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Schlagwortarchiv für: § 227 StGB

Alexandra Ritter

Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 I StGB)

Karteikarten, Strafrecht, Uncategorized

I. Grundtatbestand, §§ 223 ff.

II. Erfolgsqualifikation

1. Eintritt einer schweren Folge: Tod der verletzten Person

2. Kausalität zwischen Grundtatbestand und schwerer Folge

3. Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang

Spezifische, im Grunddelikt angelegte Gefahr muss sich im Erfolg realisieren

(P): Gefahr der Körperverletzungshandlung oder des Körperverletzungserfolges?

Insb. wichtig für die Frage, ob der Versuch des § 223 StGB erfolgsqualifiziert sein kann!

  • e.A.: Gefahr des Erfolges, d.h. eingetretene Verletzung muss lebensgefährlich sein. Arg.: Wortlaut „verletzte Person“ (Letalitätsthese)
  • h.M.: Handlungsgefahr genügt, Arg.: § 223 StGB erfasst auch Misshandlung; § 224 I Nr. 5 erfasst lebensgefährliche Behandlung; Verweise auch jeweils auf Versuchstatbestände 

4. Mindestens Fahrlässigkeit hinsichtlich schwerer Folge: § 18 StGB

III. Rechtswidrigkeit

IV. Schuld und subjektiver Fahrlässigkeitsvorwurf

17.10.2022/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2022-10-17 15:28:232022-12-23 08:50:28Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 I StGB)
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zum Versuch der Erfolgsqualifikation

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Mit Urteil vom 12.08.2021 (Az.: 3 StR 415/20) hat sich der BGH wieder einmal zur klausur- und examensrelevanten Konstellation des Versuchs bei erfolgsqualifizierten Delikten geäußert. Dabei hat der BGH klargestellt, dass ein Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts – konkret: der Brandstiftung mit Todesfolge gemäß § 306c StGB – auch dann gegeben sein kann, wenn das Grunddelikt im Versuchsstadium stecken bleibt und auch die gewollte schwere Folge nicht eintritt. Die Entscheidung soll zum Anlass genommen werden, sich die verschiedenen Varianten des Versuchs beim erfolgsqualifizierten Delikt (erfolgsqualifizierter Versuch vs. Versuch der Erfolgsqualifikation) noch einmal zu vergegenwärtigen. Ihre sichere Kenntnis und Unterscheidung sind nicht nur für Examenskandidaten, sondern bereits für Studierende unterer Semester unerlässlich.
 
A) Sachverhalt (leicht abgewandelt und vereinfacht)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der Täter (T) warf nachts das Schlafzimmerfenster des schlafenden Opfers (O) ein, um durch die so entstandene Öffnung einen sogenannten Molotowcocktail – eine mit Benzin gefüllte Glasflasche, versehen mit einer angezündeten Lunte – hineinzuwerfen. Dabei hielt T es für möglich und nahm billigend in Kauf, hierdurch einen Brand auszulösen, der wesentliche Gebäudeteile erfasst und den schlafenden O oder andere Bewohner des Mehrfamilienhauses zu Tode bringt. Wider Erwarten erlosch die Flamme jedoch kurz nach dem Hineinwerfen, bevor sich das Benzin entzünden konnte.
 
B) Rechtsausführungen
Der BGH sah hierin – wie auch das LG Mönchengladbach als Vorinstanz – unter anderem einen versuchten Mord gemäß §§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 und 3, 22, 23 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit einer versuchten schweren Brandstiftung mit Todesfolge gemäß §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB.
Da sich bei der Prüfung des versuchten Mordes vorliegend keine Besonderheiten ergeben, soll sich die hiesige Darstellung auf die Besonderheiten der versuchten schweren Brandstiftung mit Todesfolge beschränken. Freilich müsste in einer entsprechenden Klausur auch eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Mordklassikern – Heimtücke bei Schlafenden und der Gemeingefährlichkeit des Inbrandsetzens – erfolgen.
 
I. Was ein erfolgsqualifiziertes Delikt kennzeichnet
Bei § 306c StGB handelt es sich um ein sogenanntes erfolgsqualifiziertes Delikt. Erfolgsqualifizierte Delikte sind in § 18 StGB erwähnt und beschreiben Fälle, in denen ein auch für sich allein betrachtet strafbares Vorsatzdelikt dadurch qualifiziert wird, dass durch die Tat zumindest fahrlässig ein im Gesetz näher beschriebener besonderer Erfolg (zurechenbar) verursacht wird (BeckOK StGB/Kudlich, 50. Ed. 1.5.2021, § 18 StGB Rn. 3). Im hiesigen Fall kommen als Grunddelikte die §§ 306-306b StGB in Betracht; die schwere Folge ist der durch die Brandstiftung verursachte Tod eines anderen Menschen.
Weitere klausurrelevante Beispiele für erfolgsqualifizierte Delikte finden sich in § 227 StGB (Körperverletzung mit Todesfolge) und § 251 StGB (Raub mit Todesfolge).
 
II. Strafbarkeit des Versuchs bei erfolgsqualifizierten Delikten
Dass bei erfolgsqualifizierten Delikten auch der Versuch strafbar sein kann, folgt aus §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 StGB. Alle Erfolgsqualifikationen im derzeitigen Strafrecht sind Verbrechen, weshalb ihr Versuch stets strafbar ist. Ferner kennzeichnet den Versuch der auf die Verwirklichung eines Tatbestandes gerichtete Tatentschluss, d.h. der Täter muss Vorsatz in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale haben sowie etwaige subjektive Tatbestandsmerkmale aufweisen. § 11 Abs. 2 StGB bestimmt nun, dass eine Tat auch dann als vorsätzlich zu qualifizieren ist, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt und hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge Fahrlässigkeit ausreichen lässt. Dies beschreibt genau den Fall erfolgsqualifizierter Delikte. Daraus folgt, dass erfolgsqualifizierte Delikte als Vorsatzdelikte anzusehen sind und damit grundsätzlich im Versuch verwirklicht werden können.
 
III. Mögliche Versuchsvarianten
Denkbar sind grundsätzlich zwei Formen des Versuchs: der erfolgsqualifizierte Versuch und der Versuch der Erfolgsqualifikation.
1. Der erfolgsqualifizierte Versuch liegt vor, wenn die Verwirklichung des Grunddelikts im Versuchsstadium bleibt, die schwere Folge aber trotzdem eintritt. Dabei ist zum einen entscheidend, dass sich im Eintritt der schweren Folge die spezifische Gefahr des Grunddelikts realisiert. Zum anderen muss dem Täter in Bezug auf den Eintritt der schweren Folge wenigstens ein Fahrlässigkeits- (wie in § 227 Abs. 1 i.V.m. § 18 StGB) oder Leichtfertigkeitsvorwurf (etwa in § 251 StGB) zur Last zu legen sein.
Lesenswert ist hierzu der prominente Gubener Hetzjagd-Fall des BGH (Urt. v. 09.10.2002 – 5 StR 42/02, NStZ 2003, 149).
 
2. In Abgrenzung hierzu ist ein Versuch der Erfolgsqualifikation gegeben, wenn das Grunddelikt verwirklicht wird, die vom Täter billigend in Kauf genommene oder sogar beabsichtigte schwere Folge aber nicht eintritt. Diese Variante ist deshalb anzuerkennen, weil die schwere Folge zwar gemäß § 18 StGB „wenigstens“ fahrlässig verursacht werden muss, erst recht aber vorsätzlich herbeigeführt werden kann (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 20.10.1992 – GSSt 1/92, BGHSt 39, 100). Ein Beispiel macht es deutlich: Ein Versuch des § 251 StGB liegt vor, wenn der Täter mit Gewalt gegen eine Person dieser eine fremde bewegliche Sache mit Zueignungsabsicht wegnimmt und dabei billigend in Kauf nimmt, hierdurch den Tod der – letztlich überlebenden – Person zu verursachen.
Achtung: Der Versuch der Erfolgsqualifikation ist in der Klausur dann unerheblich und nicht ausführlich zu thematisieren, wenn die gewollte schwere Folge ihrerseits einen selbständig im Versuch verwirklichten Tatbestand darstellt. Denn dann wird der Versuch der Erfolgsqualifikation auf Konkurrenzebene verdrängt. Dies gilt etwa für § 227 StGB: Schießt der Täter auf das Opfer, um es zu töten, verletzt es aber nur, liegt eine verwirklichte gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB vor. Daneben ist grundsätzlich ein versuchter § 227 StGB (in Form des Versuchs der Erfolgsqualifikation) gegeben sowie ein versuchter Totschlag nach §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB. Da das Unrecht der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge vollständig vom versuchten Totschlag erfasst wird, bleibt allein letzterer (in Tateinheit mit der gefährlichen Körperverletzung) bei der Gesamtstrafbarkeit stehen. In einem solchen Fall in der Klausur bei § 227 StGB „ein Fass aufzumachen“, stellt eine verfehlte Schwerpunktsetzung dar.
 
IV. Die der Entscheidung zugrunde liegende Konstellation: ein Unterfall des Versuchs der Erfolgsqualifikation
Diese allgemeinen Grundsätze zugrunde legend wird offenbar, dass der hiesige Fall zunächst auf keine der beiden Konstellationen so eindeutig passen mag: Weder das Grunddelikt ist voll verwirklicht noch die schwere Folge eingetreten. Dass jedoch auch der Fall, in dem das Grunddelikt lediglich versucht und die schwere Folge nur gewollt ist, eine Variante des Versuchs der Erfolgsqualifikation darstellt, hat der BGH unmissverständlich klargestellt:

„Diese kann als Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts auch dadurch verwirklicht werden, dass der Täter zum Grunddelikt unmittelbar ansetzt, wobei er die schwere Folge beabsichtigt oder billigend in Kauf nimmt, hinsichtlich beider Tatbestände aber nicht zur Vollendung gelangt. Weder die Inbrandsetzung oder die durch die Brandlegung bewirkte – zumindest teilweise – Zerstörung noch der Tod müssen eingetreten sein.“ (BGH, Urt. v. 12.08.2021 – 3 StR 415/20, BeckRS 2021, 33213 Rn. 7)

