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Schlagwortarchiv für: § 280 Abs. 1 BGB

Maria Dimartino

Der innerbetriebliche Schadensausgleich – ein Fallbeispiel

Arbeitsrecht, Examensvorbereitung, Fallbearbeitung und Methodik, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Wir freuen uns nachfolgend einen Gastbeitrag von Maria Dimartino veröffentlichen zu können. Die Autorin ist Rechtsanwältin mit den Interessenschwerpunkten Individual- und Kollektivarbeitsrecht. Sie hat Rechtswissenschaften in Heidelberg und Frankfurt a.M. studiert. Ihr Referendariat hat Sie am Landgericht Wiesbaden absolviert. Sie ist als selbstständige Rechtsanwältin und Lehrbeauftrage/Tutorin tätig. Mehr Informationen über die Autorin finden Sie hier. Der Beitrag stellt das System des innerbetrieblichen Schadensausgleichs anhand der Entscheidung des BAG vom 28. Oktober 2010, 8 AZR 418/09 dar.
 
Die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber (sog. innerbetrieblicher Schadensausgleich), gehört zum beliebten Prüfungswissen. Hier kann in der Klausur aufgezeigt werden, dass das schuldrechtliche Haftungssystem beherrscht wird und erkannt wird, dass bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit arbeitsrechtliche Besonderheiten eingreifen.
I. Sachverhalt
Die Arbeitnehmerin (A) ist im Rahmen eines sog. Mini-Jobs als Reinigungskraft in einer medizinischen Facharztpraxis angestellt. Ihr Bruttomonatsentgelt beträgt 320,- EUR. Als die A an einem Sonntag ihre Arbeitskollegin besuchte, welche oberhalb der Praxisräume wohnt, nahmen diese bei der Verabschiedung an der Tür einen Alarmton wahr. Dieser kam aus den darunterliegenden Praxisräumen. Die A betrat die nicht abgeschlossene Praxis und erkannte, dass der Alarmton von dem Magnetresonanztomographen (MRT) kam. Die A wollte den Alarmton ausschalten. An der Wand ist eine Steuereinheit fest montiert, welche aus vier blauen Knöpfen und einem roten Knopf besteht. Die blauen Knöpfe sind überschrieben mit: „host standby“, „alarm silence“, „system off“ und „system on“. Ein weiterer roter Knopf befindet sich deutlich höher und ist hinter einer durchsichtigen Plexiglasklappe, die vor der Betätigung angehoben werden muss. Der rote Knopf trägt die Aufschrift „magnet stop“ (Hier war strittig, ob noch weitere Informationen am roten Knopf zu lesen waren). Die A betätigte den roten Knopf dadurch wurde ein sog. MRT-Quench ausgelöst mit der Folge, dass das als Kühlmittel eingesetzte Helium freigesetzt wurde und das elektromagnetische Feld des Gerätes zusammenbrach. Die nach dieser Notschaltung entstandene Reparatur kostete 30.843,- EUR (netto). Das Gerät konnte drei Tage nicht eingesetzt werden. Der Arbeitgeber macht weiter einen Nutzungsausfallschaden i.H.v. 18.390,- EUR (netto) geltend, welcher nicht von der Versicherung übernommen wurde.
II. Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers, § 280 Abs. 1 BGB
1. Schaden
Dem Arbeitgeber ist ein kausaler Schaden i.H.v. (30.834 + 18.390 EUR) 49.224 EUR (netto) entstanden.
2. Schuldverhältnis
Zwischen den Parteien besteht ein Schuldverhältnis i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB, ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis gem. § 611 BGB i.V.m. mit dem Arbeitsvertrag.
3. Pflichtverletzung
Die Pflicht des Arbeitnehmers, mit den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Sachen (sowie sonstigen Sachen des Arbeitgebers) sorgfältig umzugehen, wurde von der A verletzt.
4. Vertretenmüssen
Die Verschuldensvermutung des § 280 Abs.1 S. 2 BGB greift im Arbeitsrecht nicht ein. Das Verschulden des Arbeitnehmers muss gem. § 619 a BGB positiv festgestellt werden. Grundsätzlich hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, vgl. § 276 Abs. 1 BGB. Hier hatte das LAG als Vorinstanz bereits festgestellt, dass die A die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den Gesamtumständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet gelassen hat, was in der konkreten Situation für jedermann erkennbar gewesen sei. Das BAG sah dies ebenso:

“Der Beklagten musste klar sein, dass sie in der Bedienung des MRT nicht eingewiesen war, über keine sonst erworbene Sachkunde verfügte und die Bedeutung der einzelnen Schaltknöpfe nicht kannte. Die wahllose Bedienung eines zumindest durch einen Plexiglasdeckel besonders gesicherten Schalters musste die Gefahr bergen, dass dadurch mehr passiert als das einfache Abschalten des Alarmtons […].“

