• Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > § 119 BGB

Schlagwortarchiv für: § 119 BGB

Dr. Melanie Jänsch

OLG Hamm: Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum

BGB AT, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

In seinem Urteil vom 4. April 2019 (Az.: 5 U 40/18) hat sich das OLG Hamm jüngst mit einer Fülle klausurrelevanter Probleme des BGB AT auseinandergesetzt. Konkret ging es um die schwierige Abgrenzung des Inhaltsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB und des Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB beim Identitätsirrtum („error in objecto“) im Rahmen der Anfechtung einer dinglichen Einigung. Insbesondere war hierbei darauf zu achten, in strikter Befolgung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips zwischen schuldrechtlicher und dinglicher Ebene zu differenzieren. Die Entscheidung gleicht einem BGB AT-Lehrbuchfall und soll daher zum Anlass genommen werden, diese Grundprobleme – deren sichere Beherrschung nicht nur für Erstsemester unentbehrlich ist – durch Erläuterung im Gutachtenstil verständlicher zu machen.
 
A. Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt):
K und V hatten einen Kaufvertrag über ein Pferd namens „H“ geschlossen, welches von V an K veräußert und übereignet wurde. Die Parteien kamen überein, dass der K die Möglichkeit erhalten sollte, das Pferd „H“ gegen ein anderes Pferd des V zu tauschen. Am 13.12.2016 teilte der V dem K per E-Mail mit, dass dieser „H“ gegen das Pferd „F“ tauschen könne. Das Pferd „F“ stamme aus einer sog. besonderen „Linienzucht“. Der K bat daraufhin um die Übersendung eines Fotos. Ein Mitarbeiter des V hatte jedoch nicht die Stute „F“ aus dem Stall geholt, um diese zu fotografieren, sondern das Pferd „G“. Folglich wurde dem K ein Foto des Pferdes „G“ gesendet. Die Parteien vereinbarten, dass der K sich zum Gut des V begeben und sich dort zunächst das Pferd anschauen sollte. Dabei ging der K davon aus, es handele sich bei dem Pferd, welches er im Austausch für „H“ erhalten solle, um das Pferd, dessen Fotografie ihm vorab zugesandt worden war. Am 15.12.2016 begab sich der K vereinbarungsgemäß zum Hof des V. Durch einen Mitarbeiter des V wurde dem K sodann die Stute „G“ vorgeführt. Der K sah sich das Pferd an und glich es mit der vorab vom V erhaltenen Fotografie ab. Die Parteien waren sich dann einig, dass der Beklagte das vorgeführte Pferd im Austausch für „H“ erhalten sollte. Der V ging jedoch davon aus, dass es sich bei dem vorgeführten Pferd um das von ihm in seiner E-Mail erwähnte und bezüglich der Abstammung näher beschriebene Pferd „F“ handele. Die Parteien unterzeichneten nach Besichtigung des Pferdes einen schriftlichen Kaufvertrag. In diesem Vertrag ist als Verkaufsobjekt das Pferd „F“ genannt. Der K ging bei der Vertragsunterzeichnung davon aus, dass es sich bei dem in dem Kaufvertrag bezeichneten Pferd „F“ um das Pferd handele, welches ihm zuvor vorgeführt worden war. Tatsächlich wurde dem K das Pferd „G“ ausgehändigt. Zudem wurde ihm der Equidenpass für das Pferd „F“ überreicht. Der K verbrachte das Tier und den Equidenpass nach Hause. Dort las er den in dem übergebenen Pferd zu Identifikationszwecken implantierten Mikrochip aus und stellte fest, dass der ihm überreichte Equidenpass nicht zu dem ihm übergebenen Pferd gehörte. Dies teilte er dem V mit.
Der V äußerte sofort, das Pferd „G“ wolle er auf jeden Fall zurück. Er sei ja dann wohl noch Eigentümer des Pferdes „G“, denn unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und insbesondere der Angaben aus dem Kaufvertrag sei stets deutlich gemacht worden, dass sich sein Übereignungswille lediglich auf das Pferd „F“ bezogen habe. Zudem erkläre er vorsorglich die Anfechtung seiner Willenserklärung, die auf die Übereignung des Pferdes „G“ gerichtet war, denn es sei offensichtlich zu einer Verwechslung gekommen. Der K dagegen möchte das Pferd „G“ gerne behalten; er sei sehr wohl Eigentümer geworden und der V müsse ihm vielmehr den entsprechenden Equidenpass aushändigen.
Hat V gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Pferdes „G“ aus § 985 BGB?
 
