindigkeit von weniger als 10% der ursprünglich Vertragsgegenstand werdenden Datenübertragungsgeschwindigkeit erreicht, sofern das vorgegebene Datenvolumen überschritten wird. Die stelle eine erhebliche und daher nicht hinnehmbare Benachteiligung des Vertragspartners dar. Dieser werde dadurch unzumutbar und daher unangemessen benachteiligt, da das in die Abwägung einzustellende Interesse der Beklagten an der Amortisation getätigter Investitionen in den Ausbau des Breitbandnetzes das Interesse des beteiligten Verbrauchers am Erhalt einer im Verhältnis zur erbrachten Gegenleistung angemessenen Leistung nicht überwiegen könne. Weiter treffe es auch nicht zu, dass von der geplanten Drosselung nur eine geringe Anzahl sogenannter „Power-User“ betroffen werde, wie die Beklagte meint. Es bestehe heutzutage ein immer größer werdendes Interesse an und ein immer größer werdendes Bedürfnis für die Nutzbarkeit eines schnellen und leistungsfähigen Internets. Auch das Streamen von Audio- oder Videodateien werde immer beliebter, sodass durchaus ein breites Publikum von der Einschränkung betroffen würde.
Zwischenergebnis
Im Ergebnis verstoßen die streitgegenständlichen Klauseln daher aus mehreren Gründen gegen § 307 I, II Nr. 2 BGB.
Auch eine für § 1 UKlaG erforderliche Wiederholungsgefahr als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal lag hier nach Ansicht des Gerichts vor. Diese resultierte bereits daraus, dass die Beklagte noch im Prozess die Wirksamkeit ihrer AGB verteidigte.
Ergebnis
Der Anspruch der Verbraucherzentrale aus § 1 UKlaG bestand daher vorliegend.
Stellungnahme:
Dem Urteil des LG Köln ist zuzustimmen.
Unter der Bezeichnung eines Vertrages welchen Inhalts auch immer als „Flatrate“-Vertrag wird dem Durchschnittsverbraucher suggeriert, es handele sich um eine unbegrenzte Nutzungsmöglichkeit der offerierten Gegenleistung. Wollte man hier eine Parallele zum Wettbewerbsrecht ziehen, so würde eine derartigen Klausel im Vertrag eines Internetanbieters, der sein Produkt als „Flatrate“ bewirbt, zweifelsohne als irreführende Werbung nach § 5 I 1 Nr. 1 UWG zu bezeichnen sein.
Auch steht das Urteil im Einklang mit der jüngst ergangenen Entscheidung des BGH zur Frage eines Schadensersatzanspruchs bei fehlender Nutzungsmöglichkeit des Internets (BGH, Urteil vom 24.01.2013 – III ZR 98/12): In jenem Urteil wurde dem Kläger ein Schadensersatzanspruch mit der Begründung zugestanden, dass die Funktionsfähigkeit des Internetanschlusses ein in der heutigen Zeit überragend wichtiges Wirtschaftsgut darstelle, der erzwungene Verzicht darauf einen in Geld messbaren Wert besitze. Der von der Rechtsprechung entwickelte Kommerzialisierungsgedanke wurde insofern auf den Internetanschluss ausgeweitet. Die Argumentation der Deutschen Telekom AG, dass die Neuerung durch die Tempodrosselungsklauseln lediglich einen kleinen Kreis von „Power-Usern“ betreffen könne, ist schon aus diesem Grunde nicht stichhaltig.
Festzuhalten ist jedoch, dass das Urteil nicht das Instrument einer Tempodrosselung bei der Datenübermittlung an sich als unwirksam deklariert, sondern dies lediglich im Rahmen von derartigen „Flatrate“-Verträgen als eine unangemessene Benachteiligung erachtet. Zu erwarten steht – abhängig vom endgültigen Ausgang dieses Rechtsstreits -, dass die Deutsche Telekom AG nach anderen Möglichkeiten suchen wird, um die Tempodrosselung umzusetzen. Denkbar wäre hier zum Beispiel ein zukünftiger Abschluss von als solchen bezeichneten Datenvolumen-Verträgen oder ähnlichem.
Die vorliegende Entscheidung ist für Examenskandidaten insofern interessant und sollte daher bekannt sein, weil sie nicht nur eine lehrbuchmäßige Prüfung der Kenntnisse im AGB-Recht ermöglicht, sondern auch von einiger politischer Brisanz im Hinblick auf die Postulation der Netzneutralität ist.
Schlagwortarchiv für: § 307 BGB
Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Filip Wawryk veröffentlichen zu können. Der Autor hat an der Universität in Mannheim studiert und kürzlich den schriftlichen Teil des 1. Staatsexamens absolviert. Zuletzt war der Autor in einer international ausgerichteten Kanzlei als Wissenschaftliche Hilfskraft tätig.
Mit Urteil vom 25.09.2013 (VIII ZR 206/12) hat der BGH erneut über eine Wartungsklausel entschieden, welche die Garantieansprüche eines Gebrauchtwagenkäufers von der Wartung in der Werkstatt des Gebrauchtwagenhändlers oder einer anderen Vertragswerkstatt abhängig macht. Im Ergebnis wird die bisherige Rechtsprechung des Senats folgerichtig zusammengeführt und bringt nichts wesentlich Neues. Eine solche Klausel benachteiligt den Käufer unangemessen und ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Leitsätze des Urteils:
- In einer formularmäßigen Vereinbarung über eine Gebrauchtwagengarantie, die der Fahrzeugkäufer/Garantienehmer gegen Entgelt erwirbt, ist eine Klausel, nach der Garantieansprüche davon abhängen, dass der Garantienehmer die nach den Herstellerangaben vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder in einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lässt, wegen unangemessener Benachteiligung des Garantienehmers unwirksam, wenn sie Garantieansprüche unabhängig davon ausschließt, ob eine Verletzung der Wartungsobliegenheit für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden ist.
- Für die Frage der Entgeltlichkeit der Garantie macht es keinen Unterschied, ob für die Garantie ein gesondertes Entgelt ausgewiesen wird oder ob der Käufer/Garantienehmer für das Fahrzeug und die Garantie einen Gesamtkaufpreis zu zahlen hat.
Sachverhalt
Der Kläger erwarb im November 2009 von einer Autohaus-GmbH einen Gebrauchtwagen „inkl. 1 Jahr Gebrauchtwagen-Garantie gemäß Bestimmungen der Car-Garantie“ zum Preis von 10.490 €. Hierbei wird eine Geltendmachung der Garantieansprüche von folgender formularmäßigen Bedingung abhängig gemacht:
„Voraussetzung für jegliche Garantieansprüche ist, dass der Käufer/Garantienehmer (…) an dem Kraftfahrzeug die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder in einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lässt (…)“.
Die für die einjährige Garantie vorgeschriebenen Wartungen nahm der Kläger vor, nutzte hierfür jedoch nicht ausschließlich die benannten Werkstätten. Im Juli 2010 blieb das Fahrzeug in Folge eines Defektes der Ölpumpe liegen. Im ersten Rechtszug begehrte der Kläger vom Beklagten Zahlung iHv 10.000 € aus dem Garantievertrag. Das LG Freiburg (14 O 476/10) wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (13 U 66/11) die Beklagte zur Zahlung nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten verurteilt. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Die Entscheidung des BGH
Ein Anspruch auf Zahlung der Reparaturkosten könnte sich aus der Garantieabrede ergeben. Im Garantiefall wird ein verschuldensunabhängiger Erfüllungs- bzw. Kostenersatzanspruch gegenüber dem Garantiegeber gewährt. Unproblematisch ist hierbei die Ölpumpe ein von der Garantie umfasstes Bauteil, sodass der Motorschaden einen Garantiefall darstellt. Dem Anspruch könnte jedoch die oben bezeichnete Klausel entgegenstehen. Der Tatbestand des Garantieausschlussgrundes ist erfüllt, da nicht alle Wartungen in den bezeichneten Werkstätten vorgenommen wurden.
Diese Ausschlussbestimmung könnte jedoch ihrerseits einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht standhalten und somit unwirksam sein. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine wirksam einbezogene allgemeine Geschäftsbestimmung nach § 305 Abs. 1, 2 BGB.
Allerdings müsste die Klausel überhaupt einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB zugänglich sein. Gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kann eine Klausel einer Überprüfung nur dann zugeführt werden, wenn von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen getroffen werden.
Abreden, die Art und Umfang einer vertraglichen Primärpflicht sowie das Entgelt regeln, unterliegen nicht einer Inhaltskontrolle, wobei diese Freistellung nur für den unmittelbaren Leistungsgegenstand gilt. Hingegen können Regelungen, welche die Leistungspflichten des Verwenders unter bestimmten Voraussetzungen modifizieren, einschränken oder gänzlich ausschließen, stets einer Inhaltskontrolle zugeführt werden. Solche Nebenabreden haben zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung, an deren Stelle aber bei Fehlen einer vertraglichen Gestaltung dispositives Gesetzesrecht treten kann. (vgl. etwa BGH, Urt. v. 6.07.2011 – VIII ZR).