Der BGH argumentiert dabei wie folgt: 
1. Eine solche Annahme ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 22 StGB in Verbindung mit den jeweiligen erfolgsqualifizierten Delikten: „Wer die Ausführung des Grunddelikts versucht und dabei zudem Vorsatz in Bezug auf die Herbeiführung der schweren Folge hat, setzt nach seiner Vorstellung von der Tat sowohl unmittelbar zum Grunddelikt als auch zur Verursachung der schweren Folge an.“ (BGH, Urt. v. 12.08.2021 – 3 StR 415/20, BeckRS 2021, 33213 Rn. 11)
2. Systematische Erwägungen stützen dieses Verständnis: Wie dargelegt, sind erfolgsqualifizierte Delikte wegen § 11 Abs. 2 StGB insgesamt als Vorsatzdelikte einzuordnen. Dies hat zur Konsequenz, dass die allgemeinen Vorschriften zum Versuch Anwendung finden. Diese allgemeinen Vorschriften setzen jedoch nicht voraus, dass der Täter irgendein Tatbestandsmerkmal objektiv verwirklichen muss, sondern nur, dass er nach seiner Vorstellung von der Tat hierzu unmittelbar ansetzt. Auf dieser Grundlage wäre es nach Ansicht des BGH nicht gerechtfertigt, für den Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts stets die Vollendung des Grundtatbestands (dann Versuch der Erfolgsqualifikation) oder den Eintritt der schweren Folge (dann erfolgsqualifizierter Versuch) zu verlangen (BGH, Urt. v. 12.08.2021 – 3 StR 415/20, BeckRS 2021, 33213 Rn. 12).
3. Schließlich sprechen auch der Sinn und Zweck des relevanten Normgefüges für eine solche Annahme: Wie die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs zeigt, liegt der Grund für die Versuchsstrafbarkeit die in den Vorstellungen des Täters liegende Gefährlichkeit seines Tuns (sog. subjektive Versuchstheorie, vgl. etwa BGH, Urt. v. 29. 04.1958 – 5 StR 28/58, BGHSt 11, 324, 326 f.). Dieser subjektive Handlungsunwert tritt bei demjenigen, der mit seinem Verhalten die Verwirklichung des Grunddelikts und den Eintritt der hierin angelegten schweren Folge anstrebt, unabhängig davon zutage, ob er das Grunddelikt nur versucht oder vollendet. Ein wie auch immer gearteter objektiver Erfolgsunwert ist beim Versuch nicht gefordert. Ebenso wenig ist maßgeblich, ob und inwieweit Teilabschnitte des erfolgsqualifizierten Delikts verwirklicht sind. Hieraus schließt der BGH, dass auch derjenige wegen des Versuchs eines erfolgsqualifizierten Delikts zu bestrafen ist, der Grunddelikt und Qualifikation intendiert und an beiden Zielen scheitert (BGH, Urt. v. 12.08.2021 – 3 StR 415/20, BeckRS 2021, 33213 Rn. 13).
Damit hat sich T im hiesigen Fall nicht nur nach §§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 und 3, 22, 23 Abs. 1 StGB, sondern auch nach §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
C) Fazit
Zusammenfassend gilt: Der Versuch kann bei erfolgsqualifizierten Delikten als erfolgsqualifizierter Versuch oder als Versuch der Erfolgsqualifikation vorliegen. Letztere Variante besteht aber nicht nur in dem Fall, in dem das Grunddelikt voll verwirklicht und die – nicht eingetretene – schwere Folge jedenfalls billigend in Kauf genommen wird. Vielmehr ist ein Versuch der Erfolgsqualifikation wie im vorliegenden Sachverhalt auch dann anzunehmen, wenn das Grunddelikt nur versucht ist, der Vorsatz des Täters aber auch auf die Herbeiführung der schweren Folge gerichtet war. Dass dies konsequent ist, folgt aus dem Wortlaut des § 22 StGB, der Systematik des Gesetzes und dem Sinn und Zweck der Versuchsvorschriften, die in den Vorstellungen des Täters liegende Gefährlichkeit seines Tuns zu sanktionieren.
 

23.11.2021/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2021-11-23 08:22:092021-11-23 08:22:09BGH: Neues zum Versuch der Erfolgsqualifikation
Dr. Yannik Beden, M.A.

StGB: Die Körperverletzungsdelikte in der Klausur: Definitionen und Streitstrände

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Vor allem im juristischen Grundstudium sind Straftatbestände, die Verletzungen von Leib und Leben sanktionieren, regelmäßig Prüfungsgegenstand. Die §§ 223 ff. StGB gehören dabei zu den „Klausurklassikern“, bei denen von jedem Prüfling Grundkenntnisse erwartet werden. Das gilt nicht nur für die Definitionen von Tatbestandsmerkmalen, sondern auch Meinungsstreitstände zu Problemstellungen, die überdurchschnittlich häufig abgefragt werden. Der nachstehende Beitrag gibt einen Überblick zu den klausur- bzw. examensrelevantesten Definitionen. Zudem werden – nicht abschließend – die wichtigsten Streitstände mit kurzen Erläuterungen zu den jeweils vertretenen Ansichten in Rechtsprechung und Literatur dargestellt.
I. Die Definitionen
1. § 223 StGB
(1) Körperliche Misshandlung
ist jede substanzverletzende Behandlung des Körpers, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird.
(2) Gesundheitsschädigung
ist das Hervorrufen, Steigern oder Aufrechterhalten eines vom Normalzustand negativ abweichenden pathologischen Zustands physischer (oder psychischer, str.) Art.
2. § 224 StGB
(1) Gift
sind alle organischen und anorganischen Stoffe, die durch chemische und/oder chemisch-physikalische Wirkung geeignet sind, erhebliche Gesundheitsschädigungen herbeizuführen.
(2) Andere gesundheitsschädliche Stoffe
sind solche, die mechanisch oder thermisch wirken sowie biologisch schädliche Stoffe, die dazu geeignet sind, erhebliche Gesundheitsschädigungen herbeizuführen.
(3) Waffe
ist im technischen Sinn jedes Werkzeug, welches nach der Art seiner Anfertigung von vornherein dazu bestimmt ist, (nicht notwendigerweise Menschen) zumindest erhebliche Verletzungen zuzufügen.
(4) Gefährliches Werkzeug
ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und Verwendungsart im konkreten Einzelfall dazu geeignet ist, zumindest erhebliche Verletzungen zuzufügen.
(5) Hinterlistiger Überfall
Ist jeder plötzliche, unerwartete Angriff auf einen ahnungslosen Menschen, bei dem der Täter seine wahre Absicht planmäßig verdeckt und dadurch die Verteidigungsmöglichkeiten des Opfers einschränkt.
(6) Mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich
begeht der Täter die Körperverletzung, wenn mindestens zwei Personen unmittelbar am Tatort gemeinschaftlich wirken, wobei unerheblich ist, ob dies in mittäterschaftlicher Begehung oder in Gestalt von Täterschaft und Teilnahme passiert.
(7) Mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
wird die Körperverletzung nach h.M. begangen, wenn die Verletzungen den objektiven Umständen des Einzelfalls nach geeignet ist, das Leben des Tatopfers zu gefährden, wobei es keiner tatsächlichen konkreten Lebensgefahr im Einzelfall bedarf.
3. § 225 StGB
(1) Quälen
ist das Zufügen länger andauernder oder wiederkehrender Schmerzen oder Leiden seelischer oder körperlicher Art.
(2) Rohes Misshandeln
ist eine Behandlung, die einer gefühllosen, fremde Leiden missachtenden Gesinnung entspricht und sich in Handlungsfolgen von erheblichem Gewicht für das körperliche Wohlbefinden des Tatopfers manifestiert.
(3) Böswillig
handelt der Täter, wenn er die ihm obliegende Sorgfaltspflicht aus besonders verwerflichen Gründen verletzt (Hass, Egoismus, Gewinnstreben o.ä.).
4. § 226 StGB
(1) Verlust des Sehvermögens
tritt ein, wenn die Fähigkeit, Gegenstände als solche zu erkennen, nahezu aufgehoben ist (Rspr.: 10 % der normalen Sehkraft)
(2) Wichtiges Glied des Körpers
sind alle äußerlichen Körperteile, die abgeschlossen in Erscheinung treten, mit dem Körper durch ein Gelenk verbunden sind und eine bestimmte Funktion im Gesamtorganismus haben.
(3) Dauernd entstellt in erheblicher Weise
ist das Tatopfer, wenn das äußere Gesamterscheinungsbild endgültig oder für einen unbestimmten Zeitraum verunstaltet wird und dies von einem Gewicht ist, welches in seiner Bedeutung den anderen schweren Nachteilen des § 226 StGB entspricht.
5. § 228 StGB – Sittenwidrigkeit
Sittenwidrig ist die Körperverletzung, wenn sie Anbetracht des Umfangs der Verletzung sowie des damit verbundenen Gefahrengrads für Leib und Leben trotz Einwilligung des Rechtsgutsträgers nicht mehr als von der Rechtsordnung hinnehmbar erscheint. Entscheidend ist nicht die Zwecksetzung der Tat oder die moralische Vorstellung der Gesellschaft, sondern der Grad der (Lebens-)Gefährdung, der mit der Verletzungshandlung einhergeht.
6. § 229 StGB – Fahrlässigkeit
Fahrlässig begeht die Körperverletzung, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den konkreten Umständen und seinen subjektiven Fähigkeiten und Kenntnissen nach verpflichtet und imstande ist.
7. § 231 StGB
(1) Schlägerei
ist eine tätliche Auseinandersetzung von mindestens drei Personen, die mit gegenseitigen Körperverletzungen verbunden ist.
(2) Von Mehreren verübter Angriff
ist eine in feindseliger Willensrichtung verübte unmittelbare Einwirkung auf den Körper eines anderen durch mindestens zwei Personen.
(3) Beteiligt
ist, wer sich unmittelbar am Tatort befindet und durch physische (oder psychische, str.) Mitwirkung an den gegen einen anderen gerichteten Tätlichkeiten teilnimmt.
II. Klassische Streitstände
1. Stellt ein de lege artis durchgeführter ärztlicher Eingriff eine Körperverletzung i.S.v. § 223 StGB dar?
(1) Rechtsprechung
Ärztliche Eingriffe stellen stets eine tatbestandliche Körperverletzung dar, die allerdings gerechtfertigt sein können, insbesondere durch eine (ausdrückliche oder mutmaßliche) Einwilligung des Patienten (vgl. grundlegend BGHSt 11, 111 (112)).
(2) Abweichende Literaturmeinung
Indizierte und kunstgerecht durchgeführte ärztliche Eingriffe sind nicht tatbestandsmäßig. Grund: Nach ihrem sozialen Sinngehalt können sie nicht „auf eine Stufe mit dem Messerstecher“ im Sinne einer Misshandlung oder Gesundheitsschädigung gestellt werden. Mitunter wird auch danach differenziert, ob der Heilgriff erfolgreich war oder misslungen ist und ob neue gesundheitliche Gefahren durch den Eingriff geschaffen worden sind.
2. Fallen rein psychische Beeinträchtigungen unter den Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB?
(1) Rechtsprechung und h.M. der Literatur
Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um eine Körperverletzung zu begründen. Diese liegt erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen wird. Emotionale Reaktionen oder etwa latente Angstzustände sind danach für sich genommen nicht tatbestandlich (vgl. BGH Beschluss v. 18.7.2013 – 4 StR 168/13).
(2) Abweichende Literaturmeinung
Auch psychische Erkrankungen bzw. Beeinträchtigungen können tatbestandlich sein – es bedarf keines somatisch-objektivierbaren Zustands.
3. Können unbewegliche Sachen bzw. Gegenstände (Wand, Fußboden usw.) gefährliche Werkzeuge i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt 2. StGB sein?
(1) Rechtsprechung und Teile der Literatur
Nein, nur Gegenstände, die durch menschliche Einwirkung in Bewegung gesetzt werden können, können gefährliche Werkezuge darstellen. In den meisten Fällen wird es sich jedoch um eine lebensgefährdende Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB handeln (vgl. BGHSt 22, 235).
(2) Abweichende Literaturmeinung
Auch unbewegliche Gegenstände können gefährliche Werkzeuge darstellen. Zum einen ist der Wortlaut der Norm weit gefasst und steht diesem Verständnis deshalb nicht entgegen, zum anderen führt die Ansicht der Rechtsprechung zu zufälligen Ergebnissen: Es kann keinen Unterschied machen, ob das Opfer gegen eine fest montierte Säge gewuchtet wird oder der Täter eine Säge in die Hand nimmt und das Opfer verletzt.
4. Bedarf es für eine lebensgefährdende Behandlung i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB einer konkreten Lebensgefahr des Opfers?
(1) Rechtsprechung und h.M.
Nein, es genügt bereits, dass die Tathandlung eine abstrakte Gefährdung des Lebens begründet, die tatsächliche Verletzung des konkreten Tatopfers muss nicht lebensgefährlich sein (z.B. BGHSt 36, 1 (9)). Denn der Wortlaut des Gesetzes stellt auf die Handlung ab, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist ersichtlich kein Erfolgsdelikt.
(2) Abweichende Literaturmeinung
Es bedarf einer konkreten Lebensgefährdung. Aufgrund der hohen Strafandrohung ist eine restriktive Auslegung der Norm geboten.
5. Knüpft der Gefahrverwirklichungszusammenhang bei § 227 StGB an die Verletzungshandlung oder an den Verletzungserfolg an?
(1) Rechtsprechung
Ausreichend ist, dass die Körperverletzungshandlung den tödlichen Erfolg herbeiführt. Aus dem Klammerzusatz in § 227 Abs. 1 StGB ergibt sich zudem, dass ein vollständiger Verweis auf die §§ 223 – 226a StGB vorgenommen wurde. Danach ist sind auch die §§ 223 Abs. 2, 224 Abs. 2 sowie 225 Abs. 2 StGB umfasst (vgl. BGHSt 48, 34 (38)). Daraus folgt vor allem: Auch die versuchte Körperverletzung mit Todesfolge ist möglich!
(2) Abweichende Literaturmeinung
Anzuknüpfen ist ausschließlich an den Körperverletzungserfolg (sog. Letalitätslehre). Die Schwere der Tat ergibt sich gerade aus der Realisation des Verletzungserfolges. Dieses Verständnis gebiete auch die hohe Strafandrohung. Auch der Wortlaut der Norm spricht vom Tod der „verletzten“ Person. Einen erfolgsqualifizierten Versuch kann es deshalb auch nicht geben.
6. Ist dem Täter bei § 231 StGB der Todeserfolg auch zuzurechnen, wenn dieser eintritt, nachdem der Täter die Schlägerei verlassen hat?
(1) Rechtsprechung und Teile der Literatur
Der Erfolg muss sich nicht notwendigerweise im Zeitraum, in dem der Täter noch der Schlägerei beiwohnt, realisieren. Erforderlich ist allein, dass sich der Täter überhaupt an der den Tod verursachenden Schlägerei beteiligt hat (vgl. BGHSt 14, 132 (134)). Grund: Ein anderes Verständnis führt zu Beweisproblemen und konterkariert den Zweck der Strafnorm, die gerade die besondere Gefährlichkeit von Schlägereien im Blick hat. § 231 ist ein reines Gefährdungsdelikt – wer sich entscheidet, an einer Schlägerei teilzunehmen, hat keinen Einfluss mehr auf die Folgen, die hieraus eventuell entstehen. Das soll dem Täter nicht zu Gute kommen.
(2) Abweichende Literaturmeinung
Der Täter muss sich im Zeitpunkt des Eintritts des Todes noch fortwährend an der Schlägerei beteiligen. Die Strafandrohung wird gerade durch den Eintritt des Erfolgs legitimiert, der sich durch das Handeln der Beteiligten manifestiert. Der Täter muss genau dieses Risiko (mit-)geschaffen haben.
 
