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Schlagwortarchiv für: § 25 Abs. 2 StGB

Redaktion

Die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB)

Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB)” von Prof. Dr. Klaus Geppert

befasst sich mit einem strafrechtlichen Grundlagenthema. Als Zurechnungstatbestand spielt die Mittäterschaft immer dann eine Rolle, wenn in Klausursachverhalten (was vor allem im ersten Examen nicht selten der Fall sein dürfte) mehr als ein möglicher Täter auftritt. Zu Beginn werden einige Grundfragen der Mittäterschaft (Ausschluss bei eigenhändigen Delikten/Voraussetzungen/gibt es eine fahrlässige Mittäterschaft?) erläutert. Der Hauptteil nimmt verschiedene besonders prüfungsrelevante Sonderfragen (Versuchsbeginn, sukzessive Mittäterschaft, Mittäterexzess etc.) in den Blick. Diese werden anhand aktueller Rechtsprechungsbeispiele erörtert. Insgesamt eignet sich der Aufsatz vor allem zur Auffrischung bereits erworbenen Wissens.
Den Beitrag findet Ihr hier.

18.12.2012/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2012-12-18 10:00:302012-12-18 10:00:30Die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB)
Christian Muders

Strafrechts-Klassiker: Der Verfolger-Fall

Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

BGH, Urteil v. 23.01.1958 – 4 StR 613/57 (= BGHSt 11, 268 ff.)

Vereinbaren mehrere Teilnehmer einer Straftat, daß jeder auf etwaige Verfolger zu schießen habe, um ihre Festnahme um jeden Preis zu verhindern, und schießt einer von ihnen auf Grund dieser Abrede irrtümlich auf einen Tatbeteiligten, den er nur verletzt, so ist auch dieser als Mittäter wegen versuchten Mordes zu bestrafen.

1. Der Sachverhalt
Der Angeklagte P hatte zusammen mit den früheren Mitangeklagten M und T in der Nacht zum 21. April 1952 versucht, in das Lebensmittelgeschäft von A in L einzudringen, um dort zu stehlen. Jeder der Täter war dabei mit einer geladenen Pistole bewaffnet, wobei vereinbart war, dass auch auf Menschen gefeuert werden solle, wenn die Gefahr der Festnahme eines der Teilnehmer drohe. Als P die Fensterscheibe des Schlafzimmers der Eheleute A, das er für einen Büroraum gehalten hatte, eingedrückt und M die Fensterflügel ins Zimmer hinein aufgestoßen hatte, war der Geschäftsinhaber A ans Fenster gegangen, hatte die Fensterflügel wieder zugestoßen und sich wild gestikulierend und brüllend vor das Fenster gestellt. Darauf gaben M und T je einen Schuss auf die Fenster ab, wobei die sich gerade aus ihrem Bett erhebende Frau des A schwer verletzt wurde. Danach liefen T und M hintereinander auf die Straße zu. An der vorderen Hausecke bemerkte M rückwärts schauend, dass ihm in einer Entfernung von nicht mehr als 2 bis 3 m eine Person folgte. Diese war P. M hielt ihn aber für einen Verfolger und fürchtete von ihm ergriffen zu werden. Um der vermeintlich drohenden Festnahme und der Aufdeckung seiner Täterschaft zu entgehen, schoss er auf die hinter ihm hergehende Person; dabei rechnete er mit einer tödlichen Wirkung seines Schusses und billigte diese Möglichkeit. Das Geschoss traf P am rechten Oberarm, durchschlug aber nur den gefütterten Ärmel seines Rockes und verfing sich im aufgekrempelten Hemdärmel.
2. Die Kernfrage
Die Vorinstanz hatte nicht nur M und T, sondern auch den angeschossenen P wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft verurteilt, §§ 211 Abs. 1, 2, 25 Abs. 2 StGB. Mit der hiergegen gerichteten Revision wollte der P geklärt wissen, ob er als Mittäter eines Mordversuchs in Betracht kommt, obwohl er doch gleichzeitig das Opfer desselben gewesen ist und er mit dem Schuss des M gegen ihn selbst – selbstverständlich – keinesfalls einverstanden war, so dass sich der M hiermit außerhalb des gemeinsamen Tatplans bewegt habe.
3. Das sagt der BGH
Das Gericht hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und die Verurteilung des P wegen mittäterschaftlichen versuchten Mordes aufrechterhalten.
a) Es hat dabei zunächst einmal klargestellt, dass der Umstand, dass P selbst Opfer der Tat geworden ist, rechtlich durchaus Berücksichtigung findet, und zwar in der für P geltenden Wertung der Tat als bloßer Versuch, die zu einer wenigstens fakultativen Milderung seiner Strafbarkeit nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB führt. Diese Vergünstigung wird vorliegend freilich durch den Umstand verdeckt, dass auch alle anderen Mittäter nur wegen Versuchs bestraft werden, was aber auf andere Gründe zurückzuführen ist. Der BGH verdeutlicht dies an dem hypothetischen Fall, dass der im konkreten Sachverhalt als Schütze fungierende M von vornherein nur einen Angriff mit Verletzungsvorsatz durchgeführt hätte, so dass im Unterschied zum vorliegenden Geschehen nur eine Bestrafung wegen vollendeter Körperverletzung in Rede stehen würde:

