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Gastautor

BVerfG: Zur Strafbarkeit wegen Beleidigung durch „FCK BFE“ und ähnliche Abkürzungen

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT, Verfassungsrecht

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Martha Wendt veröffentlichen zu können. Die Autorin studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und der Sciences Po Paris. Zurzeit absolviert sie ein LL.M.-Studium an der Universität Cambridge.
 
In einer aktuellen Entscheidung (Beschl. v. 20.12.2020 – Az.: 1 BvR 842/19) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) per Beschluss eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich der Beschwerdeführer gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung (§ 185 StGB) aufgrund des Zurschaustellens eines Pullovers mit dem Schriftzug „FCK BFE“ gewendet hatte. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 (Beschl. v. 26.2.2015 – Az.: 1 BvR 1036/14) hatte das BVerfG – auch per Beschluss – einer ähnlichen Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung aufgrund des Tragens eines Ansteckers mit der Buchstabenkombination „FCK CPS“ als „offensichtlich begründet“ stattgegeben. Ähnlich entschied es 2016 und 2017 in zwei Entscheidungen zur Abkürzung „A.C.A.B“ (Beschl. v. 17.5.2016 – Az.: 1 BvR 257/14; Beschl. v. 16.1.2017 – Az.: 1 BvR 1593/16). Eine weitere Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine Verurteilung wegen Beleidigung aufgrund eines A.C.A.B.-Aufdrucks richtete, nahm das Gericht 2017 hingegen wiederum nicht zur Entscheidung an (Beschl. v. 13.6.2017 – Az.: 1 BvR 2832/15). Es stellt sich somit die Frage, worauf sich die unterschiedliche Bewertung dieser Fälle gründet, die das BVerfG als „erheblich anders“ einstuft (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2020, Rz. 10 – FCK BFE). Diese Fragestellung ist sowohl für Examenskandidaten als auch für Studierende der unteren Semester von hoher Prüfungsrelevanz.
 
I. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer, der nach Feststellungen des Amtsgerichts Göttingen der „linken Szene“ angehörte, hatte in der Vergangenheit bereits verschiedene Auseinandersetzungen mit der örtlichen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit, kurz BFE. Im Oktober 2017 demonstrierten er und andere Teilnehmer unter dem Motto „Kein Platz für Neonazis in Göttingen“ aus Anlass eines Strafverfahrens gegen einen Angehörigen der rechtsextremen Szene. Dabei trug er „gut sichtbar“ einen Pullover mit der Aufschrift „FCK BFE“. Beamte der BFE forderten den Beschwerdeführer mehrfach unter Verweis auf eine mögliche Strafbarkeit auf, die Aufschrift zu bedecken. Nachdem der Beschwerdeführer nicht reagierte, ordnete ein Beamter die Beschlagnahme des Pullovers an und forderte den Beschwerdeführer auf, den Pullover auszuziehen. Als dieser der Aufforderung nachkam, stellte sich heraus, dass der Beschwerdeführer unter dem Pullover ein T-Shirt mit identischem Aufdruck trug, was vom Beschwerdeführer spöttisch kommentiert wurde. Der Beschwerdeführer wurde später aufgrund dieses Vorfalls vom AG Göttingen wegen Beleidigung verurteilt. Die Sprungrevision blieb erfolglos. Mit der Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer, dass sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht hinreichend gewürdigt worden sei.
 
II. Verfassungsrecht vs. Strafrecht
Thematisch behandelt der Fall sowohl verfassungsrechtliche als auch strafrechtliche Fragen. Er könnte also in einer Prüfungssituation sowohl aus strafrechtlicher Sicht gestellt werden („Prüfen Sie die Strafbarkeit von A nach dem StGB“) als auch aus verfassungsrechtlicher Sicht („Hat die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg“). Die Perspektive ist eine andere, beide Prüfungen kommen aber letztlich zum selben Schluss. Für den Prüfling ist allen voran entscheidend, die Erkenntnisse aus dem Beschluss des Verfassungsgerichts auf die Prüfung übertragen zu können. Hierbei soll die folgende Erläuterung eine Hilfestellung bieten, wobei hier der strafrechtliche Aufbau als Ausgangspunkt gewählt wird. Auf eine Besonderheit bei der verfassungsrechtlichen Prüfung soll jedoch zum Schluss kurz hingewiesen werden.
 
III. Prüfung der Strafbarkeit wegen Beleidigung
1. Tathandlung
Die Beleidigung setzt als erstes Tatbestandsmerkmal die Kundgabe der eigenen Miss- oder Nichtachtung voraus. In der zugrundeliegenden Entscheidung gingen die Gerichte einhellig davon aus, dass die Abkürzung „FCK BFE“ als „Fuck Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit“ zu verstehen sei. Diese Auslegung liegt auf einer Linie mit früheren Entscheidungen zur Abkürzung „FCK CPS“, bei welcher die Gerichte außerdem hervorgehoben hatten, dass die Abkürzung „mittlerweile einem großen Personenkreis bekannt sei“. Das Wort Fuck bringe auch keine bloße Kritik zum Ausdruck, sondern werde „als Schmäh- oder Schimpfwort verwendet, das eine verächtliche Geringschätzung der so titulierten Person unmittelbar ausdrücke“ (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2020, Rz. 3 – FCK BFE). Bei der Abkürzung A.C.A.B. wurde die Bedeutung in früheren Entscheidungen teilweise noch ausführlicher diskutiert. Letztendlich lehnten die Gerichte aber Deutungen als fernliegend ab, wonach A.C.A.B. für „Acht Cola, Acht Bier“, „Autonome Chaoten argumentieren besser” (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.6.2008 – 1 Ss 329/08) oder „All CATS are BEAUTIFUL“ (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2017, Rz. 4 – A.C.A.B.) stehen sollte.
 