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14.11.2018/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
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Christian Muders

Strafrechts-Klassiker: Der Rötzel-Fall

Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht

BGH, Urteil v. 30.09.1970 – 3 StR 119/70 (= NJW 1971, 152 = JZ 1970, 788)

Für die Anwendung des § 226 StGB [a.F. = § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] genügt es nicht, wenn der tödliche Ausgang letztlich erst durch das Eingreifen eines Dritten oder das Verhalten des Opfers selbst herbeigeführt wurde; die Verletzungshandlung muß unmittelbar die Todesfolge bewirkt haben.

1. Der Sachverhalt
Der A griff im Obergeschoß des mütterlichen Hauses die Hausgehilfin Resi G tätlich an und brachte ihr eine tiefe Oberarmwunde sowie einen Nasenbeinbruch bei. Vor den fortdauernden Angriffen des A versuchte die verängstigte Frau durch das Fenster ihres Zimmers auf einen Balkon zu flüchten. Dabei stürzte sie ab und verletzte sich tödlich.
2. Die Kernfrage
Die Vorinstanz, das Schwurgericht beim Landgericht Krefeld, hatte den A wegen Körperverletzung mit Todesfolge (damals noch in § 226 StGB a.F. beheimatet) verurteilt. Hiergegen hat der A Revision beim BGH eingelegt und sich u.a. mit der Sachrüge gewehrt. Argumentiert werden könnte insoweit, dass der A zwar für die tödliche Folge im weiteren Sinne kausal war, da ohne seinen tätlichen Angriff die G nicht durch das Fenster geflüchtet wäre. Allerdings hat die G das letzte „Wirkglied“ für ihren tödlichen Sturz, den Ausstieg aus dem Fenster, selbst vorgenommen. Somit wäre zu fragen, ob aufgrund dieses Umstandes der tödliche Erfolg dem A tatsächlich noch (objektiv) als eigener zugerechnet werden kann.
3. Das sagt der BGH
Der BGH hat der Sachrüge des A stattgegeben, die Verurteilung des Landgerichts Krefeld aufgehoben und angenommen, dass der A lediglich wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu bestrafen sei.
a) Insofern hat er zunächst nach Maßgabe der Feststellungen des Ausgangsgerichts den Grundtatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223 StGB bejaht, der zugleich auch die Basis für eine mögliche Erfolgsqualifikation nach § 227 StGB n.F. bildet:

Das Schwurgericht ist, wie es mit aller Deutlichkeit mehrfach betont, der sicheren Überzeugung, daß die Oberarmwunde und der Nasenbeinbruch nicht durch den Sturz aus dem Fenster entstanden sind (UA S. 22, 26 – 29). Diese Überzeugung schöpft es aus den Gutachten der Professoren Dr. Do, Dr. Sch und Dr. S und der Sachverständigen Dr. G und Dipl. Ing. L, die sich „eindeutig“ in diesem Sinne ausgesprochen haben, und weiteren Beweisanzeichen (UA S. 29). (…) Soweit das Urteil auf Seite 5/6 UA von einem „Stich oder Hieb mittels eines entsprechenden Gegenstandes“ spricht, stellt es mit den beiden nachfolgenden Sätzen klar, daß es nur von der Wahrscheinlichkeit der Verwendung eines Werkzeugs ausgeht, wie dies auch noch an anderer Stelle (UA S. 27) deutlich gesagt wird. Mit seinen weiteren, im Zusammenhang damit stehenden Ausführungen greift der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schwurgerichts an.

b) Im Folgenden verneint der BGH allerdings das Vorliegen der Erfolgsqualifikation des § 227 StGB und macht dies daran fest, dass es an einer spezifischen Verbindung zwischen Grunddelikt und eingetretenem tödlichen Erfolg fehle. Hierzu referiert der entscheidende Senat zunächst die Entwicklung der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu § 227 StGB:

Der Tatbestand dieser Bestimmung erfordert, daß der Tod des Verletzten durch die Körperverletzung verursacht worden ist. Unter Körperverletzung in diesem Sinne hatte die frühere Rechtsprechung, von der vereinzelt gebliebenen Entscheidung RG DR 1945, 22 abgesehen, nur die Körperliche Beschädigung als solche verstanden; sie ließ die Ursächlichkeit des Verhaltens des Täters für den Tödlichen Erfolg nicht genügen (so RGSt 44, 137; OGHSt 2, 335, 337; BGH 4 StR 378/53 vom 3. Dezember 1953 bei Dallinger MDR 1954, 150). Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber in BGHSt 14, 110 die Anwendungsmöglichkeit des § 226 [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] erweitert. Er stellt nunmehr maßgeblich darauf ab, ob die Körperverletzungshandlung zum Tode des Angegriffenen geführt, ob also der der Verletzung zugrunde liegende Tätigkeitsakt zugleich auch den Tod bewirkt hat, und hält einen so beschaffenen Ursachenzusammenhang für ausreichend. Auch nach dieser Ansicht muß es freilich zu einer Verletzung gekommen sein, und zwar nicht nur einer solchen, wie sie an sich, als Durchgangsstadium, in jeder Tötung eingeschlossen ist.

Dieser Ansicht stellt der BGH sodann Stellungnahmen aus der Literatur gegenüber:

Die Entscheidung ist auf Kritik gestoßen, die an der früheren Auffassung festhalten möchte (…). Noch weiter als der Bundesgerichtshof will andererseits Stree (GA 1960, 289, 292) gehen. Nach seiner Meinung soll § 226 StGB [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] auch anwendbar sein, wenn ein Dritter oder, wie hier, das Opfer selbst die unmittelbare Todesursache setzen. Dieser Ansicht ist im Ergebnis auch das Schwurgericht.

Der BGH weist die zuletzt genannte, von seinem Standpunkt aus extensivere Auslegung des Zusammenhangs zwischen Grunddelikt und Erfolg im Folgenden allerdings als verfehlt zurück:

Einer Stellungnahme zu der Kritik an BGHSt 14, 110 bedarf es nicht. Denn auch vom Boden der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Auffassung aus läßt sich die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge nicht rechtfertigen. Das Schwurgericht mißversteht sie, wenn es sich auf sie beruft. Auch wenn man an die Stelle der Körperverletzung im Sinne des Schädigungserfolgs die Verletzungshandlung treten läßt, so muß doch diese unmittelbar die Todesfolge bewirkt haben (…) Im gleichen, insoweit einschränkenden Sinne hat sich der Bundesgerichtshof in BGHSt 22, 362 (zu § 251 StGB) ausgesprochen. (…) Allerdings ist es nach der Einführung des § 56 StGB nicht mehr nötig, um eine nicht verschuldete Todesfolge von der Anwendbarkeit des § 226 StGB [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] auszuschließen, mit der Forderung nach einem „typischen Kausalverlauf“ Elemente der Vorhersehbarkeit in die Prüfung des Ursachenzusammenhangs einzufügen. Von dort her besteht ein solches Bedürfnis nicht mehr. Indessen ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 226 StGB [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.], daß hier eine engere Beziehung zwischen der Körperverletzungshandlung und dem tödlichen Erfolg gefordert ist als sie ein Ursachenzusammenhang nach der Bedingungstheorie voraussetzt. Entgegengewirkt werden sollte mit der Schaffung der Vorschrift der der Körperverletzung anhaftenden spezifischen Gefahr des Eintritts des qualifizierenden Erfolges (vgl. Oehler ZStW 1969, 503, 513). In einem tödlichen Ausgang, der unmittelbar erst durch das Eingreifen eines Dritten oder das Verhalten des Opfers selbst herbeigeführt wurde, hat sich aber nicht mehr die dem Grundtatbestand (§ 223 StGB) eigentümliche Gefahr niedergeschlagen (vgl. Ulsenheimer GA 1966, 257, 268), die der Gesetzgeber im Auge hatte. Auch die hohe Mindeststrafe des § 226 StGB [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] spricht für eine einschränkende Auslegung.

c) Scheidet danach die Verurteilung wegen § 227 StGB aus, bleiben konsequenterweise nur noch die beiden vom Täter isoliert verwirklichten Teilelemente, nämlich einerseits der Grundtatbestand des § 223 StGB und andererseits eine fahrlässige Tötung nach § 222 StGB übrig, deren Vorliegen der BGH im weiteren Verlauf bejaht:

Kann hiernach die Verurteilung aus § 226 StGB [= § 227 StGB n.F., Anm. des Verf.] nicht bestehen bleiben, so ergibt sich doch aus den Feststellungen des Schwurgerichts ohne weiteres, daß sich der Angeklagte der leichten Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung (§§ 223, 222, 73 StGB) schuldig gemacht hat. Der Todeserfolg war auch für ihn voraussehbar. Was das Schwurgericht dazu ausführt (UA S. 39), ist rechtlich nicht zu beanstanden und gilt auch im Rahmen des § 222 StGB.

