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Schlagwortarchiv für: § 222 StGB

Christian Muders

LG Gießen: Keine Strafbarkeit des Arztes bei freiverantwortlichem Patientensuizid

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht BT

Anm. zu LG Gießen, Beschluss vom 28. 6. 2012 – 7 Qs 63/12 (= NStZ 2013, 43 ff.)
1. Um was geht es?
Der Sachverhalt nach dem Beschluss des LG Gießen: Am Nachmittag des 5. 11. 2010 brachten zwei Zeuginnen den Patienten A nach Überweisung durch den Arzt Dr. X wegen Suizidgefahr in eine Klinik für forensische Psychiatrie. Im Rahmen des Eingangsgesprächs erklärte der Patient gegenüber der Angeschuldigten, die dort als zuständige Ärztin tätig war, er wolle sich nicht umbringen, befürchte aber, er werde es tun. Auf seine Bitte hin wurde er stationär aufgenommen. Die Angeschuldigte stufte ihn als nicht suizidgefährdet ein und ordnete weder die Gabe sedierender Medikamente noch die Wegnahme von Gegenständen des Patienten an, die, wie etwa ein Gürtel, für einen Suizid geeignet waren. Am Morgen des 6. 11. 2010 fand man den A tot in seinem Zimmer auf. Er hatte sich mit seinem Gürtel im Bad erhängt.
2. Was sagt das Gericht?
Die StA warf der angeschuldigten Ärztin in der Anklageschrift vor, fahrlässig durch Unterlassen den Tod eines Menschen verursacht zu haben. Das AG hat die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Hiergegen richteten sich die sofortigen Beschwerden der StA und der Nebenklägerin. Das Gericht hat die Rechtsmittel verworfen.
a) Das LG Gießen begründet zunächst allgemein die Straflosigkeit der Beteiligung an einem eigenverantwortlichen Suizid:

Strafbar nach den §§ 211ff. StGB ist die Tötung eines anderen Menschen. Die Selbsttötung unterfällt demgegenüber nicht dem Tatbestand eines Tötungsdelikts (LK-Jähnke, 11. Aufl., vor § 211, Rn. 21). Die Mitverursachung eines Selbstmordes ist damit grundsätzlich ebenso straffrei wie die fahrlässige Ermöglichung der eigenverantwortlichen Selbsttötung (OLG Stuttgart, Beschl. v. 3. 2. 1997 – 4 Ws 230/96, juris Rn. 15; LK-Jähnke, aaO, Rn. 23). So kann derjenige, der mit Gehilfenvorsatz den Tod eines Selbstmörders mit verursacht, nicht bestraft werden. (…) Aus der Straflosigkeit von Anstiftung und Beihilfe zur Selbsttötung folgt zwingend, dass der Garant, der nichts zur Verhinderung des freiverantwortlichen Suizids unternimmt, ebenfalls straffrei bleiben muss (LK-Jähnke, aaO, Rn 24). (…) Hätte die Angesch. durch aktives Tun Beihilfe zum eigenverantwortlichen Suizid des Patienten geleistet, indem sie ihm etwa in Kenntnis seiner Suizidabsicht den Gürtel gereicht hätte, käme eine Strafbarkeit wegen Beihilfe aufgrund der Straflosigkeit des Suizids von vornherein nicht in Betracht. Ausgehend hiervon würde es unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze einen unerträglichen Wertungswiderspruch darstellen, wollte man der Angesch. das bloße Untätigbleiben im Hinblick auf die Verabreichung sedierender Medikamente und der Wegnahme des Gürtels strafrechtlich zum Vorwurf machen.

b) Sodann stellt das Gericht fest, dass auch der Umstand, dass sich der Suizident in ärztliche Obhut begeben hatte, keinen Unterschied mache:

Dem steht auch nicht entgegen, dass sich aus dem vorliegenden ärztlichen Behandlungsvertrag besondere Sorgfaltspflichten der Angesch. ergaben. Die besondere Garantenstellung des Arztes gebietet es u.a. den Patienten im Rahmen der von ihm gewählten Therapie keinen vermeidbaren Risiken auszusetzen, wie sie etwa mit der erstmaligen Anwendung einer neuartigen Entziehungstherapie verbunden sind (BGH Urt. v. 18. 7. 1978 – StR 209/78, juris, Rn. 9). Da die Angesch. im vorliegenden Fall aber weder therapeutische Maßnahmen ergriffen, noch aktiv vermeidbare Risiken für den Patienten geschaffen hat, ist die dem Urteil vom 18. 7. 1978 zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation, die überdies keine eigenverantwortliche Selbsttötung zum Gegenstand hat, auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

c) Schließlich wird auch der Rspr. des BGH, wonach in Unterlassensfällen ein „Tatherrschaftswechsel“, weg von dem eigenverantwortlich handelnden Suizidenten hin auf den Garanten in Betracht kommt, sofern ersterer vor Todeseintritt bewusstlos wird, für den vorliegenden Sachverhalt eine Absage erteilt:

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 4. 7. 1984 (3 StR 96/84), wonach das Eingreifen des anwesenden Garanten geboten ist, wenn der Lebensmüde nach Beendigung seines Selbsttötungsversuchs das Bewusstsein verloren hat. Auf die Frage, ob es ab dem Zeitpunkt der Bewusstlosigkeit zu einem strafbegründenden Tatherrschaftswechsel kommt, weil der Garant damit zum Herrn über Leben oder Tod avanciert, kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Die Angesch. war bei dem Suizid des Patienten nicht anwesend und konnte so zu keinem Zeitpunkt Tatherrschaft über das Geschehen erlangen.

d) Schlussendlich geht die Kammer im Hinblick auf die Kardinalfrage des Falls, nämlich der Frage nach der Eigenverantwortlichkeit des A, jedenfalls – in dubio pro reo – von einem eigenverantwortlichen Suizid aus:

Eine straflose Beteiligung am Suizid kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die Willensbildung des Suizidenten einwandfrei ist und der Selbsttötungswille fortbesteht (LK-Jähnke, aaO, Rn. 25). Jedoch steht einem Freispruch der Angesch. bei den gegebenen Beweismöglichkeiten nach Aktenlage gemäß dem Grundsatz in dubio pro reo wahrscheinlich auch insoweit nichts entgegen. Zwar kann nach den Erkenntnissen der Suizidforschung von einem eigenverantwortlichen Handeln des Lebensmüden nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden. Zweifel an der Eigenverantwortlichkeit können jedoch keine Strafbarkeit begründen, sondern wirken, wie stets, zugunsten des Angekl. (LK-Jähnke, aaO, Rn. 27, mwN, Rn. 31). (…) Da sich der Patient im Grenzbereich von eigenverantwortlicher Willensbildung und ausgeschlossener Eigenverantwortlichkeit befand, müssen sich die unüberwindbar bestehenden Zweifel an der Eigenverantwortlichkeit seines Handelns notwendig zu Gunsten der Angesch. auswirken.