Wenn z.B. die Diebe vereinbart hätten, ihre Verfolger nicht zu töten, sondern etwa dadurch unschädlich zu machen, daß sie ihnen zum Zwecke der Blendung Gift oder andere Stoffe in die Augen spritzten (…) und wenn M auf Grund einer solchen Abrede P derart in der Meinung angegriffen hätte, er sei ein Verfolger, so würde sich P´s Tatbeitrag rechtlich als ein versuchtes Verbrechen nach § 229 StGB darstellen, M dagegen hätte sich eines vollendeten Verbrechens nach dieser Vorschrift schuldig gemacht. Denn er hätte vorsätzlich einem anderen die in § 229 StGB bezeichneten Stoffe beigebracht (…).

Der BGH hebt dabei hervor, dass die Tatsache, dass M tatsächlich seinen Kumpan und nicht einen von ihm vorgestellten Verfolger angegriffen hat, als bloßer error in persona zu werten ist, der für seine Strafbarkeit keine Bedeutung hat:

Insoweit läge nämlich bei M – ebenso wie im Falle der Mordabrede – eine sog. Objektsverwechslung vor, die nur bei Ungleichwertigkeit der angegriffenen Rechtsgüter strafrechtlich von Bedeutung ist (…).

Demgegenüber führt die Objektverwechslung bei dem eigentlichen Opfer der Tat, P, durchaus zu einem signifikanten Unterschied, da niemand taugliches Opfer seiner selbst sein kann:

Für P aber wäre die Tatsache, daß er selbst der Verletzte, also nicht „ein anderer“ im Sinne jener Vorschriften war, ein „Mangel am Tatbestand“, der aber der Beurteilung der Tat als untauglicher Versuch nicht entgegenstehen würde, weil P durch seinen Tatbeitrag (die Verabredung der Tat und deren geistige Unterstützung durch seine Gegenwart) M´s Entschluß, einem – damals noch unbekannten – Menschen Gift beizubringen, und die Verwirklichung dieses Entschlusses mitverursacht und als Ergänzung seines eigenen gleichwertigen Tatanteils von vornherein gewollt haben würde. Dem könnte auch nicht entgegengehalten werden, daß P´s untauglicher Versuch kein strafrechtlich geschütztes Rechtsgut gefährdet habe, weil das Gesetz die eigene Gesundheit des Täters gegen ihn selbst nicht schütze. Denn beim untauglichen Versuch kommt es nicht auf die Gefährdung eines bestimmten gegenwärtigen Rechtsguts an, weil schon die allgemeine Auflehnung gegen die rechtlich geschützte Ordnung gefährlich ist (…).

b) Im Anschluss an diese Überlegungen bejaht der BGH sodann die für eine Zurechnung des Mordversuchs an P im konkreten Fall erforderlichen Voraussetzungen, nämlich die gemeinsame Tatausführung und den gemeinschaftlichen Tatplan, auch im Hinblick auf dessen Person. Zum Tatplan:

(…) dabei muß er zur Zeit dieser geistigen Mitwirkung den ganzen Erfolg der Straftat als eigenen mitverursachen, d.h. im vorliegenden Falle die etwaige Erschießung eines Verfolgers durch seinen Tatbeitrag sich zu eigen machen wollen. Das hat das Landgericht mit der Feststellung des ein für allemal verabredeten Waffengebrauchs zur Verhinderung drohender Festnahme und der auf dieser Abrede beruhenden Gefahrengemeinschaft aller drei Mittäter, die M gewissermaßen zum Schießen „verpflichtete“, hinreichend begründet.

Sodann bejaht der BGH auch die Tatherrschaft des P zum Zeitpunkt der relevanten Tathandlung, also des Schusses durch M:

P war auch im fraglichen Zeitraum an der Tatherrschaft beteiligt. Er hätte bei der räumlichen Nähe seiner beiden Tatgenossen deren Tun jederzeit steuern und sie auffordern können, dieses Mal entgegen der Abrede nicht auf Verfolger zu schießen. Daß er dies bis zur Abgabe des Schusses nicht getan hat, begründet seine Mitverantwortung auch für den auf ihn abgegebenen Schuß (vgl. dazu Maurach, aaO., S. 504 b). Dieser Schuß entsprach, da er einem vermeintlichen Verfolger galt, der Abrede aller Beteiligten, überschritt mithin auch nicht den Rahmen des vom Vorsatz des Angeklagten Umfaßten und muß ihm daher voll zugerechnet werden (vgl. RGSt 54, 177, 179 f.).