4. Fazit
Der Rötzel-Fall ist ein Klassiker zum Problemkreis des erfolgsqualifizierten Delikts, welches gerade im Gewand der Erfolgsqualifikationen nach den §§ 223 ff. StGB zu den Dauerbrennern der juristischen Ausbildung zählt.
a) Ausgangspunkt für die rechtliche Problematik ist dabei die Überlegung, dass der Wortlaut des § 227 Abs. 1 StGB mit der Formulierung, dass der Täter mit einer Körperverletzung nach den §§ 223-226 StGB den Tod der verletzten Person „verursacht“ haben muss, auf eine innere Verbindung zwischen dem Körperverletzungsdelikt und dem Eintritt der Erfolgsqualifikation abstellt. Diese kann sich aber nicht in einer bloßen Kausalität (nach der q.s.q.n.-Formel) erschöpfen, was folgender hypothetischer Vergleich anschaulich macht: Würde man sich die Existenz des § 227 StGB wegdenken, würde der Täter nicht etwa straflos bleiben, vielmehr hätte er eine vorsätzliche Körperverletzung und eine fahrlässige Tötung begangen, beides durch dieselbe(n) Handlung(en) verwirklicht und also in Tateinheit zueinander stehend (§ 52 StGB). Insofern wird aber als möglicher Sanktionsrahmen „nur“ Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre (oder Geldstrafe) angeboten (vgl. § 52 Abs. 2 S. 1 StGB). Hierzu stehen die Sanktionsmöglichkeiten des § 227 Abs. 1 StGB in einem krassen Gegensatz, da hier der Strafrahmen erst ab drei Jahren beginnt (und selbst in einem minder schweren Fall gem. Abs. 2 noch bis zu zehn Jahre erreicht!). Die höhere Strafdrohung des § 227 StGB im Vergleich zur tateinheitlichen Verwirklichung der vorgenannten Delikte ist daher nur dann zu erklären, wenn man in § 227 StGB nicht nur die tateinheitliche Verwirklichung einer einfachen Körperverletzung plus fahrlässiger Tötung geregelt sieht, sondern einen spezifischen (engeren) Zusammenhang zwischen Grunddelikt und fahrlässiger Tötung fordert, der ein erhöhtes Unrecht generiert und folglich die schärfere Sanktionsmöglichkeit begründet.
b) Wie dieser spezifische Zusammenhang nun genau beschaffen sein muss, ist in Rechtsprechung und Literatur freilich umstritten. Der BGH zeichnet in der hier behandelten Entscheidung die Entwicklung der Rechtsprechung nach, wonach sich zunächst die schwere Folge des Todes unmittelbar aus dem vorsätzlich herbeigeführten Verletzungserfolg ergeben musste, wie dies heute noch die sog. Letalitätstheorie vertritt (vgl. dazu nur Roxin, AT I, 4. Aufl. 2006, § 10 Rn. 115 m.w.N.). Demgegenüber nimmt der BGH bereits im Rötzel-Urteil einen etwas weiter gefassten Standpunkt ein, indem es der entscheidende Senat ebenfalls für ausreichend erachtet, wenn zwar nicht der vorsätzliche Körperverletzungserfolg, wohl aber die vorsätzlich herbeigeführte Handlung unmittelbar zum Tode führt. Exemplarisch hierfür ist etwa der bekannte Pistolenschuss-Fall (BGH, Urteil v. 02.02.1960 – 1 StR 14/60 = BGHSt 14, 110 ff.), den das Gericht auch in der Rötzel-Entscheidung mehrfach zitiert: Hier hatte der Angeklagte mit einer ungesicherten Waffe auf den Kopf des Opfers eingeschlagen, wobei sich aus Versehen ein Schuss löste und das Opfer tödlich traf, was der Täter so keinesfalls gewollt hatte. Da der vorsätzlich ausgeführte Schlag mit der Pistole nichtsdestotrotz unmittelbar den Tod auslöste, bejahte der BGH in diesem Fall dennoch das Vorliegen des § 227 StGB. Demgegenüber soll eine Unmittelbarkeit nach der Rötzel-Entscheidung dann nicht mehr gegeben sein, wenn der Tod des Opfers zwar mit der Körperverletzungshandlung des Täters in Zusammenhang steht, aber schlussendlich erst durch das weitere Verhalten eines Dritten oder auch des Opfers selbst herbeigeführt wird, so dass dies nach Art eines „Regressverbots“ die Zurechnung desselben an die einfache Körperverletzung des Täters sperrt.
c) An diesem Punkt ist die Entwicklung der Rechtsprechung freilich nicht stehen geblieben. Vielmehr hat der BGH in weiteren Entscheidungen auch von dieser einschränkenden Betrachtung abgelassen und ebenfalls bei schädigenden Handlungen des Opfers selbst noch den Unmittelbarkeitszusammenhang bejaht. Bekanntestes Beispiel hierfür ist sicherlich der sog. Gubener-Hetzjagd-Fall (BGH, Beschluss v. 09.10.2002 – 5 StR 42/02 = BGHSt 48, 34 ff. = NJW 2003, 150 ff.), in welchem ein Ausländer von Skinheads durch eine Ortschaft gejagt wurde, bis dieser sich nicht mehr zu helfen wusste und aus Angst durch eine von ihm eingetretene Glastür in ein Anwesen sprang, wo er aufgrund von Schnittverletzungen verblutete. Hier hat der BGH – im Gegensatz zum früheren Rötzel-Fall – den Zurechnungszusammenhang auch aufgrund der eigenen Verletzungshandlung des Opfers nicht abgelehnt, da dessen Reaktion „eine naheliegende und nachvollziehbare Reaktion auf den massiven Angriff der Angeklagten“ gewesen sei, welche sich bei durch Gewalt und Drohung geprägten Straftaten geradezu als „deliktstypisch“ darstelle. Gleiches muss dann aber auch für das Opfer im vorliegenden Sachverhalt Geltung beanspruchen, da auch die G von Angst vor den Angriffen des A getrieben war, als sie versuchte, von ihrem Fenster aus den benachbarten Balkon zu erreichen und schlussendlich abstürzte. Der Rötzel-Fall würde daher nach aktueller Rechtsprechung wohl anders beurteilt werden als zum Zeitpunkt des tatsächlichen Urteils im September 1970. Mit den vorgestellten Weiterungen entfernt sich der BGH freilich von seiner ursprünglichen Intention, den Zurechnungszusammenhang bei der Körperverletzung mit Todesfolge enger zu bestimmen als bei einer „einfachen“ fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB, gegen deren Vorliegen er ja auch in der hiesigen Entscheidung keine Bedenken hegte. Wohin eine zu großzügige Aufweichung des Unmittelbarkeits-Kriteriums führen kann, ist dabei krass im sog. Hochsitz-Fall zu beobachten (BGH, Urteil v. 30.06.1982 – 2 StR 226/82 = BGHSt 31, 96 ff. = NJW 1982, 2831 f.): Hier hatte der Angeklagte einen Hochsitz umgeworfen, auf dem sein Onkel, der später verstorbene D, saß, um die Jagd auszuüben. D fiel herunter und brach sich dabei den rechten Knöchel. Der Bruch wurde in einer Klinik operativ behandelt und der Verletzte sodann aus dem Krankenhaus entlassen, ohne dass ihm vorher blutverflüssigende Mittel gegeben oder eine gebotene Nachsorge vorgenommen worden wäre. Als D wenig später an einer Lungenembolie in Verbindung mit einer Lungenentzündung verstarb, die sich in Abhängigkeit zu dem verletzungsbedingten längeren Krankenlager entwickelt hatte, wurde dies vom BGH dem Angeklagten zugerechnet, obwohl die Komplikationen maßgeblich auf Fehlentscheidungen des Krankenhauses zurückzuführen waren. Inwiefern in diesem Fall aber noch „strengere“ Kriterien für die Zurechnung des Todeserfolgs im Vergleich zur „einfachen“ fahrlässigen Tötung angewendet wurden, ist nicht mehr ersichtlich.

13.12.2012/1 Kommentar/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-12-13 10:00:212012-12-13 10:00:21Strafrechts-Klassiker: Der Rötzel-Fall
Christian Muders