Nach Ansicht des Senats handelt es sich bei einer solchen Wartungsklausel um eine ergänzende Nebenabrede, wenn die Garantie nur entgeltlich zu erlangen war. (BGH, Urt. v. 6.07.2011 – VIII ZR).
Aus der vorgelegten Rechnung des Verkäufers, nach welcher der Gebrauchtwagen „inklusive 1 Jahr Gebrauchtwagen-Garantie“ zum Gesamtpreis von 10.490 € erworben wurde, hat die Berufungsinstanz abgeleitet, dass mit dem Gesamtpreis nicht nur das Fahrzeug, sondern auch die gewährte Garantie abgegolten wurde.
Ergänzend hierzu der BGH:
Der Umstand, dass die Rechnung keine Aufschlüsselung des Gesamtpreises nach den Kaufpreisanteilen für das Fahrzeug und die Garantie enthält, nötigt nicht zu einer anderen Beurteilung. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Entgeltlichkeit nicht nur dann vorliegt, wenn das Einzelentgelt für die Garantie gesondert ausgewiesen wird, sondern auch dann, wenn nach der Rechnung ein Gesamtentgelt für Fahrzeug und Garantie gezahlt wurde. Von der Gestaltung der Rechnung in dieser Hinsicht hängt die Frage der rechtlichen Einordnung nicht ab.
Insoweit werden auch die Einwände der Revision verworfen, die eine Entgeltlichkeit nur annehmen will, wenn die Parteien das Entgelt für die Garantie gesondert vereinbaren. Unerheblich ist ferner, wie hoch der Preis für die Garantie ist, wenn sich durch Auslegung ergibt, dass der Gesamtpreis sich auf beides bezieht. Folglich ist die Wartungsklausel gem. § 307 Abs. 3 BGB einer Inhaltskontrolle zugänglich, hält dieser jedoch nicht stand, da sie den Garantienehmer unangemessen benachteiligt, gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, denn
„…eine Formularklausel ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unangemessen, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen (BGHZ 90, 280, 284; 120, 108, 118; 143, 103, 113). Das trifft auf eine Klausel zu, die den Verwender […] von seiner Leistungsverpflichtung ohne Rücksicht darauf freistellt, ob der Verstoß des Kunden gegen seine Obliegenheit zur Durchführung der Wartungsarbeiten für den reparaturbedürftigen Schaden ursächlich geworden ist.“
Diese Feststellung hat der Senat bereits in einer älteren Entscheidung zu einer Garantievereinbarung beim Kauf von KFZ-Verschleißschutz-Produkten getroffen (BGH, Urt. v. 24.4.1991 – VIII ZR 180/90). Diese Rechtsprechung wird in zwei jüngeren Urteil der BGH fortgeführt (BGH, Urt. v. 17.10.2007 –VIII ZR 251/06; BGH, Urt. 14.10.2009 – VIII ZR 354/08) und findet in der vorliegenden Entscheidung vorerst ihren Abschluss.
Hintergründe
Garantien werden aus vielfältigen Gründen im Gebrauchtwagenhandel gewährt, etwa um durch entsprechende Wartungsklauseln eine Kundenbindung zu bezwecken. Es entspricht der gängigen Praxis, dass beim Kauf eines Neuwagens ein Garantieheft ausgehändigt wird, welches für einzelne Teile eine Herstellergarantie enthält. Ein zunehmender Wettbewerbsdruck führt auch zu Garantievereinbarung im Gebrauchtwagenhandel, wodurch Anreize für den Kauf eines Gebrauchtwagens von einem Händler anstatt von einem Privaten geschaffen werden sollen (Vogt in: Graf v. Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerk, 2013, Teil II, Gebrauchtwagenkauf, Rn. 39).
Wird eine Gebrauchtwagengarantie von entsprechenden Wartungsklauseln wie der vorliegenden abhängig gemacht, so stellt dies eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz BGB dar, denn in vielen Fälle ist es dem Käufer nicht zumutbar, die Wartungen ausschließlich in den vorgeschriebenen Werkstätten durchführen zu lassen, etwa wenn eine Wartung während einer Reise fällig wird oder der Wohnort des Kunden von der Werkstatt so weit entfernt ist, dass der mit der Fahrt dorthin verbundene, vom Kunden selbst zu tragende Aufwand unverhältnismäßig ist (BGH NJW 2009, 3714, 3715). Zudem stellt eine solche Klausel den Garantiegeber frei, unabhängig von der Frage, ob die Verletzung der vorgesehenen Wartungspflichten ursächlich für den Garantiefall geworden ist.
Hingegen kann sich eine andere Beurteilung beim Kauf eines Neuwagens ergeben. Gewährt etwa ein Fahrzeughersteller Neuwagenkäufern zusätzlich eine Garantie für die Haltbarkeit des Fahrzeugs – im damaligen Fall handelte es sich um eine Durchrostungsgarantie – liegt eine unangemessene Benachteiligung der Kunden nicht darin, dass der Hersteller die Leistungen aus der Garantie zum Zweck der Kundenbindung von der regelmäßigen Wartung des Fahrzeugs in seinen Vertragswerkstätten abhängig macht (BGH, Urt. v. 12. 12. 2007 – VIII ZR 187/06 „Mercedes-mobile-life“). Mit einer solchen Klausel, so der BGH, wird in zulässiger Weise eine Bindung des Kunden an bestimmte Werkstätten des Herstellers bezweckt. Stellt der Hersteller nämlich in seinen Garantiebedingungen klar, dass er dem Käufer zusätzliche Rechte gewährt, sei er in der Ausgestaltung der Kundenrechte frei. Die langfristige Garantie soll dem Kunden nur „um den Preis“ der regelmäßigen Durchführung der Wartungsdienste in den Vertragswerkstätten zustehen, sodass – bei wirtschaftlicher Betrachtung – von einer „Gegenleistung“ gesprochen werden kann, die für die Garantie gefordert wird. Dies rechtfertigt sich durch das legitime Interesse des Fahrzeugherstellers, eine Kundenbindung an das Vertragswerkstättennetz zu erreichen.
Achtung: Wieder anders gestaltet sich die Rechtslage, wenn eine ähnlich gestaltete Neuwagengarantie mit Wartungsklauseln als Anschlussgarantie entgeltlich gewährt wurde (BGH, Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 293/10 „Saab-Protection-Garantie“). In dieser Entscheidung hat das Berufsgericht berechtigterweise die Frage aufgeworfen, worin der Unterschied liege, ob eine Garantie entgeltlich erworben, oder als „freiwillige“ Zusatzleistung kostenlos gewährt wird mit der Unterstellung, dass der Preis für die Garantie versteckt im Gesamtpreis enthalten sei; ein Unterschied zur „Mercedes-mobile-Life“-Entscheidung sei nicht feststellbar (LG Darmstadt, Urt. v. 3.11.2010 – 7 S 60/10). Diese Auffassung wurde aber vom BGH nicht nachvollzogen, denn maßgebliches Unterscheidungskriterium sei gerade die Entgeltlichkeit. In der „mobil-life-Entscheidung“ wurde die Fragen noch offen gelassen, ob die Wartungsklausel einer Inhaltskontrolle zugänglich ist. Einer AGB-Kontrolle nicht unterworfen sind die als negative Anspruchsvoraussetzung formulierte Garantieklauseln, die Leistungen aus der Garantie nicht durch die Aufstellung bestimmter Obliegenheiten einschränkt, sondern nach der gewählten Formulierung von vornherein nur unter der Voraussetzung durchgeführter Wartungsarbeiten verspricht, als eine der Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibung zu qualifizieren ist.
Bei einer Entgeltlichkeit der Garantie ist aus Kundensicht der zu zahlende Preis die Gegenleistung. Bei einer Unentgeltlichkeit ist der Preis für die Garantie die Durchführung der Wartungen in entsprechenden Vertragswerkstätten. Die letztgenannte Klausel beschreibt gerade den Hauptleistungsgegenstand, ist also keine bloße Nebenabrede und somit einer AGB-Kontrolle entzogen.
In der hier vorliegenden Entscheidung stellte der Senat auf Einwände der Revision klar, dass die streitentscheidende Gebrauchtwagengarantie mit einer unentgeltlichen Neuwagengarantie vergleichbar und somit einer AGB-Kontrolle zugänglich ist:
Diese Entscheidung [„Mercedes-mobile-Life“] ist auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, weil es sich hier nicht um eine Neuwagen-Garantie des Herstellers, sondern um die Gebrauchtwagen-Garantie eines Dritten handelt. Bei einer solchen Garantie, an welcher der Hersteller nicht beteiligt ist, spielt dessen Interesse an einer Bindung des Kunden an seine Vertragswerkstätten keine Rolle; es hat keine Bedeutung für die Ausgestaltung der Garantiebedingungen seitens des Garantiegebers und ist daher auch bei der Inhaltskontrolle nicht zu berücksichtigen. Schließlich ist auch eine Wartungsklausel in einer entgeltlichen Anschlussgarantie unwirksam, wie der Senat durch Versäumnisurteil entschied (BGH, Urt. v. 6.07.2011, VIII ZR 293/10). Entscheidend war hierbei, dass die Garantie als gesonderte entgeltliche und nicht freiwillige Zusatzleistung vereinbart wurde.