B. Rechtsausführungen
V könnte einen Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe des Pferdes „G“ haben. Dies setzt voraus, dass V Eigentümer und K Besitzer des Pferdes ist und dieser kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB hat.
 
I. Besitzerstellung des K
K müsste hierfür Besitzer des Pferdes sein. Besitz ist die tatsächliche Gewalt über eine Sache, vgl. § 854 Abs. 1 BGB. Bei einem Pferd handelt es sich zwar um ein Tier und nicht um eine Sache i.S.v. § 90 BGB. Gemäß § 90a S. 3 BGB finden indes die für Sachen geltenden Regelungen entsprechende Anwendung, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. K hat das Pferd „G“ zu seinem Hof verbracht, er hat folglich die unmittelbare Herrschaft erlangt und ist damit unmittelbarer Besitzer i.S.v. § 854 Abs. 1 BGB.
 
II. Eigentümerstellung des V
Der V müsste Eigentümer sein, § 903 BGB.
1. Ursprünglich war dies unstreitig der Fall, sodass es keines Rückgriffs auf die Vermutungsregelung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf.
2. V könnte jedoch sein Eigentum im Wege der rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung gemäß § 929 S. 1 BGB an K verloren haben.
a) Hierfür bedarf es einer dinglichen Einigung zwischen K und V dahingehend, dass K Eigentümer des Pferdes „G“ werden soll. Problematisch ist hierbei, dass im Kaufvertrag das Pferd „F“ als Verkaufsobjekt genannt wurde. Angesichts des Abstraktionsprinzips, wonach Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft in ihren rechtlichen Wirkungen voneinander unabhängig sind, bedeutet dies aber nicht, dass auch die dingliche Einigung auf die Übereignung des Pferdes „G“ gerichtet war. Im Gegenteil ist der Inhalt der dinglichen Einigung unabhängig vom Kaufvertrag durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Hier ergeben die Umstände des Falls, dass die Willenserklärungen auf den Eigentumserwerb des K am Pferd „G“ gerichtet waren. Denn die Parteien waren sich vor Ort gerade dahingehend einig, dass die Übereignung desjenigen Pferdes, das fotografiert und später vorgeführt worden war, erfolgen sollte. Sofern sie dieses Pferd währenddessen fälschlicherweise als Pferd „F“ bezeichneten, handelt es sich hierbei um eine sog. falsa demonstratio non nocet.
 
Zur Erinnerung: Sofern die Parteien das übereinstimmend Gewollte unbewusst falsch bezeichnen, erlangt ihr übereinstimmender Geschäftswille und nicht die im Verkehr übliche Bedeutung der Erklärung Geltung, falsa demonstratio non nocet (= Falschbezeichnung schadet nicht). Haben die Vertragspartner sich trotz objektiv falscher Bezeichnung richtig verstanden, besteht kein Bedürfnis, ihrem gemeinsamen Willen die Rechtswirkung zu versagen. Denn nicht die Bezeichnung ist hier für die Bestimmung der Willenserklärung ausreichend, sondern auch der dahinter stehende Wille. Der prominenteste Fall aus der deutschen Rechtsgeschichte hierzu ist der Haakjöringsköd-Fall.
 
Auch wenn also bei der Übergabe das Pferd „G“ als Pferd „F“ bezeichnet wurde, so ging es den Parteien doch offensichtlich um dasjenige Pferd, das vor ihnen stand. Dieses wollten sie übereignen. Das stellt auch das OLG Hamm in Übereinstimmung mit der Vorinstanz fest:

„Zu Recht hat das Landgericht klargestellt, dass es wegen des Abstraktionsprinzips in dem Moment von Einigung und Übergabe nicht auf die Bezeichnung des Pferdes im Kaufvertrag vom 15.12.2016 angekommen ist. In diesem Zusammenhang spielt es auch keine Rolle, ob dieser Kaufvertrag vor oder nach der Übergabe des Pferdes von den Parteien unterzeichnet worden ist. Hier ist der Kaufvertrag sogar unstreitig erst nach Übergabe des Pferdes von den Parteien unterzeichnet worden.“ (Rn. 67)