BGH: (Nochmal) zur Körperverletzung mit Todesfolge bei Brechmitteleinsatz

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Anm. zu BGH, Urteil v. 20.06.2012 – 5 StR 536/11 (= NJW 2012, 2453)
1. Um was geht es?
Die Polizeibeamten K und F nahmen den unbestraften, aus Sierra Leone stammenden C am 4. Dezember 2004 um 0.10 Uhr wegen des Verdachts des illegalen Kokainhandels vorläufig fest. Bevor C auf Aufforderung der Polizeibeamten den Mund öffnete, sahen sie dessen deutliche Schluckbewegungen und gingen aufgrund kriminalistischer Erfahrung mit „Kleindealern“ von einem Verschlucken von Kokainbehältnissen aus. Der Polizeibeamte K ordnete daher den sofortigen Brechmitteleinsatz (Exkorporation) der Drogenbehältnisse gemäß § 81a StPO an. Der Angeklagte A, ein im Beweismittelsicherungsdienst tätiger Arzt, führte diesen durch Legen einer Nasen-Magen-Sonde im Behandlungszimmer des Polizeigewahrsams aus, nachdem er den C zunächst oberflächlich körperlich untersucht hatte und keine Auffälligkeiten feststellen konnte. Da es in Folge der Durchführung des Brechmitteleinsatzes zunächst zu Komplikationen bei C kam, der nicht mehr ansprechbar war und erkennbar „eingetrübt“ wirkte, wurden ein Notarzt samt Rettungssanitäter benachrichtigt. Diese verabreichten dem C die Infusion eines Notfallmedikaments sowie eine Gabe Sauerstoff. Als der Verdächtige wieder einigermaßen stabil schien, wurde die Exkorporation sodann durch A nach einer oberflächlichen Überprüfung der Vitalfunktionen erneut fortgeführt, nachdem er den Notarzt vorab gebeten hatte, noch zu bleiben. Der C fiel bei dieser Fortsetzung der Maßnahme ins Koma und verstarb mehrere Wochen später.
Nachdem das LG Bremen den A zunächst freigesprochen hatte, hob der BGH mit Urteil v. 29.04.2010 – 5 StR 18/10 (= BGHSt 55, 121 ff. = BGH, NJW 2010, 2595 ff.) diese Entscheidung auf und verwies die Sache zurück an eine andere Schwurgerichtskammer des LG. Nachdem auch diese zu einem Freispruch des A kam, hatte der BGH nunmehr erneut zu entscheiden. Die zweite Schwurgerichtskammer hat ihren erneuten Freispruch u.a. darauf gestützt, dass die konkrete Todesursache des C nicht mit der für eine Verurteilung hinreichenden Sicherheit festgestellt werden könne. Zwar hielt es das Gericht für sehr wahrscheinlich, dass Todesursache bei C eine Mangelversorgung des Gehirns mit Sauerstoff als Folge von Ertrinken nach Eindringen des über den Magenschlauch zugeführten Wassers in die Lunge (Aspiration) bei forciertem Erbrechen war. Allerdings lasse es sich nicht ausschließen, dass bei dem Tod des C auch andere Faktoren, u.a. ein chronischer Herzmuskelschaden, jedenfalls im Sinne eines „multifaktoriellen Geschehens“ mitgewirkt haben könnten, was für A aber nicht vorhersehbar gewesen sei (Sachverhalt etwas vereinfacht).
2. Was sagt der BGH?
Der BGH hat das Urteil des LG Bremen erneut aufgehoben und die Sache wiederum an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts verwiesen. Er hat angenommen, dass aufgrund des durch die beiden Eingangsinstanzen festgestellten Sachverhalts (weiterhin) eine Verurteilung des A wegen Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 Abs. 1 StGB, in Betracht komme.
a) Vorliegen des § 223 Abs. 1 StGB
Die Körperverletzung mit Todesfolge ist eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination in Gestalt eines sog. erfolgsqualifizierten Delikts. Danach muss zunächst der Grundtatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB (ggf. auch qualifiziert nach §§ 224 Abs. 1, 225 Abs. 1 Alt. 1 StGB) vorliegen, was in der Klausur vorweg erörtert werden kann.
aa) Tatbestand
Der BGH ist zunächst ohne größere Problematisierung davon ausgegangen, dass der objektive und subjektive Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB durch das Verabreichen von Brechmitteln mittels einer Nasen-Magen-Sonde verwirklicht wurde. Dies ist insoweit unproblematisch, als dass das Setzen der Sonde einen substantiellen Eingriff in den Körper des C und das Auslösen von Erbrechen eine wesentliche Störung der körperlichen Funktionen darstellt, so dass sowohl eine körperliche Misshandlung als auch eine Gesundheitsschädigung bei C vorliegen.
bb) Rechtswidrigkeit
Sodann war zu entscheiden, ob die als tatbestandsmäßige Körperverletzung zu bewertende Exkorporation nicht durch die strafprozessuale Eingriffsnorm des § 81a StPO gedeckt und also gerechtfertigt werden konnte. Dies war indes aus zwei Gründen ausgeschlossen:
(1) Zum einen stellt sich der körperliche Eingriff durch Brechmitteleinsatz in der vorliegenden Situation als unverhältnismäßig dar. Hierfür kann an eine (allerdings nach der maßgeblichen Tat ergangene) Entscheidung des EGMR (Urteil v. 11. 7. 2006 – 54810/00 [= NJW 2006, 3117 ff.]) angeknüpft werden, der das Einführen einer Nasen-Magen-Sonde zur Verabreichung von Brechmitteln als Verletzung der EMRK bewertet hatte, sofern hiermit nur einige wenige Drogenkügelchen zu Tage gefördert werden sollen; angesichts der damit einhergehenden Gesundheitsgefahren und der Tatsache, dass in solchen Fällen der Kleinkriminalität die Drogenkügelchen auch im Wege der natürlichen Ausscheidung erlangt werden können, verstoße eine solche Behandlung (u.a.) gegen das Folterverbot nach Art. 3 EMRK, so dass ein solcher Eingriff nicht auf § 81a StPO gestützt werden könne.
(2) Des Weiteren war vorliegend zu beachten, dass (jedenfalls) die Fortsetzung der Brechmittelverabreichung, nachdem der C hierauf bereits körperlich negativ reagiert hatte, auch gegen § 81a Abs. 1 S. 2 StPO verstieß, wonach bei einer körperlichen Untersuchung im Sinne der vorgenannten Norm kein Nachteil für die Gesundheit des Beschuldigten zu befürchten sein darf:

Es kann dahingestellt bleiben, ob im Rahmen des § 81a StPO nicht ein engerer Beurteilungsmaßstab anzulegen ist, als ihn das Landgericht verwendet hat (…). Jedenfalls hat die Schwurgerichtskammer den aktuellen Gesundheitszustand des Verstorbenen (vgl. Meyer-Goßner aaO) nicht hinreichend in seine – im Übrigen durch keinen der zahlreichen Sachverständigen gestützte – Wertung einbezogen, dass ein erfahrener Facharzt bei Fortsetzung der Exkorporation nicht mit Nachteilen für dessen Gesundheit habe rechnen müssen. Rechtsfehlerhaft hat sie ferner hinsichtlich der Voraussetzungen des § 81a Abs. 1 Satz 2 StPO (…) darauf abgestellt, dass sich die Aspirationsgefahr aus der Sicht ex post nicht zu ihrer Überzeugung verwirklicht habe (u.a. S. 101). Darauf kommt es nicht an. Maßgebend ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, ob bei objektiver Betrachtung der Gefahrenlage aus der Sicht ex ante bei Fortsetzung der Exkorporation mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Nachteile zu erwarten waren (…). Das ist nach dem durch das Landgericht festgestellten Geschehen unzweifelhaft zu bejahen.

Diese Wertung des BGH ist überzeugend: Selbstverständlich kann es nicht darauf ankommen, ob sich im Nachhinein (ex post), gerade die Gefahren der Exkorporation tatsächlich im Tod des Opfers verwirklicht haben, vielmehr ist nach dem Wortlaut des § 81a StPO, wonach eine Gesundheitsgefahr nur „zu befürchten“ sein muss, ein Verstoß gegen Abs. 1 S. 2 der Norm bereits dann anzunehmen, wenn ex ante eine durch den körperlichen Eingriff bedingte Gesundheitsschädigung möglich erscheint – was nach der Wertung der Schwurgerichtskammer, die sogar eine schlussendliche Realisation der Gefahrenlage durch Ertrinken des C aufgrund der fortgeführten Exkorporation als „sehr wahrscheinlich“ einstufte, erfüllt war.
cc) Schuld
Entschuldigungsgründe im engeren Sinn sind für den vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Allerdings hat sich der BGH mit mehreren potentiellen Irrtümern des A befasst, die Auswirkung auf dessen Schuld haben könnten:
(1) Hierbei ist zunächst der Umstand zu bewerten, dass die Entscheidung des EGMR, die von der generellen Unverhältnismäßigkeit einer Exkorporation zur Erlangung verschluckter Kokainbehältnisse ausgeht, erst nach der Tat des A ergangen ist, während diese Praxis zuvor von mehreren deutschen Gerichten nicht beanstandet worden war. Insoweit hat bereits die erste Entscheidung des BGH v. 29.04.2010 – 5 StR 18/10 – die Möglichkeit eines schuldausschließenden Irrtums zugunsten des A erwogen, dessen Einstufung freilich offen gelassen wurde:

Dass der vom Angeklagten verantwortete und vollzogene Brechmitteleinsatz nach objektiven Maßstäben aus derzeitiger – im Anschluss an EGMR NJW 2006, 3117 geläuterter – Sicht eindeutig als Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zu werten ist, stellt das Ergebnis noch nicht in Frage; insoweit ist ihm angesichts zur Tatzeit anerkannter Rechtsprechung (OLG Bremen NStZ-RR 2000, 270; KG JR 2001, 162) ein Erlaubnistatbestandsirrtum oder ein unvermeidbarer Verbotsirrtum zuzubilligen.

Tatsächlich dürfte vorliegend insoweit allein ein (indirekter) Verbotsirrtum in Betracht kommen. Es ist davon auszugehen, dass der A die tatsächlichen Umstände, die eine Unverhältnismäßigkeit des Brechmitteleinsatzes begründen (nicht unwesentliche Gefahren für die Gesundheit des Opfers bei einer Exkorporation; Ausscheiden der Drogen auf natürlichem Wege), zutreffend erfasst hatte, lediglich die hieraus folgende (genuin strafrechtliche) Wertung, dass nach Abwägung dieser Umstände eine Rechtfertigung nach § 81a StPO nicht in Betracht kommt, verkannte. A hat also den existenten Rechtfertigungsgrund des § 81a StPO im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Anwendung zu eigenen Gunsten überdehnt, was, da ihm die deutsche Rechtsprechung in diesem Punkt damals noch Schützenhilfe leistete, zu einem indirekten, unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 S. 1 StGB führt.
(2) Dieser unvermeidbare Verbotsirrtum führt nach Auffassung des BGH aber nicht zur (endgültigen) Entlastung des A, da der fortgesetzte Einsatz des Brechmittels nach Eintreten der ersten Komplikationen und dem Eintreffen des Notarztes auch unabhängig von der damals noch angenommenen, generellen Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme im konkreten Fall (im Hinblick auf § 81a Abs. 1 S. 2 StPO) nicht vertretbar gewesen sei. Insofern sieht der BGH auch keinen Erlaubnistatbestandsirrtum bei A durch Verkennen des ernsten Zustandes des C als gegeben an:

Auch am Körperverletzungsvorsatz ist nicht zu zweifeln. Namentlich sind den Feststellungen nicht die Voraussetzungen für einen etwaigen vorsatzausschließenden Erlaubnistatbestandsirrtum (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2000 – 4 StR 558/99, BGHSt 45, 378, 384) infolge Verkennung der für den Verstorbenen bestehenden Gefahrenlage zu entnehmen. Die Bitte an den Notarzt, noch zu bleiben (vgl. oben), läuft der Annahme einer in dieser Hinsicht bestehenden Fehlvorstellung des Angeklagten zuwider.