Schlussendlich macht der BGH noch deutlich, dass es im Hinblick auf den gemeinsamen Tatplan unschädlich sei, dass der P selbstverständlich keinen Schuss auf sich selbst gewollt habe, was eine Zurechnung der Tathandlung jedoch nicht hindere:

Entgegen der Meinung der Revision kommt es innerhalb dieses Rahmens nicht darauf an, ob P im Augenblick des Schusses mit diesem selbst einverstanden war. Nachdem er durch seinen früheren Tatbeitrag mit Tätervorsatz den Stein ins Rollen gebracht hatte, hätte eine Sinnesänderung ihn nur nach den Grundsätzen des Rücktritts vom Versuch (§ 46 StGB) straflos machen können. Dazu aber wäre Voraussetzung, daß er entweder auch seine Mittäter zur Aufgabe ihres Tötungsvorsatzes bestimmt oder aber sonstwie seinem eigenen Tatbeitrag die ursächliche Wirkung für das weitere strafbare Tun der anderen entzogen hätte (…). Daß dies hier nicht geschehen ist, der Angeklagte vielmehr bis zum Schluß und zur Zeit der Abgabe des Schusses in ständigem Zusammenwirken mit den beiden anderen an ihrer ursprünglichen Abrede festgehalten hat, ergeben die klaren Feststellungen des Landgerichts.

4. Fazit
Die vorgehend präsentierte BGH-Entscheidung stellt einen zeitlosen Klassiker dar, der so oder in ähnlicher Konstellation (gerne auch mit anderen Rechtsgütern, etwa Beeinträchtigung des Eigentums eines Mittäters) jederzeit in einem Examensfall verarbeitet werden kann.
a) Knackpunkt des Falles ist dabei sicherlich die Frage, ob dem P im Hinblick auf den subjektiven gemeinsamen Tatplan tatsächlich ein Schuss auf ihn selbst zugerechnet werden kann, was er ja keinesfalls wollte, oder ob insofern nicht ein Exzess des M vorliegt. Insofern erscheint das Ergebnis des BGH aber durchaus richtig, auch wenn sein zuletzt vorgenommener Rekurs auf die Grundsätze des Rücktritts vom Versuch m.E. nicht sonderlich überzeugend ist: Denn es geht vorliegend ja nicht um eine vom BGH zuletzt angesprochene „Sinnesänderung“ des P, dieser wollte vielmehr von vornherein nicht, dass auf ihn geschossen wird.
b) Entscheidend erscheint daher vielmehr, ob man für einen zurechnungsausschließenden Exzess des handelnden Mittäters zugunsten der Übrigen allein auf das objektive Geschehen abstellt oder aber auch die subjektive Intention des Handelnden bei seiner Tat berücksichtigt: Objektiv betrachtet war der Schuss gegen P sicherlich nicht vom gemeinsamen Tatplan erfasst, subjektiv gesehen hingegen durchaus, da der M ja mit seinem Schuss – wie abgesprochen – einen vermeintlichen Verfolger treffen wollte. Für eine Zurechnung der vorliegenden Konstellation spricht dabei, dass die Fehlvorstellung für M gerade kein relevanter Tatbestandsirrtum, sondern ein unerheblicher Motivirrtum in Gestalt des error in persona ist. Dass dieser die anderen Mittäter aber entlasten soll, widerspricht bereits den Grundsätzen dieser Rechtsfigur, wonach jeder Mittäter auch für den anderen handelt, das arbeitsteilige Vorgehen also gerade nicht zu einer Entlastung der einzelnen Beteiligten im Hinblick auf nicht eigenhändig ausgeführte Tatteile führen soll: Hätte ein anderer Mittäter als M den fraglichen Schuss irrtümlich abgegeben, wäre er ebensowenig straflos geblieben, so dass die Tatsache, dass dies von M übernommen wurde, gleichfalls nicht zu Gunsten der Übrigen wirken kann. Ergänzend kann außerdem auf einen Vergleich zur Wirkung des error in persona bei anderen Beteiligungskonstellationen abgestellt werden: So wird sowohl bei der Anstiftung (Rose-Rosahl-Fall) als auch der mittelbaren Täterschaft die Zurechnung einer Objektverwechslung beim Vordermann zu Lasten des Hintermanns regelmäßig zumindest dann angenommen, wenn der Irrtum im Rahmen des allgemeinen Risikos der Tat begründet liegt. Letzteres kann aber auch für den vorliegenden Fall der Mittäterschaft unzweifelhaft angenommen werden, da bei der Abrede, auf Verfolger zu schießen, aufgrund der Hektik und Anspannung dieser Situation mit Fehlentscheidungen der vorliegenden Art gerechnet werden muss, so dass diese sozusagen dem Tatplan „immanent“ sind. Damit verbleibt aber als einziger zweifelhafter Umstand noch die Tatsache, dass P von der Tat selbst betroffen wurde, also nicht nur als Täter, sondern ebenso als Opfer derselben auftritt. Dieser Umstand kann indes unabhängig von der Frage des „ob“ der Strafbarkeit im Rahmen der Rechtsfolgenbestimmung berücksichtigt werden, namentlich durch den – hier allerdings nicht einschlägigen – § 61 StGB (Absehen von Strafe bei schweren Folgen), aber auch im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen, die bei der Bestimmung der konkreten Strafe anzustellen sind und auch die Folgen der Tat umfassen.
c) Bezüglich der Prüfungsreihenfolge in der Klausur ist noch anzumerken, dass das Vorgehen des BGH, welches hier chronologisch zum Urteil abgebildet wurde, in Teilbereichen selbstverständlich umzustellen ist: Danach wäre in einem ersten Schritt – wie auch sonst bei der Mittäterschaft – die Strafbarkeit des M, der den Schuss ja alleine abgegeben hat, zu prüfen und hierbei auch die Irrelevanz seiner Personenverwechslung (bei der Frage nach dem Vorliegen eines Tatbestandsirrtums gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB) zu thematisieren. Im Anschluss an die Feststellung seiner Strafbarkeit ist dann die mittäterschaftliche Zurechnung dieser Tat an den getroffenen P zu untersuchen, wobei dann im Rahmen des gemeinsamen Tatentschlusses die Frage zu klären ist, ob sich der Schuss des M (wenigstens aus seiner Perspektive) nicht als zurechnungsfreier Exzess darstellt – hier können dann auch die Erwägungen, die der BGH zu Beginn seiner Entscheidung aufführt (Berücksichtigung der eingetretenen Selbstverletzung bereits durch die Einordnung der Tat als bloß untauglichen Versuch des P), verarbeitet werden. Schlussendlich ist zu betonen, dass mit guten Argumenten selbstverständlich auch ein von der Lösung des BGH abweichendes Ergebnis vertretbar ist, wobei der Begründungsaufwand hier allerdings höher liegen dürfte als wenn konservativ der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt wird.