3. Warum ist die Entscheidung interessant?
a) Der Beschluss des LG Gießen bezieht sich auf die examensrelevante Abgrenzung der Strafbarkeit wegen Fremd- und der straflosen Beteiligung an einer Selbsttötung, wobei die gute Darstellung der Begründung einer Straflosigkeit bei bloßer Teilnahme an einer eigenverantwortlichen Selbsttötung und ihre Übertragung auf den Unterlassensbereich, die so auch in einer Prüfungsklausur verwendet werden könnte, besondere Aufmerksamkeit verdient.
b) In der Sache ist der Beschluss allerdings nicht vollständig überzeugend: So erscheint es fraglich, ob eine Vergleichbarkeit mit der von der Kammer zitierten Entscheidung BGH Urt. v. 18. 7. 1978 – StR 209/78 (= JR 1979, 429) bereits unter Hinweis darauf verneint werden kann, dass die Angeschuldigte im vorliegenden Fall nicht „aktiv“ vermeidbare Risiken für den Patienten geschaffen hat. Im vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Strafbarkeit eines Arztes, der zwei Drogenabhängigen ein morphinhaltiges Medikament zur Selbstinjektion verordnet hatte, was sie sich in der Folge, entgegen seiner Anweisung, in einer tödlichen Überdosis injizierten. Der dort in Rede stehenden „aktiven“ Herbeiführung von (vermeidbaren) Risiken durch unkontrollierte Mitgabe der Drogen muss aber das Unterlassen gebotener Maßnahmen jedenfalls dann als gleichwertiger Vorwurf zur Seite gestellt werden, sofern eine Garantenstellung des Betroffenen besteht. Eine solche kann aber für den vorliegenden Fall durchaus angenommen werden, da sich der Patient A offensichtlich mit der Bitte um Hilfe an die Angeschuldigte als Ärztin gewandt hatte, welcher selbige mit Einweisung in die Klinik auch tatsächlich nachkam (sog. Garantenstellung kraft tatsächlicher Übernahme). Jedenfalls zum Zeitpunkt der Einlieferung wollte der Patient nach eigener Aussage auch nicht sterben, so dass von einer eigenverantwortlichen Entscheidung des A, sich das Leben zu nehmen, entgegen der Kammer in diesem Moment kaum gesprochen werden kann. Stellt man sich allerdings auf den Standpunkt, dass nicht auszuschließen ist, dass das spätere Opfer sich (nachträglich) eigenverantwortlich das Leben nahm, dürfe es vertretbar sein, insoweit jedenfalls einen Pflichtwidrigkeitszusammenhang im Hinblick auf den letztendlich eingetretenen Erfolg abzulehnen: Denn wenn der Tod nicht mehr mit der in Anspruch genommenen Hilfe des Patienten in Verbindung steht, sondern dieser sich – in dubio pro reo – in freier Entscheidung dazu entschloss sich zu erhängen, erscheint der Schutzzweck der garantemäßigen Verhaltensanordnung, nämlich den Patienten durch die im Beschluss beschriebenen Maßnahmen gerade vor einem unfreiwilligen, da krankhaften Suizid zu bewahren, nicht mehr einschlägig. In diesen Kontext ist auch der Hinweis des Gerichts einzuordnen, dass es sich bei der vom BGH im Drogen-Fall behandelten Konstellation (schlussendlich) nicht um einen echten Fall der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung handelte, was insoweit zutrifft, als der BGH in seinem eigenen Urteil betont, dass „Drogenabhängige im Zustand des Entzugs jede Kontrolle über sich verlieren und unberechenbar werden“. Dabei kann freilich in Frage gestellt werden, ob das Argument der Eigenverantwortlichkeit in einer Situation, in welcher sich ein Patient bewusst in die Obhut Dritter begibt, damit er vor sich selbst geschützt wird, noch eine zurechnungsbegrenzende Wirkung bezüglich solcher naheliegender Risiken entfalten kann, die (wie das Erhängen mit dem mitgebrachten Gürtel) vorhersehbar sind und damit zumutbar durch den Garanten verhindert werden könnten. Argumentieren ließe sich insofern, dass – ähnlich zur Rechtsfigur der „Übernahmefahrlässigkeit“ – bei (freiwilliger) Übernahme der beschriebenen Schutzposition von einem strengeren Maßstab der durch den Garanten zu kontrollierenden Risiken ausgegangen werden muss, so dass das Eigenverantwortlichkeitsprinzip durch die garantenmäßig übernommene Verpflichtung, die schutzbedürftige Person vor selbstverletzenden Maßnahmen zu schützen, überlagert würde. Insofern ergibt sich auch ein augenscheinlicher Unterschied zu Fällen, in denen ein zum Selbstmord Entschlossener von vornherein überhaupt keine Hilfe möchte und diesbezüglich potentielle Garanten wie etwa Ehegatten (jedenfalls konkludent) vollständig von ihrer Pflicht zur Rettung entbindet.
c) Zum Schluss noch einige wenige Worte zur prozessualen Situation: Wie aus der Sachverhaltsschilderung des Beschlusses hervorgeht, hatte die Eingangsinstanz in Gestalt des AG bereits im Zwischenverfahren die Eröffnung der Hauptverhandlung gegen die Angeschuldigte abgelehnt, ist also – nach Anklage des Geschehens durch die StA – davon ausgegangen, dass es an einem „hinreichenden Tatverdacht“ fehlt (vgl. § 203 StPO). Gegen diese Entscheidung stand sowohl der StA (§ 210 Abs. 2 StPO) als auch der Nebenklage (§ 400 Abs. 2 S. 1 StPO) das Recht der sofortigen Beschwerde zu (§§ 304 ff., 311 StPO), über welche das LG als Rechtsmittelgericht zu entscheiden hatte (§ 73 Abs. 1 GVG). Aus dieser besonderen Situation heraus erklärt es sich, dass die Kammer des LG Gießen hier nicht von einem zu ihrer Überzeugung festgestellten Sachverhalt ausging, sondern es in ihrem Beschluss nur als „wahrscheinlich“ bezeichnet, dass dem Freispruch des Angeklagten nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ bei einer hypothetischen Hauptverhandlung nichts entgegenstehen würde und zudem die betroffene Ärztin nicht als „Angeklagte“, sondern lediglich „Angeschuldigte“ bezeichnet hat.

13.03.2013/0 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2013-03-13 10:00:332013-03-13 10:00:33LG Gießen: Keine Strafbarkeit des Arztes bei freiverantwortlichem Patientensuizid
Christian Muders