Demgemäß kann die Annahme des A, trotz der eingetretenen gesundheitlichen Komplikationen und unter Hinzuziehung des Notarztes mit dem Brechmitteleinsatz fortfahren zu dürfen, allenfalls als weiterer, diesmal jedoch vermeidbarer Verbotsirrtum nach § 17 S. 2 StGB klassifiziert werden, welcher eine Bestrafung des A jedenfalls „dem Grunde nach“ (anders ist ggf. für eine Strafrahmenmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB zu entscheiden) nicht hindert.
(3) Im Ergebnis ergibt sich vorliegend also ein Fall des Doppelirrtums, der den Täter nicht entlastet, nur dass er nicht in der (bekannteren) Kombination von Erlaubnis- und (vermeidbarem) Verbotsirrtum, sondern in der etwas exotischeren Variante von unvermeidbarem und vermeidbarem Verbotsirrtum auftritt. Der A handelte demgemäß auch schuldhaft.
b) Vorliegen der Qualifikationsmerkmale des § 227 Abs. 1 StGB:
Nach Verwirklichung des Grunddelikts sind sodann die Voraussetzungen der Erfolgsqualifikation des § 227 Abs. 1 StGB zu prüfen.
aa) Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolgs
Der Tod des C wurde auch nach den Wertungen der zweiten Schwurgerichtskammer (zumindest auch) durch den fortgesetzten Brechmitteleinsatz bei C bedingt, so dass ein „einfacher“ Ursachenzusammenhang zwischen qualifiziertem Erfolg und Grunddelikt i.S.d. conditio-sine-qua-non-Formel zu bejahen ist.
bb) Zurechnungszusammenhang
Auch der bei den erfolgsqualifzierten Delikten zu fordernde „unmittelbare“ bzw. „besondere Schutzzweckzusammenhang“ zwischen Grunddelikt und eingetretener schwerer Folge liegt nach Auffassung des BGH vor.
(1) Dabei ist zunächst einmal zu betonen, dass es vorliegend nicht auf den bekannten Streit zwischen Letalitätstheorie und derjenigen Ansicht, die (auch) eine Verursachung des Todes durch die Körperverletzungshandlung ausreichen lässt, ankommt. Da hier der Tod durch das Einführen der Nasen-Magen-Sonde und Verabreichen des Brechmittels – als vorsätzlich herbeigeführter, tatbestandsmäßiger Körperverletzungserfolg – hervorgerufen wurde, scheidet vielmehr nach beiden Meinungen ein Zurechnungszusammenhang insofern nicht aus.
(2) Darüber hinaus führen auch die von der Schwurgerichtskammer festgestellten Besonderheiten in der Konstitution des Opfers, die den Tod des C jedenfalls (mit-)bedingt haben könnten, nach dem BGH nicht zu einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs:

Rechtsfehlerfrei geht das Landgericht davon aus, dass der Angeklagte mit den in Fortsetzung der Exkorporation getroffenen Maßnahmen den Eintritt des Todeserfolgs verursacht hat. Auch bei angenommener Todesursache eines multifaktoriellen Geschehens ist der erforderliche Zurechnungszusammenhang keinen Zweifeln ausgesetzt. Denn auch dann hat sich die der Verwirklichung des Grunddelikts eigentümliche tatbestandsspezifische Gefahr im tödlichen Ausgang verwirklicht (vgl. hierzu etwa BGH, Urteile vom 30. Juni 1982 – 2 StR 226/82, BGHSt 31, 96; vom 28. März 2001 – 3 StR 532/00, BGHR StGB § 227 Todesfolge 1; vom 16. März 2006 – 4 StR 536/05; BGHSt 51, 18, 21; und vom 10. Januar 2008 – 5 StR 435/07 BGHR StGB § 227 Todesfolge 6). Die etwa mitwirkende unerkannte Herzvorschädigung des Verstorbenen führt dabei nicht zur Annahme eines außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegenden, als Verkettung außergewöhnlicher, unglücklicher Umstände anzusehenden und deshalb dem Angeklagten nicht anzulastenden Geschehens.

cc) Objektive Fahrlässigkeit des Täters
(Objektiv) fahrlässig handelt ein Täter bekanntermaßen dann, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt, obwohl der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für eine Person seines einschlägigen Verkehrskreises vorherseh- und vermeidbar war.
(1) Insofern ist zunächst einmal eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung des A zu bejahen. Im Bereich der erfolgsqualifizierten Delikte ergibt sich eine solche Sorgfaltspflichtverletzung regelmäßig bereits aus der von der Herbeiführung des erfolgsqualifizierten Delikts zu trennenden, vorsätzlichen Verwirklichung des Grunddelikts, wobei sich allerdings hier – da eine Rechtfertigung der unstr. als Körperverletzung zu wertenden Maßnahme nach § 81a StPO in Betracht kam – die Sorgfaltspflichtverletzung m.E. (auch) auf die Verkennung der Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes bezieht. Der BGH führt hierzu aus:

Im Rahmen des § 227 StGB ist, weil schon in der Begehung des Grunddelikts eine Verletzung der Sorgfaltspflicht liegt, alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit die Vorhersehbarkeit des Todeserfolgs (BGH, Urteile vom 28. März 2001 – 3 StR 532/00, BGHR StGB § 227 Todesfolge 1, und vom 16. März 2006 – 4 StR 536/05, BGHSt 51, 18, 21).

Diese vom Gericht gewählte Formulierung ist freilich insofern unglücklich, als natürlich auch bei § 227 StGB eine Sorgfaltspflichtverletzung vonnöten ist, nur dass diese über die bereits festgestellte Verwirklichung des Grunddelikts hinaus keine weiteren Anforderungen stellt. Dennoch sollte in Klausuren natürlich trotzdem das Vorliegen dieses Merkmals kurz benannt werden. Auch wird die ebenfalls von der obenstehenden Definition geforderte Vermeidbarkeit des Erfolges vom BGH komplett ignoriert, aber wohl nur, weil eine solche bei Vorhersehbarkeit des Erfolgs grundsätzlich anzunehmen und dementsprechend nur dann näher zu problematisieren ist, wenn Anzeichen dafür bestehen, dass in der konkreten Situation trotzdem eine Verhinderung des Erfolgs nicht möglich war.
(2) Sodann ist die (objektive) Vorhersehbarkeit des Todeserfolgs zu prüfen, die vom Landgericht noch verneint wurde, was der BGH in seinem Urteil nunmehr korrigiert:

Für die Vorhersehbarkeit] (…) ist entscheidend, ob vom Täter in seiner konkreten Lage und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten der Todeseintritt vorausgesehen werden konnte oder ob aus dieser Sicht die tödliche Gefahr für das Opfer so weit außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lag, dass die qualifizierende Folge dem Täter deshalb nicht zuzurechnen ist (BGHSt aaO mwN). (…) An diesen Grundsätzen gemessen steht die Vorhersehbarkeit des Todeseintritts auch auf der Basis des durch das Landgericht als todesursächlich unterstellten multifaktoriellen Geschehens nicht in Frage. Zwar konnte der Herzschaden im Zeitpunkt der Fortsetzung der Exkorporation durch den Angeklagten ohne eingehende körperliche Untersuchung nicht diagnostiziert werden. Ebenso nimmt die Schwurgerichtskammer nachvollziehbar an, dass die Einzelheiten des tödlichen Ablaufs nicht absehbar gewesen sind. Das ist jedoch auch nicht erforderlich; denn die (…) Vorhersehbarkeit muss sich nicht auf alle Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs, mithin auch nicht auf die konkrete Todesursache erstrecken (…). Mit Komplikationen auch aufgrund nicht auf den ersten Blick erkennbarer Vorschädigungen muss der Fachkundige – zumal in Ermangelung einer gründlichen Untersuchung – bei einem so gearteten Zwangseingriff vielmehr stets rechnen. (…) Das Wissen um solche Risiken gehört naturgemäß auch zum beruflichen Erfahrungsbereich des nach den Feststellungen der nunmehr entscheidenden Schwurgerichtskammer überdies vielfach mit – wenngleich nicht zwangsweise durchgeführten – Exkorporationen befassten und über deren Risiken wohl informierten (vgl. UA S. 11, 14) Angeklagten.

Dieser Wertung des BGH ist zuzustimmen. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass dann, wenn bereits ein – i.Ü. auch vom LG angenommener! – „enger“ Zurechnungszusammenhang zwischen Körperverletzung und qualifizierten Erfolg bejaht wird, dies erst Recht auch für die (objektive) Vorhersehbarkeit im Rahmen der Fahrlässigkeit gelten muss. Das Urteil der Schwurgerichtskammer ist also in diesem Punkt als widersprüchlich anzusehen. Die Erforderlichkeit eines Erkennens des spezifischen Ursachenzusammenhangs in allen Einzelheiten, wie sie offenbar vom LG verlangt wird, ist dabei auch deswegen abzulehnen, weil gerade aufgrund der konkreten körperlichen Reaktionen des C, die dieser nach Durchführung der ersten Exkorporation zeigte, gem. der insoweit maßgeblichen Vorschrift des § 81a Abs. 1 S. 2 StPO bereits ein Verzicht des A auf weitere körperliche Eingriffe angezeigt war. Dass dieser sich im Anschluss darauf beschränkte, allein eine oberflächliche Prüfung der aktuellen Vitalfunktionen des C vorzunehmen, im Übrigen aber die Exkorporation erneut fortsetzte, kann ihm daher – i.S.e. Übernahmefahrlässigkeit – nicht zur Entlastung gereichen.
dd) Rechtswidrigkeit und Schuld, insb. individuelle Fahrlässigkeit
Auch im Hinblick auf den Qualifikationstatbestand des § 227 Abs. 1 StGB ist eine Rechtfertigung des Handelns des A („erst Recht“) abzulehnen. Bei der Schuld gilt zunächst bzgl. der fehlenden Relevanz der Fehlvorstellungen des Täters das oben Gesagte. Zusätzlich ist auch eine – nach dem herrschenden zweigliedrigen Fahrlässigkeitsbegriff hier zu prüfende – individuelle Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Geschehens zu Lasten des A anzunehmen.
3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
Bereits die Vorgängerentscheidung des BGH hat eine Welle von Aufmerksamkeit provoziert (vgl. nur die Anm. von Brüning, ZJS 2010, 549 ff.; Eidam, NJW 2010, 2599 f. sowie den Aufsatz von Krüger/Kroke, Jura 2011, 289 ff.), sodass das erneute Urteil in dieser Sache durchaus das Potential hat, den Sachverhalt im Hinblick auf anstehende Prüfungsleistungen wiederholt interessant zu machen. Relevant erscheint dabei insbesondere der Umgang des Prüflings mit den Voraussetzungen bzgl. der Vorhersehbarkeit des Todes von C (ex ante-, nicht ex post-Betrachtung entscheidend, keine Kenntnis der Einzelheiten erforderlich) – aber auch – sofern der Sachverhalt hierzu explizite Angaben macht – mit Fehlvorstellungen des A bzgl. der Rechtmäßigkeit des Brechmitteleinsatzes, die hier an zwei Anknüpfungspunkten festgemacht werden können.
Weiterhin ist aus Prüfersicht interessant, dass vorliegend nur die Mutter des Opfers als Nebenklägerin Revision eingelegt hatte, deren Geltendmachung sachlich-rechtlicher Gesetzesverletzungen jedoch beschränkt ist: So hätte sie etwa eine einfache, auch vorsätzliche Körperverletzung des A grundsätzlich nicht zur Revision berechtigt, da eine Nebenklage von nahen Angehörigen des unmittelbaren Opfers nur zulässig ist, wenn entweder ein Delikt mit zurechenbarer Todesfolge im Raum steht oder aber das Verfahren aufgrund eines Klageerzwingungsverfahrens eingeleitet wurde (§ 395 Abs. 2 StPO).
Im Hinblick auf die Prüfungsreihenfolge bei den Merkmalen des § 227 Abs. 1 StGB ist schließlich noch anzumerken, dass die objektive Fahrlässigkeitsprüfung natürlich auch, wie das einige Prüfschemata vorsehen, vor die Prüfung des Schutzzweckzusammenhangs gezogen werden kann. M.E. bietet sich aber zumindest dann, wenn dort das eigentliche Problem der Prüfung des § 227 Abs. 1 StGB liegt, ein Vorziehen der letztgenannten Voraussetzung an. Wenn nämlich bereits nach dem (strengen)  Zurechnungszusammenhang eine ausreichend enge Verbindung zwischen Grunddelikt und qualifiziertem Erfolg besteht, muss dies ebenso für den – regelmäßig geringere Anforderungen stellenden – Fahrlässigkeitszusammenhang gelten, wie auch die unterschiedlich hohen Strafrahmen der §§ 222, 223, 52 StGB einerseits und § 227 StGB andererseits belegen.

