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Schlagwortarchiv für: § 1004 BGB

Dr. Melanie Jänsch

Abschaffung der Störerhaftung – Haftungsfragen für offene WLAN-Hotspots bleiben examensrelevant

Deliktsrecht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Tagesgeschehen, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Nach langer Diskussion hat sich die Große Koalition auf ein neues WLAN-Gesetz geeinigt, welches bereits im Herbst 2016 in Kraft treten könnte. Medienberichten zufolge soll nun die sog. Störerhaftung, die bis dato ein Hemmnis für den Ausbau offener WLAN-Hotspots darstellte, abgeschafft werden. Künftig sollen also private und nebengewerbliche Betreiber offener WLAN-Zugänge nicht mehr für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer verantwortlich gemacht werden können – eine sicherlich begrüßenswerte Entwicklung!
Da das aktuelle Vorhaben nicht nur gesellschaftlich interessant ist, sondern auch insbesondere in der mündlichen Prüfung Potenzial hat, im Rahmen allgemeiner zivilrechtlicher Normen (§§ 1004, 823 I BGB) abgeprüft zu werden, sollen die rechtlichen Grundlagen der (derzeit noch bestehenden) Störerhaftung vorliegend noch einmal näher beleuchtet werden.
I. Haftungsgrundsätze der Störerhaftung
Da wegen über das Internet begangener Rechtsverletzungen wie Verletzungen des Markenrechts, des Urheberrechts oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts häufig keine Ansprüche gegen den Schädiger geltend gemacht werden können, weil dieser nicht ermittelt werden kann – da die bloße Ermittlung der IP-Adresse hierzu nicht genügt –, versuchen Geschädigte, gegen den Betreiber des Internetzugangs vorzugehen. Allerdings scheitern Schadensersatzansprüche wie § 823 I BGB i. d. R. am fehlenden Verschulden des Vermittlers.
Ein Anspruch auf Unterlassung analog § 1004 I 1 BGB (oder spezialgesetzlich z.B. § 97 I UrhG, der sich an § 1004 BGB orientiert) könnte sich allerdings aus den vom BGH entwickelten Grundsätzen der Störerhaftung ergeben. Als Störer gilt, wer ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts beiträgt. In dem Betrieb eines ungesicherten Internetzugangs liegt jedenfalls eine für die Rechtsverletzung mitursächliche Handlung des Vermittlers. Zudem wird hierbei eine Verletzung von Prüfungspflichten vorausgesetzt, wobei der konkrete Umfang dieser sich danach bestimmt, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenem nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH v. 17.5.2001 – I ZR 251/99, BGHZ 148, 13). Welche konkreten Maßnahmen der Betreiber eines WLAN-Zugangs ergreifen soll, ist nicht gesetzlich geregelt, sondern wird von der Rechtsprechung anhand des Kriteriums der Zumutbarkeit bzw. einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festgelegt. Nach Ansicht des BGH genügt jedoch die „Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlichen Dritten, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte“ (BGH v. 8.1.2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76), um eine Haftung zu begründen.
1. Ungesichertes WLAN
In der Entscheidung Sommer unseres Lebens (BGH v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, siehe auch hierzu unseren Artikel v. 14.5.2010) hat der BGH erstmals festgelegt, dass eine Pflicht besteht, den WLAN-Anschluss durch ein Passwort zu sichern und somit den Zugriff durch unbefugte Dritte zu verhindern. Die Verletzung dieser Sorgfaltspflicht führt zu einem Unterlassungsanspruch gem. § 97 I 1 UrhG sowie einem Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten gem. § 97a II UrhG. Dem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes könne zwar nicht zugemutet werden, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Die Prüfpflicht beziehe sich aber auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen, wobei sich dieser Sorgfaltsmaßstab auch auf die allgemeine Störerhaftung analog § 1004 I 1 BGB übertragen lässt.