Die Behandlung der einverständlichen Fremdgefährdung in der Klausur

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Der nachfolgende Beitrag behandelt den Umgang mit dem Problem der sog. einverständlichen Fremdgefährdung, die häufiger in schriftlichen und mündlichen Prüfungen auftaucht und namentlich bei fahrlässig verwirklichten Delikten, insbesondere einer fahrlässigen Tötung gem. § 222 StGB, aber auch fahrlässigen Körperverletzungen nach § 229 StGB, eine Rolle spielen kann. Erstgenannte Norm liegt etwa dem vom BGH entschiedenen Fall eines tödlich ausgehenden Pkw-Rennens (Urteil v. 20.11.2008 – 4 StR 328/08 = BGHSt 53, 55 ff.) zugrunde: Zwei Autofahrer lieferten sich mit ihren getunten Wagen ein Beschleunigungsrennen, wobei beide je einen Beifahrer dabei hatten, welcher u.a. das Geschehen filmte. Während eines parallel vorgenommenen Überholvorgangs im Hinblick auf ein drittes Auto, welches in die gleiche Richtung auf der rechten Spur unterwegs war, geriet einer der getunten Pkw von der Fahrbahn, wobei sowohl Fahrer als auch Beifahrer herausgeschleudert wurden und der Beifahrer starb; dass dieser mit dem tödlichen Überholvorgang seines Partners einverstanden gewesen war, konnte jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Zu prüfen war jetzt die Strafbarkeit des Fahrers des verunfallten Pkw nach § 222 StGB im Hinblick auf den Tod seines Gefährten.
1. Erste Frage: Liegt überhaupt eine Fremdgefährdung vor?
Zu klären ist zunächst auf Tatbestandsebene, ob der Tod des Beifahrers dem Fahrer überhaupt objektiv zurechenbar ist. Dies scheidet dann aus, wenn das spätere Opfer maßgeblich selbst für das Risiko, welches zur Einbuße der eigenen Güter geführt hat, verantwortlich zeichnet, also nicht der Fall einer Fremd- sondern einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung vorliegt. Dies ist dann zu bejahen, wenn das Opfer die Gefährdung im Wesentlichen selbst herbeigeführt hat, so dass der zugehörige tatbestandsmäßige Erfolg nicht einem Dritten als zurechenbare Fremdverletzung angelastet werden kann. Die Rechtsprechung differenziert hierbei danach, ob das Opfer selbst oder aber ein Dritter die Tatherrschaft über dasjenige Geschehen trug, welches unmittelbar zum tatbestandlichen Erfolg geführt hat; eine Methode, die man bereits von der Abgrenzung von Suizid zur Fremdtötung her kennt, nur, dass im Unterschied hierzu, in der vorliegenden Konstellation keine vorsätzliche, sondern lediglich eine fahrlässige Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges in Rede steht. Das Tatherrschaftskriterium des BGH wird in der Lehre allerdings teilweise unter Hinweis darauf kritisiert, dass beim Fahrlässigkeitsdelikt nach h.M. ein extensiver Einheitstäterbegriff gilt, so dass auch Verhaltensweisen, die bei Vorsatztaten als bloße „Teilnahme“ zu werten wären, als täterschaftliche und damit tatbestandsmäßige Verursachung des Deliktserfolgs erfasst werden können – demgemäß käme dem Begriff der „Tatherrschaft“ bei Fahrlässigkeitsdelikten keine eigenständige Bedeutung zu. Allerdings ändert der Einheitstäterbegriff im Fahrlässigkeitsbereich nichts daran, dass auch hier die von einer eigenverantwortlich agierenden Person herbeigeführte Selbstverletzung strafrechtlich irrelevant ist, so dass es widersprüchlich erschiene, die hierauf bezogene Unterstützungshandlung Dritter plötzlich als relevante Fremdverletzung einzuordnen. Demgemäß kann beim Fahrlässigkeitsdelikt die Tatherrschaft zwar nicht als formelles Kriterium für den Ausschluss einer (mangels rechtswidriger Haupttat) nicht realisierbaren Teilnahme, wohl aber als Konkretisierung für ein autonomes, eigenverantwortliches Verhalten des schlussendlichen Opfers herangezogen werden, welches – ebenso wie beim Vorsatzdelikt – zu einem Ausschluss einer Verantwortung Dritter führen muss. Im Hinblick auf den Rennfahrer-Fall hat der BGH danach eine Fremd- und keine Selbstgefährdung angenommen, da derjenige, der den letztendlich todbringenden Überholvorgang gesteuert und initiiert hat, nicht der Beifahrer, sonder der den Pkw tatsächlich steuernde Fahrer gewesen ist – selbst wenn das spätere Opfer damit einverstanden oder den Überholvorgang vom Fahrer sogar gefordert hätte, läge allenfalls eine „Anstiftung“ oder „psychische Beihilfe“ zu dem pflichtwidrigen Fahrmanöver des Fahrers vor, was jedoch nicht dazu führen würde, dass dem schlussendlich getöteten Partner eine (mindestens gleichrangige) Herrschaft über das Geschehen zuerkannt werden könne.
2. Zweite Frage: Ist die Fremdgefährdung einverständlich erfolgt?
a) Hier ist zunächst der Prüfungsort für diese Fragestellung umstritten: Während Roxin die einverständliche Fremdgefährdung, ebenso wie die Figur der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, dann als Frage der objektiven Zurechnung begreift, wenn diese „unter allen relevanten Aspekten“ einer Selbstgefährdung gleichstehe (AT I, § 11/123), verortet die h.M. selbige stets beim Prüfungspunkt der Rechtfertigung. Letzteres erscheint in der Tat vorzugswürdig: Denn wenn Eigen- und Fremdgefährdung nach dem Maß der Tatherrschaft des Opfers getrennt werden können, können beide gerade nicht als unter den „relevanten Aspekten“ gleich bewertet werden. Demgegenüber hatte die Vorinstanz im BGH-Fall allerdings argumentiert, dass die Beifahrer bei vorangegangenen Rennen auch selbst am Steuer saßen, so dass es mehr oder weniger vom Zufall abhängig war, wer während der konkreten Fahrt das Gefährt steuerte. Warum dies jedoch für die Frage der Verantwortung für ein konkretes Fehlverhalten relevant sein soll, erscheint nicht ersichtlich: So würde man schließlich auch bei einem Lkw-Fahrer, der aufgrund riskanten Fahrverhaltens einen Unfall mit tödlichem Ausgang verursacht, nicht zusätzlich seinen Kollegen mit dem Argument in Haftung nehmen, dass dieser die Strecke ebenfalls täglich in derselben pflichtwidrigen Weise befährt, so dass es bei ihm ebenso zu dem tödlichen Geschehen hätte kommen können. Für eine Prüfung der etwaigen Zustimmung in das pflichtwidrige Verhalten im Rahmen der Rechtswidrigkeit spricht zudem, dass die einverständliche Fremdgefährdung sehr dem Fall einer regulären Einwilligung ähnelt, die aber nach h.M. stets als Rechtfertigungsgrund fungiert: Wie diese bezieht sich die einverständliche Fremdgefährdung ebenso auf ein durch einen Dritten verwirklichtes Tun, nur dass sie nicht an den eingetretenen Erfolg in Gestalt der Tötung bzw. Verletzung anknüpft (den ja weder Täter noch Opfer herbeiführen wollten), sondern sich allein auf die diesen erst auslösende gefährdende Handlung bezieht.
b) Da sich die Einwilligung des späteren Opfers somit nicht – wie regulär – (auch) auf den eingetretenen Erfolg, sondern nur die Tathandlung, im BGH-Fall also den Überholvorgang des Fahrers bezieht, könnte allerdings fraglich sein, ob ihr überhaupt eine rechtfertigende Wirkung zukommen kann. Dies nimmt die wohl überwiegende Meinung indes grundsätzlich an: Denn auch wenn die Einwilligung den später eingetretenen Erfolg und damit das Erfolgsunrecht der Tat nicht erfasst, so wird durch diese doch zumindest die Tathandlung, welcher das Opfer gerade zugestimmt hat, und damit das Handlungsunrecht des Täters neutralisiert. Damit bleibt aber als unrechtsrelevanter Faktor nur das Erfolgsunrecht in Gestalt der Rechtsgutsbeeinträchtigung übrig, welches für sich betrachtet jedoch nicht in der Lage ist, den Tatbestand der fahrlässigen Tötung (bzw. Körperverletzung) allein zu konstituieren. Demgemäß führt die insofern anzunehmende „Teilrechtfertigung“ dazu, dass eine Strafbarkeit des Täters wegen vollendetem Fahrlässigkeitsdelikts insgesamt ausscheidet – ähnlich wie dies auch für den Fall anerkannt ist, bei dem der Täter im Hinblick auf einen Rechtfertigungsgrund unwissentlich handelt (Bsp.: Der Delinquent verkennt, dass sein Opfer ihn gerade angreifen wollte und er daher aus Notwehr gerechtfertigt gewesen wäre): Hier liegt gewissermaßen der umgekehrte Fall vor, dass nämlich das Erfolgsunrecht entfällt und nur das Handlungsunrecht verbleibt, was aber nach h.M. nicht zu einer Bestrafung wegen vollendeten Delikts, sondern (nur) wegen Versuchs führt – ein Weg, der für das Fahrlässigkeitsdelikt freilich von vornherein versperrt ist und im Hinblick auf das hier allein in Rede stehende Erfolgsunrecht auch nicht zielführend wäre.
3. Dritte Frage: Eingreifen der Einwilligungssperren nach §§ 216, 228 StGB?
Abschließend stellt sich noch die Frage, ob einer (Teil-)Einwilligung des Beifahrers in das tatbestandliche Handlungsunrecht nicht die Sperrwirkung der §§ 216, 228 StGB im Wege steht: Ersterer Tatbestand bezieht sich auf eine Strafbarkeit bei der Einwilligung in eine Fremdtötung, womit das Gesetz zum Ausdruck bringt, dass hier eine Rechtfertigung im Hinblick auf das „Ob“ der Strafe gerade nicht bestehen soll; letztere Regelung behandelt einen Ausschluss der Einwilligung in das Unrecht einer Körperverletzung, soweit die begangene Tat als sittenwidrig erscheint.
a) Fraglich ist dabei zunächst, ob eine oder beide Regelungen auf die Fahrlässigkeitsdelikte der §§ 222, 229 StGB überhaupt anwendbar sind. Dies scheint deswegen nicht von vornherein ausgemacht, da beide Vorschriften die Möglichkeit einer rechtfertigenden Einwilligung beschränken, so dass bei ihnen – als strafbegründende Umstände – insbesondere die Wortlautgrenze des Art. 103 Abs. 2 GG zu beachten ist.
aa) Eine Anwendbarkeit auf Fahrlässigkeitsdelikte erscheint dabei gerade im Hinblick auf § 216 StGB, der Tötung auf Verlangen, fragwürdig, da diesem Tatbestand zwingend ein vorsätzliches Tatgeschehen zugrunde liegt, weil ansonsten ein dort gefordertes „Bestimmen“ des Täters zur Tötung nicht denkbar ist; diese Situation ist auf eine fahrlässige Tat aber nicht übertragbar. Desgleichen ist zu beachten, dass die Vorschrift mit ihrem absoluten Einwilligungsverbot bei Tötungsdelikten im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte Privatautonomie des Opfers ohnehin eine höchst problematische Ausnahmeregelung darstellt, so dass auch dieser Punkt gegen eine Ausdehnung derselben auf § 222 StGB spricht („singularia non sunt extendenda“). Schließlich lässt sich auch die systematische Stellung der Norm gegen eine Anwendbarkeit auf die fahrlässige Tötung ins Feld führen, da letzterer Tatbestand hinter § 216 StGB geregelt ist, so dass selbige sich – unter Beachtung der gesetzlichen Abfolge – (nur) auf die vorsätzlichen Delikte der §§ 211, 212 StGB beziehen kann.
bb) Ähnliche Bedenken bestehen auch im Hinblick auf die Einwilligungssperre bei einer Körperverletzung durch § 228 StGB: Diese Vorschrift kann allerdings zunächst durchaus (auch) bei einer fahrlässigen Tötung herangezogen werden, da hier jedenfalls als Zwischenschritt eine Körperverletzung zwingend enthalten ist, die sodann zum Tod führt; i.Ü. kann auch der Tod selbst als die schwerste denkbare Körperverletzung, nämlich eine solche, die zur irreversiblen Aufhebung der Funktionsfähigkeit des Gesamtorganismus führt, begriffen werden. Dennoch sprechen sowohl die Systematik (die fahrlässige Körperverletzung steht wiederum hinter der Einwilligungssperre nach § 228 StGB) als auch der Wortlaut gegen eine Anwendbarkeit des § 228 StGB auf fahrlässig begangene Delikte: Letzteres ergibt sich insbesondere aus der Gegenüberstellung von § 228 StGB und § 229 StGB, wobei die erstgenannte Norm davon spricht, dass der Täter eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person „vornimmt“, was auf das Erfordernis eines finalen Verhaltens schließen lässt – sich etwas vornehmen heißt schließlich, dass ein bestimmter Sachverhalt bereits vorab durchdacht wurde, bevor er ins Werk gesetzt wird. Demgegenüber sind sowohl § 229 als auch § 222 StGB neutraler formuliert, da dort jeweils nur gefordert ist, dass die jeweilige Rechtsgutsverletzung durch den Täter „verursacht“ wird.
b) Dagegen nimmt allerdings der BGH an, dass im Rahmen einer fahrlässigen Tötung die §§ 216, 228 StGB jedenfalls ihrem „Rechtsgedanken“ nach Anwendung finden können. So heißt es in der Rennfall-Entscheidung, hierfür spreche sowohl der Normzweck des § 228 StGB als auch die aus der Vorschrift des § 216 StGB abzuleitende gesetzgeberische Wertung. Sie begrenzten die rechtfertigende Kraft der Einwilligung in eine Tötung oder Körperverletzung, da das Gesetz ein soziales bzw. Allgemeininteresse am Erhalt dieser Rechtsgüter auch gegen den aktuellen Willen des Betroffenen verfolge. Eine rechtfertigende Wirkung der Einwilligung in riskantes Verkehrsverhalten scheide danach bei rein individualschützenden Delikten dort aus, wo die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten sei, was durch den BGH mit dem Vorliegen einer konkreten Todesgefahr, unabhängig von einer tatsächlich eingetretenen Rechtsgutsverletzung, gleichgesetzt wird. Danach wäre im Fall des Beschleunigungsrennens jedenfalls zu dem Zeitpunkt, zu dem ein gleichzeitiges Überholen eines unbeteiligten dritten Fahrzeugs mit nicht mehr kontrollierbaren höchsten Risiken für sämtliche betroffene Verkehrsteilnehmer verbunden war, eine Einwilligungssperre nach § 228 StGB anzunehmen. Unabhängig von der Nachvollziehbarkeit dieses Ergebnisses im konkreten Fall erscheint eine generelle Gleichsetzung des Begriffs der „Sittenwidrigkeit“ mit einer erhöhten Todesgefahr jedoch zweifelhaft, da durchaus Fälle vorstellbar sind, in denen eine Person hochgradig gefährdet wird, ohne dass gleichzeitig eine Strafbarkeit des Handelnden angebracht wäre: Gedacht sei etwa das Beispiel, dass ein Täter seinen kollabierten Freund mit Hochgeschwindigkeit zum Krankenhaus fährt, damit dieser eine lebensrettende Injektion erhalten kann, und dabei einen für seinen Begleiter tödlichen Unfall verursacht – hier eine Sittenwidrigkeit der zuvor erteilten Einwilligung nur aufgrund der Todesgefahr durch das riskante Fahren anzunehmen, erscheint der Rettungsintention des Fahrers nicht angemessen. Der Fall zeigt, dass eine Bejahung des Merkmals der Sittenwidrigkeit nicht nur isoliert nach der Gefährdung des Opfers, sondern immer auch im Hinblick auf die Zwecke, die der Täter dabei verfolgt, bestimmt werden muss. Demgemäß müssen die tragenden Motive des Delinquenten jedenfalls insoweit, wie sie nachvollziehbar und billigenswert erscheinen, eine durch die Gefährdung zunächst indizierte Sittenwidrigkeit ausschließen können. Auch nach dieser Maßgabe wäre freilich im vorliegenden Fall des BGH, sofern man die Vorschrift des § 228 StGB nach dem soeben Gesagten überhaupt für anwendbar hält, von einer Sittenwidrigkeit auszugehen: Denn der Zweck des Beschleunigungsrennens und des hierbei durchgeführten Überholvorgangs im Besonderen folgte keiner von der Rechtsordnung unterstützten Intention, vielmehr wurde beides offenbar nur aus der simplen Lust am Geschwindigkeitsrausch und Wettkampf vorgenommen.