2. Tatobjekt und -erfolg
Im nächste Prüfungsschritt zeigt sich nun der Dreh- und Angelpunkt des Falles: Es geht um die Frage, gegen wen die mögliche Beleidigung gerichtet ist. Hier wird prinzipiell zwischen drei möglichen Konstellationen unterschieden: Beleidigung von Einzelpersonen, von Personengesamtheiten oder Einzelpersonen unter Kollektivbezeichnung (dazu Geppert, NStZ 2013, 553 (556 ff.)). Die Gerichte mussten sich hier folglich damit auseinandersetzen, an wen sich das „FCK BFE“ richten sollte. Dabei stellten sie zunächst fest, dass dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sei, dass sich Beamte der örtlichen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit sowie andere mit der Bedeutung des Kürzels vertraute Polizeibeamte vor Ort befinden würden. Der Beschwerdeführer hatte nichtsdestotrotz argumentiert, dass seine Äußerung nicht auf die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit Göttingen oder deren Beamte gerichtet gewesen wäre, sondern allgemein auf solche Einheiten bezogen gewesen sei. Dies überzeugte die Gerichte jedoch angesichts der Umstände des Falles nicht. Insbesondere die „gerade die BFE Göttingen betreffende Vorgeschichte“ und das Verhalten bei und nach der Anordnung, den Pullover auszuziehen, sprächen gegen die Argumentation des Beschwerdeführers. In der Feststellung, dass die Aussage an eine spezielle örtliche Einheit der Polizei gerichtet sei, unterscheidet sich der Fall nun beispielsweise von dem Fall des (anlasslosen) Tragens eines „FCK CPS“ Ansteckers in der Öffentlichkeit. In der Entscheidung aus dem Jahr 2015 hatte das BVerfG zunächst erklärt, dass eine auf ein Kollektiv bezogene Aussage unter Umständen auch ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein kann. Schränkte dies jedoch zugleich ein:

Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht.
(BVerfG, Beschl. v. 26.2.2015, Rz. 17 – FCK CPS; ebenso BVerfG, Beschl. v. 17.5.2016, Rz. 16 – A.C.A.B.)

Eine allgemeine politische Stellungnahme zur Institution der Polizei und ihrer gesellschaftlichen Funktion ist daher durch die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2020, Rz. 10 – FCK BFE). Unzulässig ist es nach Ansicht des Gerichts ebenfalls, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Aussage als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil diese eine Teilgruppe der Gruppe bildet (BVerfG, Beschl. v. 26.2.2015, Rz. 17 – FCK CPS). Entscheidend ist nach der Überzeugung des Gerichts eine personalisierende Zuordnung (BVerfG, Beschl. v. 26.2.2015, Rz. 18 – FCK CPS). Ebenso hatte das Gericht auch bereits in der A.C.A.B.-Entscheidung aus 2016 entschieden (BVerfG, Beschl. v. 17.5.2016, Rz. 17 – A.C.A.B.). Es ist also zunächst einmal für die Prüfung unerheblich, welche Abkürzung hier verwendet wird: Wie schon die unterschiedliche Bewertung in den „A.C.A.B.“‑Entscheidungen zeigt, können die Ausdrücke „A.C.A.B.“, „FCK CPS“ und „FCK BFE“ alle je nach Situation entweder straffreie Meinungsäußerungen sein oder strafbare Beleidigungen. Hier kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an. Für die Strafbarkeit entscheidend ist, ob ein individueller Bezug einer solchen Aussage zu einer bestimmten Einheit oder einzelnen Beamten hergestellt wird (ebenso Geppert, NStZ 2013, 553 (558 f.)). Der bloße Aufenthalt im öffentlichen Raum beispielsweise beim Spazierengehen, bei dem es zu einem zufälligen Zusammentreffen mit Polizeibeamten kommt, reicht hierfür nicht aus. Anders kann der Fall aber liegen, wenn die despektierliche Aussage bewusst auf Veranstaltungen zur Schau gestellt wird, in denen mit einem Zusammentreffen mit der Polizeieinheit gerechnet wird – wie im aktuellen Fall – oder sich der Äußernde bewusst in die Nähe der Polizei begibt, um diese mit seiner Parole zu konfrontieren (BVerfG, Beschl. v. 17.5.2016, Rz. 17 – A.C.A.B.) oder mit dem Finger auf bestimmte Beamte deutet (OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.6.2008 – Az.: 1 Ss 329/08). Der Grad ist hier zuweilen sehr schmal. Denn nicht ausreichen soll nach Ansicht des BVerfG in der A.C.A.B.-Entscheidung von 2016 wiederum die bloße Tatsache, dass dem Beschwerdeführer bewusst war, dass Einsatzkräfte der Polizei anwesend sein würden, wenn dieser sich nicht bewusst in die Nähe der Einsatzkräfte begeben habe (BVerfG, Beschl. v. 17.5.2016, Rz. 17 – A.C.A.B.). Hier gilt es in der Prüfung also genau mit dem Sachverhalt zu arbeiten. Aus der bisherigen Rechtsprechung lassen sich aber immerhin einige Faktoren herausarbeiten, die für die personalisierende Zuordnung von Relevanz sein können. So können etwa vorangegangene Auseinandersetzungen mit der Polizei (wobei hier aber einschränkend sowohl ein zeitlicher als auch ein örtlicher bzw. sachlicher Zusammenhang gefordert werden sollte), die (mehrfache) Weigerung, die Äußerung nach Aufforderung zu verdecken, der Anlass oder die Art, wie die Aussage kundgegeben wird, bei der Beurteilung eine Rolle spielen. Denkbar wäre auch, dass etwa die Sichtbarkeit und Größe einer verschriftlichten Äußerung (Plakat, Anstecker, Aufdruck etc.) eine Rolle spielen. Unter Umständen ergibt sich die Personalisierung auch erst aus der Kombination verschiedener Faktoren.
Nicht ganz eindeutig ist, ob sich die aktuelle Entscheidung lediglich auf die Beleidigung einzelner Mitglieder des Kollektivs BFE bezieht oder auch auf eine Beleidigung der BFE Göttingen als Personengesamtheit. Im Lichte der früheren Entscheidungen betrachtet, deutet die Formulierung eher auf die Annahme einer Beleidigung einzelner Mitglieder des Kollektivs hin. Denkbar wäre hier aber beides (auch kumulativ, vgl. LG Mannheim, Urt. v. 17.4.1996 – Az.: (10) 5 Ns 16/94).
Für die Beleidigungsfähigkeit einer Personengesamtheit wird allgemein vorausgesetzt, dass diese einen einheitlichen Willen bilden kann und eine rechtlich anerkannte Funktion in der Gesellschaft erfüllt. Sie muss eine eigene Verbandsehre haben. Das wird etwa für die Bundeswehr angenommen, scheitert aber bei „der“ Polizei daran, dass diese keinen einheitlichen Willen bilden kann (vgl. BayObLG, Urt. v. 30.6.1989 – Az.: RReg. 3 St 66/89; ebenso Geppert, NStZ 2013, 553 (557)). Für eine bestimmte Polizeieinheit gilt das aber nicht (vgl. LG Mannheim, Urt. v. 17.4.1996 – Az.: (10) 5 Ns 16/94) und so kann auch davon ausgegangen werden, dass die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit Göttingen zur einheitlichen Willensbildung durchaus fähig ist. Hier könnte man folglich davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund früherer Auseinandersetzungen mit der BFE Göttingen diese als Einheit ablehnt und damit in ihrer Verbandsehre angreifen wollte. In diesem Fall ist die Abgrenzung der einzelnen Einheit Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine beleidigungsfähige Personenmehrheit vorliegt.
Ebenso gut könnte man auch argumentieren, dass der Beschwerdeführer die einzelnen am Polizeieinsatz vor Ort beteiligten Beamten, die zur BFE gehören, beleidigen wollte. In diesem Fall ist die Eingrenzung jedenfalls im Rahmen der oben erörterten Prüfung der personalisierenden Zuordnung nach der vom BVerfG postulierten „je-desto“-Prüfung relevant. In beiden Fällen kommt man zur Beleidigungsfähigkeit des Adressaten.
 