Fazit
Der BGH setzt mit dieser Entscheidung seine bisherige Sichtweise fort. Wie aufgezeigt müssen Gebrauchtwagengarantie und Neuwagengarantie mit Wartungsklauseln unterschiedlich beurteilt werden, denn nach der Auffassung des Senats sind die Interessen des Neuwagenherstellers an einer Bindung der Kunden schützenswerter. Eine Wartungsklausel beim Neuwagenkauf ist dann nicht zu beanstanden, wenn sie freiwillig und unentgeltlich erfolgt. Unangemessen ist hingegen eine entgeltliche Garantievereinbarung mit Wartungsklausel sowohl beim Gebrauchtwagen wie auch beim Neuwagenkauf. Ob tatsächlich die Rechte des Gebrauchtwagenkäufers geschützt werden, bleibt abzuwarten. Entscheidend im vorliegenden Fall ist lediglich die Tatsache, dass eine Auslegung des Wortes „inklusive“ eine Entgeltlichkeit der Garantie ergab und somit Raum für eine AGB-Kontrolle war. Aber durch entsprechende Vertragsgestaltung aus jener deutlich hervorgeht, dass die Gebrauchtwagengarantie nur „um den Preis“ der Wartung in vorgegebenen Werkstätten gewährt wird, könnte eine solche Garantie der AGB-Kontrolle entzogen sein, wenn man die Rechtsprechung des BGH denklogisch fortsetzt. Ob mit diesem Urteil das letzte Wort gesprochen ist, bleibt abzuwarten.
Der Fall eignet sich hervorragend, um eine Examensklausur, etwa aus dem Bereich der kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte §§ 437 ff. BGB, thematisch zu würzen und die Kenntnisse des Bearbeiters im Bereich der AGB und privatautonomer Garantievereinbarungen abzuprüfen. Wie immer gilt aber, dass es nicht auf das Ergebnis ankommt, sondern vielmehr auf eine überzeugende Argumentation.
Erst vor einigen Tagen berichteten wir sehr ausführlich zu einem examensrelevanten Urteil, das sich mit dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen befasste (in der Sache ging es um die Zulässigkeit des Verkaufs von Miles&More-Punkten, siehe dazu hier). Der BGH äußerte sich aktuell erneut zu einer Fallgestaltung aus dem AGB-Recht (Urteil vom 04.07.2013 – VII ZR 249/12). Behandelt wurden dieses Mal bestimmte Haftungsbeschränkungsklauseln, die im Textilreinigungsgewerbe gebräuchlich sind.
Klassische AGB-Kontrolle
Die AGB von vielen Textilreinigern enthielten die folgende Klausel:
Der Textilreiniger haftet für den Verlust des Reinigungsgutes unbegrenzt in Höhe des Zeitwertes. Für Bearbeitungsschäden haftet der Textilreiniger nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit unbegrenzt in Höhe des Zeitwertes. Ansonsten ist die Haftung auf das 15fache des Bearbeitungspreises begrenzt. Achtung: Unsere Haftung kann auf das 15fache des Bearbeitungspreises begrenzt sein (siehe Nr. 5 AGB). Sie können aber unbegrenzte Haftung in Höhe des Zeitwertes, zum Beispiel durch Abschluss einer Versicherung, vereinbaren.
Insbesondere die ersten beiden Sätze der Klausel wurden vom BGH wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 b) BGB für unwirksam erklärt, da eine Beschränkung der Haftung für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit auf den Zeitwert der beschädigten Sache vorlag. Nach Auffassung des BGH musste indes der Wiederbeschaffungswert der Sache maßgeblich sein.
Im Übrigen stelle die Beschränkung auf das 15fache des Reinigungspreises einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB dar, da die Klausel den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Der Reinigungspreis, der im Vergleich zum Wert der Sache erheblich niedriger sein kann, stellt nach dem BGH keinen tauglichen Maßstab für die Begrenzung der Haftung dar. Es fehle jegliche Relation zur tatsächlichen Schadenshöhe.
Examensrelevanz
Das AGB-Recht muss zwingend für das erste sowie das zweite Staatsexamen beherrscht werden. Die hier genannten Aspekte, die zu einer Nichtigkeit der Klausel führten, stellen nur einen von vielen Aufhängern dar, um die Wirksamkeit der Klauseln zu Fall zu bringen. Für die Klausur ist eine ausschöpfende Argumentation bei der Bewertung der Klauseln und weniger das Ergebnis bedeutsam, um dem Korrektor zu zeigen, dass der Sinngehalt der Klausel und auch der wirtschaftliche Kontext nachvollzogen werden konnten.
Die Systematik und der Prüfungsaufbau einer AGB-Prüfung werden in einem anderen Beitrag erläutert (siehe dazu schematisch hier). Die wichtigsten Judikate aus der letzten Zeit zu diesem Thema findet ihr im Übrigen hier.
Wir freuen uns, heute einen Gastbeitrag von Matthias Murr veröffentlichen zu können. Matthias hat in Marburg studiert und promoviert aktuell zu einem kapitalmarktrechtlichen Thema an der Universität Köln. Nebenbei ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei in Frankfurt am Main tätig.
Mit seinem Urteil vom 21.03.2013 (18 U 133/12) hat das OLG Hamm entschieden, dass ein Makler auch dann einen Anspruch auf seine Provision (Courtage) hat, wenn sein Kunde das vermittelte Objekt zu einem deutlich niedrigeren Kaufpreis erwirbt, als es ihm vom Makler nachgewiesen wurde. Darüber hinaus stellt das Gericht fest, dass die Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Maklers gem. § 307 Abs. 1 S.1 BGB in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.
Um dem Examenskandidaten die Verortung der examensrelevanten Probleme im Prüfungsbau zu erleichtern, soll die Entscheidung des OLG Hamm im Folgenden gutachterlich aufbereitet werden. Zu den einzelnen Voraussetzungen des Maklerlohnanspruchs (Maklervertrag, Maklerleistung, Hauptvertrag, Kausalität) sei im Übrigen auf den hier bereits erschienen Beitrag verwiesen.
I. Sachverhalt (vereinfacht)
Die Beklagte, eine Unternehmensgruppe aus dem Bereich des gewerblichen Hochbaus, verhandelte im Jahre 2005 mit der Eigentümerin über den Kauf eines Firmengrundstückes. Ein Kaufvertrag kam jedoch nicht zustande. Im Jahre 2010 trat die Klägerin, eine Immobilienmaklerin, an die Beklagte heran und fragte, ob Interesse an der Benennung einer Gewerbeimmobilie besteht. Nachdem diese ihr Interesse daran geäußert hatte, benannte die Klägerin das Grundstück, welches bereits 2005 Gegenstand der Verhandlungen zwischen der Beklagten und der Grundstückseigentümerin gewesen war, zu einem Kaufpreis von 1,1 Mio. Euro. Zugleich übersandte die Klägerin der Beklagten ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Ziffer 10 wie folgt lautete:
„Der Provisionsanspruch entsteht auch, wenn der Vertrag zu Bedingungen abgeschlossen wird, die vom Angebot abweichen, oder wenn und soweit im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem ersten Vertrag vertragliche Erweiterungen und Ergänzungen zustande kommen bzw. ein gleiches oder ähnliches Geschäft abgeschlossen wird. (…)“
Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, dass sie bereits Vorkenntnis von dem benannten Objekt hat und verwies auf die Verhandlungen mit der Verkäuferin.
Im Juli 2011 erwarb die Beklagte schließlich das Grundstück mit der darauf stehenden Immobilie zu einem Kaufpreis von 525.000 Euro (zzgl. MwSt). Daraufhin stellte die Klägerin der Beklagten eine Käuferprovision in Höhe von 18.750 Euro in Rechnung. Die Beklagte wies die Ansprüche der Klägerin zurück, woraufhin diese Klage erhob.
II. Anspruchsgrundlage: § 652 Abs. 1 S. 1 BGB
Nach Auffassung des OLG Hamm steht der Klägerin ein Anspruch auf die Maklercourtage in Höhe von 18.750 Euro gem. § 652 Abs. 1 BGB zu. Nach dieser Norm ist derjenige, der für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages oder für die Vermittlung eines Vertrages einen Mäklerlohn verspricht, dann zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, wenn der Vertrag infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung des Mäklers zustande kommt.
III. Gutachterliche Würdigung
Die Klägerin könnte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Maklercourtage in Höhe von 18.750 Euro gem. § 652 Abs. 1 S. 1 BGB haben. Hierfür müssten die Voraussetzungen des Maklerlohnanspruches erfüllt sein (zur Vertiefung siehe auch hier).
1. Zustandekommen eines gültigen Maklervertrages
Zunächst müssten die Klägerin und die Beklagte einen gültigen Maklervertrag miteinander geschlossen haben. Dies ist vorliegend der Fall.