19.02.2013/3 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2013-02-19 10:00:282013-02-19 10:00:28Die Behandlung der einverständlichen Fremdgefährdung in der Klausur
Christian Muders

OLG Celle: (Nochmals) zur Erfolgszurechnung bei mittelbarer Verursachung einer fahrlässigen Tötung – 2 Fast 2 Furious

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Anm. zu OLG Celle, Urteil vom 25. 4. 2012 – 31 Ss 7/12 = NZV 2012, 345 ff.
1. Um was geht es?
Autofahrer A war mit seinem Wagen auf der Bundesstraße 442 nach B. unterwegs. Hinter einer Ortschaft versuchte er, vor einer nahenden, sich nach hinten verjüngenden Linkskurve mit seinem Pkw das Fahrzeug des Nebenklägers N zu überholen, in welchem sich neben diesen noch drei weitere Insassen befanden. Der N bemerkte die Absicht des A durch einen Blick in seinen Rückspiegel. Er wollte es sich aber nicht bieten lassen, von A überholt zu werden und beschleunigte seinen Wagen ebenfalls. A erkannte das Fahrmanöver des N, wollte aber seinen Überholvorgang unbedingt noch vor der Kurve zu Ende bringen. So beschleunigte auch er weiter, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch zwei Sekunden Zeit gehabt hätte, sein Fahrmanöver abzubrechen und gefahrlos hinter dem N einzuscheren. Dies wäre auch geboten gewesen, da sich von vorne die Zeugin Z mit ihrem Fahrzeug näherte. Die Erhöhung der Geschwindigkeit durch N reichte schlussendlich nicht aus, um dem A seinen Überholvorgang endgültig zu verwehren, der mit einem Geschwindigkeitsüberschuss von 20 km/h das rechts neben ihm fahrende Fahrzeug passierte. Die Zeugin Z wich mit ihrem Wagen auf den Seitenstreifen aus, um eine Kollision mit A zu vermeiden. Als sich der A etwa zwei Fahrzeuglängen noch auf der Gegenfahrbahn fahrend vor dem N befand, lenkte dieser zu spät sein Fahrzeug nach links in die Kurve ein, um diese gefahrlos durchfahren zu können. Er geriet mit seinen rechten Rädern auf das Bankett, kam in eine Dreh-Schleuderbewegung und stieß mit seiner rechten Fahrzeughälfte und einer Geschwindigkeit von 100-110 km/h gegen einen am Fahrbahnrand stehenden Baum. Die neben dem N im Fahrzeug sitzenden Insassen waren sofort tot. Während das AG den Angeklagten u.a. wegen fahrlässiger Tötung verurteilt hatte, sprach ihn das LG von diesem Vorwurf frei.
2. Was sagt das OLG?
Das OLG hat die Entscheidung des LG aufgehoben und den A neben Straßenverkehrsdelikten auch wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Dabei hat es sich auf eine vergleichbare Entscheidung des BGH vom November 2008 gestützt (BGH, Urteil vom 20.11.2008 – 4 StR 328/08 = BGHSt 53, 55 ff. – Aufbereitung hier) und ist andererseits einer abweichenden Entscheidung des OLG Stuttgart (Beschluss vom 19.04.2011 – 2 Ss 14/11) nicht gefolgt. Aber der Reihe nach:
a) Vorliegen eines fahrlässigen Verhaltens des A durch den Überholvorgang:
Das OLG Celle definiert zunächst geradezu schulmäßig die Voraussetzungen einer fahrlässigen Tathandlung gem. § 222 StGB:

Fahrlässig handelt ein Täter, der eine objektive Pflichtverletzung begeht, sofern er diese nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vermeiden konnte, und wenn gerade die Pflichtverletzung objektiv und subjektiv vorhersehbar den Erfolg herbeigeführt hat. Die Einzelheiten des durch das pflichtwidrige Verhalten in Gang gesetzten Kausalverlaufs brauchen dagegen nicht vorhersehbar zu sein (…).

Sodann bejaht das OLG Celle zunächst die objektive Pflichtverletzung des A. Hierbei rekurriert es auf diverse Normen der StVO, die der A bei seinem Überholvorgang nicht beachtet hat:

Seine Pflichten als Fahrzeugführer hat der Angeklagte verletzt, indem er den Überholvorgang vorschriftswidrig durchgeführt hat. Er hat nämlich zum einen überholt, obwohl er nicht übersehen konnte, ob während des ganzen Überholvorganges jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StVO). Zum anderen war das Überholen für ihn auch deshalb unzulässig, weil aufgrund des Beschleunigens des Nebenklägers und der Annäherung an die sich nach hinten verjüngende Kurve für den Angeklagten eine unklare Verkehrslage bestand (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Des Weiteren hat er seine Pflichten als Fahrzeugführer verletzt, indem er entgegen § 1 Abs. 2 StVO nicht alles unternommen hat, um die mit dem Überholvorgang verbundene Gefährdung zu vermeiden, und schließlich die im Bereich des Unfallorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschritten hat.