5. Zwischenergebnis
Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegenüber A i.H.v. 49.224,- EUR (netto) gem. § 280 Abs. 1 BGB (+).
6. Privilegierung der Haftung des Arbeitnehmers
a) Dogmatische Herleitung
Dieses Ergebnis erscheint unbillig, da der Wert des beschädigten Arbeitsmittels in einem krassen Missverhältnis zum Entgelt des Arbeitnehmers steht. Um eine derartige Schieflage zu beseitigen wurden unter ständiger Rechtsfortbildung und unter Berücksichtigung des Grundgedankens des § 254 BGB (Mitverschulden) die Grundsätze des sog. innerbetrieblichen Schadensausgleiches entwickelt.
b) Anwendungsvoraussetzungen
aa) Betrieblich veranlasste Tätigkeit
A handelte bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit, dem steht nicht entgegen, dass sie außerhalb der Arbeitszeit an einem Sonntag den Knopf betätigte.

„Als betrieblich veranlasste gelten solche Tätigkeiten, die arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Das Handeln braucht dabei nicht zum eigentlichen Aufgabenbereich des Beschäftigten gehören, ausreichend ist, wenn er im wohl verstandenen Interesse des Arbeitgebers tätig wird. Das Handeln ist betrieblich veranlasst, wenn bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Schädigers im Betriebsinteresse zu handeln war, sein Verhalten unter Berücksichtigung des Verkehrsüblichkeit nicht untypisch und keinen Exzess darstelle. Der betriebliche Charakter der Tätigkeit geht nicht dadurch verloren, dass der Arbeitnehmer bei der Durchführung der Tätigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt, auch wenn ein solches Verhalten grundsätzlich nicht im Interesse des Arbeitgebers liegt“[…].

bb) Haftungsumfang/Grad des Verschuldens
Da es sich hier um eine betrieblich veranlasste Tätigkeit handelte greifen die Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung ein (sog. innerbetrieblicher Schadensausgleich). Hiernach wird der Umfang der Arbeitnehmerhaftung vom Grad des Verschuldens abhängig gemacht.
(1) Leichte Fahrlässigkeit
Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht.
(2) Mittlere Fahrlässigkeit
Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen.
(3) Grobe Fahrlässigkeit
Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer i.d.R den gesamten Schaden zu tragen, jedoch können Haftungserleichterungen, die von einer Abwägung im Einzelfall abhängig sind, in Betracht kommen.
(4) Vorsatz
Hat der Arbeitnehmer vorsätzlich den Schaden verursacht, so haftet dieser grundsätzlich im vollen Umfang. Der Vorsatz muss sich sowohl auf die Pflichtverletzung als auch den Schadenseintritt beziehen.
I.d.F. sind sowohl das LAG, als auch das BAG von grober Fahrlässigkeit ausgegangen (s.o.).
cc) Haftungsbegrenzung im Einzelfall
Bei der Haftungsbegrenzung sind die persönliche Situation des Arbeitnehmers und die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Haftung soll den Arbeitnehmer nicht in den Ruin treiben. Zu berücksichtigen war, dass bei einem sog. Mini-Job regelmäßig der gesamte Verdienst zur Existenzerhaltung benötigt wird und Reserven, Rücklagen oder Sparquoten nicht bestehen. Das bestehen einer privaten Haftpflichtversicherung ist bei der Beurteilung des Haftungsmaßstabes nicht zu berücksichtigen, da eine freiwillig abgeschlossene Privatpflichtversicherung sich nicht auf die interne Betriebsrisikoverteilung auswirkt.
dd) Pauschale Höchstbegrenzung der Haftung?

„Eine starre Haftungsbegrenzung wäre auch mit der dogmatischen Herleitung der Beschränkung der Haftung im Arbeitsverhältnis nicht zu vereinbaren. Der Rechtsgedanke des § 254 BGB, der eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles erfordert, schließt feste summenmäßige Haftungsbeschränkungen aus […].“ (BAG, Urteil v. 15.11.2012, 8 AZR 705/11)

Eine pauschale Höchstbegrenzung für eine Haftung wird vom BAG ganz überwiegend abgelehnt. Trotzdem orientiert sich die Rechtsprechung der Arbeits- und Landesarbeitsgerichte häufig an einem Maßstab von einem Bruttomonatsentgelt bei mittlerer Fahrlässigkeit und drei Bruttomonatsentgelten bei grober Fahrlässigkeit, diese muss jedoch im Einzelfall dargelegt und begründet werden und darf nicht pauschal ausgeurteilt werden (vgl. Hess. LAG v. 2. April 2013, Az. 13 Sa 857/12).
III. Ergebnis
Unter Berücksichtigung der persönlichen Situation und der Umstände des Einzelfalls wurde die Haftung der A auf ein Bruttojahresgehalt i.H.v. (320 EUR x 12) 3.840,- EUR festgesetzt.
IV. Fazit
Die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleiches wenden unbillige Härten ab, die einen Arbeitnehmer ansonsten bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit treffen würden. Eine Haftungsbegrenzung bedarf immer einer Einzelfallbetrachtung, pauschale Höchstgrenzen sind abzulehnen.