3. Subjektiver Tatbestand und Rechtfertigung
Nach Ansicht des Tatgerichts handelte der Beschwerdeführer auch vorsätzlich. Bei der Prüfung von Ehrdelikten mit einem Bezug zur Meinungsfreiheit sollte man schließlich immer an den besonderen Rechtfertigungsgrund nach § 193 StGB denken. Die Rechtfertigung scheidet aber bei reiner Diffamierung oder Schmähkritik aus. Das Tatsachengericht sah hier in diesem Sinne „keinerlei sachbezogenen Beitrag im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung“ und schloss daher eine Rechtfertigung aus.
Somit kommt man insgesamt im aktuellen „FCK BFE“-Fall zu einer Strafbarkeit wegen Beleidigung.
 
IV. Exkurs zur verfassungsrechtlichen Prüfung
Verfassungsrechtlich soll an dieser Stelle nur auf eine Besonderheit beim Prüfungsmaßstab des BVerfG bei derartigen Konstellationen noch einmal gesondert eingegangen und hingewiesen werden. Prinzipiell gilt, dass ein Rechtsträger sich nur noch durch Erhebung einer Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG gegen ein Urteil zur Wehr setzen kann, wenn der ordentliche Rechtsweg erschöpft ist.  Allerdings handelt es sich hierbei um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, mit dem lediglich die spezifische Verletzung von Grundrechten gerügt werden kann. „Das BVerfG ist kein Superrevisionsgericht“ – ein Satz, der wohl jedem Juristen in Fleisch und Blut übergeht. Das heißt, es findet grundsätzlich keine Prüfung der Auslegung und Anwendung von einfachem Recht statt, sondern es wird lediglich geprüft, ob ein Gericht die Reichweite eines Grundrechtes prinzipiell verkannt hat. Bei den Kommunikationsgrundrechten nach Art. 5 (vor allem der Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit) gilt es nach der Rechtsprechung des BVerfG allerdings eine Besonderheit zu beachten. Hier prüft das BVerfG auch, ob die Gerichte die Meinungsäußerung richtig ausgelegt haben. So verstoße

die Verurteilung wegen einer Äußerung schon dann gegen Art. 5 Abs. 1 GG, wenn diese den Sinn, den das Gericht ihr entnommen und der Verurteilung zugrunde gelegt hat, nicht besitzt oder wenn bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Deutung zugrunde gelegt worden ist, ohne dass andere, ebenfalls mögliche Deutungen mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen worden sind.
(st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.12.1976 – Az.: 1 BvR 460/72)

Das bedeutet bezogen auf die aktuelle Problematik des Beleidigungsadressaten:

[…] insoweit ist, wenn der sprachliche Zusammenhang und die außertextlichen Begleitumstände des konkreten Einzelfalls eine Deutung zulassen, welche die inkriminierte Äußerung als eine vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckte allgemeine oder anlassbezogene Kritik an dem Kollektiv selbst ohne erkennbar ehrverletzenden Bezug zu einzelnen individualisierbaren Angehörigen des Kollektivs erscheinen lassen, dieser grundrechtsschonenden, bereits die objektive Tatbestandsmäßigkeit der Beleidigung entfallen lassenden Deutungsvariante grundsätzlich und regelmäßig der Vorzug zu geben.
(OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.7.2012 – Az.: 1 (8) Ss 64/12 – AK 40/12)

Die Meinungsfreiheit kann im Rahmen der Prüfung einer Strafbarkeit nach § 185 StGB folglich an zwei Stellen relevant werden: Zunächst und vorrangig bei der Auslegung des Tatbestands. Und zum anderen im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigung nach § 193 StGB.
 