11.10.2012/2 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-10-11 10:00:272012-10-11 10:00:27Strafrechts-Klassiker: Der Verfolger-Fall
Christian Muders

BGH: Vollendeter Raub bei heimlicher Abkehr eines Mittäters vom Tatplan

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Anm. zu BGH, Beschl. v. 08.05.2012 – 5 StR 88/12 (= NStZ 2012, 508)
1. Um was geht’s?
A und J führten einen von beiden geplanten Raub dergestalt aus, dass A das Opfer O körperlich in Schach hielt, während sein Kumpan J sich in die Wohnung des O begab und nach Geld suchte. Nachdem er fündig geworden und wieder aus der Wohnung gekommen war, spiegelte er dem A allerdings vor, nichts gefunden zu haben, da er die Beute für sich behalten wollte.
Nachdem die erste Instanz (auch) den A wegen vollendetem Raub verurteilt hat, macht dieser mit der Revision geltend, dass für ihn allenfalls eine versuchte Tatbegehung in Betracht komme, da nach seinem Vorstellungsbild eine Vollendung der gemeinsam begangenen Raubtat beim Verlassen des Tatorts nicht vorgelegen habe.
2. Was sagt der BGH?
Der BGH hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt und die Verurteilung wegen vollendeten Raubes beibehalten. Er hat zur Erklärung folgendes ausgeführt:

Zwar war die Erwartung eines „fünfstelligen Betrags“ aus der Tatbeute nach den Feststellungen wesentlich dafür, dass sich der Angeklagte zur Mitwirkung an der Tat bereiterklärte. Seine Beuteerwartung war damit bestimmend für die Erbringung seines Tatbeitrages und sein eigenes Interesse an der Tat. Dies ändert aber nichts daran, sondern belegt indes, dass das gesamte objektive Tatgeschehen im gemeinsamen Tatplan lag und mithin vom Vorsatz des Angeklagten gedeckt war. Im Zeitpunkt der Wegnahme des Geldes durch J. hatte er auch die für den Mittäter eines Raubes erforderliche Zueignungsabsicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011 – 4 StR 204/11, StraFo 2011, 408). Der Angeklagte hat auf der Grundlage gemeinsamen Wollens und in der Erwartung, einen Teil der Beute zu erhalten, vor und während des tatbestandsmäßigen Geschehens im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit J. Tatbeiträge erbracht, welche die Tatbestandsverwirklichung maßgeblich förderten.

Zur Unterstützung seines Ergebnisses führt das Gericht außerdem noch einen Vergleich mit dem hypothetischen Fall einer eigenhändigen Aufgabe der Tat durch A an:

Der vorliegende Fall, dass sich ein Mittäter in Abkehr vom gemeinsamen Tatplan das vorgefundene Geld alleine zueignen will, kann im Ergebnis nicht anders beurteilt werden als derjenige, dass sich der Angeklagte selbst vom gemeinsamen Tatplan distanziert und daher die weitere Tatvollendung nicht beobachten und beeinflussen kann: Selbst wenn der Angeklagte in dem Moment, als sein Mittäter das Geld wegnahm, die Tatbegehung abgebrochen hätte, wäre er in Anbetracht seiner fortwirkenden Tatbeiträge gleichwohl wegen vollendeten (mittäterschaftlichen) Raubes strafbar gewesen (vgl. § 24 Abs. 2 StGB). Die spätere Fehlvorstellung des Angeklagten über die Tatvollendung ändert an deren Zurechnung erst recht nichts.