13.05.2014/4 Kommentare/von Maria Dimartino
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Maria Dimartino https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Maria Dimartino2014-05-13 08:00:062014-05-13 08:00:06Der innerbetriebliche Schadensausgleich – ein Fallbeispiel
Dr. Jan Winzen

OLG Hamm: Zur Verkehrssicherungspflicht des Baumarktbetreibers

Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Klassischer (im prüfungstechnischen Sinne) hätte die Fragestellung, die einer jüngst veröffentlichten Entscheidung des OLG Hamm (9 U 187/12) zugrunde lag, kaum sein können: Haftet der Betreiber eines Baumarkts dem Grunde nach für Schäden, die einer Kundin in Folge des Ausrutschens auf einer verunreinigten Stelle im Kassenbereich des Baumarkts entstanden sind und möglicherweise zukünftig noch entstehen werden?
A. Rechtliche Würdigung
I. Richtige Anspruchsgrundlage: §§ 280, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 BGB
Der richtigen Anspruchsgrundlage sollte man sich hier unbedingt systematisch nähern (zur Erinnerung: vertraglich – quasi vertraglich – GoA – dinglich – deliktisch/bereicherungsrechtlich, zur Wiederholung dieser wichtigen Zusammenhänge sei an dieser Stelle auf die gut verständliche Darstellung bei Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 23. Auflage, Rn. 7 ff. verwiesen). Anders als in zahlreichen Fällen zur Haftung wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten (siehe etwa hier, hier und hier) liegt nämlich eine vertragliche Beziehung zwischen den Parteien vor, denn

Indem die Klägerin die Geschäftsräume der Beklagten betreten hat, um Waren zu erwerben, ist gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB entstanden.

Da eine Verletzung dieser Pflichten in Rede steht, ist die Anspruchsgrundlage folglich nicht, wie sonst häufig, § 823 Abs. 1 BGB, sondern §§ 280, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 BGB zu entnehmen.
II. Tatbestandsvoraussetzungen
1. Schuldverhältnis
Die Entstehung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses zwischen der Kundin und dem Betreiber des Baumarkts (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB) wurde bereits dargelegt.
2. Pflichtverletzung
Der Betreiber des Baumarkts müsste eine Pflicht aus diesem Schuldverhältnis verletzt haben. Einem Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 BGB erwachsen insoweit nur die Schutzpflichten des § 241 Abs. 2 BGB. Gegenstand der Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB ist u.a. die Pflicht zur Erhaltung des Integritätsinteresses und folglich – soweit möglich – die Vermeidung von Verletzungen potentieller Vertragspartner.
Zur Konkretisierung der Reichweite dieser Pflicht werden die zu den insoweit inhaltsgleichen Verkehrssicherungspflichten im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze entsprechend herangezogen (siehe etwa BGH, Urteil vom 09.09.2008 – VI ZR 279/06 Rz. 9 (juris)). § 241 Abs. 2 BGB ist folglich verletzt, wenn der Baumarktbetreiber eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.
Es empfiehlt sich bei der weiteren Bearbeitung eine zweistufige Prüfung: Zuerst sollte man abstrakt den genauen Inhalt der Verkehrssicherungspflicht bestimmen, um dann im zweiten Schritt die Anwendung auf den konkreten Fall vornehmen zu können.
a) Inhalt der Verkehrssicherungspflicht
Der Prüfungsmaßstab richtet sich nach den zu § 823 Abs. 1 BGB entwickelten Kriterien:

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.

Einzelhandelsunternehmen sind – das ist in der Rechtsprechung schon lange anerkannt – grundsätzlich Adressaten von Verkehrssicherungspflichten. Dem folgt auch das OLG Hamm:

Diese Verpflichtung trifft auch ein Einzelhandelsunternehmen in Bezug auf seine Geschäftsräume.

 
Im Hinblick auf die Bestimmung der Reichweite der Verkehrssicherungspflicht hat das Einzelhandelsunternehmen

in den Grenzen des technisch Möglichen und wirtschaftlich Zumutbaren dafür zu sorgen, dass die Kunden durch die angebotene Ware und den Zustand der Geschäftsräume – insbesondere auch des Fußbodens – keine Schäden erleiden.