Anmerkung: Es gelten hier die allgemeinen Grundsätze des Vertragsschlusses. Es müssen mithin Angebot und Annahme vorliegen. Durch den Maklervertrag entsteht keine Plicht zum Kauf bzw. Verkauf eines Grundstückes, sodass § 311b BGB nicht einschlägig ist. In diesem ersten Prüfungspunkt sollte sich der Klausurbearbeiter mangels auftretender Probleme im Sachverhalt möglichst kurz halten.
2. Erbringung der Maklerleistung
Desweiteren müsste die Beklagte auch ihre Maklerleistung erbracht haben. Der Maklervertrag ist gem. § 652 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages bzw. auf die Vermittlung eines Vertrages gerichtet. Die Klägerin könnte ihre Maklerleistung vorliegend erbracht haben, indem sie der Beklagten den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages erbracht hat. Hierunter versteht man eine Mitteilung des Maklers an seinen Kunden, durch welche dieser in die Lage versetzt wird, in konkrete Verhandlungen über den von ihm angestrebten Hauptvertrag einzutreten. Eine besondere Form des Nachweises der Gelegenheit muss dabei nicht eingehalten werden. Aufgrund der Benennung des Grundstückes durch die Klägerin im Jahre 2010 wurde die Beklagte in die Lage versetzt, mit der Verkäuferin des Grundstückes in Vertragsverhandlungen zu treten. Folglich hat die Klägerin den Nachweis und demzufolge auch ihre Maklerleistung erbracht.
Anmerkung: Auch bei diesem Prüfungspunkt stellen sich vorliegend keine Probleme. Es sollte hier ebenfalls auf lange Ausführungen verzichtet und der Punkt in der gebotenen Kürze dargestellt werden.
3. Abschluss des Hauptvertrages
a) Hauptvertrag liegt vor
Es müsste darüber hinaus auch zum Abschluss des Hauptvertrages zwischen der Beklagten und der Verkäuferin gekommen sein. Im Juli 2011 schlossen die Beklagte und die Verkäuferin einen Kaufvertrag gem. § 433 BGB in dem sich die Beklagte verpflichtete das Grundstück mit der darauf stehenden Immobilie zu einem Kaufpreis von 525.000 Euro (zzgl. MwSt) zu erwerben. Zweifel an der Wirksamkeit dieses Kaufvertrages bestehen vorliegend nicht. Ein gültiger Hauptvertrag liegt mithin vor.
b) Kongruenz zwischen beabsichtigtem und geschlossenem Vertrag?
Dem Makler steht nach ständiger Rechtsprechung des BGH ein Provisionsanspruch nach § 652 BGB jedoch grundsätzlich nur dann zu, wenn der Vertrag, mit dessen Herbeiführung der Makler beauftragt war, zu den vom Makler benannten Bedingungen zustande kommt. Führt die Tätigkeit hingegen zum Abschluss eines Vertrages mit anderem Inhalt, so entsteht kein Anspruch auf den Maklerlohn (BGH, NJW-RR 1998, 411; BGH, NJW 2008, 652). Voraussetzung eines Maklerlohnanspruchs ist mithin grundsätzlich die Kongruenz des beabsichtigten mit dem tatsächlich zustande gekommenen Kaufvertrag.
Der tatsächliche Kaufpreis (525.000 Euro zzgl. MwSt) weicht von dem von der Klägerin benannten Kaufpreis (1,1 Mio. Euro) um 43% ab. Bei einer solchen erheblichen Preisdifferenz liegt die für den Maklerlohnanspruch grundsätzlich erforderliche Kongruenz nach einhelliger Auffassung nicht mehr vor (Pauly, ZMR 2009, 662; OLG München, MDR 2010, 615; OLG Dresden, NJW-RR 2009, 931; OLG Celle, MDR 2007, 1410; so auch das OLG Hamm in der hier besprochenen Entscheidung). Umstritten ist jedoch, ob ein Maklerlohnanspruch ausnahmsweise auch dann entstehen kann, wenn das Tatbestandsmerkmal der Kongruenz nicht erfüllt ist, namentlich wenn der Maklerkunde trotz fehlender Identität zwischen beabsichtigtem und geschlossenem Vertrag den geplanten wirtschaftlichen Erfolg erzielt.
aa) erste Ansicht: kein Maklerlohnanspruch bei fehlender Kongruenz
Im Falle fehlender Kongruenz kann nach Ansicht einiger Oberlandesgerichte (so z.B. OLG Bamberg, Koblenz, Celle, München) und dem überwiegende Teil der Literatur (so z. B. MünchKommBGB/Roth, § 652, Rn. 150; Palandt/Sprau, § 652, Rn. 43) kein Anspruch des Maklers auf Maklerlohn entstehen. Begründet wird diese Ansicht in erster Linie damit, dass nach § 652 BGB ein Maklerlohnanspruch eben nur dann entstehe, wenn der ursprünglich ins Auge gefasste Vertrag abgeschlossen werde und somit eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit vorläge. Bei einer deutlichen quantitativen Abweichung zwischen avisiertem und tatsächlich geschlossenem Kaufvertrag (die nach dieser Ansicht jedenfalls bei einer Abweichung von 25% vorliegt) sei jedoch genau diese wirtschaftliche Gleichwertigkeit nicht mehr gegeben. Folglich stehe dem Makler dann auch kein Provisionsanspruch zu. Darüber hinaus solle der Makler auch nicht davon profitieren, dass sein Kunde besonderes Verhandlungsgeschick aufweist und daher einen besonders günstigen Preis aushandelt.
bb) OLG Hamm: Makleranspruch besteht trotz fehlender Kongruenz
Eine andere Auffassung vertritt das OLG Hamm im vorliegenden Fall. Es verneint zwar wegen der oben genannten Kaufpreisdifferenz von 43% ebenfalls die Kongruenz zwischen dem avisierten und dem tatsächlich geschlossenen Vertrag. Das Gericht ist aber, anders als die oben aufgeführte Ansicht, der Meinung, dass der Makler sich seinen Maklerlohn stets auch dann verdient habe, wenn der Maklerkunde das Objekt zu einem niedrigeren Kaufpreis, als er Gegenstand des Nachweises war, erworben hat. Dies sei deshalb anzunehmen, da in einem solchen Fall eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit zwischen dem angestrebten und dem geschlossenen Geschäft vorläge, sodass die grundsätzlich erforderliche Kongruenz ausnahmsweise entbehrlich sei. Trotz der inhaltlichen Abweichung zwischen avisiertem und geschlossenem Vertrag erziele der Maklerkunde durch den Vertragsschluss den gleichen geplanten wirtschaftlichen Erfolg. Es liegt, so das OLG Hamm, mithin eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit vor, bei der es dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche, wenn sich der Maklerkunde auf eine fehlende Kongruenz zwischen dem geschlossenen und dem beabsichtigten Kaufvertrag beriefe. Nur beim Hinzutreten besonderer, vom Gericht nicht benannter Umstände, könne die Berufung des Maklerkunden auf die fehlende Kongruenz als mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbar anzusehen sein.
Auch die Argumentation der Gegenansicht, dass dem Makler das Verhandlungsgeschick seines Kunden nicht zugutekommen dürfe, weißt das Gericht zurück. Es stellt hierzu in erster Linie darauf ab, dass zwischen dem Makler und dessen Kunde regelmäßig ein bestimmter Prozentsatz des Kaufpreises als Provision vereinbart wird. Reduziere sich der Kaufpreis durch Verhandlungsgeschick des Maklerkunden, sinke auch die Provision des Maklers, sodass ein Vorteil nicht entstehe.
cc) Streitentscheid möglicherweise entbehrlich
Beide Ansichten gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodass ein Streitentscheid grundsätzlich erforderlich ist. Ein solcher könnte vorliegend jedoch entbehrlich sein, wenn der Klägerin unabhängig vom Vorliegen des Hauptvertrages ein Maklerlohnanspruch zusteht, da sich in diesem Fall denknotwendig auch die Frage nach den Konsequenzen der fehlenden Kongruenz erübrigen würde. Eine solche erfolgsunabhängige Vergütung könnte sich aus Ziffer 10 der AGB der Klägerin ergeben. Dort ist festgelegt, dass der Klägerin auch dann ein Provisionsanspruch zusteht, wenn der Vertrag zu Bedingungen abgeschlossen wird, die vom Angebot abweichen, oder wenn und soweit im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem ersten Vertrag vertragliche Erweiterungen und Ergänzungen zustande kommen bzw. ein gleiches oder ähnliches Geschäft abgeschlossen wird. Die AGB-Klausel müsste wirksam sein.
Anmerkung: Es muss nun eine AGB-Kontrolle durchgeführt werden.
(1) Vorliegen von AGB
Bereits der Sachverhalt stellt klar, dass es sich bei der fraglichen Klausel um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt.