Mithin liegt eine dingliche Einigung zwischen K und V bezogen auf das Pferd „G“ vor.
b) Die Willenserklärung des V könnte aber infolge einer Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB ex tunc nichtig sein. Dazu müsste – neben der Anfechtungserklärung und der Wahrung der Anfechtungsfrist– zunächst ein tauglicher Anfechtungsgrund vorliegen, der sich gerade auf die dingliche Willenserklärung
 aa) Der V behauptet, er sei einem Irrtum über die Identität des Übereignungsgegenstandes („error in objecto“) insofern erlegen, als er bei der Übereignung davon ausgegangen sei, dass er ein bestimmtes Pferd aus der sog. Linienzucht mit einem bestimmten Alter übereignen würde. Dies treffe auf das Pferd „G“ aber nicht zu, sondern nur auf das Pferd „F“. Zu prüfen ist, ob und inwiefern es sich hierbei um einen zur Anfechtung berechtigenden Irrtum handeln kann. Möglich erscheint das Vorliegen eines Inhaltsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB, der dann besteht, wenn er Erklärende über den objektiven Sinngehalt des Erklärten irrt. Kurz gesagt: Er erklärt objektiv etwas anderes, als er subjektiv erklären will. Ein Inhaltsirrtum kann aber auch dann gegeben sein, „wenn der Erklärende zwar das richtige Erklärungsmittel verwendet, um seinen rechtsgeschäftlichen Willen kundzugeben, die Willenserklärung aber durch Bezugnahme auf bestimmte Umstände, über die der Erklärende sich im Irrtum befindet, erst ihre volle, vom Erklärenden nicht gewollte Bedeutung erhält“ (MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2019, § 119 BGB Rn. 77). Dies ist insbesondere beim Identitätsirrtum der Fall. Denn: „Hier dient das verwendete Erklärungszeichen der Bezeichnung einer konkreten Person oder eines konkreten Gegenstandes; allein wegen der konkreten Umstände trifft es nicht auf die gemeinte Person oder den gemeinten Gegenstand zu“ (MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2019, § 119 BGB Rn. 78). In Betracht kommt neben dem Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 S. 1 BGB aber auch ein Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB als Sonderfall des Motivirrtums. Das OLG Hamm hat daher die beiden Anfechtungsgründe voneinander abgegrenzt:

„Bei einem Inhaltsirrtum entspricht der äußere Tatbestand der Erklärung dem Willen des Erklärenden. Dieser irrt aber über die Bedeutung oder Tragweite der Erklärung. Er weiß also was er sagt, weiß aber nicht, was er damit sagt. (Vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., Rdn. 11). Dem gegenüber stimmen bei einem Eigenschaftsirrtum Wille und Erklärung überein. Der Erklärende irrt nicht über die Erklärungshandlung oder den Erklärungsinhalt, sondern über Eigenschaften des Geschäftsgegenstandes und damit über die außerhalb der Erklärung liegende Wirklichkeit. Es handelt sich also um einen ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtum (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., Rdn. 23).“ (Rn. 72 f.)

Dies zugrunde legend stelle sich die Einordnung im vorliegenden Fall als schwierig dar, wie das Gericht einräumt:

„Ein derartiger Irrtum dürfte einen Inhaltsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 S. 1 Alternative 1 BGB darstellen, wobei die Abgrenzung zwischen einem Inhaltsirrtum und einem Eigenschaftsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB in einem solchen Fall schwierig sein kann (vgl. zum Ganzen: Staudinger/Singer, BGB, Neubearbeitung 2017, § 119 Rdn. 45 ff. und Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 119 Rdn. 14).“ (Rn. 71)

Damit vermag das OLG Hamm zunächst zur Annahme eines Inhaltsirrtums zu tendieren, lässt die Abgrenzung letztlich aber offen, da im konkreten Fall jedenfalls ein Eigenschaftsirrtum gegeben sei:

„Der skizzierte Abgrenzungsstreit kann hier dahingestellt bleiben. Nach seiner Darstellung will der Kläger nämlich bei der Abgabe der Einigungserklärung im Sinne von § 929 S. 1 BGB davon ausgegangen sein, nicht die Stute „G“, sondern die Stute „F“ mit einem ganz bestimmten Alter (3,5 Jahre) und einem ganz bestimmen Stammbaum (Mutter: „Q2“; Vater und Großvater: „Q“) zu übereignen. Dem gegenüber war die Stute „G“ im Dezember 2016 erst 2,5 Jahre alt, ihre Mutter war „X“ und ihr Vater ebenfalls „Q“. Alter und Stammbaum sind bei einem Pferd wertbildende Merkmale und daher verkehrswesentliche Eigenschaften im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB (vgl. Staudinger/Singer, a.a.O., Rdn. 80 ff. und Palandt/Ellenberger, a.a.O., Rdn. 27). Mithin ist der Kläger jedenfalls einem Eigenschaftsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB erlegen gewesen.“ (Rn. 74 ff.)

 
Die Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum ist auch in der Literatur umstritten (s. hierzu ausführlich MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2019, § 119 BGB Rn. 79). Die Einordnung des Irrtums könnte indes sogar offen gelassen werden; angesichts der gleichen Anfechtungsfrist ist eine Entscheidung für oder wider den einen oder anderen Anfechtungsgrund praktisch folgenlos (so auch BeckOK BGB/Wendtland, 51. Ed., Stand: 01.08.2019, § 119 BGB Rn. 35).
 
bb) Der V hat die Anfechtung auch gemäß § 143 Abs. 1, 2 BGB gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner erklärt.
cc) Dies geschah auch ohne schuldhaftes Zögern, mithin unverzüglich i.S.v. § 121 BGB, sodass auch die Anfechtungsfrist gewahrt wurde.
dd) Die Willenserklärung des V wurde also wirksam angefochten und ist damit gemäß § 142 Abs. 1 BGB ex tunc nichtig.
c) Es besteht nach erfolgter Anfechtung keine dingliche Einigung zwischen K und V.
3. V hat das Eigentum an dem Pferd „G“ nicht an den K im Wege rechtsgeschäftlicher Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1 BGB verloren. Er ist also noch Eigentümer.
 
III. Recht zum Besitz, § 986 BGB
Ferner dürfte der K auch kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB haben. Ein solches könnte aus dem zwischen K und V abgeschlossenen Kaufvertrag i.S.v. § 433 BGB ergeben. Indes ist als Kaufobjekt ausdrücklich das Pferd „F“ bezeichnet. Aus dem Kaufvertrag kann K damit kein Besitzrecht bezogen auf das Pferd „G“ herleiten.
 
Anmerkung: wiederum Achtung – Abstraktionsprinzip! Auch wenn sich die Übereignung ursprünglich auf das Pferd „G“ bezogen hat, ist Kaufgegenstand offensichtlich Pferd „F“.
 
IV. Ergebnis
V hat gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Pferdes „G“ aus § 985 BGB.
 
C. Fazit
Es gilt damit: Bei einem Identitätsirrtum kann ein Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder ein Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB vorliegen, wobei die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann. Im vorliegenden Fall bestand die Besonderheit, dass ein Eigenschaftsirrtum i.S.v. § 119 Abs. 2 BGB nach den Darlegungen des Klägers sicher gegeben war, sodass der Abgrenzungsstreit offenbleiben konnte. Muss dieser jedoch – in einem weniger eindeutigen Klausurfall – geführt werden, wird es, da die Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum lebhaft umstritten ist, hierbei weniger auf ein bestimmtes Ergebnis ankommen. Wichtig ist vielmehr eine gute Argumentation, auf deren Basis sich dann für den Inhalts- oder Eigenschaftsirrtum entschieden wird.
 