2. Überlassung des Zugangs an Familienangehörige
Diese Grundsätze sind wohl aber nicht auf das Überlassen eines Internetanschlusses an Familienangehörige übertragbar (vgl. BGH v. 8.1.2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 – BearShare; s. auch v. 15.11.2012 – I ZR 74/12, NJW 2013, 1441 – Morpheus), da insofern ein grundrechtlich geschütztes familiäres Vertrauensverhältnis (Art. 6 I GG) besteht, in dem keine Überwachungspflichten gefordert werden dürfen. Sogar hinsichtlich Minderjährigen gilt, dass Eltern grundsätzlich keine Pflicht trifft, die Nutzung des Internets durch ihr Kind zu überwachen oder diesem den Zugang zum Internet zu versperren, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass Rechtsverletzungen begangen werden (BGH v. 15.11.2012 – I ZR 74/12, NJW 2013, 1441 – Morpheus).
II. Privilegierung nach dem Telemediengesetz (TMG)
Besondere Bedeutung kommt im Kontext der Haftung für Rechtsverletzungen Dritter im Internet dem TMG zu. Für sog. Access Provider, also Diensteanbieter, die Zugang zur Nutzung von Informationen vermitteln (worunter nach h. M. auch das Zurverfügungstellen eines offenen WLAN-Zugangs fällt, vgl. auch Mantz/Sassenberg, NJW 2014, 3537; Hoeren/Jakopp, ZRP 2014, 72), findet sich in den §§ 7 ff. TMG als Umsetzung der E-Commerce-RL 2000/31/EG eine Privilegierung. Gem. § 8 TMG sind Access Provider für die Übermittlung von Informationen nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (§ 8 I Nr. 1 TMG), den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben (Nr. 3). Ungeklärt war bis jetzt jedoch, ob auch Privatpersonen und Nebengewerbliche unter den persönlichen Anwendungsbereich der Norm fallen. Zudem findet die Privilegierung auf Unterlassungsansprüche wie die Störerhaftung nach ständiger Rechtsprechung des BGH gerade keine Anwendung (s. z.B. BGH v. 1.4.2004 – I ZR 317/01, BGHZ 158, 343). Ob dies nun durch das neue Gesetz geändert wird, und ob nun endgültig klargestellt wird, dass alle WLAN-Betreiber unter die Privilegierung des § 8 TMG fallen, bleibt abzuwarten, bis das neue Gesetz final verabschiedet ist. Den Medienberichten zufolge sollen jedenfalls künftig auch private und nebengewerbliche Anbieter das Providerprivileg genießen, wohl indem der Abs. 4 des § 8 TMG des umstrittenen Referentenentwurfs vom 11.3.2015, der forderte, dass WLAN-Anbieter zumutbare Maßnahmen ergreifen müssen, um Rechtsverletzungen der Nutzer zu verhindern, ersatzlos weggestrichen wird. Machen Sie erfolgreich Wetten auf der Website der Österreichischen Spielbanken spielautomaten
III. Ansicht des EuGH
Den Anstoß für das neue Gesetz hat wohl Generalanwalt Szpunar des Europäischen Gerichtshofs gegeben, der sich in seinem Schlussantrag zur Rechtssache C-484/14 gegen die Störerhaftung ausspricht. Das LG München I hatte mit seinem Beschluss v. 18.9.2014 (Az. 7 O 14719/12) dem EuGH die Frage vorgelegt, ob und inwiefern ein gewerblich handelnder Betreiber eines offenen WLAN für Urheberrechtsverstöße seiner Nutzer haftet, insb. ob die Privilegierung des § 8 TMG anwendbar ist. Szpunar führt u.a. dazu aus, dass