(2) Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB eröffnet
Der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB müsste eröffnet sein. Dieser bestimmt sich anhand von § 310 BGB. Aufgrund der Unternehmereigenschaft der Beklagten (§ 14 Abs. 1 BGB) finden sowohl die §§ 305 Abs. 2 und 3 BGB als auch die §§ 308 und 309 BGB gem. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB keine Anwendung. § 310 Abs. 1 S. 2 BGB stellt allerdings klar, dass die Wertungen der §§ 308 und 309 BGB bei der Inhaltskontrolle im Rahmen des § 307 BGB zu berücksichtigen sind.
(3) Inhaltskontrolle
Ziffer 10 der AGB der Klägerin könnte gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sein. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Bestimmung in den AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine solche unangemessene Benachteiligung ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn die in Rede stehende Bestimmung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von denen durch die AGB abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
Die Norm des § 652 Abs. 1 BGB enthält nachgiebiges Recht und ist daher grundsätzlich abdingbar. Ein Makler kann sich somit eine Vergütung auch ohne Rücksicht auf den Erfolg seiner Tätigkeit sichern. Dies ist zumindest dann unbedenklich, wenn eine solche erfolgsunabhängige Vergütung individualvertraglich vereinbart wird, denn dann haben schließlich beide Vertragsteile die Möglichkeit, Einfluss auf den Vertragsinhalt zu nehmen. Zum Leitbild der gesetzlichen Regelung des Maklerrechts gehört es jedoch nach einhelliger Auffassung im Schrifttum und in der Rechtsprechung, dass eine erfolgsunabhängige Maklerprovision nicht geschuldet ist. Der Makler verlangt, anders als ein Dienstleister, regelmäßig eine erfolgsabhängige, prozentual auf den Vertragsgegenstand bezogene Provision. Mit der Vereinbarung einer solchen Provision entscheidet er sich für das Leitbild des § 652 BGB und muss sich mithin auch an diesem messen lassen. Die Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Maklerprovision in den AGB weicht somit vom Leitbild des Maklervertrages ab und benachteiligt hierdurch den Kunden in unangemessener Weise.
Ziffer 10 der AGB der Klägerin ist folglich gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Der Makleranspruch der Klägerin besteht demzufolge nicht unabhängig vom Abschluss des Hauptvertrages, sodass sich auch die Frage der Konsequenzen der fehlenden Kongruenz weiterhin stellt. Der oben geführte Meinungsstreit muss mithin entschieden werden.
dd) Streitentscheid
Es spricht vieles dafür, trotz der inhaltlichen Abweichung zwischen avisiertem und geschlossenem Vertrag davon auszugehen, dass der Maklerkunde durch den Abschluss des Hauptvertrages seinen geplanten wirtschaftlichen Erfolg erzielt. Daran ändert auch die Tatsache, dass der Maklerkunde das begehrte Objekt zu einem bedeutend günstigeren Preis erwirbt, nichts. Würde man den Maklerlohnanspruch mangels Kongruenz verneinen, würde es zu einer ungerechtfertigten doppelten Bevorteilung des Maklerkunden kommen. Er würde so nicht nur zu einem deutlich günstigeren Kaufpreis kaufen, sondern sich darüber hinaus auch noch die ursprünglich eingeplante Maklerprovision ersparen. Ein Grund für diesen doppelten Vorteil ist nicht ersichtlich. Vielmehr erscheint es nicht gerecht, dem Makler trotz der Erbringung seiner Maklerleistung den Maklerlohnanspruch zu verwehren, nur weil sein Kunde zu einem deutlich günstigeren Kaufpreis kauft.
Richtig ist auch, dass zwischen dem Makler und dessen Kunde regelmäßig ein bestimmter Prozentsatz des Kaufpreises als Provision vereinbart wird. Reduziert sich der Kaufpreis durch Verhandlungsgeschick des Maklerkunden, sinkt daher auch die Provision des Maklers, sodass ein Vorteil zu dessen Gunsten in der Regel nicht entsteht. Die Argumentation, dass dem Makler das Verhandlungsgeschick seiner Kunden nicht zugutekommen soll, überzeugt demnach ebenfalls nicht. Es ist mithin der Ansicht des OLG Hamm zu folgen, die dem Makler den Anspruch auf seinen Maklerlohn, trotz der fehlenden Kongruenz zwischen beabsichtigtem und geschlossenem Vertrag, aufgrund der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit der Verträge, zuspricht.
Anmerkung: Hier lassen sich mit guten Argumenten sicherlich beide Ansichten vertreten, wobei mit der Ansicht des OLG Hamm die Prüfung fortgesetzt und so noch die Kausalität der Maklerleistung für den Vertragsschluss geprüft werden kann. Folgt man hingegen der erstgenannten Ansicht endet die Klausur mangels Kongruenz bereits vor der Prüfung der Kausalität und die dort möglicherweise auftretenden Probleme können nur noch hilfsgutachtlich geprüft werden. Die Entscheidung des Meinungsstreits kann folglich auch von klausurtaktischen Erwägungen abhängig gemacht werden.
4. Kausalität der Maklerleistung für den Vertragsschluss
Schließlich müsste auch die Kausalität zwischen der Maklerleistung und dem Abschluss des Hauptvertrages vorliegen, wobei eine Mitursächlichkeit bereits ausreicht. Die Kausalität ist grundsätzlich dann zu verneinen, wenn bereits Vorkenntnis von dem Objekt bestanden hat. Zwar hatte die Beklagte bereits im Jahre 2005 Verhandlungen mit der Eigentümerin über den Kauf des Grundstücks geführt, jedoch begründet diese Vorkenntnis von der Verkaufsbereitschaft nicht auch das Wissen, dass die Verkaufsbereitschaft auch bei Vertragsschluss sechs Jahre später noch besteht. Es liegt somit keine Vorkenntnis vom Objekt vor. Die Maklerleistung der Klägerin ist mithin auch kausal für den Abschluss des Kaufvertrages, sodass sämtliche Voraussetzungen des Maklerlohnanspruches erfüllt sind.
Die Klägerin hat somit gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Maklercourtage in Höhe von 18.750 Euro gem. § 652 Abs. 1 S. 1 BGB.
IV. Fazit
Die vorgestellte Entscheidung des OLG Hamm beschäftigt sich mit dem examensrelevanten Maklerrecht. Für die Prüfung genügt es jedoch, die Grundzüge dieses Rechtsgebiets zu beherrschen. Wichtiger als auswendig gelerntes Detailwissen ist es, die auftretenden Probleme an den richtigen Stellen im Prüfungsaufbau anzusprechen. Der vorgestellte Prüfungsaufbau soll einen möglichen Weg hierfür aufzeigen. Wichtig ist es, sich die im Folgenden noch einmal genannten Grundaussagen des Falles zu verinnerlichen:
- Die Regelung einer erfolgsunabhängigen Provision in den AGB eines Maklers ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
- Trotz der fehlenden Kongruenz zwischen avisiertem und geschlossenem Vertrag, steht dem Makler nach Ansicht des OLG Hamm, aufgrund der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit der Geschäfte, regelmäßig ein Maklerlohnanspruch zu.
Noch anzumerken ist, dass das OLG Hamm die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Bezug auf die Konsequenzen der fehlenden Kongruenz zugelassen hat.
Das OLG Hamm entschied vor Kurzem mit Urteil vom 24.05.2012 (Az. I-4 U 48/12) über die Wirksamkeit einer Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). In der Sache ging es um die vertraglich auferlegte Pflicht zur schriftlichen Rüge von offensichtlichen Mängeln innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Übergabe des Kaufgegenstandes – und dies obwohl es sich bei den infrage stehenden Kaufverträgen um Verbrauchsgüterkäufe i.S.d. § 475 BGB handelte.
Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit
Das OLG räumte zunächst ein, dass eine derartige Klausel nicht unter § 309 Nr. 8 b) ee) BGB falle. Klauseln sind nach dieser Vorschrift im Grundsatz immer nur dann unwirksam, sofern der Verwender dem Vertragspartner wegen nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setze.
Hier ging es allerdings streng genommen gar nicht um eine Ausschlussfrist, denn die Pflicht zur Mitteilung des offensichtlichen Mangels stand im vorliegenden Fall einfach als vertragliche Nebenpflicht im Raume, wobei die Verletzung dieser Pflicht nicht per se zum Ausschluss von Gewährleistungsrechten führte. Auch wenn die Klausel bei Nichteinhalten der Anzeigepflicht den Ausschluss der Gewährleistungsrechte vorsähe, ging es in der Sache auch nicht um eine Anzeigepflicht bei nicht offensichtlichen Mängeln, sondern gerade um das Gegenteil, nämlich eine Anzeigepflicht bei offensichtlichen Mängeln.
Unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB
Angesichts der Tatsache, dass § 309 Nr. 8 b) ee) BGB bereits die Nichtigkeit bei Vorliegen einer Ausschlussfrist bei nicht offensichtlichen Mängeln vorsieht, könnte man im Umkehrschluss bei der nachfolgenden Prüfung von § 307 BGB anbringen, dass eine Klausel, die lediglich eine Prüfpflicht bei offensichtlichen Mängeln vorsieht, gerade keine unangemessene Beteiligung entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben darstellt. Dies sah das OLG Hamm auch so, so dass im Rahmen der allgemeinen Klauselkontrolle zu folgern sei, dass solche Ausschlussfristen bezogen auf offensichtliche Mängel im Allgemeinen nicht zu beanstanden seien.