IV. Fazit
Der aktuelle Beschluss des BVerfG zu „FCK BFE“ reiht sich in eine Folge kontinuierlicher Entscheidungen ein. Es handelt sich um einen „Klassiker“, bei dem der Prüfling jedoch besonders genau auf die Details des Sachverhalts achten sollte. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung die personalisierende Zuordnung. Unter Berücksichtigung dieser Unterscheidung überrascht es folglich keineswegs, dass die auf den ersten Blick ähnlich wirkenden Sachverhaltskonstellationen zum „FCK CPS“-Anstecker und zum „FCK BFE“-Pullover hier unterschiedlich bewertet wurden.

04.02.2021/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2021-02-04 09:00:382021-02-04 09:00:38BVerfG: Zur Strafbarkeit wegen Beleidigung durch „FCK BFE“ und ähnliche Abkürzungen
Christian Muders

LG Tübingen: Bezeichnung eines Polizeibeamten als „Homosexueller“ keine Beleidigung

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT

Anm. zu LG Tübingen, Urteil v. 18.7. 2012 – 24 Ns 13 Js 10523/11 (= NStZ-RR 2013, 10)
1. Um was geht es?
Dem Angeklagten wurde u.a. vorgeworfen, im Rahmen einer Blutentnahme in den Diensträumlichkeiten eines Polizeireviers in Gegenwart des Arztes die anwesenden Polizisten als „Homosexuelle“ bezeichnet zu haben, um diesen gegenüber seine Missachtung auszudrücken. Die Staatsanwaltschaft hatte hierin eine strafbare Beleidigung (§ 185 StGB) erblickt.
2. Was sagt das Gericht?
Das LG Tübingen hat angenommen, dass in dem geschilderten Geschehen kein Beleidigungsdelikt i.S.d. §§ 185ff. StGB gegenüber den im Revier anwesenden Polizisten liege und den Angeklagten daher – jedenfalls insofern – freigesprochen.
a) Es umschreibt hierbei zunächst das Rechtsgut der Ehrdelikte, um einen Maßstab für die im konkreten Fall vorgenommene Wertung zu erhalten:

Personales Rechtsgut der §§ 185 ff. StGB ist die Ehre als verdienter Achtungsanspruch jedes Individuums. Nach dem normativ-faktischen Ehrbegriff geht es um den auf die Personenwürde gegründeten, jedem Menschen von Verfassungs wegen zustehenden Geltungswert und den daraus folgenden Anspruch, nicht unverdient herabgesetzt zu werden. Dieser Ehrenstatus reflektiert auf den Aspekt personaler Würde als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG) und auf die Geltung der Person in der Gesellschaft. Demzufolge impliziert eine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne die Kundgabe der Missachtung bzw. Nichtachtung und somit eine Aussage mit wertminderndem Gehalt. Hierbei ist der Äußerungsinhalt unter Berücksichtigung der Begleitumstände zu ermitteln. Der Ehrbegriff ist „normativ“, weil es dabei nicht primär auf einen bloßen Beleidigungswillen des Äußernden oder auf die subjektiv empfundene Kränkung des Erklärungsempfängers ankommt. Vielmehr muss die Bedeutung der Äußerung objektiv unter Beachtung der Wertungen der Rechtsordnung gewürdigt werden. Keine Beleidigung stellen daher wertneutrale Äußerungen dar, die von der erklärenden Person nach ihrer eigenen Wertung als „beleidigend“ gemeint sind (s. zum Ganzen, Fischer, a.a.O., § 185, Rn. 3 ff.).

b) Sodann wendet die Kammer diese Grundsätze auf den konkreten Sachverhalt an und stellt zunächst fest, dass bereits rein tatsächlich in der Äußerung des Angeklagten kaum objektiv eine Missachtung liegen könne:

Schon rein empirisch ist zweifelhaft, ob die Bezeichnung als „homosexuell“ eine Herabwürdigung enthält. Das mag in der Vergangenheit anders gewesen sein. Der gesellschaftliche Wandel in der Einstellung zur Homosexualität äußert sich etwa darin, dass sich führende Politiker oder Prominente als Homosexuelle offenbaren. Auch innerhalb der Polizei gibt es ein „Netzwerk für Lesben und Schwule“, das sich für mehr Toleranz einsetzt (s. www.velspol.de).