24.08.2012/0 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-08-24 14:00:172012-08-24 14:00:17BGH: (Nochmal) zur Körperverletzung mit Todesfolge bei Brechmitteleinsatz
Dr. Christoph Werkmeister

Examensklausur StR: Aus dem Leben von Taugenichtsen

Fallbearbeitung und Methodik, Schon gelesen?, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT, Verschiedenes


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Examensklausur StR: Aus dem Leben von Taugenichtsen” von  Dr. Christian Laue und Jan Dehne-Niemann

ist zur Abwechslung mal eine Übungsklausur auf Examensniveau samt ausführlicher didaktisch sehr schön aufbereiteter Lösungsskizze.
Den Beitrag findet ihr hier.

08.03.2012/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-03-08 20:18:352012-03-08 20:18:35Examensklausur StR: Aus dem Leben von Taugenichtsen
Nicolas Hohn-Hein

Ärztliche Aufklärungspflicht bei Behandlung mit Zitronensaft (Aufbereitung im Klausurschema)

Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT

Eine interessante Entscheidung des BGH vom 22.12.2010 (Az. 3 StR 239/10) beschäftigt sich wieder einmal mit der Rechtswidrigkeit ärztlicher Heileingriffe und der damit verbundenen Reichweite der Einwilligung des Patienten in die Behandlung. Darüber hinaus geht es auch um die den Zusammenhang zwischen der Körperverletzung und der Todesfolge im Rahmen von § 227 StGB. Zu beachten ist, das zum jetzigen Zeitpunkt die Entscheidung noch nicht im Volltext vorliegt. Die Pressemitteilung des BGH findet sich hier.
Sachverhalt:
Arzt A nimmt an Patientin P kunstgerecht eine Darmoperation vor. Dabei beabsichtigte A von Anfang an ohne Kenntnis der P eventuell in der Nachbehandlung auftretende Wundinfektionen mit selbsthergestelltem Zitronensaft zu behandeln, von dessen besonderer Wirkung A überzeugt ist. Der Saft stammte aus der Küche des Krankenhauses und war demnach nicht unter sterilen Bedingungen gewonnen worden. Die gegebenenfalls erhöhte, bakterielle Belastung durch den Zitronensaft wird jedoch nur als gering eingestuft.
Nach der OP treten nach einiger Zeit tatsächlich Störungen bei der Wundheilung auf, die A mit Zitronensaft behandelt. Der Zustand der P verschlechterte sich, sodass eine 2. Operation notwendig wird. Dieses Mal wird auch während der OP und im Anschluss Zitronensaft angewendet, ohne dass A die P darüber aufklärt. Daneben werden auch herkömmliche Medikamente (u.a. Antibiotika) gegeben. Zwei Wochen später verstirbt A. Es lässt sich nicht mehr feststellen, ob der Zitronensaft mitursächlich für den Tod des A geworden ist.
Strafbarkeit des A?
Rechtliche Einordnung:
Zum einen ist nach der Einwilligung der Patientin zu der Behandlung gefragt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei jedem ärztlichem Eingriff um eine Körperverletzung, unabhängig davon, ob die Behandlung kunstgerecht („lege artis“), erfolgreich oder misslungen war (anders die h.M.). Auf der Ebene der Rechtfertigung ist dann zu fragen, ob der konkrete Eingriff von der Einwilligung des Patienten gedeckt ist. Der Betroffene soll dabei so gut und verständlich wie möglich über die Art und Weise und die möglichen Risiken der Behandlung informiert werden, um auf dieser Basis entscheiden zu können, ob er sich den eventuellen Gefahren aussetzt. Umgekehrt reicht die Aufklärungspflicht des Arztes nicht so weit, als dass er jeden einzelnen Behandlungsschritt im Detail ausführen muss (vgl. dazu ausführlich BGH 1 StR 238/07 in HRRS <Link: http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/07/1-238-07.php> „Turboentzug“ m.w.N. und 4 StR 549/06 „Fettabsaugung“).
Zum anderen geht es knapp um den Ursachenzusammenhang im Rahmen von § 227 StGB. Stichworte: „Hochsitz-Fall“ (BGHSt 31, 96), „Hetzjagd in Guben“ (BGH 5 StR 42/02) und die „senegalesische Tänzerin“ (BGH 5 StR 435/07) . Demnach ist zu untersuchen, inwieweit die „Körperverletzung“ im Zusammenhang mit dem Tod des Verletzten steht, wobei hierfür wegen des sehr weiten Wortlauts des § 227 StGB strenge Maßstäbe gelten müssen.
Lösungsvorschlag:
Der Lösungsvorschlag beruht auf den Problemschwerpunkten, wie sie aus der Pressemitteilung des BGH vom 22.12.2010 ersichtlich sind und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
A. § 227 StGB
A könnte sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge bezüglich der Erstoperation an P nach § 227 StGB strafbar gemacht haben.
I. Gefährliche rechtswidrige Körperverletzung gem. §§ 223, 224 I Nr. 5
1. Objektiver Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung
Jeder Eingriff in die körperliche Substanz des Betroffenen stellt eine Körperverletzung dar, so auch die Darmoperation und die nachfolgende Wundbehandlung bei P. Lediglich bei ärztlichen Eingriffen ist umstritten, ob möglicherweise der Tatbestand einer Körperverletzung schon nicht erfüllt ist („tatbestandsausschließenden Einverständnis“). Die Rechtsprechung orientiert sich an einem engen Begriff der „Verletzung“ und bejaht das Vorliegen einer Körperverletzung ausnahmslos. Die Literatur fragt hingegen nach dem Erfolg der Behandlung (sog. Erfolgstheorie) und lässt nur bei einem gelungenen Eingriff den objektiven Tatbestand der Körperverletzung entfallen (vgl. dazu genauer Maulach/Schroeder/Maiwald BT 1 § 8 Rz. 24). Vorliegend hat sich der Zustand der P soweit verschlechtert, dass von einer erfolgreichen Behandlung nicht auszugehen ist. Da insoweit alle vertretenen Meinungen zu dem gleichen Ergebnis führen, ist ein Streitentscheid nicht notwendig.
Ferner sind komplizierte Operationen an inneren Organen und die notwendige Nachbehandlung immer potentiell lebensgefährdend, sodass auch die Qualifikation nach § 224 I Nr. 5 StGB erfüllt ist.
2. A hat vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale gehandelt.
3. Rechtswidrigkeit
Die Tat müsste rechtswidrig sein. Vorliegend könnte die Rechtswidrigkeit entfallen sein, wenn P in die Behandlung durch A wirksam eingewilligt hat. Die Einwilligung in eine Heilbehandlung ist in aller Regel zulässig und der Patient insoweit auch dispositionsbefugt, was das verletzte Rechtsgut (körperliche Unversehrtheit) betrifft. Jedoch müssen alle ärztlichen Maßnahmen von der Einwilligung gedeckt sein. Die Einwilligung kann aber wirksam nur erteilt werden, wenn der Patient in gebotener Weise über den Eingriff, seinen Verlauf, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt worden ist (BGH 1 StR 238/7 Rz. 26). Dem gegenüber steht eine entsprechende Aufklärungspflicht des behandelnden Arztes. Die Einwilligung kann sich nur auf solche Sachverhalte beziehen, zu dessen vorheriger Klärung der Arzt verpflichtet ist. Besteht eine solche Pflicht, ist danach zu fragen, ob der Arzt diese Pflicht verletzt hat, indem er den Patienten vor der Behandlung nicht ausreichend informiert hat. Fraglich ist hier, ob A die P vor der ersten Operation darüber hätte aufklären müssen, dass zur Wundbehandlung u.a. selbstgewonnener Zitronensaft zum Einsatz kommen würde.
a) Das LG Mönchengladbach in der Vorinstanz hat sich für eine solche Pflicht ausgesprochen.
„Nach dessen Ansicht hätte der Angeklagte die Patientin aber über den möglichen späteren Einsatz von Zitronensaft schon vor der ersten Operation aufklären müssen. Daher hat es bereits die Einwilligung der Patientin in die Vornahme dieses Eingriffes als unwirksam angesehen.“
Der Einsatz von Zitronensaft hätte nach Ansicht des LG bei P schon erhebliche Zweifel an der Fachkompetenz des A geweckt, da es sich um eine unerprobte Aussenseitermethode gehandelt habe, zu der P letztendlich nicht eingewilligt hätte.
b) Der  BGH ist dem entgegengetreten und legt einen hohen Maßstab für Umfang und Grenzen der  Aufklärungspflicht an:
„Birgt ein ärztlicher Heileingriff das Risiko, dass sich in seiner Folge eine weitere behandlungsbedürftige Erkrankung oder körperliche Schädigung einstellt, so muss der Arzt den Patienten vor dem ersten Eingriff nur dann über die Art und die Gefahren einer bei Verwirklichung des Risikos notwendigen Nachbehandlung aufklären, wenn dieser ein schwerwiegendes, die Lebensführung eines Patienten besonders belastendes Risiko anhaftet, etwa der Verlust eines Organs.“
Im konkreten Fall des Zitronensaftes bestehe daher keine Aufklärungspflicht, da dieser erst im Rahmen der Nachbehandlung in die Wunde gebracht worden ist.
„So war im Falle des Eintritts einer Wundheilungsstörung das Einbringen von Zitronensaft schon nicht die einzig mögliche Art der Behandlung. Vielmehr stand in Form der Verabreichung von Antibiotika eine Alternative zur Verfügung, auf die hier zunächst auch allein und später neben der Verwendung des Zitronensaftes zurückgegriffen worden war. Außerdem war nach Ausbruch der Wundinfektion grundsätzlich noch genügend Zeit vorhanden, um die Patientin auf den beabsichtigten Einsatz von Zitronensaft hinzuweisen und sie die Wahl zwischen der alleinigen – weiteren – Gabe von Antibiotika oder dem zusätzlichen Einsatz von Zitronensaft treffen zu lassen. Demgemäß war sie trotz ihrer erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen sogar noch in der Lage, eigenverantwortlich ihre Einwilligung in die Reoperation zu erteilen. Hinzu kommt, dass mit dem Einbringen des unsterilen Zitronensaftes in die Wunde als maßgebliches Risiko ausschließlich eine gewisse zusätzliche bakterielle Belastung verbunden war, was nicht mit der Gefahr für die künftige Lebensführung eines Patienten vergleichbar ist, dem durch die Nachbehandlung etwa ein Organverlust droht.“
 
c) Zwischenergebnis: Eine wirksame Einwilligung der P in die Körperverletzung ist gegeben. Eine entsprechende Aufklärungspflicht des A bezüglich der nachträglichen Wundbehandlung mit Zitronensaft bestand zu diesem Zeitpunkt nicht.
 