Der Umfang der damit korrespondierenden Kontrollpflichten

hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab – u.a. von der Kundenfrequenz, der Witterung sowie dem von den zum Verkauf angebotenen Waren ausgehenden Gefahrenpotential.

Verschiedenartige Einzelhandelsunternehmen sind, wie das OLG Hamm ausführt, bereits Gegenstand der Rechtsprechung zu Verkehrssicherungspflichten gewesen:

  • Obst- und Gemüseabteilung eines Supermarktes: große Rutschgefahr – Reinigung des Bodens durch eine bestimmte Person in kurzen Abständen (15 bis 20 Minuten) + Überwachung durch die Laden- und Abteilungsaufsicht  (OLG Koblenz, NJW-RR 1995, 158).
  • Selbstbedienungs-Drogeriemarkt: nur ausnahmsweise Rutschgefahr – regelmäßige Kontrolle (alle 30 Minuten) (OLG Hamm, NJW-RR 2002, 171).
  • Warenhaus: ständige Anwesenheit eines mit der Ladensicherheit betrauten Mitarbeiters + Anweisung aller Mitarbeiter, auf Verunreinigungen zu achten und diese zu beseitigen oder zu melden (OLG Köln, VersR 2009, 233).
  • Lebensmittelmarkt mit einer Größe von 650 m²: Anweisung aller Mitarbeiter, den Zustand des Bodens regelmäßig zu kontrollieren und Verunreinigungen sogleich zu beseitigen + regelmäßige Kontrolle der Einhaltung dieser Weisungen durch den Filialleiter (wobei diese Kontrolle im Kassenbereich alle 10 bis 15 Minuten erfolgt) (OLG Köln, VersR 1997, 1113)

Bei der Bestimmung der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Selbstbedienungsbaumarkts ist vor diesem Hintergrund zu berücksichtigen:

dass ihr Warensortiment zwar nicht das Gefahrenpotential des Warensortiments eines Lebensmittelmarktes, insbesondere einer Obst- und Gemüseabteilung, hat. Die meisten Artikel sind verpackt, so dass eine Rutschgefahr durch den Inhalt der Verpackungen nur bei geöffneten oder beschädigten Verpackungen besteht. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass in dem von der Beklagten betriebenen Baumarkt auch Pflanzen verkauft werden, die üblicherweise nicht verpackt sind. Von diesen Pflanzen geht die Gefahr aus, dass sie Teile – wie z.B. Blätter – verlieren und dass aus der bewässerten Erde Wasser austritt. Insbesondere auch im Hinblick auf diese Gefahr muss der Betreiber eines Baumarktes für regelmäßige Kontrollen sorgen. Diese Verpflichtung betrifft im besonderen Maße den Kassenbereich, den die Kunden mit Waren aller Art passieren und in dem die Aufmerksamkeit durch die ggf. mit sich geführten Waren, das Warensortiment sowie die Verkaufsvorgänge abgelenkt ist. Die Abstände der Kontrollen hängen von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere auch dem Kundenaufkommen.

Daraus ergibt sich nach Ansicht der Gerichts das folgende Pflichtenprogramm:

Bei einem durchschnittlich starken Kundenaufkommen ist eine Kontrolle im Abstand von 30 Minuten erforderlich und ausreichend. Die generelle Anweisung an alle Mitarbeiter, auf Verunreinigungen insbesondere im Kassenbereich zu achten, ist nur dann ausreichend, wenn eine Person für die regelmäßige Kontrolle dieser Anweisung verantwortlich ist und diese auch in kurzen Abständen durchführt.

b) Einhaltung der so besitmmten Verkehrssicherungspflicht durch den Baumarktbetreiber
Der Baumarktbetreiber hat nach Ansicht des OLG Hamm seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, denn:

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist der im Rahmen der sekundären Darlegungslast erfolgte Vortrag der Beklagten, Sichtkontrollen im Kassenbereich hätten in Intervallen von 15 bis 30 Minuten stattgefunden und seien von der Filialleitung regelmäßig überprüft worden, so dass 10 Minuten vor dem Sturz der Zeuge M den Bereich vor der Kasse Nr. 1 überprüft und dabei keine Bodenverunreinigungen festgestellt habe, nicht bewiesen.