Diese tatsächlichen Feststellungen sichert das Gericht im Anschluss auch normativ ab, indem es auf verschiedene Werteentscheidungen der deutschen Rechtsordnung verweist:

Diese Bewertung folgt aus Art. 3 GG und der einfachgesetzlichen Konkretisierung des Gleichheitsgrundsatzes durch § 1 des Antidiskriminierungsgesetzes (ADG). Demzufolge sind „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. Niemand darf also wegen seiner sexuellen Identität diskriminiert werden. (…) Entscheidend ist aber, dass sich das Strafrecht in einen Widerspruch zu dem verfassungsrechtlich begründeten Antidiskriminierungsansatz begeben würde, wenn die Bezeichnung als „homosexuell“ als ehrmindernd und herabsetzend bewertet würde. Darin käme gerade die Diskriminierung zum Ausdruck, die von Rechts wegen nicht mehr sein soll. (…) Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass hier uniformierte Polizeibeamte als „homosexuell“ tituliert wurden. Ein Sonderrecht für Polizeibeamte in Uniform – schärfer: eine Ausnahme vom verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbot – ist nicht anzuerkennen.

c) Schlussendlich betont das Gericht, dass bei einer abwertenden Bezeichnungen für Homosexuelle die Sachlage wieder anders liegen würde:

Anders beurteilen sich Äußerungen, die sich nicht auf die Bezeichnung „homosexuell“ beschränken, sondern zusätzlich eine Herabwürdigung ausdrücken wie z.B. „dreckige Schwanzlutscher“ oder „Schwuchteln“. Solche Äußerungen hat das Amtsgericht ebenfalls festgestellt (s. II. 3.) und völlig zu Recht als Beleidigungen gewertet.

3. Warum ist die Entscheidung interessant?
Das Urteil des LG Tübingen führt lehrreich vor, wie die aufgrund ihres generalklauselartigen Rechtsguts in der Klausur nicht gerade einfach zu handhabenden Tatbestände der Ehrdelikte in sinnvoller Weise ausgelegt und für den jeweiligen Sachverhalt konkretisiert werden können.
a) Dabei ist zunächst – was das LG Tübingen in seiner pauschalen Bezugnahmen auf eine „Strafbarkeit nach den §§ 185 ff. StGB“ unterlassen hat – eine Einordnung des Begriffs „Homosexueller“ vorzunehmen, also zu fragen, ob es sich hierbei um eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil handelt: Im ersteren Fall ständen nämlich nicht allein das Delikt der Beleidigung, sondern auch die Straftatbestände der §§ 186 ff. StGB im Raum, welche bei Drittbeteiligung – der im Revier anwesende Arzt hört vorliegend mit – der Anwendung des § 185 StGB vorgehen. Insofern ist festzustellen, dass die Eigenschaft als „Homosexueller“ zwar durchaus dem Beweis zugänglich und mithin grundsätzlich als Tatsache zu werten ist; vorliegend geht es dem Angeklagten aber offensichtlich nicht darum, die tatsächliche sexuelle Präferenz der anwesenden Polizisten mitzuteilen, vielmehr möchte er ihnen mit der vordergründigen Tatsachenbehauptung wohl eher negativ-wertende Assoziationen (namentlich als unmännlich, verweichlicht) zuschreiben, so dass i.E. von einem Werturteil auszugehen ist. Dabei ist überhaupt zu beachten, dass die Rechtsprechung bei lediglich pauschalen Begriffen oftmals die Einordnung als Tatsachenbehauptung ablehnt und eher eine wertende Stellungnahme präferiert. So ordnet das KG in einer neueren Entscheidung (Beschluss v. 30.4.2012 – [4] 161 Ss 80/12 [104/12] = NStZ-RR 2013, 8 ff.) die über das Internet verbreitete, pauschale Bezeichnung von politischen Gegnern als „Alkoholiker“ im konkreten Fall ebenfalls als bloßes Werturteil ein, da sie so substanzarm sei, dass der erkennbare Tatsachenkern gegenüber der subjektiven Wertung völlig in den Hintergrund trete. Zudem verweist das KG in der genannten Entscheidung darauf, dass die Einordnung einer Äußerung als Werturteil oder Tatsache nicht nur für den einschlägigen Straftatbestand, sondern auch für die Rechtfertigungsebene Bedeutung erlangt: Während nämlich Werturteile voll umfänglich durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt werden, gilt dies im Tatsachenbereich nur für wahre Tatsachen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 13.4.1994 – 1 BvR 23/94 = BVerfGE 90, 241 ff.), was im Rahmen einer Abwägung nach § 193 StGB relevant werden kann.
b) Des Weiteren wird durch das LG Tübingen in überzeugender Weise dargelegt, dass die Bezeichnung als „Homosexueller“ nach den heutigen sozialen Standards objektiv nicht als Ausdruck der Miss- oder Nichtachtung eingeordnet werden kann. Wichtig ist hierbei insbesondere der Hinweis des Gerichts darauf, dass den Maßstab für diese Einordnung weder das Empfinden des Täters noch des Opfers selbst, sondern allein die objektive Bedeutung der Äußerung unter Beachtung der Wertungen der Rechtsordnung liefert. Handelt es sich bei dem Opfer einer Äußerung also etwa um einen besonders empfindlichen Zeitgenossen, führt dies nicht dazu, dass dieser eher beleidigt werden könnte als ein abgehärteter Typus. Exemplarisch hierfür ist auch eine Entscheidung des AG Berlin-Tiergarten (Beschluss v. 26. 5. 2008 – [412 Ds] 2 JuJs 186-08 [74/08] = NJW 2008, 3233), wonach die Anrede eines Polizisten als „Oberförster“ zwar von diesem subjektiv als Angriff auf seine Ehre als Polizeibeamter und Mensch empfunden werden mag, was jedoch nichts daran ändere, dass ein „verständiger Dritter“ hiermit nicht den Achtungsanspruch des Betroffenen in Gefahr sehen würde. Fraglich kann bei dieser Betrachtung allerdings sein, ob im umgekehrten Fall, wenn also eine tatsächlich erniedrigende Äußerung vom Opfer als nicht beleidigend empfunden wird, diese bei einem objektiven Maßstab nicht dennoch den Tatbeständen der Ehrdelikte unterfällt – was freilich deshalb, weil ohnehin grundsätzlich ein Strafantragserfordernis des Verletzten gem. § 194 Abs. 1 StGB gilt, nicht sonderlich ins Gewicht fallen würde. Geht man schließlich davon aus, dass der Täter bei einer objektiv nicht ehrenrührigen Äußerung eine solche Wirkung zumindest intendiert hat, wie dies der oben wiedergegebene Sachverhalt mit seiner Beschreibung des subjektiven Ziels des Angeklagten nahe legt, könnte immerhin an einen „untauglichen Versuch“ zu denken sein. Dieser würde allerdings, da die Beleidigungsdelikte keine Verbrechen darstellen und auch keine ausdrückliche Anordnung der Versuchsstrafbarkeit enthalten, für den Täter stets folgenlos bleiben.