„[…]eine Verallgemeinerung der Verpflichtung, WLAN-Netze zum Schutz von Urheberrechten im Internet zu sichern, für die Gesellschaft insgesamt von Nachteil sein könnte und dass dieser Nachteil den möglichen Vorteil für die Inhaber dieser Rechte überwiegen könnte.
Zum einen ist die Bandbreite der von vielen Personen genutzten öffentlichen WLAN-Netze verhältnismäßig begrenzt, so dass es dort nicht zu vielen Beeinträchtigungen von Rechten an urheberrechtlich geschützten Werken und Gegenständen kommt. Zum anderen bieten WLAN-Hotspots zweifellos ein wichtiges Innovationspotenzial. Jede Maßnahme, die die Entwicklung dieser Tätigkeit bremsen könnte, ist deshalb im Hinblick auf ihren potenziellen Nutzen gründlich zu prüfen.“

Seiner Ansicht nach könne ein WLAN-Betreiber zwar gerichtlich verpflichtet werden, eine Rechtsverletzung zu verhindern, jedoch seien hierbei die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Effektivität zu beachten. Aus EU-rechtlicher Sicht schränke die Pflicht zur Überwachung, wie sie in der deutschen Störerhaftung vorgesehen ist, die unternehmerische Freiheit zu stark ein. Auch wenn noch keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vorliegt, deutet der Schlussantrag des Generalanwalts jedenfalls auf eine Einschränkung der Störerhaftung hin – die ja jetzt in Form des neuen Gesetzes wohl sowieso gänzlich abgeschafft wird.
IV. Zusammenfassung
Nach dem neuen Gesetz, das auch private und nebengewerbliche WLAN-Anbieter von der Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen Dritter befreit, müssen jene ihren WLAN-Zugang nicht mehr mit einem Passwortschutz oder einer Vorschaltseite sichern, was den Betrieb offener Hotspots – wie sie in anderen Ländern bereits gang und gäbe sind – ermöglicht.
Für eine mündliche Prüfung sollte die Störerhaftung angesichts der Aktualität des Themas im Auge behalten werden, da sie beispielsweise im Zusammenhang mit dem allgemeinen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch des § 1004 BGB angesprochen werden kann.

23.05.2016/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2016-05-23 13:49:502016-05-23 13:49:50Abschaffung der Störerhaftung – Haftungsfragen für offene WLAN-Hotspots bleiben examensrelevant
Dr. Jan Winzen

OLG Hamm: Neues zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch

Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Das OLG Hamm hat in einem noch nicht veröffentlichten Urteil vom 18.04.2013 (24 U 113/12) entschieden, dass Hauseigentümer auf der Grundlage des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs für unverschuldete Brandschäden am Nachbarhaus haften.
I. Sachverhalt
Die in dem Rechtsstreit beklagten Eheleute sind Eigentümer eines Reihenmittelhauses. Sie veranstalteten auf ihrem Grundstück ein privates Grillfest. Infolge des Grillfests entstand ein nächtlicher Brand, der auf die jeweils benachbarten Reihenhäuser übergriff und diese beschädigte. Die Feuerwehr hatte den Übergriff nicht rechtzeitig verhindern können. Nach den Ermittlungen eines Sachverständigen war Ursache für den Brand entweder der Defekt einer elektrischen Leitung im Bereich ihres Abstellraums oder durch noch heiße Grillkohle verursachter Funkenflug. Gegenstand der Entscheidung war nun der Regress des Versicherers, der den Schaden in Höhe von 60.000 Euro erstattet hatte.
II. Rechtliche Würdigung
Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht im Volltext vor. Gleichwohl kann man sich der rechtlichen Lösung in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nähern.
Vorab sollte man kurz klarstellen, dass vertragliche und quasi-vertragliche Ansprüche nicht in Betracht kommen. Da auch deliktsrechtliche Ansprüche mangels Verschulden der Beklagten ausscheiden werden, läuft die Prüfung zwangsläufig auf den dinglichen Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (analog) hinaus (dies nur als Merkposten, deliktsrechtliche Ansprüche werden im Anspruchsaufbau natürlich erst nach den dinglichen Ansprüchen behandelt).
1. Aktivlegitimation
Zunächst ist zu beachten, dass der Versicherer vorliegend gegen die potentiellen Schädiger vorgeht. Insofern muss § 86 Abs. 1 VVG genannt werden, der den Anspruch des Geschädigten im Wege der Legalzession auf den Versicherer übergehen lässt, wenn dieser den entstandenen Schaden ersetzt.
2. Voraussetzungen des allgemeinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs
Der von der Rechtsprechung entwickelte allgemeine verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch wird einer entsprechenden Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entnommen und hat im Wesentlichen folgende Voraussetzungen:

  • rechtswidrige Beeinträchtigung
  • faktischer Duldungszwang
  • Schutzzweckzusammenhang

a) rechtswidrige Beeinträchtigung
Die  im Rahmen des Ausgleichanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog erforderliche Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung ergibt sich regelmäßig aus dem Umstand, dass dem Nachbar ein Unterlassungsanspruch nach §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zugestanden hätte mit dem er die Beeinträchtigung hätte abwehren können. Dies dürfte bei dem drohenden Übergriff eines Brandes unzweifelhaft der Fall sein.
[NACHTRAG – angepasster Störerbegriff: Aus den auf der Website des OLG Hamm veröffentlichten Entscheidungsgründen wird ersichtlich, dass sich das Gericht schwerpunktmäßig mit Beweislastfragen und dem Störerbegriff des § 1004 Abs. 1 BGB befasst hat. Die von § 1004 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Störereigenschaft wird, wenn es um den Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog geht, vom BGH als haftungsbegrenzendes Merkmal angesehen, da ohne dies eine nicht gerechtfertigte Ausweitung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs zu einer reinen Gefährdungshaftung zu befürchten wäre. Vor diesem Hintergrund ist der Anspruchssteller nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet, denn mit der haftungsbegrenzenden Funktion dieses Tatbestandsmerkmals

wäre es unvereinbar, dem in Anspruch genommenen Grundstückseigentümer die Beweislast für das Fehlen seiner Störereigenschaft aufzuerlegen.
Der gebotene Ausgleich zwischen der Haftungsbegrenzung und zu hohen Anforderungen an den Beweis der Störereigenschaft durch den Anspruchsteller wird im Anwendungsbereich des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs durch einen an die Besonderheiten des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses angepassten Störerbegriff erzielt.

Der angepasste Störerbegriff setzt für den Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog einen Zurechnungszusammenhang voraus,

 der reine Naturvorgänge und unbeherrschbare Ereignisse ausschließt.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, folgt die Störereigenschaft im Sinne der §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB nicht allein aus dem Eigentum oder Besitz an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, setzt aber auch keinen unmittelbaren Eingriff voraus.
die Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht.

Dies kann

nicht begrifflich, sondern nur nach wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen. Dies ist dann zu bejahen, wenn sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, eine „Sicherungspflicht“ also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen, ergibt.

Nach der Beweisaufnahme erkennt das Gericht

allein die Folgen des Grillfestes oder ein Defekt der elektrischen Anlage als ernsthaft in Betracht zu ziehende Brandursachen.
In beiden Fällen sind die Beklagten als Störer Schuldner des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog.

Etwas anderes (nämlich der Wegfall der Störereigenschaft) könnte zwar gelten, wenn der Brand durch Dritte verursacht worden wäre. Insoweit führt das Gericht aber aus

Demgegenüber ist praktisch ausgeschlossen, dass sich gerade in der relativ kurzen  Zeit nach dem Zubettgehen der Beklagten gegen 2.00 Uhr Unbekannte ohne erkennbaren Grund auf das Grundstück der Beklagten geschlichen haben sollen und so rechtzeitig einen Brand legen bzw. fahrlässig verursachen konnten, dass es bereits um 2.45 Uhr zu einem lodernden Feuer und Bersten der Thermopaneverglasung an den Terrassentüren gekommen ist. Es sind auch keine Anhaltspunkte für ein Einbruchsgeschehen oder ein sonstiges nachvollziehbares Motiv erkennbar.]