In einer Klausur des ersten Staatsexamens würde man hier freilich eher mit einem unstreitigen Sachverhalt konfrontiert werden, dessen Subsumtion dann vermutlich auch keine größeren Schwierigkeiten bereiten dürfte.
c) Zwischenergebnis
Eine Pflichtverletzung im Sinne des §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB liegt in Form der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vor.
3. Kausalität – Anscheinsbeweis
Die entstandenen Schäden müssten kausal auf die Pflichtverletzung zurück zu führen sein. Ein typischer Beklagteneinwand ist insoweit die Behauptung, es sei nicht aufgrund der Verkehrssicherungspflichtverletzung, sondern aufgrund einer anderen Ursache zu dem Sturz gekommen.
Auch im ersten Examen können Sachverhalte mitunter so gestaltet sein, dass die Kausalität nicht mit Sicherheit feststeht. Das ist aber nicht weiter problematisch, wenn und weil dann zumindest feststehen wird, dass zur Zeit des Unfalls eine Flüssigkeit auf dem Boden befand und dass die Klägerin an genau dieser Stelle gestürzt ist. So kann die Entscheidung nämlich auf Grundlage eines Anscheinsbeweises getroffen werden:

Aufgrund des Anscheinsbeweises ist weiter davon auszugehen, dass die Klägerin wegen des verkehrssicherungswidrigen Zustands des Fußbodens gestürzt und sich am Knie verletzt hat. Kann festgestellt werden, dass sich zur Zeit des Unfalls eine Flüssigkeit auf dem Boden befand und dass die Klägerin an dieser Stelle gestürzt ist, so streitet der Anscheinsbeweis dafür, dass die auf der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht beruhende Glätte eine Bedingung für den Sturz der Klägerin war, es bei Beachtung der Verkehrssicherungspflicht also nicht zu dem Unfall gekommen wäre.
Weiter ist das Landgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte als Betreiberin des Baumarktes in diesem Fall die tatsächliche Vermutung erschüttern muss, indem sie darlegt und beweist, dass es nicht aufgrund der Verkehrssicherungspflichtverletzung, sondern aufgrund einer anderen Ursache zu dem Sturz gekommen ist. Daran fehlt es vorliegend.

Die Kausalität ist damit im Ergebnis zu bejahen.
4. Verschuldensvermutung (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB)

Die Beklagte hat sich nicht gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB entlastet. Insbesondere hat sie nicht dargelegt, dass ihr die Einhaltung der objektiv erforderlichen Verkehrssicherungspflichten subjektiv in der konkreten Situation nicht möglich oder zumutbar war.

5. Mitverschulden (§ 254 BGB)
Das OLG Hamm nimmt schließlich aber noch ein Mitverschulden seitens der Klägerin an, denn:

Die Klägerin hat durch ihre Unaufmerksamkeit dazu beigetragen, dass es zu dem Sturz gekommen ist. Insoweit ist der vom Landgericht angeführte Gesichtspunkt zu berücksichtigen, dass in einem Selbstbedienungs-Baumarkt eine völlige Gefahrlosigkeit von den Kunden nicht erwartet werden kann. Deshalb sind die Kunden eines Selbstbedienungsgeschäftes veranlasst, sich auf die für das Selbstbedienungssystem typischen und vom Betreiber nie völlig auszuräumenden Risiken einzustellen und durch entsprechende Aufmerksamkeit für die eigene Sicherheit zu sorgen. Die danach erforderliche Aufmerksamkeit hat die Klägerin nicht aufgebracht. Dies folgt bereits aus ihren eigenen Angaben im Rahmen der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Dort hat die Klägerin erklärt, sie habe die Lache nicht gesehen, weil sie beim Gehen ja nicht permanent auf den Boden schaue. Des Weiteren hat die Klägerin den Durchmesser der Lache mit 15 bis 20 cm angegeben – einer Größe, die bei gehöriger Sorgfalt ohne weiteres erkennbar ist. Deshalb ist davon auszugehen, dass – wenn die Klägerin aufmerksam auf den Boden geschaut hätte – sie die Lache erkannt hätte und es nicht zu dem Sturz gekommen wäre.

6. Ergebnis
Der Kundin steht unter Berücksichtigung ihres Mitverschuldens ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 BGB dem Grund nach zu.
B. Fazit
Die Entscheidung des OLG Hamm ist in ihrer gutachterlichen Beurteilung nicht besonders komplex. Die Haftung für aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten entstandene Schäden dürfte wohl den meisten Kandidaten bekannt sein (siehe, neben den eingangs schon genannten, zu weiteren jüngeren Entscheidungen hier, hier und hier). Umso wichtiger ist es sicherlich, präzise zu arbeiten und die wenigen Besonderheiten zutreffend und mit der richtigen Gewichtung zu würdigen. Dass vorliegend eine vertragliche Anspruchsgrundlage und nicht § 823 Abs. 1 BGB zu prüfen ist, sollte deshalb besser nicht übersehen werden (auch wenn die Ergebnisse letztlich nicht von einander abweichen dürften). Der Anscheinsbeweis im Rahmen der Kausalität kommt (insbesondere in der Praxis und im zweiten Examen) regelmäßig bei Verkehrssicherungspflichten und sollte deshalb in seinen Grundzügen auch im ersten Examen bekannt sein (häufiger anzutreffen ist die Figur freilich beim Verkehrsunfall).
Sowohl für die Zusatzfrage im ersten Examen als auch für das zweite Examen (dann prozessual eingekleidet) ist daran zu denken, dass wegen des Schmerzensgeldes ein in der Höhe unbestimmter Klageantrag (Ermessen des Gerichts) gestellt werden sollte. So ist einerseits das Gericht nicht gehindert, ein höheres Schmerzensgeld auszuurteilen (Bindung an den Antrag gem. § 308 Abs. 1 ZPO). Andererseits lässt sich auch das Prozesskostenrisiko vermindern. Die Klage ist freilich nur zulässig, wenn im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ein Mindestbetrag angegeben wird. Der Feststellungsantrag (§ 256 ZPO) wegen der Ersatzpflicht für zukünftig noch entstehende Schäden ist nach st. Rspr. nur zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit weiterer Schäden besteht, da es andernfalls an dem erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.
Zuletzt sei noch angemerkt, dass das OLG Hamm hier als Berufungsgericht über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach durch Teilurteil entscheiden konnte (und musste), § 304 Abs. 1 ZPO. Zur Entscheidung über die Höhe der geltend gemachten Zahlungsansprüche war der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif und daher an das Landgericht zurückzuverweisen.
 