Aus dem vorgenannten Umkehrschluss lasse sich laut dem OLG Hamm indes nicht schließen, dass auch beim Verbrauchsgüterkauf eine Rügepflicht bei offensichtlichen Mängeln zulässig sei. Angesichts der verbraucherschützenden Vorgaben der Bestimmungen der dem deutschen Kaufrecht zugrunde liegenden Verbrauchsgüterkaufrichtlinie müssten hier andere Maßstäbe gelten. Denn eine Rügepflicht, wie sie von der hier diskutierten Klausel vorgesehen ist, weiche zu Lasten des Verbrauchers vom Leitbild des Verbrauchsgüterkaufs ab und schränke die Mängelrechte damit zumindest faktisch unangemessen zum Nachteil des Verbrauchers ein. Durch die Klausel entstehe beim Verbraucher nämlich der Eindruck, dass er seine Gewährleistungsansprüche verliere, sofern er die Rügefrist versäume. Es wurde insofern die kundenfeindlichste Auslegung der Prüfpflichtklausel zugrunde gelegt.
Im Fall des Verbrauchsgüterkaufes dürfen nämlich weder unmittelbar noch durch Umgehungen im Sinne von § 475 Abs. 1 S.2 BGB von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen getroffen werden, die die Verbraucherrechte zur Gewährleistung oder zur Verjährung in Ansehung des § 437 BGB betreffen. Auch wenn aus einer Versäumung der Rügepflicht für offensichtliche Mängel mangels entsprechender Regelung nicht zwingend folgen möge, dass sich der Verbraucher nicht mehr auf das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen wegen offensichtlicher Mängel berufen könnte, werden seine Verbraucherrechte jedenfalls mittelbar betroffen. Der Verwender spekuliere erkennbar darauf, dass der Käufer die Rügeobliegenheit möglicherweise nicht kennt und deshalb verspätet rügt.
Bereits der Fakt, dass die Ausübung der Mängelrechte des Käufers potentiell und ohne sachlichen Grund behindert wird, führt insofern bereits zur Nichtigkeit der Klausel nach § 307 BGB. Im Rahmen einer sehr guten Klausurbearbeitung sollten überdies noch weitere Argumentationsstränge aufgegriffen werden, um das Ergebnis noch weiter abzusichern. Gerade bei der wertenden Abwägung im Rahmen von § 307 BGB wird in Klausuren nämlich stets eine umfassende Auslegung und Diskussion erwartet, da diese Prüfung meist den Schwerpunkt und auch die maßgebliche Weichenstellung in einer Klausur darstellt.
Argumentation mit den Vorgaben zum Handelskauf
Ferner könnte man im Rahmen dieser Diskussion nämlich noch Parallelen zu der Obliegenheit der Mängelrüge nach § 377 HGB anbringen. Bei Handelskäufen muss der Käufer gemäß § 377 Abs. 1 HGB die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich eine Anzeige des Mangels tätigen.
Wenn man sich nun vor Augen führt, dass die vorgenannte Klausel zum einen eine schriftliche Mängelanzeige vorsieht, wobei § 377 HGB, der nur für Kaufleute gilt, auch eine mündliche Anzeige erlaubt, wird die unangemessene Benachteiligung des Verbrauchsgüterkäufers noch klarer. Zudem sieht die infrage stehende Klausel eine Prüfpflicht von zwei Wochen vor, während die Formulierung des § 377 HGB offen formuliert ist und in Sonderfällen je nach Fallgestaltung durchaus eine längere Frist als zwei Wochen genügen lässt.
Angesichts der Tatsache, dass die Klausel keinen Ausschluss der Mängelrechte, sondern lediglich eine Prüfpflicht vorsieht, ließe sich zwar argumentieren, dass ausdrücklich keine dem § 377 HGB vergleichbare Sanktion vereinbart wurde. Ein solcher Eindruck könne nach Auffassung des OLG Hamm im Sinne der vorangegangenen Argumentation aber zumindest beim Verbraucher erweckt werden, weil ihm der Sinn einer sanktionslosen Rügefrist nicht einleuchten mag und weil sich der Verwender auf die fehlende Rüge berufen könnte.
Die hier diskutierte Klausel, die im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs eingesetzt wurde, sieht insofern sogar teilweise strengere Vorgaben als § 377 HGB vor. Es erscheint indes unbillig, dem Verbrauchsgüterkäufer strengere Vorgaben als einem Kaufmann aufzuerlegen, so dass sich auch aus diesem Aspekt ein Verstoß gegen § 307 BGB ergibt.
Zum Aufbau
Anstelle einer Prüfung von § 307 BGB könnte auch direkt ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot nach § 475 Abs. 1 S. 2 BGB oder sogar ein Verstoß gegen § 475 Abs. 1 S. 1 BGB geprüft werden. Zu beachten ist, dass das das Verbot nach § 475 Abs. 1 BGB auch dann gilt, wenn keine AGB vorliegen, sprich bei Individualvereinbarungen.
Vorliegend bietet sich allerdings eine Prüfung anhand der Maßgaben des AGB-Rechts eher an, da so zuerst § 309 BGB geprüft und verneint werden und sodann umfassend im Rahmen von § 307 BGB mit allen zur Verfügung stehenden Argumentationssträngen diskutiert werden kann. Ein derartiger Aufbau mag vielleicht übersehen, dass die Vorgaben in § 475 BGB als speziellere Regelungen der allgemeinen Klauselkontrolle nach §§ 307 ff. BGB vorgehen könnten, dass also eine AGB-Kontrolle bei einem Verstoß gegen § 475 Abs. 1 BGB bereits überflüssig ist (so etwa Lorenz, in MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 475, Rn. 25). Andererseits erscheint es im gutachterlichen Aufbau nicht schädlich, zunächst die Nichtigkeit nach § 307 BGB festzustellen und sodann in einem „Überdies-Satz“ zu postulieren, dass sich entsprechend der zuvor geführten Diskussion im Übrigen ebenfalls die Nichtigkeit aus § 475 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt, wobei diese sogar bei Vorliegen einer Individualvereinbarung gelten würde.
In einer kürzlich ergangenen Entscheidung hat der BGH (Urteil v. 08.02.2012 – Az. XII ZR 42/10) zu der Frage Stellung genommen, ob ein Fitnessstudio-Vertrag eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten haben darf. Überdies hat sich das Gericht mit der Problematik beschäftigt, wann die Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung durch AGB unzulässig sein kann. Der Fall behandelt Standardprobleme, die ohne weiteres – in Verbindung mit weiteren Problemen – Gegenstand einer Fortgeschrittenen- oder Examensklausur sein können.
Sachverhalt (verkürzt)
A interessiert sich für Kraftsport und entschließt sich, bei seinem örtlichen Fitnessstudio F Mitglied zu werden. Am 17.04.2007 begibt sich A in die Räumlichkeiten des F und schließt dort einen Vertrag zur Nutzung aller Fitnessangebote gegen Zahlung eines monatlichen Entgelts in Höhe von 44 EUR. Vertragsbeginn soll der 01.05.2007 sein. Der Vordruck des Vertrags, den die F standardmäßig für alle ihre Neu-Kunden einsetzt, enthält eine Laufzeit von mindestens 24. Monaten ab Vertragsbeginn. Darüber hinaus verweist der Vertrag auf die – ansonsten ordnungsgemäß eingeführten – allgemeinen Vertragsbedingungen (AGB).
Ziff. 7 der AGB lautet:
„Der Nutzer kann den Vertrag mit Wirkung des Eingangs bei dem B…-Center kündigen, wenn er krankheitsbedingt für die restliche Vertragslaufzeit die Einrichtung des Centers nicht nutzen kann. Zur Wirksamkeit der Kündigung ist erforderlich, dass sie unverzüglich, spätestens binnen zwei Wochen nach Kenntnis des die Kündigung rechtfertigenden Umstandes erfolgt und der Kündigungserklärung ein ärztliches Attest eingefügt wird, aus dem sich nachvollziehbar die Erkrankung/gesundheitliche Beeinträchtigung er-gibt, die einer Nutzung entgegenstehen soll.“
Mit Schreiben vom 24.07.2008 kündigt A den Vertrag fristlos. Grund seien gesundheitliche Probleme, die ihm sportliche Aktivitäten – was zutrifft – unmöglich machen. Er legt der Kündigung auch ein Attest bei. F ist mit der Kündigung nicht einverstanden und verweist darauf, dass das Vertragsverhältnis auf jeden Fall bis zum 30.04.2009 laufe. A ist sich unsicher und zahlt bis einschließlich September 2008 das Nutzungsentgelt weiter. Als A die Zahlungen ab Oktober 2008 einstellt, verlangt F die restlichen Nutzungsentgelte bis April 2009. A weigert sich nun endgültig, irgendetwas zu zahlen, da der Vertrag ja wohl durch die Kündigung beendet sei. Überhaupt sei eine 24-monatige Erstlaufzeit „völlig überzogen“ und der Vertrag deswegen „null und nichtig“.