Im Folgenden bejaht das Gericht sowohl die objektive und subjektive Vermeidbarkeit als auch eine entsprechende Vorhersehbarkeit des tödlichen Ausgangs für A. Dabei stellt es fest, dass der A, als er den Beschleunigungsvorgang des N bemerkte, das Überholmanöver noch hätte abbrechen können. Eine (generelle) Vorhersehbarkeit dergestalt, dass ein Beharren auf einen Überholvorgang unter den im Sachverhalt genannten Umständen (überhöhte Geschwindigkeit, nahender Kurvenbereich) zu einem Unfall, ggf. mit tödlichen Ausgang, führen kann, sieht das OLG ebenfalls als gegeben.
b) Zurechenbarkeit des Todes der Beifahrer des N:
Sodann stellt sich das Gericht allerdings die Frage, ob der fahrlässig herbeigeführte Erfolg dem A auch (objektiv) zurechenbar ist. Unter dem Begriff der „objektiven Zurechnung“ werden eine Vielzahl unterschiedlicher Fallgruppen behandelt, welche die Verantwortlichkeit für einen eingetretenen Erfolg ausschließen können. Dazu zählt auch der Fall, dass sich der Erfolg als Resultat einer Selbstgefährdung des Opfers oder einem, dieser gleichzustellenden, Einverständnis in eine Fremdgefährdung durch den Täter darstellt. Insofern sind unterschiedliche Konstellationen zu unterscheiden:
aa) Konstellation 1: Selbstgefährdung des Opfers.
Unstrittig keine Zurechnung des Erfolgs an eine fahrlässig handelnde Person ist nach der Rspr. dann möglich, wenn diese nur an einer Selbstgefährdung des Opfers teilnimmt. „Teilnahme“ ist dabei durchaus i.S.d. Begrifflichkeit der §§ 26 f. StGB zu verstehen, da eine von der Rpsr. anerkannte Selbstgefährdung des Opfers erst dann vorliegt, wenn nicht der potentielle Fahrlässigkeitstäter, sondern allein das spätere Opfer das unmittelbar zum Erfolg führende Geschehen i.S.d. Tatherrschaftslehre „beherrscht“ hat. Die Begründung für einen solchen Ausschluss der Verantwortung des „Teilnehmers“ ist freilich problematisch. Teilweise wird darauf verwiesen, dass bei vorsätzlicher Selbstverletzung des Opfers unstrittig keine teilnahmefähige Haupttat vorhanden ist, so dass eine Anstiftung bzw. Beihilfe ausscheidet. Dies müsse aber erst recht dann gelten, wenn eine Beteiligung nicht an einer vorsätzlichen Verletzung, sondern nur Gefährdung erfolgt (vgl. auch MK-Hardtung, 1. Aufl. 2003, § 222 Rn. 21 m.w.N.). Fraglich ist diese Argumentation indes insofern, als nicht die Strafbarkeit der Beteiligung an einer vorsätzlichen Gefährdung, sondern an einer fahrlässigen (Selbst-)Verletzung in Rede steht. Da der Begriff des Fahrlässigkeitstäters aber weit verstanden wird („Einheitstäterbegriff“), also grds. auch die Teilnahmeformen der Anstiftung und Beihilfe erfasst (dazu Joecks, Studienkommentar StGB, 7. Aufl. 2007, § 25 Rn. 82), ist der Vergleich mit der Straflosigkeit bei vorsätzlicher Deliktsbegehung zumindest zweifelhaft. Eine variierende Argumentationslinie stützt sich daher vornehmlich auf die autonome Entscheidung des Rechtsgutsträgers, die es zu respektieren gelte: Selbstschädigendes Verhalten ist danach Ausdruck einer unantastbaren Autonomie des Schädigers, die nicht nur seine eigene Strafbarkeit nach dem einschlägigen Delikt sperrt, sondern auch die Strafbarkeit eines hieran nicht täterschaftlich Beteiligten hindert (MK-Duttge, 2. Aufl. 2011, § 15 Rn. 151).
bb) Konstellation 2: Gefährdung durch den Täter.
Der vorliegende Fall war indes anders gelagert, da es nicht um Gütereinbußen des Fahrers des letztendlich verunfallten Pkw (also des Nebenklägers N) ging, der sich mit seinem Fahrmanöver ebenfalls pflichtwidrig verhalten hatte und jedenfalls eine dem A entsprechende Tatherrschaft über das Geschehen aufwies. Vielmehr bildete der Tod seiner Mitinsassen den Anknüpfungspunkt für ein strafrechtliches Unwerturteil gegen A. Das OLG führt insofern überzeugend aus, dass diese gerade keine Tatherrschaft über das Geschehen gehabt hätten, und zwar weder im Hinblick auf die Steuerung des zu überholenden Fahrzeugs, welches allein der N führte, noch (erst Recht) im Hinblick auf den überholenden Pkw des A. Das OLG verweist dabei auf die bereits oben benannte Leitentscheidung BGHSt 53, 55 ff., in der es um die Strafbarkeit für ein illegales Autorennen ging, bei dem ebenfalls ein Beifahrer eines der beiden Rennteilnehmer zu Schaden kam. Das OLG nimmt an, dass der vorliegende Fall mit dem Fall des illegalen Autorennens durchaus vergleichbar ist:

Dass es sich in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall um ein zwischen den Fahrzeugführern vorher vereinbartes Rennen gehandelt hat, steht der Übertragung der Grundsätze auf den vorliegenden Fall nicht entgegen. Denn die Zurechnung beruhte dort nicht allein auf der Absprache des illegalen Rennens, sondern auch auf den während der Fahrt konkret begangenen Pflichtverletzungen beider Fahrer. Abgesehen davon handelte es sich im vorliegenden Fall ab dem Zeitpunkt, als der Nebenkläger beschleunigte, um den Angeklagten am Überholen zu hindern, und der Angeklagte dieses erkennend sein Fahrzeug umso mehr beschleunigte, um den Nebenkläger unbedingt zu überholen, faktisch um ein spontanes Rennen bzw. eine diesem gleichzustellende „Kraftprobe“.

cc) Konstellation 3: Gefährdung durch den Täter, aber mit Einwilligung des Opfers („einverständliche Fremdgefährdung“).
Eine der Selbstgefährdung der Opfer gleichzustellende Einwilligung in eine Fremdgefährdung sieht das OLG im vorliegenden Fall ebenfalls (anders als offenbar die Vorinstanz, Rn. 40 des Urteils) als nicht gegeben an. Eine solche wird im Rahmen des Straßenverkehrs insbesondere in Fällen angenommen, in denen ein Beifahrer trotz erkannter Alkoholisierung des Pkw-Führers bei diesem einsteigt und mitfährt. Diese Konstellation führt dann nach der h.L. dazu, dass es zu einem Zurechnungsausschluss kommt, wenn der Mitinsasse bei einem durch den Fahrer aufgrund des Alkohols verschuldeten Unfalls verletzt oder getötet wird, da eine solche Einwilligung in die Gefährdung durch den Fahrzeugführer einer Selbstgefährdung des Opfers gleichstehe (vgl. nur – mit Unterschieden in der Konstruktion – Wessels/Beulke, AT, 32. Aufl. 2002, Rn. 191; Roxin, AT I, 4. Aufl. 2006, § 11/121). Zu einer solchen Einwilligung in eine Fremdgefährdung durch die getöteten Mitinsassen des überholten Wagens bot der Sachverhalt des OLG indes keine Anhaltspunkte: Dass die Mitfahrer in das sorgfaltswidrige Verhalten des N noch gar des A eingewilligt hätten, ist nicht ersichtlich. Daran wäre etwa dann zu denken, wenn sie den N angefeuert hätten, sich den Überholvorgang des A nicht „bieten“ zu lassen und mittels Beschleunigung des Pkw zu zeigen, wer „Herr der Straße“ ist. Näher lag eine einverständliche Fremdgefährdung hingegen in der Leitentscheidung BGHSt 53, 55 ff., da der tödlich verunglückte Beifahrer hier vorsätzlich an dem illegalen Autorennen teilgenommen und dieses sogar gefilmt hatte. Indes hat der BGH in diesem Fall einer Einwilligung in die Gefährdung unter Hinweis auf § 216 StGB eine Abfuhr erteilt: Jedenfalls dann, wenn sich eine konkrete Todesgefahr abzeichne, sperre die vorgenannte Norm eine solche Zustimmung des Opfers. Fraglich erscheint, ob dann, wenn man mit Stimmen in der Literatur annimmt, dass auf die einverständliche Fremdgefährdung die Einwilligungssperren der §§ 216, 228 StGB, die vornehmlich auf die Zustimmung zu Rechtsgutsverletzungen zugeschnitten sind, nicht angewendet werden können (dazu Kindhäuser, Lehr- und Praxiskommentar StGB, 5. Aufl. 2010, Vor § 13 Rn. 224), zu einer Straflosigkeit des mittelbaren Unfallverursachers kommt. Indes dürfte die „einverständliche Fremdgefährdung“ auch dann nur den Tatbeitrag des Fahrers neutralisieren, in dessen Wagen die zustimmenden Mitfahrer sitzen; auf die Verantwortung für das pflichtwidrige Verhalten des „Gegners“, in das die Mitfahrer ja gerade nicht eingewilligt haben, sollte eine solche Zustimmung hingegen keine Auswirkungen haben.
dd) Konstellation 4: Beendete Gefährdung des Täters
Bleibt zuletzt im Hinblick auf den vorliegenden Fall noch die gegenteilige Ansicht des OLG Stuttgart aufzuarbeiten, die sich die Vorinstanz des OLG Celle, das LG Bückeburg, zur Begründung einer Straflosigkeit des A nach § 222 StGB ausdrücklich zu eigen gemacht hatte: Nach Meinung des OLG Stuttgart kann die Zurechnung eines Unfallerfolges an den mittelbaren Verursacher dann ausgeschlossen sein, wenn der unmittelbare Verursacher eigenverantwortlich handelt. Der Sachverhalt des Gerichts scheint dabei auf den ersten Blick durchaus Parallelen zu dem vom OLG Celle verhandelten Geschehen aufzuweisen: Auch dort ging es um ein pflichtwidriges Fahrverhalten des Angeklagten, der den späteren unmittelbaren Unfallverursacher zunächst beim Überholen behinderte. In der Folge fuhr dieser, nachdem er den Angeklagten überholt hatte, mit beschleunigter Geschwindigkeit in eine Kurve und erfasste einen Passanten, der am Wegesrand ging, tödlich. Indes war die dortige Entscheidung etwas anders gelagert, so dass nach Ansicht des OLG Celle eine Vorlage an den BGH wegen Divergenz nicht angezeigt ist:

Einer Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG bedarf es nicht. Denn der vorliegende Einzelfall liegt anders als der, welchen das Oberlandesgericht Stuttgart durch seinen Beschluss vom 19. April 2011 – 2 Ss 14/11 – entschieden hat. Dort war der Tod eines Passanten deshalb nicht dem Angeklagten zugerechnet worden, weil der unmittelbar den Unfall verursachende Fahrzeugführer, der sich durch den Angeklagten bei einem vorangegangenen Überholvorgang provoziert gefühlt hatte, erst „über einen Kilometer nach Abschluss des Überholvorgangs und damit 36 Sekunden später aus einem autonomen Entschluss heraus“ mit nicht angepasster Geschwindigkeit in eine scharfe Kurve gefahren war, dadurch die Beherrschung über sein Fahrzeug verloren und einen tödlichen Unfall verursacht hatte. Der andere Fahrzeugführer befand sich währenddessen hinter ihm und war zu diesem Zeitpunkt bereits zur verkehrsgerechten Fahrweise zurückgekehrt. Hier war indes der Überholvorgang des Angeklagten noch nicht beendet, als der Nebenkläger den zum Unfall mit tödlichem Ausgang führenden Fahrfehler machte; das Fahrzeug des Angeklagten befand sich vielmehr zu diesem Zeitpunkt noch auf der Gegenfahrbahn und hatte lediglich einen Abstand von zwei Fahrzeuglängen zum Fahrzeug des Nebenklägers. Das Fahrverhalten des Angeklagten war auch nicht ohne Auswirkungen auf den Nebenkläger. So hat das Landgericht in den Urteilsgründen ausgeführt: „Während seiner Beschleunigung wusste der Nebenkläger den Angeklagten neben sich und fuhr auf die ihm bekannte sich nach hinten verjüngende Kurve zu. Unter diesen Bedingungen brauchte der Nebenkläger seine volle Konzentration, um sein Fahrzeug weiter zu beherrschen und zu überblicken, welche Fahrmanöver der Angeklagte neben ihm vollziehen würde.“

Da in der Entscheidung des OLG Stuttgart das pflichtwidrige Verhalten des Angeklagten beim Unfall seines „Gegners“ bereits seinen Abschluss gefunden hatte und selbiger auf einem gänzlich neuen Tatentschluss des unmittelbaren Unfallverursachers (erneutes Beschleunigen des Fahrzeugs nach Abschluss des Überholvorgangs) beruhte, ist es gut vertretbar, hier einen Pflichtwidrigkeitszusammenhang mit dem Tod des Passanten zu verneinen. Denn das vorangegangene „Sperren“ des Überholvorgangs des unmittelbaren Unfallverursachers durch den Angeklagten stellt zwar einen Pflichtverstoß dar; eine „Herrschaft“ bezüglich des dann neu ansetzenden Geschehens, welches unmittelbar zum Zusammenstoß mit dem Passanten führte, kann ihm aber kaum unterstellt werden.
3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
a) Die Entscheidung des OLG Celle setzt die Rspr. des BGH, die durch die mehrmals erwähnte Leitentscheidung begründet wurde, fort und bietet insofern nichts „bahnbrechend Neues“. Unabhängig davon wird mit dem Urteil allerdings die wichtige Frage der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen beim Fahrlässigkeitsdelikt erneut auf die Tagesordnung gesetzt, was die Prüfungsämter durchaus zu einem erneuten Abprüfen dieser Konstellation in einer Examensklausur animieren, aber auch zu entsprechenden Fallgestaltungen in der mündlichen Prüfung führen kann. Dies gilt gerade im Hinblick auf die zumindest im Leitsatz abweichende Entscheidung des OLG Stuttgart, auch wenn diese bzgl. des zu beurteilenden Sachverhalts etwas anders gelagert war.
b) Bzgl. der Bearbeitung eines entsprechenden Falles in der Klausur ist anzumerken, dass die vom OLG Celle in „einem Rutsch“ durchgeführte Fahrlässigkeitsprüfung in der Klausur selbstverständlich aufzuteilen ist, sofern man dem herrschenden zweiaktigen Fahrlässigkeitsaufbau folgt. Demgemäß sind allein der objektive Sorgfaltspflichtverstoß des Täters sowie die objektive Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit im Tatbestand zu prüfen, während die subjektive Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit Elemente der Schuld darstellen, also erst nach Bejahung einer objektiven Zurechenbarkeit des Taterfolgs anzusprechen sind.
c) Zuletzt sei im Hinblick auf die Terminologie ausdrücklich angemerkt, dass die Rechtsfigur der „einverständlichen Fremdgefährdung“ nichts mit dem Begriff des Einverständnisses zu tun hat, welches bekanntermaßen nur bei Tatbestandsmerkmalen, die explizit ein Handeln gegen bzw. ohne den Willen des Opfers voraussetzen, eingreifen kann. Vielmehr steht sie im Hinblick auf ihren dogmatischen Ursprung der Einwilligung nahe, nur dass sie nicht auf die Verletzung, sondern lediglich Gefährdung des tatbestandlichen Rechtsguts abzielt, der das spätere Opfer zustimmt. Dabei ist freilich zu beachten, dass die Einordnung der „einverständlichen Fremdgefährdung“ in den Straftataufbau umstritten ist, so dass sie teils bei der objektiven Zurechnung, teils aber auch als „echte“ Einwilligung erst im Rahmen der Rechtswidrigkeit geprüft wird (vgl. dazu Roxin a.a.O. einer-, Wessels/Beulke a.a.O. andererseits). Diese Unsicherheiten hinsichtlich der dogmatischen Verortung werden i.Ü. auch bei der Leitentscheidung BGHSt 53, 55 ff. sichtbar, die zunächst eine „einverständliche Fremdgefährdung“ bzgl. des Beifahrers des verunfallten Rennwagens im Rahmen der objektiven Zurechnung ablehnt, bevor sie sich im Anschluss noch mit der „Einwilligung“ desselben in den „Tod oder in das Risiko seines Todes“ beschäftigt. Wo der Unterschied zwischen dem Einverständnis in eine Fremdgefährdung und der Einwilligung in das Risiko des Todes liegen soll, erschließt sich dabei nicht recht. In der Klausurbearbeitung erscheint es m.E. vorzugswürdig, die „einverständliche Fremdgefährdung“ im Rahmen der objektiven Zurechnung zu verorten, da eine Rechtfertigung qua Einwilligung sich stets auf das Rechtsgut des Delikts beziehen muss. Dieses ist bei den §§ 222, 229 StGB aber nun einmal die Verletzung des Körpers bzw. Lebens, nicht allein die Gefährdung derselben. Demgegenüber enthält die Kategorie der objektiven Zurechnung keine vergleichbar trennscharfe Funktionsbeschreibung, so dass hier die mit der Einwilligung in eine Gefährdung verbundenen Fragen leichter untergebracht werden können.

17.07.2012/3 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-07-17 10:00:072012-07-17 10:00:07OLG Celle: (Nochmals) zur Erfolgszurechnung bei mittelbarer Verursachung einer fahrlässigen Tötung – 2 Fast 2 Furious
Dr. Simon Kohm