10.06.2013/0 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-06-10 08:00:142013-06-10 08:00:14OLG Hamm: Zur Verkehrssicherungspflicht des Baumarktbetreibers
Redaktion

Referendariat: Anwaltshaftung

Startseite, Verschiedenes



Der Verlag von JURA INTENSIV stellt uns monatlich zwei Beiträge aus der Ausbildungszeitschrift RA (Rechtsprechungs-Auswertung) zwecks freier Veröffentlichung auf juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Anwaltshaftung“

nimmt ein aktuelles Urteil des OLG Saarbrücken zum Anlass, die Voraussetzungen der Anwaltshaftung näher zu beleuchten. Wie auch in anderen Fällen der Beraterhaftung ist beim sog. Anwaltsregress ein Prüfungsschwerpunkt regelmäßig die Frage, ob der Vorprozess bei richtigem Verhalten des Anwalts einen positiven Ausgang genommen hätte. Die Beweislast trägt insoweit der klagende Mandant. Gerade für das zweite Examen dürfte es ratsam sein, sich mit den Grundlagen dieser Haftungssituation vertraut zu machen. Der vorliegende Beitrag kann hierfür als Einstieg dienen.
Ihr findet ihn hier.

29.01.2013/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-01-29 15:00:212013-01-29 15:00:21Referendariat: Anwaltshaftung
Dr. Jan Winzen

OLG Hamm: zur Verkehrssicherungspflicht des Saunabetreibers

Rechtsprechung, Startseite

In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des OLG Hamm (Az.: I-12 U 52/12) musste das Gericht über die tödlichen Folgen eines Saunagangs urteilen. Der Entscheidung vom 29.08.2012 lag folgender tragischer Sachverhalt zu Grunde:
Die Erblasserin war seit über zehn Jahren Mitglied in einem Fitnessstudio. Seit einigen Jahren nutzte sie auch regelmäßig (ein bis zweimal die Woche) den dort vorhandenen Saunabereich. Der tragische Vorfall ereignete sich an einem Vormittag im Frühjahr 2011. Die Erblasserin wurde zur Mittagszeit in der 90 Grad heißen Sauna nicht ansprechbar und zusammengesackt aufgefunden. Sie hatte einen Schwächeanfall und Verbrennungen dritten Grades erlitten. Einige Monate später verstarb sie an den Folgen. Die regelmäßige Kontrolle der Sauna war allgemein für 10.00 Uhr, 14.30 Uhr, 17.30 Uhr und 21.00 Uhr vorgesehen.
Die Kläger (als Nachkommen) führten die ursprünglich von der Erblasserin erhobene Klage fort und nahmen die Betreiberin des Fitnessstudios auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 10.000,00 Euro in Anspruch. Zur Begründung verweisen die Kläger im Wesentlichen auf unzureichende Kontrollmaßnahmen durch das Studiopersonal.
Wie auch die Vorinstanz wies das OLG Hamm die Klage ab.