16.01.2013/3 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2013-01-16 12:00:052013-01-16 12:00:05LG Tübingen: Bezeichnung eines Polizeibeamten als „Homosexueller“ keine Beleidigung
Christian Muders

OLG Karlsruhe: Transparent mit der Aufschrift „A.C.A.B.“ bei einem Fußballspiel als Beleidigung

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht BT

Anm. zu OLG Karlsruhe, Urteil v. 19.07.2012 – 1 (8) Ss 64/12- AK 40/12
1. Um was gehts?
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, dass er im Oktober 2010 anlässlich einer Zweitliga-Begegnung des Karlsruher SC gegen den Vfl Bochum im Fanblock des Karlsruher Wildparkstadions, gemeinsam mit weiteren Personen, ein im gesamten Stadion sichtbares großflächiges Banner mit der Aufschrift „A.C.A.B.“ – eine Abkürzung für die Worte „All cops are bastards“ – hochgehalten habe, um den im Stadionbereich anwesenden Polizeibeamten gegenüber seine Missachtung auszudrücken. Die Vorinstanzen hatten den Angeklagten freigesprochen.
2. Was sagt das Gericht?
Das Gericht hat das Berufungsurteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, da die Feststellungen der Vorinstanz eine in sich geschlossene Darstellung der für erwiesen erachteten Tatsachen vermissen lassen und daher keine ausreichende Grundlage für die revisionsgerichtliche Überprüfung bieten. Im Hinblick auf die in der neuen Verhandlung anzustellenden rechtlichen Wertungen hat das Gericht eine Anzahl von Hinweisen erteilt, die sich sowohl auf den Opferkreis des potentiellen Beleidigungsdelikts als auch die Feststellung eines ehrenrührigen Inhalts des Transparents beziehen:
a) Vorliegen eines beleidigungsfähigen Opfers der Tat
Nach § 185 StGB wird bestraft, wer eine andere Person beleidigt. Die zu beleidigende Person kann dabei sowohl eine natürliche Person als auch eine (juristische) Personengesamtheit sein, letzteres wird als sog. Kollektivbeleidigung bezeichnet. Außerdem ist auch eine Beleidigung gegenüber einer Mehrzahl von (natürlichen oder juristischen) Einzelpersonen möglich (sog. Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung). Im Einzelnen:

  • Eine Kollektivbeleidigung liegt vor, wenn eine Personengesamtheit Opfer der Beleidigung ist. Dies erfordert, dass der betroffene Verband einen einheitlichen Willen bilden kann und eine rechtlich anerkannte Funktion in der Gesellschaft erfüllt. In Betracht kommen z.B. als juristische Personen organisierte Unternehmen, Gewerkschaften oder politische Parteien.
  • Eine Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung ist demgegenüber gegeben, wenn eine Mehrzahl von Einzelpersonen unter einer Sammelbezeichnung beleidigt wird. Von der Kollektivbeleidigung unterscheidet sich dieser Fall insofern, als nicht eine von ihren Mitgliedern zu abstrahierende Personengesamtheit (= das Kollektiv selbst), sondern einzelne natürliche Personen, die auch (aber nicht notwendigerweise!) Mitglieder eines beleidigungsfähigen Kollektivs sein können, angegriffen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass überhaupt bestimmte Personen unter der Kollektivbezeichnung angesprochen werden, was wiederum erfordert, dass der betroffene Personenkreis überschaubar ist und die ihm zugehörenden Personen individualisierbar sind.