b)  keine Möglichkeit der Unterbindung/faktischer Duldungszwang
Bei direkter Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ergibt sich die Duldungspflicht des Nachbarn (die ja letztlich der Grund für dessen Entschädigung ist) aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB (ortsübliche Benutzung des Grundstücks).
Beim allgemeinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch geht es aber um den Ersatz von Nachteilen, die der Nachbar dadurch erleidet, dass er seinen Unterlassungsanspruch nicht geltend machen konnte, sei es aus tatsächlichen (Baumwurzeln im Mauerwerk) oder aus rechtlichen Gründen (etwa, wenn der Störer eine zur Beseitigung der Störung erforderliche Genehmigung nach Bauordnungsrecht nicht erlangen kann).
Eine (die wichtigste) Fallgruppe in diesem Zusammenhang ist der sog. faktische Duldungszwang, der immer dann gegeben ist, wenn die rechtzeitige Erlangung von Rechtsschutz ausgeschlossen ist. Da § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in diesen Fällen trotz vergleichbarer Interessenlage (es kommt aufgrund einer Duldungspflicht zu einem Schaden) nicht direkt anwendbar ist, bedarf es einer Lückenfüllung im Wege der Analogie (sofern es um andere als die in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB genannte Beeinträchtigungen geht, wird teilweise sogar von einer doppelten Analogie gesprochen).
Hier ergibt sich ein solcher faktischerDuldungszwang aus dem Umstand, dass die Feuerwehr den Übergriff des Brandes nicht mehr rechtzeitig verhindern konnte.
c) Schutzzweckzusammenhang
Der Schutzzweckzusammenhang dürfte im vorliegenden Fall nicht problematisch gewesen sein. Gleichwohl sei an dieser Stelle kurz darauf hingewiesen, dass der Anspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Rechtsprechung (siehe insbesondere BGH, Urteil vom 19.09.2009 – V ZR 75/08 Rz. 16 -juris) eine wichtige Einschränkung erfährt:

Nicht jeder von einer rechtswidrigen Einwirkung betroffene Grundstückseigentümer, der aus besonderen Gründen an der Durchsetzung eines ansonsten bestehenden Unterlassungsanspruchs gegenüber seinem Nachbarn gehindert ist, kann allerdings von diesem nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog einen Geldausgleich für die erlittenen unzumutbaren Nachteile verlangen. Zwar dient die Vorschrift als Kompensation für den Ausschluss primärer Abwehransprüche nach §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB (Senat, BGHZ 155, 99, 101 f. m.w.N.; Urt. v. 1. Februar 2008, V ZR 47/07, NJW 2008, 992, 993). Der Anwendungsbereich des Ausgleichsanspruchs ist aber nur im Rahmen des Regelungszusammenhangs der Norm und des mit ihr verfolgten Zwecks eröffnet.

In dem bislang aus Examenssicht wohl wichtigsten Fall zu dieser Problematik, in dem es um den durch eine Feuerwerksrakete verursachten Brandschaden einer Scheune ging, verneinte der BGH genau diesen Schutzzweckzusammenhang wegen des fehlenden Grundstücksbezugs der schädigenden Beeinträchtigung (wir hatten dazu berichtet). In der maßgebenden Passage (Rz. 18 aaO) heisst es:

Für die Beurteilung, ob der betroffene Nachbar eine Entschädigung verlangen kann, ist, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, zugleich das Grundstück in den Blick zu nehmen, von dem die Einwirkung ausgeht. Auch insoweit bedarf es eines Zusammenhangs, der die Einwirkung als von diesem herrührend erscheinen lässt (in diesem Sinn auch OLG Hamm NJW-RR 1987, 1315, 1316 für den Fall einer durch Dritte verursachten Brandstiftung). Ein solcher kann zum einen durch einen gefahrenträchtigen Zustand des Grundstücks vermittelt werden (Senat, Urt. v. 22. September 2000, V ZR 443/99, NJW-RR 2001, 232 f.). Zum anderen kommt es auf die Nutzung durch den Eigentümer oder durch die die Nutzung bestimmende Person an (vgl. Senat, BGHZ 175, 253, 257).