II. Ergebnis: Mangels rechtswidriger Körperverletzung fehlt für die Todesfolge der notwendige Anknüpfungspunkt. § 227 StGB ist nicht erfüllt.
B. § 227 StGB
A könnte sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge bezüglich der zweiten Operation an P nach § 227 StGB strafbar gemacht haben.
I. Gefährliche rechtswidrige Körperverletzung gem. §§ 223, 224 I Nr. 5
Die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale sind erfüllt (vgl. oben). Fraglich könnte allein sein, ob auch hier der zweite Eingriff von der Einwilligung der P gedeckt war. Dies wäre nur dann der Fall wenn, auch hier keine entsprechende Aufklärungspflicht bezüglich des Zitronensaftes bestanden hätte. Nach dem oben gesagten besteht eine solche Pflicht grundsätzlich nur, wenn schwerwiegende Gefahren für den Patienten, wie der Verlust eines Organes zu befürchten sind. Im Gegensatz zur ersten Operation, wurde bei der zweiten Operation aber der Zitronensaft schon während des Eingriffs angewendet und war also Teil des Operationsvorgangs. Eine Entscheidung für oder gegen den Einsatz von Zitronensaft konnte daher – anders als bei der nachträglichen Wundbehandlung, siehe oben – an dieser Stelle nicht mehr erfolgen. Behandlungsalternativen wurden nicht zur Wahl gestellt. Vielmehr wurde der Zitronensaft Bestandteil des „Gefahrenspektrums“ der Operation und damit ebenfalls Gegenstand der Aufklärungspflicht. A hat es unterlassen, P über die Zugabe von Zitronensaft während der OP zu informieren, sodass er diese Aufklärungspflicht verletzt hat. Folglich war die Einwilligung deeP zu der Operation, was die Verwendung von Zitronensaft anbetrifft, unwirksam.
Zu denken wäre ferner an das Vorliegen einer hypothetischen Einwilligung des P, wenn dieser bei Kenntnis der Sachlage der Behandlung mit Zitronensaft zugestimmt hätte. Jedoch lässt sich diese Form der Einwilligung nur auf ärztliche Eingriffe anwenden, die „lege artis“ erfolgen, also nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erprobt sind (BGH 4 StR 549/06 Rz. 24). Bei der Verabreichung von Zitronensaft handelt es sich jedoch nur um eine unerprobte Außenseitermethode, deren Wirksamkeit nicht bewiesen ist. Folglich kann hier eine hypothetische Einwilligung nicht angenommen werden, unabhängig von der Frage, ob sich P tatsächlich darauf eingelassen hätte.
Die Körperverletzung durch A war demnach mangels Einwilligung rechtswidrig.
II. Die Körperverletzung müsste ursächlich für den Tod der P gewesen sein. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es dabei nicht aus, dass eine Kausalität im Sinne der conditio sine qua non-Formel besteht. Deshalb sind nur solche Körperverletzungen und Körperverletzungshandlungen erfasst, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen. Gerade diese Gefahr muss sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben (BGH 5 StR 42/02 Rz. 37). Vorliegend ist aber schon nicht ausreichend geklärt, ob die OP oder die Zugabe des Zitronensaftes wenigstens mitursächlich für den Tod der P geworden sind, sodass es schon an der erforderlichen Kausalität fehlt.
III. Ergebnis: A ist nicht wegen § 227 bezüglich der zweiten Operation strafbar.
C. §§ 223, 224 I Nr. 5 StGB
I. Aus B.I ergibt sich, dass A den Tatbestand der §§ 223, 224 I Nr. 5 StGB in rechtswidriger Weise erfüllt hat. Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich
II. Ergebnis: A hat sich wegen gefährlicher Körperverletzung bei der zweiten Operation gemäß
§§ 223, 224 I Nr. 5 StGB strafbar gemacht.
Fazit:
Netter Fall, der die Problematik der rechtfertigenden Einwilligung in Heileingriffe, mit der des § 227 StGB verbindet. Gut zur Wiederholung klassischer Urteile. Für die mündliche Prüfung sicherlich auch ein einigermaßen „witziger“ Aufhänger.

06.01.2011/7 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2011-01-06 14:12:032011-01-06 14:12:03Ärztliche Aufklärungspflicht bei Behandlung mit Zitronensaft (Aufbereitung im Klausurschema)
Dr. Simon Kohm

Strafrecht Klassiker – „Hochsitz Fall“ – BGHSt 31, 96

Klassiker des BGHSt und RGSt, Schon gelesen?, Strafrecht

 
„…Der Angeklagte hatte, indem er den Hochsitz umwarf, um seinen Onkel zu verletzen, eine Handlung begangen, die für das Opfer das Risiko eines tödlichen Ausgangs in sich barg…“
Sachverhalt: Der Angeklagte warf einen Hochsitz um, auf dem sich zu dieser Zeit  das spätere Opfer, sein Onkel befand. Dieser zog sich nach dem Sturz aus ca. 3,50m Höhe (lediglich) einen Knöchelverletzung zu. Diese wurde im nahe gelegenen Krankenhaus nach den Regeln der Kunst behandelt. Versäumt wurde allerdings, den Patienten bei und nach der Entlassung mit blutverflüssigenden Mitteln zu versorgen und bezgl. der Nachsorge zu Hause,  zu informieren. Kurze Zeit später wurde der Verletzte wiederum, allerdings diesmal auf Grund erheblicher Herz-Kreislaufbeschwerden, ins Krankenhaus eingeliefert, wo er noch am gleichen Tag verstarb. Die Obduktion des Opfers ergab als Todesursache eine Lungenembolie, sowie eine Lungenentzündung, deren beider Ursprung in der langen Bettlägerigkeit des Opfers zu sehen ist. Darüber hinaus wurden altersbedingte Schwächen am Herz-Kreislaufsystem des Opfers diagnostiziert.
Kernfragen: Erforderlichkeit eines Unmittelbarkeitszusammenhangs iRv. § 227 StGB und Reichweite eines solchen? Dies insbesondere im Hinblick auf eine größere zeitliche Karenz und das fahrlässige Hinzutreten eines Dritten.
BGH: Der Wortlaut des § 227 StGB verlangt insoweit, dass der Todeserfolg „durch“ die Körperverletzung verursacht wurde, bezgl. der Tatfolge gilt § 18 StGB. Ein bloßer Kausalitätsnachweis iSd. „condicio sine qua non“ Formal, kann hierfür aber noch nicht ausreichen.
Vielmehr ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 227 StGB, dass hier eine engere Beziehung zwischen der Körperverletzung und dem tödlichen Erfolg verlangt wird. Die Vorschrift soll der mit der Körperverletzung verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden Todesfolge entgegenwirken. Sie gilt deshalb nur für solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muss sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben.
Der BGH stellt im Folgenden iRd. Unmittelbarkeitszusammenhangs ua. auf die Köperverletzungshandlung ab.

Als »Körperverletzung« stellt sich nicht nur die jeweils eingetretene Verletzungsfolge dar; vielmehr umfasst dieser Begriff auch das Handeln des Täters, das zu der Körperverletzungsfolge geführt hat. Demgemäß reicht es für den Tatbestand des § 227 StGB bereits aus, dass der Körperverletzungshandlung das Risiko eines tödlichen Ausgangs anhaftet und sich dann dieses dem Handeln des Täters eigentümliche Risiko im Eintritt des Todes verwirklicht.

Auch ein Geschehensablauf, der länger andauert und bei dem mehrere Ereignisse kausal hinzutreten, ist nicht von vorneherein in diesem Rahmen ausgeschlossen.
Liegt der tatsächliche Geschehensablauf, der Körperverletzung und Todesfolge miteinander verknüpft, nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit – wie es etwa bei der außergewöhnlichen Verkettung unglücklicher Zufälle der Fall wäre –, dann kann sich im Tod des Opfers jene Gefahr verwirklicht haben, die bereits der Körperverletzungshandlung anhaftete; dies gilt auch dann, wenn diese Gefahr in der zunächst eingetretenen Verletzungsfolge als solcher noch nicht zum Ausdruck gekommen war.
Diese Kriterien wendet der BGH auf den vorliegenden Fall an und sieht den Tatbestand des § 227 StGB als erfüllt an.
So verhält es sich hier. Der Angeklagte hatte, indem er den Hochsitz umwarf, um seinen Onkel zu verletzen, eine Handlung begangen, die für das Opfer das Risiko eines tödlichen Ausgangs in sich barg. Die Gefahr für das Leben des Verletzten hat sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen. Daran ändert es nichts, dass die zunächst verursachte Verletzung (Knöchelbruch) für sich genommen nicht lebensbedrohlich erschien. Der Tod des Verletzten ist auf Grund eines Geschehensablaufs eingetreten, der nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit lag. Dass eine Sprunggelenkfraktur zu einem längeren Krankenlager des Verletzten führt, stellt sich nicht als ein außergewöhnlicher Verlauf dar. Es widerspricht auch nicht jeder Erfahrung, dass ein längeres, Verletzungsbedingtes Krankenlager die Entwicklung lebensgefährlicher Embolien und Lungenentzündungen begünstigt. Dass die Gefahren einer solchen Entwicklung verkannt werden, wirksame Gegenmaßnahmen unterbleiben und deshalb der Tod des Verletzten eintritt, ist nicht in einem solchen Maße unwahrscheinlich, dass hierdurch der Zusammenhang unterbrochen würde, der – im Sinne des § 227 StGB – den Tod des Opfers mit der dafür ursächlichen Körperverletzung verbindet.
Auch die Vorhersehbarkeit wird vom BGH bejaht, insbesondere auch im Hinblick auf die bereits erwähnte Tatsache, dass sich vorliegender Geschehensablauf als nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung darstellt. Relevant sei außerdem hier der Zeitpunkt des Umwerfens.
Die neu erkennende Schwurgerichtskammer wird die Frage der Vorhersehbarkeit des tödlichen Ausgangs für denjenigen Zeitpunkt zu beantworten haben, in dem der Angeklagte den Hochsitz umwarf, um seinen Onkel zu verletzen. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis veranlasst, dass sich die Vorhersehbarkeit nicht auf alle Einzelheiten des daran anschließenden, zum Tod des Verletzten führenden Geschehensablaufs zu erstrecken braucht. Ein nicht völlig außerhalb jeder Lebenserfahrung liegender Geschehensablauf wird regelmäßig auch vorhersehbar sein, so dass der Fahrlässigkeitsvorwurf nur dann entfällt, wenn der Angeklagte nach seinem individuell-persönlichen Wissens- und Erfahrungsstand nicht in der Lage gewesen ist, sich den Tod des Opfers als mögliche Folge der von ihm begangenen Körperverletzung vorzustellen.
Fazit: Der Hochsitz Fall ist so berühmt, wie umstritten, insbesondere im Hinblick auf den „großzügigen“ Umgang des BGH mit dem zu fordernden Unmittelbarkeitszusammenhang. Es gilt, sich kritisch mit der Entscheidung auseinanderzusetzen, auch im Hinblick auf die weiteren „Klassiker“ in diesem Umfeld, ua. den „Rötzel Fall“ oder die „Hetzjagd von Guben“.

27.04.2009/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2009-04-27 19:02:312009-04-27 19:02:31Strafrecht Klassiker – „Hochsitz Fall“ – BGHSt 31, 96

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