aa) Im vorliegenden Fall ist zunächst der Sinngehalt der Äußerung, welche durch die Buchstaben des Plakats vermittelt wird, zu ermitteln:„A.C.A.B.“ erscheint bei unbefangener Betrachtung als harmlose Buchstabenreihenfolge, wird aber, wie es das OLG ausdrückt, „nach allgemeinem Erfahrungswissen“ als Abkürzung für die englischsprachige Parole „All cops are bastards“ („Alle Polizisten sind Bastarde“) verwendet. Betroffene der durch das Plakat vermittelten Äußerung sind demnach „Polizisten“, die als „Bastarde“ bezeichnet werden. „Polizisten“ wiederum sind Angehörige einer bestimmten Berufsgruppe, bei der es sich allerdings nicht um eine Personengesamtheit, die einen einheitlichen Willen bilden kann, handelt; vielmehr sind hiermit verschiedene Organisationen der Staatsgewalt in verschiedenen Ländern, regelmäßig ohne eigene Rechtsfähigkeit, angesprochen, so dass eine Einstufung der Äußerung als Kollektivbeleidigung ausscheidet. Die zweite Möglichkeit stellt die Beleidigung einzelner Polizisten unter Nennung ihrer Berufsgruppe als Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung dar. Aber auch diese Möglichkeit ist bei der Nutzung der Buchstabenkombination „A.C.A.B.“ grundsätzlich nicht einschlägig, da „All cops“ eben keine überschaubare Personengruppe bilden, sondern die Äußerung auf alle Polizisten der Welt, unabhängig von ihrer Funktion und Nationalität, bezogen werden kann; der ehrenrührige Inhalt der Äußerung verliert sich damit gewissermaßen in der Anonymität der unbestimmten Vielzahl von Personen, die dieser Gruppe zugehörig sind, so dass die Erfassung einer solchen Äußerung als Beleidigung einzelner Personen (ebenfalls) regelmäßig ausscheidet (vgl. LG Stuttgart, Urteil v. 04.07.2007 – 38 Ns 25 Js 34332/05 = StraFo 2007, 384 = NStZ 2008, 633: Tragen eines Aufnähers mit der Aufschrift „A.C.A.B.“ auf einer Jacke).
bb) Anderes gilt indes, wenn der Kontext der Äußerung ergibt, dass sie tatsächlich nicht auf die gesamte Berufsgruppe, sondern vielmehr auf einen einzelnen Polizisten oder jedenfalls eine überschaubare Polizistengruppe gemünzt ist; dann kann es sich wiederum um eine Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung handeln. So hat etwa das OLG Stuttgart angenommen, dass der Ausruf der Wortkombination „A.C.A.B.“, der mit einem Fingerzeig gegenüber einem einzelnen Polizisten verbunden wird, gerade auf diesen bezogen ist und damit die Beleidigung eines Einzelnen darstellt (Beschluss v. 23.06.2008 – 1 Ss 329/08 = NStZ-RR 2009, 50). Gleiches nimmt das OLG Karlsruhe auch für den vorliegenden Fall an und führt dazu aus, dass es nahe liege, den Inhalt des Transparents „auf die bei dem verfahrensgegenständlichen Spiel eingesetzten Polizeibeamten und damit einen umgrenzten, grundsätzlich beleidigungsfähigen, Personenkreis zu beziehen.“ Auch in dem zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt ist damit trotz der isoliert betrachtet nicht beleidigungsfähigen Gruppe, die auf dem Transparent angesprochen wird, im Hinblick auf den Kontext, in dem diese Äußerung geschieht, von einem beleidigungsfähigen Personenkreis auszugehen.
b) Ehrverletzender Inhalt der Äußerung
aa) Im Hinblick auf die Einordnung der Aussage des Transparents ist zunächst festzustellen, dass es sich nach dem Kontext der Äußerung bei der Bezeichnung von Polizisten als „Bastarde“ nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil handelt, welches demnach (ausschließlich) § 185 StGB und nicht etwa den §§ 186, 187 StGB unterfällt. Zwar ist die Frage, ob eine Person ein „Bastard“, also ein uneheliches Kind ist, genau genommen – etwa per DNA-Test – objektiv nachweisbar, was eine Einordnung der Äußerung als „Tatsache“ nahelegen würde. Indes ist der Inhalt des Transparents vorliegend selbstverständlich nicht in diesem wörtlichen Sinne gemeint, vielmehr sollen damit negative Assoziationen, namentlich im Hinblick auf eine angebliche Minderwertigkeit der so bezeichneten Person, geweckt werden, was aber ein reines Werturteil darstellt.
bb) Bezüglich des ehrverletzenden Gehalts der Bezeichnung weist das Gericht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG bei der Bewertung einer Äußerung als Beleidigung dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) angemessen Rechnung zu tragen ist. Zwar ist der Tatbestand der Beleidigung ein allgemeines Gesetz i.S.d. Grundrechtsschranke des Art. 5 Abs. 2 GG, da die Vorschrift ehrrührige Äußerungen unabhängig von ihrer inhaltlichen Ausrichtung erfasst und mit dem Schutzgut der Ehre zudem ein Gemeinschaftsgut bewahren will, dem (generell) ein Vorrang vor der Freiheit zur Meinungsbetätigung zukommen kann. Indes muss auch bei Anwendung der Norm auf den Einzelfall das Gewicht des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung, dem in einer pluralistischen Demokratie eine wichtige Funktion im Hinblick auf die Meinungsbildung und -betätigung der Bevölkerung zukommt, angemessen berücksichtigt werden. Lässt danach eine Äußerung nach Wortsinn und bestimmenden Begleitumständen mehrere Deutungsmöglichkeiten zu, ist deshalb regelmäßig derjenigen der Vorzug zu geben, welche die Äußerung als von diesem Grundrecht gedeckt erscheinen lässt. Die Möglichkeit einer zulässigen Deutungsvariante wird vom OLG Karlsruhe dabei deswegen in Erwägung gezogen, weil unmittelbar vor dem Hochhalten des relevanten Textes, Banner verwendet wurden, die auf den heftig kritisierten Polizeieinsatz bei der Großdemonstration im Zusammenhang mit „Stuttgart 21“ bezogen waren. Bei der englischsprachigen Parole „All cops are bastards“ nimmt das Gericht indessen an, dass es wegen der darin liegenden abwertenden Kennzeichnung einer Person als „Bastard“ naheliege, der Bezeichnung grundsätzlich beleidigenden Charakter i.S.d. § 185 StGB beizumessen. Dabei könne berücksichtigt werden, dass die pauschal verunglimpfende Belegung von Polizeibeamten mit diesem Begriff ihrer sprachlichen Fassung nach – anders als etwa die Bezeichnung von bei einer Demonstration eingesetzten Polizeikräften als „Schlägertruppe“ oder von bei einer Verkehrskontrolle eingesetzten Polizeibeamten als „Wegelagerer“ – in keinem auch nur ansatzweise erkennbaren sachlichen Bezug zum Beruf des Polizisten als solchem, zur polizeilichen Tätigkeit im Allgemeinen oder zum Verhalten von Polizeikräften speziell bei Einsätzen im Zusammenhang mit Großveranstaltungen wie Demonstrationen oder Fußballspielen stehe.
3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
Der vorliegende Sachverhalt eignet sich sowohl als kleinerer Fall in einer mündlichen Prüfung als auch – jedenfalls in Form eines „Nebenproblems“ – als Teilstück einer größer angelegten Examensklausur. Der Prüfer hat hier die Möglichkeit, einige bekannte Probleme der Beleidigungsdelikte, namentlich die Frage der Beleidigungsfähigkeit einer (größeren) Personengruppe sowie die Auswirkungen des Grundrechts der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG, anhand eines obergerichtlich behandelten Falles abzuprüfen. Zudem dürfte aus Prüfersicht gerade im Rahmen einer mündlichen Prüfung die Möglichkeit reizvoll sein, verschiedene Abwandlungen des hier besprochenen Falles (etwa das Tragen einer Jacke mit der Aufschrift „A.C.A.B.“ wie in dem vom LG Stuttgart entschiedenen Sachverhalt) bilden zu können, um die dort bestehenden Unterschiede zur Ausgangskonstellation von den Kandidaten herausarbeiten zu lassen.