3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
a) Der Beschluss stammt bereits vom Mai 2012, ist also schon etwas älteren Datums. Dennoch ist es nicht fernliegend, dass sein Abdruck in der aktuellen Ausgabe der NStZ Prüfer, die noch auf der Suche nach einem geeigneten Fall sind, dazu animiert, sich des Sachverhalts als Vorbild für einen eigenen Prüfungsfall anzunehmen. Die Geschehnisse sind so einfach gehalten, dass sie sich für eine mündliche Prüfung hervorragend eignen, aber auch als Teilaspekt einer größeren schriftlichen Klausur Verwendung finden können, zumal die Vermögensdelikte im Strafrecht ein „Examensdauerbrenner“ sind.
b) Inhaltlich ist dem BGH in vollem Umfang zuzustimmen, wobei sein ergänzender hypothetischer Vergleich mit einem Rücktritt des A meines Erachtens allerdings eher verwirrend erscheint, da eine freiwillige Aufgabe der Tat (durch wen auch immer) hier gerade nicht vorliegt. Vielmehr ergibt sich das stimmige Ergebnis unter konsequenter Anwendung der Grundsätze der Mittäterschaft, wobei die Besonderheiten des Raubes als „kupiertes Erfolgsdelikt“ zu beachten sind. Danach wird der zweiaktige, objektive Tatbestand des Raubes vorliegend in geradezu „klassischer Manier“ als Fall eines mittäterschaftlichen Vorgehens durchgeführt: Während der eine Beteiligte (A) die Nötigungshandlung ausführt (Gewalt durch das körperliche „In-Schach-halten“), führt der andere die Wegnahme innerhalb der Wohnung des Opfers aus. Letztere Handlung ist dem draußen wartenden A wiederum über § 25 Abs. 2 StGB zurechenbar, da er 1.) selbst einen wesentlichen Tatbeitrag in Gestalt der Nötigung ausführt und 2.) dieses Verhalten auch dem beiderseitig verabredeten Vorgehen entsprach. Dass J dabei – sozusagen „im Exzess“ – von dem gemeinsamen Tatplan insofern abgewichen ist, als er vor oder nach der abgesprochenen Ansichnahme des Geldes die Absicht fasste, selbiges alleine für sich zu behalten, ist dabei für die mittäterschaftliche Zurechnung unschädlich. Denn diese kann sich ohnehin nur auf die objektiven Tatteile beziehen, während subjektive Elemente (wie Vorsatz, aber auch eine Bereicherungs- oder Zueignungsabsicht) sowie Sonderpflichtmerkmale zwingend stets in persona des jeweiligen Tatbeteiligten vorliegen müssen. Dementsprechend führt auch die Tatsache, dass der A schlussendlich leer ausgegangen ist, nicht zur Annahme eines (für ihn) bloß versuchten Raubes. Denn der Raub ist, entsprechend der Kriterien beim Diebstahl, bereits dann vollendet, wenn die Wegnahme erfolgreich abgeschlossen wurde, was bei kleineren Gegenständen wie Geld mit dem Einstecken in eine dem Täter gehörige „Gewahrsamsenklave“ der Fall ist – auf eine anschließende objektive Zueignung, wie sie etwa für die Unterschlagung nach § 246 StGB gefordert wird, kommt es gerade nicht an. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der jeweilige Täter das von ihm – nach dem oben Gesagten – höchstpersönlich zu verwirklichende subjektive Merkmal der „Zueignungsabsicht“ zum Zeitpunkt der Tat – und d.h. nach § 8 S. 1 StGB: der Tathandlung – aufweist (Koinzidenzprinzip). Letzteres kann vorliegend im Hinblick auf A aber nicht zweifelhaft sein, da er sowohl zum Zeitpunkt der Nötigung als auch der ihm zuzurechnenden Wegnahme durch J noch in Erwartung eines zu erlangenden Geldbetrages vor der Wohnung des O ausharrte.

27.09.2012/11 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-09-27 10:00:342012-09-27 10:00:34BGH: Vollendeter Raub bei heimlicher Abkehr eines Mittäters vom Tatplan
Dr. Johannes Traut

BGH: Nicht am Tatort anwesend – und trotzdem Täter!