Hat F einen Anspruch gegen A auf Zahlung der Nutzungsentgelte bis einschließlich April 2009?
Erstlaufzeit von 24 Monaten per AGB bei Fitness-Studiovertrag wirksam
Der BGH stellt sich – wie immer innerhalb der Prüfung von AGB bzw. einer formularvertraglichen Vertragsbedingung – die Frage, ob eine „unangemessene Benachteiligung“ des Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB vorliegt, wenn der Kunde durch eine 24-monatige Laufzeit langfristig an den Dienstleister, hier das Fitnessstudio gebunden wird. Formularvertraglich kann eine Erstlaufzeit nach allgemeiner Auffassung jedenfalls 6 Monate betragen. Eine längere Erstlaufzeit wurde bislang nur in bestimmten Einzelfällen als zulässig angesehen. Denn
Soweit in formularvertraglich vereinbarten Erstlaufzeiten von mehr als sechs Monaten in Fitness-Studioverträgen eine unangemessene Benachteiligung des Kunden iSv § 307 Abs. 1 BGB gesehen wird, wird zur Begründung im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Kunde durch die langfristige Vertragsbindung nicht nur in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, sondern auch in seiner persönlichen Entscheidung über die Art seiner Freizeitgestaltung erheblich eingeschränkt werd. Ein durchschnittlicher Kunde könne regelmäßig nicht voraussehen, ob er auf Dauer genügend Freizeit aufbringe und körperlich in der Lage sei, die Leistungen des Studiobetreibers über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus in Anspruch nehmen zu können. Dem stehe zwar das Interesse des Studiobetreibers an einer verlässlichen Grundlage für seine Kalkulation gegenüber. Daraus lasse sich jedoch kein anerkennenswertes Interesse ableiten, Kunden übermäßig langfristig an sich zu binden, insbesondere da seine Investitionen nicht auf besondere Personen zugeschnitten seien.
Der Gesetzgeber hat in § 309 Nr. 9 lit. a BGB angeordnet, dass eine Klausel unwirksam ist, die bei einem Vertragsverhältnis über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrages vorsieht. Durch diese Regelung sollte die Entscheidungs- und wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Kunden geschützt werden, die bei einer langfristigen Bindung an einen Vertrag besonders beeinträchtigt sein kann, ohne dass die Notwendigkeit einer langen Vertragslaufzeit durch die Natur des Vertrages vorgegeben ist (BT-Drucks. 7/3919 S. 37; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht 11. Aufl. § 309 Nr. 9 BGB Rn. 1). Obwohl die Dispositionsfreiheit eines Vertragspartners des Verwenders bei jeglicher Art von langfristiger Vertragsbindung eine erhebliche Einschränkung erfährt, hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 BGB jedoch nicht auf alle Dauerschuldverhältnisse, sondern nur auf Vertragsverhältnisse über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen erstreckt. […]
Diese in § 309 Nr. 9 lit. a BGB zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers ist auch bei der nach § 307 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen, ob durch eine vorformulierte Laufzeitklausel eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gegeben ist. Das schließt zwar nicht aus, dass eine Klausel, die nach ihrem Regelungsgehalt in den Anwendungsbereich der Klauselverbote fällt, mit den in Betracht kommenden Einzelverboten aber nicht kollidiert, nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein kann (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1996 – XII ZR 193/95 – NJW 1997, 739, 740). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich die unangemessene Benachteiligung des Kunden nicht allein aus den Nachteilen einer langfristigen Vertragsbindung ergibt, die der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 309 Ziff. 9 BGB im Blick hatte. Da es unzulässig ist, aufgrund allgemeiner Überlegungen, die sich nicht aus den Besonderheiten gerade des zu beurteilenden Vertrages ergeben, über die Generalklausel die gesetzgeberische Regelungsabsicht geradezu „auf den Kopf zu stellen“, muss sich die Unangemessenheit einer Laufzeitklausel aus besonderen, von der Verbotsnorm nicht erfassten Gründen ergeben.
Ziffer 7 der AGB schränkt Recht zur außerordentlichen Kündigung unzulässig ein
Das Gericht stellt zunächst darauf ab, wann eine Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung in AGB grundsätzlich unzulässig ist. Dann liegt auch hier eine „unangemessene Benachteiligung“ nach § 307 Abs. 1 BGB vor.
Schließt eine Regelung in allge-meinen Geschäftsbedingungen das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses zwar nicht gänzlich aus, knüpft dieses aber an zusätzliche Voraussetzungen, die geeignet sein können, den Vertragspartner des Verwenders von der Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts abzuhalten, führt dies ebenfalls zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden und damit zur Unwirksamkeit einer solchen Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB. Allgemeine Geschäftsbe- dingungen dürfen dem Vertragspartner nicht solche Rechte entziehen oder ein- schränken, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat.
Auf den vorliegenden Fall handelt es sich um einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB, denn
[…] die Klausel kann in der für die Inhaltskontrolle maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung dahingehend verstanden werden, dass der Kunde nur bei Vorliegen einer Erkrankung, die ihm für die restliche Vertragslaufzeit die Nutzung der Einrichtungen des Centers nicht ermöglicht, zur außerordentlichen Kündigung berechtigt und im Übrigen ein Recht zur außerordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist.
Hinzu kommt, dass die Klägerin durch die Klausel die Kündigung von der Vorlage eines ärztlichen Attestes abhängig macht, aus dem sich Art und Umfang der Erkrankung ergeben soll. Zwar ist ein berechtigtes Interesse des Betreibers eines Fitness-Studios an der Vorlage eines ärztlichen Attestes bei einer mit einer Erkrankung begründeten Kündigung ihres Kunden grundsätzlich anzuerkennen, um einen Missbrauch des eingeräumten Kündigungsrechts zu verhindern. Die Revision weist jedoch zu Recht darauf hin, dass diesem Interesse der Klägerin bereits durch die Vorlage eines ärztlichen Attestes gedient ist, aus dem sich ergibt, dass eine sportliche Tätigkeit des Kunden nicht mehr möglich ist. Das Interesse der Klägerin, sich vor unberechtigten Kündigungen zu schützen, rechtfertigt es nicht, von ihren Kunden Angaben über die konkrete Art der Erkrankung zu verlangen. Denn grundsätzlich kann den Angaben eines Arztes in einem Attest Glauben geschenkt werden. Außerdem ist es der Klägerin unbenommen, bei Zweifeln die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung in Frage zu stellen und in einem gerichtlichen Verfahren die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung prüfen zu lassen, in dem dann der Kunde die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes trägt.
Im vorliegenden Fall muss der Kunde nach dem Wortlaut der Ziff. 7 Satz 2 des Vertrags der Kündigung ein ärztliches Attest beifügen, aus dem sich nachvollziehbar die Erkrankung/gesundheitliche Beeinträchtigung ergibt, die einer weiteren Nutzung des Fitness-Studios entgegensteht. Dieser Anforderung würde ein ärztliches Attest, das nur eine auf Dauer anhaltende Sportunfähigkeit des Kunden bescheinigt, nicht genügen. Um für die Klägerin nachvollziehbar darzulegen, warum er auf Dauer das Fitness-Studio nicht mehr nutzen kann, müsste der Kunde die Art seiner Erkrankung gegenüber der Klägerin offenbaren. Er steht daher vor dem Ausspruch einer Kündigung vor der Entscheidung, ob er bereit ist, gegenüber der Klägerin entsprechende Angaben zu machen oder auf die Ausübung seines Kündigungsrechts zu verzichten. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Kunde davon abgehalten wird, von seinem Recht zur außerordentlichen Kündigung Gebrauch zu machen, zumal die Klägerin ihrerseits nicht gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und der Kunde sich daher nicht darauf verlassen kann, dass seine Angaben vertraulich behandelt und nicht an andere weitergegeben werden.
Außerdem führe laut BGH die Pflicht des Kunden, spätestens 2 Wochen nach Erlangung der Kenntnis von der Erkrankung dazu, dass dieser ggf. voreilig kündigt, um sein Kündigungsrecht nicht zu verlieren, anstatt den weiteren Verlauf der Krankheit abzuwarten. Auch dies stelle eine unangemessene Benachteiligung dar.
Fazit
Der „Kniff“ mit § 309 Nr. 9 lit. a BGB ist anspruchsvoll und in einer Klausur wohl nur von den besseren Bearbeitern (wenn überhaupt) zu erwarten. Wer die Grundzüge des AGB-Rechts aber verstanden hat, der wird auch ohne den § 309 Nr. 9 lit. a BGB eine sehr solide Leistung hinlegen können, zumal die Literatur und Rechtsprechung bisher gute Argumente angeführt hat, die gegen eine längere Laufzeit von Fitness-Studioverträgen sprechen. Im Mittelpunkt stände bei der Bearbeitung in jedem Fall die Auslegung von Ziff. 7 des Vertrags und die Frage, ob eine „unangemessene Benachteiligung“ hinsichtlich des Kündigungsrechts gegeben ist.