  • Finden der richtigen Anspruchsgrundlage

Zu Beginn der Prüfung muss auf § 1922 Abs. 1 BGB hingewiesen werden. Danach geht ein möglicher Schmerzensgeldanspruch der Erblasserin im Wege der Erbfolge (Gesamtrechtsnachfolge) auf die Kläger (als Erben) über.
Anknüpfungspunkt für die Begründung eines Anspruchs der Kläger ist die Verletzung von Sorgfaltspflichten durch die Betreiberin des Fitnessstudios. Steht ein Unterlassen des Schädigers in Rede geht es häufig um deliktische Verkehrssicherungspflichten und folglich um die Prüfung des § 823 Abs. 1 BGB (siehe dazu etwa hier). Anders aber im vorliegenden Fall: Die Verstorbene war Mitglied in dem Fitnessstudio der Beklagten. Es bestand also eine vertragliche Verbindung zum Schädiger. Nach allgemeinen Grundsätzen ist zunächst eine Verletzung der aus dieser vertraglichen Verbindung resultierenden Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) zu prüfen, bevor man auf § 823 Abs. 1 BGB eingeht (im Ergebnis dürfte freilich meist kein Unterschied bestehen, der methodisch saubere Aufbau demonstriert aber zivilrechtliches Grundverständnis).
§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB
Grundlage für einen Schmerzensgeldanspruch der Kläger könnte demnach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Fitnessstudiovertrag sein.

  • Schuldverhältnis – Fitnessstudiovertrag als Mietvertrag

Dazu müsste zunächst zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben.
Das OLG Hamm qualifiziert den zwischen der Verstorbenen und dem Fitnessstudio geschlossene Vertrag als Mietvertrag. Damit schließt sich das Gericht der Ansicht des BGH an, der einen Fitnessstudiovertrag nicht als typengemischten Vertrag (mit miet- und dienstvertraglichen Elementen) sondern als Mietvertrag ansieht, wenn das Mitglied nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages lediglich zur Nutzung der Geräte und der Räumlichkeiten berechtigt ist und weitere Verpflichtungen seitens des Studios, etwa zu Unterrichts- oder anderen Dienstleistungen, vertraglich nicht vorgesehen sind (vgl. BGH, Urteil v. 08.02.2012 – XII ZR 42/10 Rz. 17 f. juris; wir berichteten).
Der im vorliegenden Fall als „activ-club Vereinbarung“ bezeichnete Vertrag war als reiner Gebrauchsüberlassungsvertrag im vorbezeichneten Sinne ausgestaltet und umfasste insbesondere auch den Gebrauch der Sauna.

Eine etwaige Einweisung in den Gebrauch der Geräte sowie Beratung und Beaufsichtigung sind dann als bloße vertragliche Nebenleistungen geschuldet.

Ob hier eine genaue Einstufung als Mietvertrag überhaupt erforderlich war, erscheint fraglich, zumal die daran anschließende Prüfung einer Schutzpflichtverletzung davon unabhängig sein dürfte.
Da der Vertrag vor dem 01.01.2002 geschlossen wurde, bedarf es für die Anwendung des neuen Schuldrechts auch noch eines Umweges über  Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB. Danach gilt für vor dem 01.01.2002 geschlossene Dauerschuldverhältnisse ab dem 01.01.2003 nur noch das neue Schuldrecht.

  • Pflichtverletzung

Die Betreiberin des Fitnessstudios müsste eine Pflicht aus dem Fitnessstudiovertrag verletzt haben. Eine solche Pflichtverletzung könnte in einer unzureichenden Kontrolle des Saunabereichs durch das Personal des Fitnessstudios zu sehen sein.

Vertragliche Schutzpflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB umfassen als schuldrechtliche Nebenpflicht das Gebot, sich bei Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Körper, Leben, Eigentum und sonstige Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden. Die (deliktische) Verkehrssicherungspflicht ist innerhalb eines Vertragsverhältnisses zugleich eine solche vertragliche Schutzpflicht.

Es folgen allgemeine Ausführungen zur Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, die das Gericht abschließend stichpunktartig (!) wie folgt zusammenfasst:

  • Es muss eine Gefahrenlage geschaffen worden sein,
  • aus der sich die naheliegende Möglichkeit einer Schädigung anderer ergibt.
  • Die erforderlichen Maßnahmen bestimmen sich sodann
  • nach der herrschenden Verkehrsauffassung
  • und den Umständen des Einzelfalls
  • in den Grenzen des Möglichen und Zumutbaren.

Sodann subsumiert das Gericht unter diese Voraussetzungen:

Eine Gefahrenlage, die mit der naheliegenden Möglichkeit einer Schädigung anderer verbunden ist, ist nach allgemeiner Ansicht bei dem Betrieb eines Fitnessstudios mit Saunabereich gegeben.

Im Hinblick auf die nach der Verkehrsauffassung zu bestimmenden erforderlichen Maßnahmen stellt der Senat zunächst allgemein auf die Erwartungshaltung eines durchschnittlichen Saunagasts ab. Zur Erinnerung: Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist nach st. Rspr. des BGH genügt, wenn im Ergebnis der Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Zu treffen sind die Sicherheitsvorkehrungen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind – deshalb muss man nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadeneintritts Vorsorgemaßnahmen treffen.
Regelmäßige Kontrollen in engeren Zeitabständen

etwa indem an die Saunakabine angeklopft wird oder die Saunagäste auf ihr Wohlbefinden persönlich angesprochen werden

stehen danach gerade nicht im Einklang mit der Erwartungshaltung eines Saunagasts. Diesem kommt es vielmehr darauf an

den Saunabesuch in Ruhe und ohne störende Einflüsse durchführen zu können.