Rechtsprechung, Schon gelesen?, Strafrecht, Strafrecht AT

BGH: Nicht am Tatort anwesend – und trotzdem Täter!
Der BGH hat vor kurzem in einem Beschluss (v. 5.6.2012) die Verurteilung eines Drahtziehers, der nicht bei der eigentlichen Tatbegehung dabei war, aber in der Nähe wartete und das Fluchtauto fuhr, als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) bestätigt. Der Fall eignet sich m.E. ideal für die mündliche Prüfung – er bietet einen spannenden Hintergrund und erlaubt das Abprüfen von Standardwissen um Täterschaft und Teilnahme. Gerade weil es um eine klassische Frage – „Tatherrschaft“ – geht, die andererseits haupsächlich Wertungsfrage ist und daher Argumentation erfordert, eignet sich der Fall gut für die mündliche Prüfung. Andererseits sollte für den Kandidaten das Ergebnis – Mittäter – klar sein.
Sachverhalt (nach BGH Pressemitteilung)
Aufgrund von Hinweisen eines Tippgebers organisierte der 31jährige Angeklagte einen Überfall auf ein im Hotel Grand Hyatt in Berlin stattfindendes Pokerturnier. Entsprechend seiner Planung stürmten vier junge Mittäter am Nachmittag des 6. März 2010 mit einer Schreckschusspistole und einer Machete bewaffnet den Spielsaal und erbeuteten trotz Gegenwehr der nicht bewaffneten Wachleute, die hierbei verletzt wurden, rund 241.000 €, wobei die Täter bei ihrer Flucht weitere 449.000 € verloren hatten. Sie wurden vom Angeklagten, der in seinem Pkw in der Nähe wartete, vom Tatort weggefahren. Von dem erbeuteten Geld haben die Täter nach ihrer Verhaftung 26.000 € zurückgegeben. Der Verbleib des restlichen Geldes konnte nicht geklärt werden.
Der Angeklagte wurde vom Landgericht Berlin nach einer fast 16 Monate andauernden Hauptverhandlung wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten verurteilt.
Der Sachverhalt beruht auf der Pressemitteilung des BGH.
Täter ohne Tatherrschaft?
Der BGH hat die Revision des Täters ohne Begründung durch Beschluss verworfen. Die rechtliche Lösung des Falles ist also nicht innovativ, sondern es kommt auf das Verständnis der verschiedenen Theorien zur Täterschaft an, weshalb sich der Fall ideal für die mündliche Prüfung eignet.
I. Täterwille und Tatherrschaft
1. Die Rspr.: Täterwille gefolgert aus objektiven Kriterien (d.h. Tatherrschaft)
Nach der klassischen Linie der Rechtsprechung ist Täter, wer Täterwillen hat (animus auctoris). Den hat, wer die Tat als eigene will. Gehilfe ist dagegen, wer zwar einen Beitrag leistet, aber die Tat „als fremde“ will, d.h. wer sich dem Willen des Täters unterwirft (animus socii).

Ursprünglich war diese Abgrenzung der Rechtsprechung rein subjektiv, d.h. es kam tatsächlich nur auf den Willen des Täters an. Dies konnte so weit gehen, dass der Täter keinen eigenen Tatbeitrag leisten musste. Seinen Hintergrund hatte diese extrem subjektive Sichtweise darin, dass man damals noch keine Einschränkung von Tatbeiträgen im Rahmen der objektiven Zurechnung vornahm. Nach der reinen Äquivalenztheorie war damit jeder noch so kleine Tatbeitrag gleichermaßen kausal, so dass stets eine Täterstrafbarkeit selbst für Gehilfenhandlungen drohte (vgl. Beck OK-StGB/Kudlich, § 25 Rn. 12). Diese wurde dann wieder eingefangen durch die Möglichkeit, dem Gehilfen den Täterwillen abzusprechen.

Heute wiederholt die Rechtsprechung die Formel „wer die Tat als eigene will“ / „wer die Tat als fremde will“ zwar noch, stellt den Willen dann aber an Hand objektiver Kriterien fest. Vgl. etwa für die Mittäterschaft BGH NJW 1999, 3131, 3132:

„Mittäter ist gem. § 25 Absatz II StGB, wer aufgrund gemeinschaftlichen Tatentschlusses seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und denjenigen des anderen als Ergänzung seines Tatbeitrags will (BGHSt 37, 289, 291 = NJW 1991, 1068; BGHSt 40, 299, S. 301 = NJW 1995, 142). Die Annahme von Mittäterschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH in wertender Betrachtung der festgestellten Tatsachen zu prüfen. Dafür ist

  • der Grad des eigenen Interesses an der Tat,
  • der Umfang der Tatbeteiligung und
  • die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr maßgeblich (BGH, NStZ 1982, 243; NStZ 1990, 130;BGHR StGB § 25 II Mittäter 26).“                                                                                                                                                (Aufgliederung der Prüfungspunkte und Aufzählungszeichen vom Autor eingefügt).