Examensfall: Kölner U-Bahn Bau

Strafrecht

Die Ereignisse um den Kölner U-Bahn Bau muten an wie der typisch skurrile Sachverhalt einer Examensklausur: „Polier P wies aus Geldmangel zwei seiner Arbeiter an, Eisenbügel an einen Schrotthändler….“. Für die Nicht-Rheinländer: Das Kölner Stadtarchiv war vor gut einem Jahr in sich zusammengestürzt, als Grund gelten die Bauarbeiten in nahe liegenden U-Bahn Tunneln. Bei dem Unglück kamen zwei Studenten ums Leben, ebenso waren erhebliche Sachschäden zu verzeichnen. Wie sich jetzt herausstellte, hatte ein Polier selbst oder durch Anweisung mehrere Stahlstützen aus der damaligen Baugrube entfernt bzw. entfernen lassen, um diese dann zu verkaufen. Ob dies allerdings Grund für den Einsturz ist, ist noch nicht geklärt und wird offenbar momentan eher bezweifelt. Die vorstehenden Ereignisse könnten ohne weiteres in einer Klausur oder Mündlichen Prüfung insbesondere strafrechtlich zu erörtern sein.
§ 242 StGB durch Ansichnehmen der Stützstreben
Im Rahmen des objektiven Tatbestandes ist insbesondere zu diskutieren, ob eine Wegnahme und damit der Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams zu verzeichnen ist. Hier gilt es, genau zu definieren. Gewahrsam meint die tatsächliche, von einem Herrschaftswillen getragene Sachherrschaft, deren Umfang von der Verkehrsitte bestimmt wird. Sicher kann bejaht werden, dass der P als „Vorarbeiter“ (Mit-) Gewahrsam an der Sache hatte, denn er kann in tatsächlicher Art und Weise bestimmten, wie auf der Baustelle zu verfahren ist. Fraglich leibt allerdings, ob der nicht etwas untergeordneten Gewahrsam innehatte, sodass ein Bruch des übergeordneten Gewahrsams durchaus noch möglich ist. Hier könnte beispielsweise der Bauleiter oder Projektleiter einen übergeordneten Gewahrsam haben. Hier wäre der Sachverhalt auf Anhaltspunkte zu kontrollieren. Wichtig ist, die Probleme des gelockerten Gewahrsams (Bauleiter muss nicht anwesend sein) und des mehrstufigen Gewahrsams zu erkennen und sich im Rahmen einer nachvollziehbaren Begründung zu entscheiden. Wenn man hier einen Gewahrsamsbruch verneinen will, dann ist die Unterschlagung gem. § 246 StGB zu prüfen.
§ 263 StGB
Laut aktueller Nachrichten wurde gegen die Betroffenen ebenso ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges eingeleitet. Ich kann mir momentan allerdings nicht genau vorstellen, aus welchen Gründen genau.
Denkbar wäre vorliegend ein Betrug zu Lasten des Bauleiters oder der Stadt durch Unterlassen, wenn vorgegeben wird, dass man alle Stahlträger eingebaut wurden. Eine Garantenstellung könnte man noch aus Ingerenz herleiten, Probleme dürfte allerdings der Vermögensschaden machen, hier müsste auf den Sachverhalte geachtet werden.
Denkbar wäre aber ebenso ein Betrug an dem Eisenhändler, wenn verschwiegen wird, dass es sich bei den besagten Teilen um Diebesgut handelt. Eine Täuschung und eine Vermögensverfügung wären dann zu bejahen, problematisch bleibt der Vermögensschaden. Hier wären dann Einzelheiten des zivilrechtlichen Eigentumserwerbs zu erörtern. Da die Sachen nicht im Eigentum des Poliers sind, kommt allenfalls ein gutgläubiger Erwerb in Betracht, der aber wiederum am Abhandenkommen scheitert, vgl. § 935 I BGB. Ein mittelbarer Besitz des P ist jedenfalls schon auf Grund des Fehlens eines BMV ausgeschlossen.
Weiß der Schrotthändler von dem Diebesgut, ist die Hehlerei, § 259 StGB zu prüfen.
§ 303 StGB durch Nichteinbau der Stahlstützen, zu beachten: §§ 304, 305, 305a
Hier könnte sich der P strafbar gemacht haben hinsichtlich der Gebäude und des Bibliotheksbestandes. Im Rahmen des objektiven Tatbestandes ist im Rahmen der Kausalität zu prüfen, ob das verhalten des P für die eingetretenen Schäden ursächlich war. Was in der Praxis sicherlich viele Gutachter auf den Plan rufen wird, ist in der Klausur im Sachverhalt vorgegeben. Auch sollte im Rahmen der §§ 303 ff StGB genau definiert werden und auch die „Exoten“ §§ 304 ff StGB nicht außer Acht gelassen werden, gerade im Hinblick auf den Bibliotheksbestand. Hier lohnt einfach mal ein Blick ins Gesetz und die gängigen Lehrbücher.
Problematisch im Rahmen des subjektiven Tatbestandes ist der Vorsatz, hier ist eine Abgrenzung vorzunehmen zur Fahrlässigkeit. Hier muss der dolus eventualis genau definiert werden und eine genau Abgrenzung erfolgen, hier kurz: Für den Eventualvorsatz reicht, dass der Täter die Möglichkeit (Möglichkeitstheorie) eines Erfolgseintritts sieht und die sich daraus ergebenden Folgen (im Rechtssinne) billigt. Vorliegend ist nicht auf die Hemmschwellentheorie einzugehen, dafür aber der Sachverhalt zu kontrollieren. Gerade im Hinblick auf die Sachkunde des P könnte man einen Vorsatz im Rahmen der §§ 303 ff. StGB bejahen.
§ 222 StGB wegen Nichteinbaus der Stahlträger
Beide Studenten sind tot. Aber auch hier muss der Kausalitätsnachweis positiv erfolgen (s.o. und im Rahmen des Sachverhalts). Im Rahmen der Zurechnung sehe ich keine Probleme. Der Tod von Menschen bei groben Baumägeln ist weder atypisch, noch selbst verschuldet. Anderes könnte die Sache liegen, wenn die Baustelle abschließend von einem unabhängigen Sachverständigen kontrolliert wurde. Aber selbst dann müsste man zu dem Ergebnis kommen, dass dies den Zurechnungszusammenhang nicht sperren kann. Die anderen Tatbestandsmerkmale sehe ich als unproblematisch an. Im Rahmen der Abgrenzung Vorsatz und Fahrlässigkeit müsste man wohl im Rahmen der Tötungsdelikte zu dem Ergebnis kommen, dass lediglich Fahrlässigkeit vorliegt, Stichwort: Hemmschwellentheorie.
Wie gesehen, bieten die genannten Ereignisse den idealen Sachverhalt für eine Examensprüfung, z.B. kombiniert mit Täter /Teilnehmerproblematik und Zusatzfragen aus der StPO.

16.02.2010/2 Kommentare/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2010-02-16 09:32:122010-02-16 09:32:12Examensfall: Kölner U-Bahn Bau
Samuel Ju

The Fast and the Furious vor Gericht – Zur Strafbarkeit illegaler Beschleunigungsrennen