 

10.10.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-10-10 09:00:162019-10-10 09:00:16OLG Hamm: Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum
Tom Stiebert

Wo liegt eigentlich „Bordö“ – Irrtum bei der Reisebuchung

BGB AT, Reiserecht, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Mit einem äußerst kuriosen Fall hatte sich das AG Stuttgart Bad-Canstatt kürzlich zu befassen.
Eine Kundin wollte in einem Reisebüro einen Flug nach Porto buchen. Aufgrund ihres sächsischen Dialekts sprach sie den Zielort aber undeutlich als „Bordö“ aus (auf das Hinzufügen von Audiodokumenten wollen wir hier verzichten), sodass die Mitarbeiterin des Reiseunternehmens fälschlicherweise einen Flug nach Bordeaux buchte. Vorher wurde noch zweimal in, wie das Gericht ausführt, „korrekter hochdeutscher Sprache“ die Flugroute beschrieben.
Schlussendlich ging es dann darum, ob ein wirksamer Vertrag zustande gekommen sei und die Kundin demzufolge die Kosten von 300€ zu tragen hatte. Eine mögliche Anfechtung wurde offensichtlich nicht geprüft. Es wurde allein auf den Vertragsschluss abgestellt. Der Fall ist damit für das erste Semester ein Paradebeispiel bezüglich der Vertragsschlussproblematik und sollte damit in keiner AG und Vorlesung fehlen.
I. Vertragsschluss
Grundsätzlich kommt ein Vertrag durch  zwei korrespondierende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB) zustande.
Fraglich ist aber, welchen Inhalt die Erklärung der Kundin hatte. Sie wollte hier nach Porto, für die Ladeninhaberin schien es aber so, als solle ein Ticket nach Bordeaux gebucht werden. Zu ermitteln ist dies im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont. Ziel der Auslegung von Willenserklärungen ist die Ermittlung des tatsächlichen Bedeutungsgehalts einer Erklärung (vgl. §§ 133, 157 BGB). Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen (um eine solche handelt es sich ja hier) ist das Interesse des Adressaten an Sicherheit und Klarheit schutzwürdig. Üblicherweise weiß er gerade nicht, was der Erklärende subjektiv meinen will, sondern muss dies aus dem objektiv Erklärten herleiten. Aus diesem Grund ist die Erklärung so auszulegen, wie sie ein objektiver Empfänger verstehen durfte. Maßgeblich dafür sind alle Umstände, die der Empfänger kannte oder kennen mußte, unter Berücksichtigung des Wortlauts, der Verkehrssitte sowie des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Allein auf den wirklichen Willen nach § 133 BGB kann damit nicht abgestellt werden, ergänzend ist das Verstehendürfen nach Treu und Glauben gemäß § 157 BGB zu beachten.
Ein sog. Dissens (d.h. keine Einigung – § 155 BGB) läge nur dann vor, wenn die Willenserklärungen in unlösbarem (!) Widerspruch stehende Regelungen enthalten würden, wenn sich also auch bei der Auslegung keine Übereinstimmung zeigen würde.
Hier versteht die Ladeninhaberin den Zielort aufgrund des Dialekts offensichtlich als Bordeaux. Ergänzend kommt hinzu, dass sich dieses Missverständnis durch die Erläuterung des Flugweges VOR Vertragsschluss noch verstärkt, so dass sie damit noch deutlicher davon ausgehen konnte, dass tatsächlich Bordeaux der Zielort sein sollte. Andererseits ist aber davon auszugehen, dass sie den Dialekt der Kundin bemerkt hatte und deshalb zumindest hinterfragen musste, ob tatsächlich Bordeaux gemeint war und nicht Porto. Hätte sie den tatsächlichen Willen erkannt, so wäre sie nicht schutzbedürftig und müsse sich an dem Gewollten festhalten lassen (BGHZ 20, 109; BGHZ 71, 243). Hierfür sind aber im konkreten Fall keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Dennoch sprechen die Fakten im Zusammenspiel dafür, dass die Willenserklärung als Reise nach Bordeaux aufgefasst werden konnte.
Diese wurde auch angenommen. Demzufolge liegen zwei übereinstimmende Willenserklärungen bzgl. einer Reise nach Bordeaux vor, sodass ein Vertrag wirksam zustande gekommen ist.
II. Mögliche Anfechtung
Offensichtlich nicht erhoben wurde die Einrede der Anfechtung. Diese dient ja gerade dazu, die Diskrepanz zwischen Wille und Erklärung aufzulösen und den Erklärenden nicht mehr an dem nicht Gewollten festzuhalten. Zu beachten ist dabei nur der Schadensersatzanspruch des Vertrauensschadens nach § 122 BGB.
Hier liegt letztendlich ein Fall des Verlautbarungsirrtums  als Unterfall des Inhaltsirrtums vor. Der Erklärende weiß, was er sagt, nämlich „Bordö“, weiß aber nicht, was er damit sagt:  „Bordeaux“. Aus diesem Grund ist eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 Var. 1 BGB möglich. Wäre diese unmittelbar nach Vertragsschluss erfolgt, wäre auch ein Vertrauensschaden nach § 122 BGB zu verneinen, schließlich ist der Vertragspartner so zu stellen „als hätte er den Anfechtenden nie getroffen“.  Allenfalls kleinere Reservierungskosten wären zu zahlen.
Wäre die Anfechtung erst am Flughafen passiert- die Frist nach § 121 Abs. 1 S. 1 BGB wäre hier gewahrt, wenn erst dann Kenntniserlangung vom Irrtum vorlag- so wäre der Vertrauensschaden hingegen deutlich höher. Dies zumindest dann, wenn alle Tickets ausverkauft waren. Ansonsten wäre auch hier ein Schaden noch zu verneinen.
III. Fazit
Ein sehr lustiger Fall, der das Zeug zum Klassiker hat. Die spannendsten Fälle schreibt meistens doch das Leben. Zu dem Haakjöringsköd-Fall könnte mit dem Porto/Bordeaux-Fall damit in Zukunft ein weiteres Highlight hinzutreten.