Die Tatherrschaft ergibt sich dabei insbesondere aus der Bedeutung der Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschehens (BGH NJW 2007, 1220; BGH NStZ 2006, 577; BGH NStZ-RR 2007, 58; NStZ-RR 2007, 320, BGH NStZ-RR 2008, 152; BGH NStZ-RR 2009, 254).
2. Die Literatur: (Objektive) Tatherrschaft
Die Rechtsprechung nähert sich damit sehr stark der Literatur an, die heute ganz herrschend vertritt, dass es nicht auf den (subjektiven) Täterwillen, sondern (ausschließlich oder jedenfalls hauptsächlich) auf die objektive Tatherrschaft ankommt. Wer Tatherrschaft hat, ist Täter, ansonsten sind Beteiligte lediglich Teilnehmer.
Täter ist danach, wer die Tat beherrscht, das Tatgeschehen damit „in den Händen hält“, über „ob“ und „wie“ der Tat maßgeblich entscheidet, mithin als „Zentralgestalt des Geschehens“ bei der Tatbestandsverwirklichung fungiert (grundlegend Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, 7. Aufl. 19999, S. 25).
Im Einzelnen ist hier aber vieles wieder umstritten. Zunächst ist unklar, inwiefern bei der Feststellung der Tatherrschaft subjektive Elemente Berücksichtigung finden können – einige verstehen die Tatherrschaft rein objektiv, andere eine finale Tatherrschaft unter Einbeziehung subjektiver Elemente, also ein vom Vorsatz umfasstes In-den-Händen-Halten des tatbestandlichen Geschehensablaufs (vgl. Beck OK-StGB/Kudlich, § 25 Rn. 13).
Herrschend ist wohl eine Gesamtbetrachtung, die subjektive und objektive Elemente kombiniert, aber primär auf das objektive Geschehen abstellt. Auch soweit man eine rein objektive Betrachtung fordert, folgt aus §§ 15, 16 Abs. 1 S. 1 StGB, dass der Täter Kenntnis der Umstände haben muss, die ihn objektiv zum Täter machen.
Zu berücksichtigen ist auch, dass Tatherrschaft – je nach der sich konkret stellenden Abgrenzungsfrage – unterschiedlich zu verstehen ist – für die Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung gelten im Detail etwas andere Kriterien als für die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe (vgl. Schönke/Schröder-Heine, StGB, § 25 Rn. 69ff.).
Auf diese Fragen kommt es aber in der mündlichen Prüfung nicht an. Wichtig ist nur, die großen Linien – Tatherrschaft (hauptsächlich objektiv) und Täterwillen (vordergründig subjektiv) – zu kennen und diese anwenden zu können. Ein Übermaß an Detailwissen ist für die Diskussion sogar eher hinderlich.
3. Verbleibende Unterschiede?
Wie gesagt hat sich die Rechtsprechung der Literatur im Ergebnis wesentlich angenährt, indem sie den Täterwillen aus denselben (hauptsächlich objektiven) Kriterien folgert, welche die Literatur zur Herleitung der Tatherrschaft verwendet. Zum Teil wird in manchen Urteilen sogar auf die „vom Täterwillen getragene objektive Tatherrschaft“ abgestellt (vgl etwa BGHSt 35, 347, 353 = NJW 1989, 912, 914 = NStZ 1989, 176, 177; BGH NJW 1999, 2449; BGHSt 47, 383, 385 = NJW 2002, 3788; BGH NStZ-RR 2003, 253). Für die Mehrzahl der Fälle kommen Literatur und Rechtsprechung zu dem gleichen Ergebnis. Dabei neigt die Rechtsprechung bei der Abgrenzung zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung eher zur Verwendung der Tatherrschaftslehre, während die Rspr. bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe häufiger auch die subjektive Seite betont (vgl. Beck OK-StGB/Kudlich, § 25 Rn. 15.1)
4. Notwendigkeit des Beitrages im Ausführungsstadium?
Es verbleiben aber Fälle, in denen die beiden Theorien jedenfalls tendenziell zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und vor allem eine unterschiedliche Argumentation angezeigt ist.
Ein Klassiker dieser Fälle ist die Frage, inwieweit Beiträge im Vorfeld der Tatbegehung einbezogen werden können. Das ist relevant etwa für die Täterschaft des „Bandenchefs“, der nicht selbst am Tatort anwesend ist.
Die Rechtssprechung hat hier kein prinzipielles Problem. Täterwillen erfordert keine tatsächliche Ausführungsherrschaft, diese dient nur dazu, um den Täterwillen zu ermitteln. Sie hatte daher auf der Grundlage ihrer damals noch deutlicher subjektiven Sichtweise wenig Schwierigkeiten, den „Bandenchef“ oder Organisator eines Diebesunternehmens, der, ohne Anwesenheit bei der Tatdurchführung, im Vorbereitungsstadium die Tat insgesamt wesentlich mitgestaltet hat, als Mittäter einzuordnen:

„Der Angekl. handelte mit Täterwillen. Er hatte den Plan zur Verübung von Viehweidediebstählen ausgearbeitet und stellte die Transportmittel zur Verfügung; er besaß die Möglichkeit der Verwertung der Beute und zahlte den Zeugen ihren Anteil am Erlös aus. Damit war der Angekl. der Kopf der Bande; er war mithin Dieb und damit Vortäter nach § 259 StGB, konnte also insoweit nicht Hehler sein.“ (BGH NJW 1985, 502).