Der EuGH hat gestern einen examensrelevanten Fall zum AGB-Recht entschieden (Az. C-453/10). Der EuGH konnte zu dieser allgemeinen zivilrechtlichen Frage urteilen, da die Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, 29) die europarechtliche Vorgabe für das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellt. Die Richtlinie sieht vor, dass missbräuchliche Klauseln in einem Vertrag, der zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden nach dessen Vorgaben geschlossen wurde, für den Verbraucher unverbindlich sind.
Sachverhalt
Frau P. und Herr P. nahmen bei der SOS financ, die kein Kreditinstitut ist, aber Verbraucherkreditverträge auf der Grundlage von Standardformularverträgen gewährt, einen Kredit in Höhe von 150.000 SKK (4.979 Euro) auf. Nach dem Kreditvertrag ist der Kredit in 32 Monatsraten von je 6.000 SKK (199 Euro) zuzüglich einer 33. Monatsrate in Höhe des bewilligten Kredits zurückzuzahlen. Die Kreditnehmer sind somit verpflichtet, einen Betrag von 342.000 SKK (11.352 Euro) zurückzuzahlen. Der effektive Jahreszins des Kredits, d.h. die Summe der mit ihm verbundenen und vom Verbraucher zu tragenden Kosten, wurde in diesem Vertrag mit 48,63% angesetzt, während er nach Berechnung des slowakischen Gerichts, das den EuGH befragt, in Wirklichkeit 58,76% beträgt.
Frau P. und Herr P. haben beim Okresný súd Prešov (Bezirksgericht Prešov, Slowakei) Klage auf Feststellung erhoben, dass ihr Kreditvertrag mehrere missbräuchliche Klauseln wie die ungenaue Angabe des effektiven Jahreszinses enthält; ferner beantragen sie, die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags festzustellen. Das slowakische Gericht möchte vom EuGH wissen, ob die Richtlinie es ihm erlaubt, die Unwirksamkeit eines Verbrauchervertrags, der missbräuchliche Klauseln enthält, festzustellen, wenn eine solche Lösung für den Verbraucher günstiger wäre. Nach seinen Ausführungen müssten die betroffenen Verbraucher im Fall der Feststellung der Unwirksamkeit nämlich nur die Verzugszinsen in Höhe von 9% und nicht die gesamten Kosten des bewilligten Kredits zahlen, die viel höher seien als diese Zinsen.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH entschied, dass die nationalen Rechtsvorschriften durchaus über die Richtlinie hinaus gehende Vorgaben vorsehen können, wenn dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet wird. Auch wenn die Richtlinie (insbesondere dessen Art. 6) grundsätzlich nur auf die Beseitigung missbräuchlicher Klauseln abziele, sei es den Mitgliedstaaten gestattet, ein höheres Verbraucherschutzniveau vorzusehen.
Eine solche Entscheidung ist in meinen Augen dogmatisch Folgerichtig. Bei der Klauselrichtlinie handelt es sich um einen europäischen Rechtsakt zum Zwecke einer sog. minimum harmonization. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelungen, sowie den Hinweisen in den Erwägungsgründen der Richtlinie. Das bedeutet, dass die Richtlinie nur einen Minimalstandard an Schutz oktroyiert. Die Mitgliedsstaaten sind gehalten, diesen Schutzstandard zu gewährleisten. Sie dürfen aber darüber hinaus auch überschießend umsetzen, also einen höheren Schutzstandard gewähren. Anderes gilt nur bei europäischen Rechtsakten, die zum Zwecke einer sog. exhaustive harmonization erlassen wurden. So soll etwa die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) einen umfassend harmonisierten Standard und gerade kein Minimum normieren.
In seinem Urteil weist der EuGH zunächst deshalb darauf hin, dass das Ziel der Richtlinie darin besteht, missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zu beseitigen, und dabei – wenn möglich – die Wirksamkeit des Vertrags in seiner Gesamtheit aufrechtzuerhalten, nicht aber darin, sämtliche Verträge, die solche Klauseln enthalten, für nichtig zu erklären. Im deutschen Recht findet sich die hierzu korrelierende Vorschrift in § 306 Abs. 1 BGB. Hiernach wird die Vermutung des Rechtsgedankens des § 139 BGB umgekehrt. Sofern eine Klausel in AGB nichtig ist, ist grundsätzlich von der Wirksamkeit des übrigen Vertrages auszugehen.Wie bei den Slowaken bietet allerdings auch das deutsche Recht Abweichungen von diesem Grundsatz:
- Zum einen ist anerkannt, dass die Regel des § 306 Abs. 1 BGB dann nicht gilt, wenn ohne die entsprechenden vorformulierten Klauseln gar kein Vertragsrest mehr übrig bliebe. In solch einem Fall ist bei Nichtigkeit nach AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB) somit auch von der Gesamtnichtigkeit des Vertrages auszugehen. Dieses Ergebnis wird im Übrigen durch den Wortlaut von Art. 6 der Klauselrichtlinie gestützt, wo es heißt: „[…] die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann. […]“.
- Darüber hinaus bietet § 306 Abs. 3 BGB eine zusätzliche Ausnahme vom Grundsatz des Abs. 1. Dieser gilt nämlich für die Fälle, wenn das Festhalten an den Vertrag eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.
Die Entscheidung bestätigt insofern also auch die Europarechtskonformität unserer nationalrechtlichen Regelungen. Die Examensrelevanz darf deshalb nicht unterschätzt werden. Auch in Klausuren kann die Problematik ohne weiteres eingebaut werden, sofern der einschlägige Richtlinientext den Prüflingen vorgelegt würde.
Der Bundesgerichtshof hat am 6. Juli 2011 (VIII ZR 293/10) eine Entscheidung zur Herstellergarantie beim Kfz-Kauf getroffen.
Sachverhalt
Kläger K erwarb im Februar 2005 einen am 30. Juni 2004 erstmals zugelassen Vorführwagen PKW Saab 9.5. Er nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin V aus einer ihm bei Erwerb des Fahrzeugs ausgehändigten Urkunde über eine „Saab-Protection“-Garantie in Anspruch. In den formularmäßig gestalteten Garantiebedingungen heißt es unter anderem:
„2. Allgemeines
Saab garantiert bei Material- oder Herstellungsfehlern die kostenlose Reparatur oder den kostenlosen Ersatz des betreffenden Teils bei jedem Saab-Vertragshändler. Die Garantie ist an das in diesem Dokument beschriebene Fahrzeug gebunden und geht beim Weiterverkauf des Fahrzeugs auf den nächsten Erwerber über. …
4. Garantie-Dauer
Die vorliegende Garantie beginnt mit Ablauf der zweijährigen Herstellergarantie. Sie hat eine Laufzeit von einem Jahr, gerechnet ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Herstellergarantie. …
6. Garantievoraussetzungen
Garantieansprüche können nur bei einem Saab-Vertragshändler unter folgenden Bedingungen geltend gemacht werden:
– Das Fahrzeug muss gemäß den im Serviceheft beschriebenen Vorschriften bei einem Saab-Vertragshändler unter ausschließlicher Verwendung von Saab Originalteilen gewartet worden sein.
– Die ordnungsgemäße Wartung muss im Serviceheft bestätigt sein.
Das Nachweisdokument ist bei der Schadensmeldung vorzulegen.“
In dem Serviceheft ist bestimmt, dass das Fahrzeug jährlich oder nach einer Fahrleistung von jeweils 20.000 km einer Wartung zu unterziehen ist. Am 27. Dezember 2006 trat bei einem Kilometerstand von 69.580 km ein Defekt an der Dieseleinspritzpumpe auf, für dessen Reparatur dem Kläger vom Saab-Zentrum 3.138,23 € in Rechnung gestellt wurden. Anlässlich der Reparatur ließ der Kläger auch die zuvor unterbliebene 60.000-km-Inspektion nachholen. Ob die verspätet durchgeführte Inspektion für den eingetretenen Defekt ursächlich war, ist streitig. Die Beklagte hat, gestützt auf die nicht rechtzeitig durchgeführte Inspektion, ihre Eintrittspflicht verneint.
Entscheidung des BGH
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass bei einer Kfz-Herstellergarantie, die im Zeitpunkt der Übernahme nur gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts gewährt worden ist, die Garantieleistung von der Durchführung von regelmäßigen Wartungsarbeiten in Vertragswerkstätten nicht ohne Rücksicht darauf abhängig gemacht werden darf, ob der Garantiefall auf eine unterlassene Wartung zurückzuführen ist. Besteht die Gegenleistung für die Garantie in dem dafür entrichteten Entgelt, so stellt sich eine Klausel, die die Erbringung von Garantieleistungen von einer Wahrung bestimmter Wartungsanforderungen unabhängig davon abhängig macht, ob die Überschreitung des Wartungsintervalls für den eingetretenen Garantiefall ursächlich ist, als unangemessene Benachteiligung des Kunden dar und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Quelle: Pressemitteilung des BGH