Strafrecht

Der folgende aktuelle Fall war in nahezu jeder Ausbildungszeitschrift zu finden. Dort wurde jeweils die besondere Examensrelevanz dieser BGH-Entscheidung mehrfach hervorgehoben – dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Daher eine kurze Zusammenfassung der Entscheidung des BGH (BGHSt v. 20.11.2008 – 4 StR 328/08, s. https://www.bundesgerichtshof.de/):
Sachverhalt:
Vier Jungen vom Bodensee führten mit zwei Autos ein Beschleunigungsrennen auf der B33 (autobahnähnlich ausgebaut) durch. Es trat dabei ein getunter Golf (Höchstgeschwindigkeit von etwa 240 km/h) gegen einen Porsche Carrera (Höchstgeschwindigkeit von etwa 300 km/h) an; jeweils mit einem Beifahrer. Die Beifahrer zählten – durch Handzeichen – von 3 auf 0 und die Fahrer beschleunigten die Pkws von 80 auf über 200 km/h, was von den Beifahrern gefilmt wurde.
Dann wurde ein weiterer Beschleunigungstest durchgeführt. Hierzu gab der Angeklagte S. aus dem Pkw Porsche heraus das Startzeichen und forderte den Angeklagten H. mit den Worten „Gib Gas“ oder „Los“ zum Beschleunigen auf.
Nach Beendigung dieses Rennens wechselten die Fahrzeuge die Fahrstreifen, um einen weiteren Beschleunigungstest durchzuführen; der Angeklagte B. fuhr nunmehr auf dem linken, der Angeklagte H. auf dem rechten Fahrstreifen. Zur Durchführung des Rennens verringerten die Angeklagten B. und H. zunächst die Geschwindigkeit von etwa 120 km/h auf ca. 80 km/h und zumindest J. -P. Sim. (das spätere Opfer) gab durch Handzeichen das Startsignal. Anschließend beschleunigten die Fahrer die Pkws. Das Rennen, das sowohl der Angeklagte S. als auch J. -P. Sim. wiederum filmten, wurde auch nach dem Erreichen einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h fortgeführt. Als das entsprechende Verkehrszeichen passiert wurde, hatte der vom Angeklagten H. gesteuerte Pkw Porsche eine Geschwindigkeit von mehr als 200 km/h, der vom Angeklagten B. gesteuerte Pkw VW erreichte schließlich eine Spitzengeschwindigkeit von 213 km/h. Beide setzten das Rennen fort, auch als vor ihnen auf dem rechten Fahrstreifen der vom Zeugen G. gesteuerte, mit vier Personen besetzte und knapp 120 km/h schnelle Pkw Opel Astra sichtbar wurde. Als der Zeuge die „von hinten auf ihn zuschießenden“ Fahrzeuge bemerkte, steuerte er sein Fahrzeug innerhalb des Fahrstreifens nach rechts (ein Standstreifen ist im dortigen Bereich der Bundesstraße nicht vorhanden), während der Angeklagte B. den VW auf dem linken Fahrstreifen zur Mittelleitplanke hin lenkte. Zugleich steuerte der Angeklagte H. den Porsche über die mittlere Fahrbahnmarkierung hinaus auf den linken Fahrstreifen, um das Fahrzeug des Zeugen G. ebenfalls überholen zu können. Während des Überholvorgangs befanden sich die drei Fahrzeuge zeitgleich nebeneinander, wobei der Abstand zwischen dem VW und dem Porsche etwa 30 cm betrug. Nach dem Überholvorgang erreichte der Pkw Porsche im Bereich der auf 120 km/h begrenzten Höchstgeschwindigkeit eine Geschwindigkeit von mehr als 240 km/h. „Die durch das gleichzeitige Überholen realisierte Gefährdung haben sie [die Angeklagten B. und H. ] bewusst verursacht und in Kauf genommen“.
Als sich die drei Fahrzeuge während des Überholvorgangs nebeneinander befanden, geriet das vom Angeklagten B. gesteuerte Fahrzeug mit den linken Reifen auf den Grünstreifen an der Mittelleitplanke. Bei dem Versuch, wieder auf die Fahrbahn zu gelangen, machte der Angeklagte B. eine zu starke Lenkbewegung, das von ihm gesteuerte Fahrzeug geriet ins Schleudern, kam rechts von der Fahrbahn ab, überschlug sich, prallte gegen ein Verkehrszeichen, schleuderte zurück gegen die Mittelleitplanke und kam schließlich nach etwa 300 Meter auf dem rechten Fahrstreifen zum Stehen, wo es in Brand geriet. Bereits vor dem Erreichen des Endstandes wurden die – nicht angeschnallten – Insassen aus dem Fahrzeug geschleudert. An den bei dem Unfall erlittenen Verletzungen verstarb J. -P. Sim. noch am selben Tag, der Angeklagte B. wurde schwer verletzt.
Die Angeklagten H. und S. , die den Unfall beobachtet hatten, fuhren zunächst weiter und kehrten nach dem Ende der vierspurigen Ausbaustrecke auf der Gegenfahrbahn zur Unfallstelle zurück.
Probelm: Strafbarkeit des Angeklagten B nach dem StGB:
I. Zunächst einmal recht eindeutig (+): Strafbarkeit nach § 315c I Nr. 2 b) StGB
1. Der B führte ein Fahrzeug im Straßenverkehr; er hat beim Überholen gegen Vorschriften der StVO verstoßen (§ 5 IV 2 StVO); dies geschah auch grob verkehrswidrig; durch diese Handlung kam es auch zu einer Gefährung von Leib und Leben sowie des PKWs des G (als Sache von bedeutendem Wert);
2. B handelte auch – bedingt – vorsätzlich und rücksichtslos,
3. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor.
II. Problem des Falles: § 222 StGB?
1. Tatbestand
a. Tod eines Menschen (+)
b. Handlung des B, Kausalität (+)
c. Sorgfalspflichtverletzung (+) wegen zahlreicher Verstöße gegen StVO
d. obj. Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit (+)
e. Objektive Zurechnung
Hier lag ein erster Problemschwerpunkt. Die Lehre von der obj. Zurechnung verlangt, dass der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im Erfolg realisiert hat. Dies ist nicht der Fall, wenn das Opfer sich selbst gefährdet und diese Selbstgefährung sich im Erfolg realsiert hat, sodass dies den Beitrag des Täters überlagert.
Zunächst musste daher die eigenverantwortliche Selbstgefährung von der einverständlichen Fremdgefährung abgegrenzt werden. Dies geschieht nach hM mittels dem Kriterium der Tatherrschaft. Nach dem BGH hatte hier nur der B als Fahrer Tatherrschaft. Die Beteiligung des Beifahrers und Opfers (Startzeichen, Filmen, Anfeuern) reichte nicht aus, um dessen Tatherrschaft zu begründen. Mithin ging der BGH von einer Fremdgefährung aus und bejahte die objektive Zurechnung, denn eine Fremdgefährung wird erst auf der Ebene der Rechtfertigung relevant (dazu sogleich).
Die Vorinstanz hatte die objektive Zurechnung noch verneint, da im vorliegenden Fall die Fremdgefährdung einer Selbstgefährdung in allen relevanten Punkten gleichstehe. Diese Ansicht geht auf Roxin zurück. Das Argument der Vorinstanz war, dass es mehr oder weniger vom Zufall abhing, wer Fahrer war, da alle vier Jungs in der Szene aktiv waren und abwechselnd am Steuer saßen. Der BGH lehnte dies ab, da nach seiner Ansicht es allein auf die tatsächliche Tatsituation, die letztlich zum Unfall führte, ankomme. Hier ist die aA aber meines Erachtens gut vertretbar.
2. Problematisch war sodann die Rechtswidrigkeit. Hier war eine Einwilligung des Opfers zu diskutieren. Der BGH verneinte auch dies. Zwar gelte § 216 StGB als Einwilligungssperre bei § 222 StGB nicht direkt (str.), jedoch könne man den §§ 228, 216 StGB den Rechtsgedanken entnehmen, dass in eine Lebensgefahr nicht wirksam eingewilligt werden könne (auch str.). Es bestehe ein allgemeines Interesse an der Erhaltung des Rechtsguts Leben. Eine Einwilligung in eine Todesgefahr sei daher sittenwidrig. Hier war alles vertretbar.
3. Die Schuld war wiederum unproblematisch.
Hier noch einmal aus dem Urteil die wichtige Passage zur Einwilligung:
„2. In seinen Tod oder in das Risiko seines Todes hat J. -P. Sim. auch nicht in rechtserheblicher Weise eingewilligt.“
a) Während Rechtsprechung und herrschende Lehre darin übereinstimmen, dass entsprechend § 216 StGB eine Einwilligung in den von einem anderen vorsätzlich herbeigeführten Tod grundsätzlich nicht strafbefreiend wirkt, die vorsätzliche (oder fahrlässige) Körperverletzung dagegen unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 228 StGB gerechtfertigt sein kann, werden die Zulässigkeit und Bedeutung der Einwilligung in eine Lebensgefahr nicht einheitlich beurteilt.
In der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde eine solche Einwilligung als grundsätzlich unbeachtlich angesehen, weil das Leben eines Menschen auch in § 222 StGB zum Schutz der Allgemeinheit mit Strafe bedroht sei und eine Einwilligung das mit einer fahrlässigen Tötung verbundene Handlungsunrecht nicht zu beseitigen vermöge (BGHSt 4, 88, 93; 7, 112, 114; BGH VRS 17, 277, 279; BGHZ 34, 355, 361; BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 – 4 StR 162/00). In neueren Entscheidungen – insbesondere zu § 227 StGB – hat der Bundesgerichtshof dagegen darauf abgestellt, dass bei einer Einwilligung in die (vorsätzliche) Körperverletzung die Grenze zur Sittenwidrigkeit jedenfalls dann überschritten sei, wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Tat der Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht werde. Für diese Eingrenzung spreche sowohl der Normzweck des § 228 StGB als auch die aus der Vorschrift des § 216 StGB abzuleitende gesetzgeberische Wertung. Sie begrenzten die rechtfertigende Kraft der Einwilligung in eine Tötung oder Körperverletzung, da das Gesetz ein soziales bzw. Allgemeininteresse am Erhalt dieser Rechtsgüter auch gegen den aktuellen Willen des Betroffenen verfolge (BGHSt 49, 34, 42, 44; 166, 173 f. = JR 2004, 472 m. Anm. Hirsch = JZ 2005, 100 m. Anm. Arzt). Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof auf die Fälle übertragen, in denen das spätere Opfer in das Risiko des eigenen Todes eingewilligt und sich dieses anschließend – im Rahmen des von der Einwilligung „gedeckten“ Geschehensablaufs – verwirklicht hat. Auch in diesen Fällen scheide eine Rechtfertigung der Tat durch die Einwilligung des Opfers bei konkreter Todesgefahr aus (BGHSt 49, 166, 175).
b) Für gefährliches Handeln im Straßenverkehr gilt nichts anderes. Zwar versucht der Gesetzgeber, den Gefahren des Straßenverkehrs durch besondere Verhaltensregeln – insbesondere in der Straßenverkehrsordnung – entgegenzuwirken; auch ist ein gefährliches Verhalten im Straßenverkehr allgemein untersagt (§ 1 Abs. 2 StVO). Dies führt jedoch nicht dazu, dass bei einem Verstoß gegen verkehrsbezogene Sorgfaltspflichten einer Einwilligung des Betroffenen in gefährdendes Verhalten eines anderen keinerlei rechtliche Bedeutung zukommt. Eine rechtfertigende Wirkung der Einwilligung in riskantes Verkehrsverhalten scheidet nur für diejenigen Tatbestände grundsätzlich aus, die zumindest auch dem Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs im Allgemeinen dienen (§§ 315 b, 315 c StGB). Bezweckt eine Vorschrift dagegen ausschließlich den Schutz von Individualrechtsgütern (wie §§ 222, 229 StGB), so verliert die Einwilligung ihre (insoweit) rechtfertigende Wirkung nur dort, wo die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten ist, also bei konkreter Todesgefahr, unabhängig von der tatsächlich eingetretenen Rechtsgutverletzung.
Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu. Ob bereits durch den mit hohen Geschwindigkeiten durchgeführten „Beschleunigungstest“ auf einer öffentlichen Straße mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h die drohende Rechtsgutgefährdung für die Insassen der an dem Rennen beteiligten Fahrzeuge so groß war, dass eine konkrete Lebensgefahr vorlag, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls lag eine solche Gefahr in der Fortsetzung des Rennens noch zu einem Zeitpunkt, als ein gleichzeitiges Überholen eines unbeteiligten dritten Fahrzeugs mit nicht mehr kontrollierbaren höchsten Risiken für sämtliche betroffene Verkehrsteilnehmer verbunden war. In eine derart massive Lebensgefahr konnte J. -P. Sim. bezogen auf seine Person nicht mit rechtfertigender Wirkung einwilligen und zwar weder allgemein zu Beginn der Fahrt in dem Sinne, dass er mit einer Durchführung des Rennens „um jeden Preis“ einverstanden war, noch in der konkreten Situation bei Beginn des Überholmanövers mit den sich deutlich abzeichnenden Gefahren.

14.04.2009/0 Kommentare/von Samuel Ju
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