Man beachte aber auch insofern, dass sich subjektive und objektive Elemente (wie der Einfluss des Plans auf die Tatbegehung) vermischen. Letztlich stellt die Rechtsprechung heute im Wesentlichen darauf ab, wie bedeutend die Vorarbeiten des Organisators für das Geschehen im Endeffekt waren. Dabei kommt es sowohl auf den Tatplan an wie auch auf das, was sich dann tatsächlich abgespielt hat (dazu noch unten).
Für die Tatherrschaftslehre ist die Argumentation schwieriger.
Versteht man Tatherrschaft als (Mit-)Herrschaft über das Ausführungsstadium der Tat (so ewa Roxin, Strafrecht AT, Bd. 2, 2003, S. 81f. m.w.N.), so gerät man beim Bandenchef in Schwierigkeiten. Denn soweit er nicht mit den anderen Tätern in Verbindung steht, kann er das Geschehen während des Ausführungsstadiums nicht beeinflussen. Somit fehlt es grundsätzlich an einer Herrschaft über das Ausführungsstadium (anders bspw. nach Roxin, wenn der Chef telefonisch oder sonst wie in Kontakt mit den Tätern steht).
Davon abzugrenzen ist allerdings, dass auch diese Ansicht keine Beteiligung unmittelbar bei der tatbestandsmäßigen Handlung selbst erfordert. Schließlich werden nach § 25 Abs. 2 StGB allen Mittätern die Handlungen der anderen und damit auch deren tatbestandsmäßiges Handeln zugerechnet. Entscheidend ist vielmehr, welche Bedeutung die Beteiligung des Täters bei der Tatbegehung als solche hat. Hier kommt es vor allem auf den Tatplan an: Nehmen Räuber etwa zwei Experten für Schusswaffen mit, die für den Fall bereitgehalten werden, dass sich Widerstand zeigt, und halten sie deren Beteiligung insgesamt für notwendig für das Gelingen des Tatplans, so haben auch diese Tatherrschaft, selbst wenn ihre Dienste im Ergebnis nicht gebraucht werden. Ähnliches kann gelten, wenn etwa einer der Täter an einem anderen Ort ein als entscheidend eingestuftes Ablenkungsmanöver startet, ohne das die Tatbegehung der anderen nicht funktionieren kann. Ein schönes Beispiel wird auch von Schönke/Schröder-Heine, StGB § 25 Rn. 69 nach Roxin gegeben: Beteiligt sich z.B. ein Sprengstoffspezialist an einem Bankeinbruch, um eingreifen zu können, wenn es nicht gelingt, den Tresor mit einem Nachschlüssel zu öffnen, so ist er Mittäter, auch wenn er selbst nicht eingreifen musste.
Insgesamt kommt es immer auf die Bedeutung und den Einfluss des Tatbeitrages bei der aktuellen Ausführung der Tat an. In erster Linie richtet sich dessen Bedeutung nach dem Tatplan, aber die h.M. bezieht in einer Gesamtbetrachtung auch den tatsächlichen Geschehensablauf mit ein.

Das ist der Unterschied zur früheren formal-objektiven Theorie, welche nur darauf abstellte, ob der Täter tatbestandsmäßige Handlungen selbst vornahm.

Die (überwiegende) Gegenansicht lässt es dagegen genügen, wenn der Tatbeitrag die Ausführung der Tat insgesamt (mit-)bestimmt, auch wenn er im Vorbereitungsstadium erbracht wurde. Begründet wird dies mit der großen faktischen und normativen Bedeutung von Organisation und Planung. Stehen Plan und Organisation, sind die einzelnen Rollen im Rahmen allseits bewusster Tatkoordination zugewiesen und akzeptiert, so „rollt die Ausführung fast von alleine“ (Schönke/Schröder-Heine, StGB, § 25 Rn. 83 unter Berufung auf Kühl 20/111).
Jedenfalls ausreichend ist aber ein Tatbeitrag bei oder unmittelbar nach der Tatbegehung wie das Fahren eines Fluchtautos.

II. Anwendung auf den Fall
1. BGH: Täterwille gefolgert aus den objektivem Umständen
Im Fall des BGH würde man mit der Rechtsprechung recht leicht zu einer Mittäterschaft kommen.

  • Der Täter hatte ein eigenes Interesse an der Tat, er erhielt einen hohen Anteil der Beute.
  • Er hat die Tat vorgeschlagen und den Geschehensablauf geplant und er wurde nach seinen Vorgaben umgesetzt.
  • Zu beachten ist insofern auch, dass der deutlich älter war als die anderen Mittäter, die daher durchaus als seine „Gehilfen“ in der Ausführung aufgetreten sind.
  • Schließlich hat er auch einen eigenen Beitrag durch das Fahren des Fluchtautos erbracht. Dieser erfolgte zwar nach Vollendung, aber vor Beendigung der Tat. Leider ist nicht bekannt, welche Bedeutung diesem Aspekt von den Mittätern beigemessen wurde. Hielt man das Fahren des Fluchautos jedoch für entscheidend für das Geschehen (was sehr wahrscheinlich der Fall war bei dem recht brutalen und sehr auffällig durchgeführten Überfall), liegt schon deshalb Mittäterschaft vor (vgl. BGH  NStZ-RR 2010, 139).

2. Literatur: Tatherrschaft (+/-)
Auch aus Sicht der Literatur wird man Tatherrschaft annehmen können.
Nach allen Ansichten wäre das der Fall, wenn das Fahren des Fluchtautos alleine ausreicht, um Tatherrschaft bejahen zu können. Das wird in dem Fall wohl nahe liegen.
Ansonsten muss man differenzieren: Soweit ein tatsächlicher Einfluss im Ausführungsstadium gefordert wird, muss man die Planung außen vor lassen, da sie keine aktuelle Einflussnahme bei der Tatbegehung erlaubt. Daher kann man, wenn man gleichzeitig das Fahren des Fluchtautos für unzureichend hält, Tatherrschaft und damit eine Mittäterschaft verneinen.
Die hL dagegen bezieht auch die Organisationsleistung mit ein. Damit würde sie wohl mit einer vergleichbaren Argumentation wie die Rspr. zu Tatherrschaft kommen. Einziger argumentativer Unterschied ist, dass der Obersatz nicht „Täterwille gefolgert aus Tatherrschaft“ ist, sondern direkt in die Prüfung der Tatherrschaft eingestiegen wird.
 

26.06.2012/3 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2012-06-26 16:47:512012-06-26 16:47:51BGH: Nicht am Tatort anwesend – und trotzdem Täter!

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