17.09.2012/2 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-09-17 09:00:552012-09-17 09:00:55Wo liegt eigentlich „Bordö“ – Irrtum bei der Reisebuchung

Über Juraexamen.info

Deine Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat. Als gemeinnütziges Projekt aus Bonn sind wir auf eure Untersützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch eure Gastbeiträge. Über Zusendungen und eure Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • Ticketverkaufsstellen wie Eventim müssen bei coronabedingtem Veranstaltungsausfall nicht die Ticketkosten zurückerstatten
  • BGH: Neues zur Sterbehilfe im Rahmen des § 216 StGB
  • OLG Karlsruhe: Medizinische Instrumente als gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 StGB

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Philip Musiol

Ticketverkaufsstellen wie Eventim müssen bei coronabedingtem Veranstaltungsausfall nicht die Ticketkosten zurückerstatten

Kaufrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schuldrecht, Startseite, Uncategorized, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Entscheidungen rund um das Coronavirus beherrschen nach wie vor die Rechtsprechung. Besonders die letztinstanzlichen Entscheidungen sind dabei von besonderer Prüfungsrelevanz, so auch das Urteil des BGH vom 13.07.2022, Az. VII […]

Weiterlesen
15.08.2022/1 Kommentar/von Philip Musiol
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Philip Musiol https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Philip Musiol2022-08-15 08:03:462022-08-15 08:07:33Ticketverkaufsstellen wie Eventim müssen bei coronabedingtem Veranstaltungsausfall nicht die Ticketkosten zurückerstatten
Yannick Peisker

BGH: Neues zur Sterbehilfe im Rahmen des § 216 StGB

Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Mit Entscheidung v. 28.6.2022 (Az. 6 StR 68/21) hat der BGH die bereits aus der „Gisela-Entscheidung“ bekannten Grundsätze zur Abgrenzung der straflosen Beihilfe zur strafbaren Tötung nach § 216 StGB […]

Weiterlesen
12.08.2022/von Yannick Peisker
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Yannick Peisker https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Yannick Peisker2022-08-12 08:22:172022-08-12 08:27:44BGH: Neues zur Sterbehilfe im Rahmen des § 216 StGB
Charlotte Schippers

OLG Karlsruhe: Medizinische Instrumente als gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 StGB

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, StPO, Strafrecht, Strafrecht BT, Uncategorized

Körperverletzungsdelikte, gerade auch die Qualifikationen des § 224 StGB sind ein Dauerbrenner im Examen, sodass ihre Beherrschung und die Kenntnis aktueller Rechtsprechung essentielle Voraussetzung für eine gute Bearbeitung der Strafrechtsklausur […]

Weiterlesen
10.08.2022/1 Kommentar/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2022-08-10 06:51:242022-08-12 12:50:01OLG Karlsruhe: Medizinische Instrumente als gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 StGB

Support

Unterstütze uns und spende mit PayPal

Jetzt spenden
  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© 2022 juraexamen.info

Nach oben scrollen