08.11.2012/6 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-11-08 11:00:152012-11-08 11:00:15OLG Karlsruhe: Transparent mit der Aufschrift „A.C.A.B.“ bei einem Fußballspiel als Beleidigung
Tom Stiebert

OLG Frankfurt: Vorwurf von „SS-Methoden“ keine Beleidigung

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT, Verfassungsrecht

Das OLG Frankfurt hat kürzlich einen interessanten Fall entschieden (2 Ss 329/11), bei dem es um die Frage ging, ob sich eine Person, die die Tätigkeit eines Beamten der Bundespolizei als „SS-Methoden“ bezeichnete, sich der Beleidigung nach § 185 StGB strafbar gemacht hat. Die Kritik resultierte daraus, dass der dunkelhäutige Angeklagte in einem Zug der deutschen Bahn aufgrund einer Anschlagsdrohung kontrolliert wurde.
Ist man im ersten Moment wohl geneigt eine Beleidigung selbstverständlich zu bejahen, so stellt sich die Situation nach Ansicht des entscheidenden Gerichts bei näherer Betrachtung abweichend dar.
Grundsätzlich bejaht auch das Revisionsgericht tatbestandlich eine Beleidigung nach § 185 StGB.
Besondere Beachtung bedürfe aber der spezielle Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB. Diese Norm dient gerade der verfassungsrechtlich vorgegebenen Abwägung von Meinungsfreiheit und Ehrschutz. Das Gericht legt insofern dar:

Nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts geht in Fällen, in denen sich die Äußerung als Kundgabe einer durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinung darstellt, die Meinungsfreiheit grundsätzlich dem Persönlichkeitsschutz vor, und zwar auch dann, wenn starke, eindringliche und sinnfällige Schlagworte benutzt werden oder scharfe, polemisch formulierte und übersteigerte Äußerungen vorliegen, auch wenn die Kritik anders hätte ausfallen können.

Es ist aber abzuwägen, wie weit der Schutz der Meinungsfreiheit durch den Schutz der Ehre begrenzt ist.

Bei der Beurteilung der Schwere der Ehrverletzung und ihrer Gewichtung im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung ist es von entscheidender Bedeutung, ob die verantwortlichen Beamten persönlich angegriffen werden oder ob sich die scharfe Kritik gegen die angewendete Maßnahme richtete und die Ehrverletzung sich erst mittelbar daraus ergab, dass die Kritik an der Maßnahme auch einen unausgesprochenen Vorwurf an die Verantwortlichen enthielt.

Zu bestimmen ist also was kritisiert werden soll: Der Adressat als solcher oder nur eine spezielle Handlung des Adressaten, so dass sich die Kritik nur mittelbar auswirkt.
Allerdings darf dies nicht so verstanden werden, dass damit jedwede Kritik an einer Handlung von der Meinungsfreiheit gedeckt und damit straflos ist.

Die Grenze der zulässigen Meinungsäußerung kann außer in Fällen der Formalbeleidigung zwar dann erreicht sein, wenn die Äußerung in ihrem objektiven Sinn und den konkreten Begleitumständen nach nicht mehr als ein Beitrag zur Auseinandersetzung in der Sache zu verstehen ist, sondern eine Diffamierung oder persönliche Herabsetzung der betroffenen Personen bezweckt wird, mithin eine Form der Schmähkritik vorliegt (BVerfGE 93, 266, BVerfG, NJW 2009, 3016). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Dies zeigt sich zum einen bereits in der deutlichen Distanzierung von einer persönlichen Herabsetzung auf Nachfrage des Beamten, ob der Angeklagte ihn beleidigen wolle bzw. ob er ihn als Nazi bezeichnen wolle. Der Angeklagte hat dabei gezeigt, dass er deutlich zwischen der sachlichen Kritik am Vorgehen des Beamten und der persönlichen Diffamierung abzugrenzen vermag.

Es zeigt sich also, dass nicht voreilig eine Beleidigung bejaht werden sollte, sondern sorgfältig die Wertung des Grundgesetzes zu berücksichtigen ist. Möglich ist auch eine verfassungsrechtliche Einkleidung des Falles und damit eine Prüfung im öffentlichen Recht.
Zu einem ähnlichen Fall – Kneipengespräch über Holocaust – hatten wir bereits kürzlich eine Besprechung veröffentlicht, auf die wir an dieser Stelle nochmals hinweisen wollen.
 
 

02.07.2012/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-07-02 11:21:442012-07-02 11:21:44OLG Frankfurt: Vorwurf von „SS-Methoden“ keine Beleidigung

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