Hinzu kommt, dass ein Saunagast seine gesundheitliche Belastbarkeit nach Ansicht des Gerichts im Grundsatz selbst einzuschätzen vermag. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf regelmäßige Kontrollen ist deshalb nicht anzuerkennen:

Denn die körperlichen Belastungen im Zusammenhang mit der Benutzung einer Sauna sind dem Grunde nach allgemein bekannt. Insoweit muss es dem Einzelnen überlassen bleiben, ob er sich dieser Gefahr aussetzen und das gesundheitliche Risiko eingehen will.

Im Grundsatz genügten die allgemein vorgesehenen regelmäßigen Kontrollen der Sauna um 10.00 Uhr, 14.30 Uhr, 17.30 Uhr und 21.00 Uhr den nach der Verkehrsauffassung zu erwartenden Sorgfaltsmaßnahmen.
Am Ende der Entscheidungsgründe betont das Gericht noch einmal, dass eine umfassende und alle Gefahren erfassende Beaufsichtigung des Saunabereichs weder möglich noch zumutbar ist und führt aus:

Der Gesundheitszustand der Saunanutzer ist dem Betreiber regelmäßig nicht bekannt. Insoweit ist es ihm nicht möglich, Gefahren etwa in Bezug auf Herz/Kreislauf der Saunanutzer verlässlich einzuschätzen. Es bliebe hiernach zur Vermeidung jeglicher Gefahr nur eine durchgehende Beaufsichtigung der Sauna. Selbst die von den Klägern vorgeschlagenen Kontrollintervalle von 30 Minuten wären jedenfalls bei Einzelnutzung der Sauna nicht stets ausreichend, um jeglicher abstrakter Gefahr mit letzter Sicherheit zu begegnen.

Die Betreiberin hat im Ergebnis ihre aus den Mitgliedschaftsverträgen erwachsenden Sorgfaltspflichten nicht verletzt.

  • Deliktischer Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB

Der Vollständigkeit halber wird ganz am Ende auch noch in der gebotenen Kürze der deliktsrechtliche Anspruch abgehandelt:

Auch ein deliktischer Schmerzensgeldanspruch aus den §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, 229 StGB in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB ist hiernach nicht gegeben. Denn der Beklagten ist aus den vorgenannten Gründen eine Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht nicht vorzuwerfen.

  • Fazit

Erneut eine interessante Entscheidung aus dem Themenkreis der Verkehrssicherungspflichten (siehe jüngst hier und hier) – diesmal eingekleidet in die Prüfung eines vertraglichen Anspruchs. Es geht bei der Eröffnung von Gefahrenquellen also nicht immer nur um § 823 Abs. 1 BGB. Vielmehr kann sich die Haftung aus Vertrag (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB), dessen Anbahnung (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) sowie daneben (Anspruchskonkurrenz) aus Delikt nach §§ 823 ff BGB ergeben. Im deliktischen Bereich sind besonders § 31 BGB (Haftung der juristischen Person für das Handeln des Organs) und § 831 BGB (Haftung für Verrichtungsgehilfen – selbstständiger Anspruch gegen den Geschäftsherrn) zu beachten. Der Fall eignet sich also gut, um Fragen dieser Art anzuknüpfen.
Auch Kenntnisse zur Rechtsnatur eines Fitnessstudiovertrages (je nach Ausgestaltung typengemischter Vertrag oder reiner Mietvertrag) sind wegen der erheblichen praktischen Bedeutung sicherlich gerade für die mündliche Prüfung hilfreich.
Prozessual ließe sich auch noch § 239 ZPO problematisieren. Nach dessen Abs. 1 tritt im Falle des Todes einer Partei eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein. Dies gilt allerdings nach § 246 Abs. 1 Hs. 1 ZPO nicht, wenn die verstorbene Partei durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wurde. In diesem Fall ist die für das Verfahren notwendige Kontinuität durch die weiter bestehende Prozessvollmacht (§ 86 ZPO) gewährleistet. Zu einer Aussetzung kann es nach Maßgabe des § 246 Abs. 1 Hs. 2 ZPO aber auf Antrag des Prozessbevollmächtigten kommen.
Zur Bestimmtheit eines auf Schmerzensgeld gerichteten Klageantrags hatten wir etwa hier berichtet.
 

29.11.2012/3 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2012-11-29 09:00:542012-11-29 09:00:54OLG Hamm: zur Verkehrssicherungspflicht des Saunabetreibers

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