Im vorliegenden Fall dürfte an dem so formulierten Schutzzweckzusammenhang bzw. dem Grundstücksbezug der Beeinträchtigung keine Bedenken bestehen, da sich das Grundstück selbst in einem gefahrenträchtigen Zustand (resultierend entweder aus dem Defekt einer elektrischen Leitung oder der noch heißen Grillkohle) befand. In der offiziellen Pressemitteilung heisst es dazu recht knapp:
3. Ergebnis
Dem Grunde nach steht der Versicherung ein Anspruch auf Ersatz der geleisteten Zahlungen aus §§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog, 86 Abs. 1 VVG  zu. Zur Klärung der genauen Anspruchshöhe hat das OLG Hamm an das LG zurück verwiesen.
III. Fazit
Der vorliegende Fall gibt Anlass, sich mit dem allgemeinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch zu befassen. Der Anspruch tritt an die Stelle der dinglichen Abwehransprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB (Eigentum) und § 862 Abs. 1 BGB (Besitz), wenn diese den Berechtigten im Einzelfall nicht schützen können. Er wird folgerichtig von der Rechtsprechung nach Sinn und Zweck auch auf Besitzstörungen angewendet. Besonders wichtig ist der Anspruch, wenn und weil deliktsrechtliche Ansprüche (insbesondere wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten) wie hier mangels Verschulden des vermeintlichen Schädigers nicht in Betracht kommen.
Dass Fälle zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog besondere Examensrelevanz haben, hat der bereits angesprochene Feuerwerksraketen-Fall des BGH eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dieser lief sowohl im ersten als auch im zweiten Examen, im Mündlichen und im Schriftlichen. Angesichts der neuen Entscheidung des OLG Hamm (die inhaltlich zu einem anderen Ergebnis kommt als der BGH im Feuerwerksraketen-Fall), sollte man sich mit dem Themenkomplex aktuell noch einmal befassen.
[Nachtrag: Neben den Schutzzweckerwägungen zur Frage des Grundstücksbezugs der Beeinträchtigung erfährt im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog auch der Störerbegriff des § 1004 Abs. 1 BGB eine normative Einschränkung. Eigentum oder Besitz allein reichen nicht aus. Die Beeinträchtigung muss zumindest mittelbar auf den Willen des Grundstückseigentümers zurückgehen. Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit der Anspruchssteller.]
Hingewiesen sei zu diesem Zweck noch einmal auf unseren Beitrag zum Feuerwerksraketen-Fall und den sehr instruktiven und öffentlich verfügbaren Beitrag in der JA 2001, 741.

21.06.2013/6 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-06-21 08:00:252013-06-21 08:00:25OLG Hamm: Neues zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch
Christian Muders

LG Tübingen: Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Wikipedia-Artikel

Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht, ZPO

Anm. zu LG Tübingen, Urteil v. 18.06.2012 – 7 O 525/10
1. Um was geht es?
Geklagt hatte ein außerplanmäßiger Professor an der Universität Tübingen gegen die Wikimedia-Foundation Inc., eine Stiftung nach dem Recht des amerikanischen Bundesstaates Florida, die in San Francisco ansässig ist. Anlass war ein Beitrag auf der deutschen Internetseite der Beklagten, in welchem sowohl über den Kläger selbst als auch über dessen berufliches Wirken berichtet wird. Insbesondere wird dort auf seinen Lebenslauf, seine Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen und seine Schriften Bezug genommen. Einer Veröffentlichung dieses Beitrages hatte der Kläger im Vorfeld nicht zugestimmt und forderte mit Schreiben vom 25.10.2010 die Beklagte auf, den Beitrag zu entfernen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Hierauf reagierte die Beklagte nicht. Da der Kläger der Auffassung war, er werde durch den Eintrag in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, erhob er vor dem LG Tübingen Klage mit dem Antrag, es zu unterlassen, auf der Internetseite über seine persönlichen Daten zu berichten.
2. Was sagt das Gericht?
Das Gericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
a) Zulässigkeit
Dabei ist es zunächst auf seine internationale Zuständigkeit eingegangen und hat diese unter Hinweis auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bejaht:

Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Begehungsort ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort, wobei neben Ansprüchen auf Schadensersatz auch Unterlassungsansprüche erfasst werden. Zur Entscheidung über Klagen wegen der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen sind die deutschen Gerichte nach § 32 ZPO dann international zuständig, wenn die beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland aufweisen und eine Kollision der widerstreitenden Interessen im Inland tatsächlich schon eingetreten sein kann oder noch eintreten kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Kenntnisnahme der Veröffentlichung im Inland im Gegensatz zur bloßen Abrufbarkeit der Veröffentlichung näher liegt und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch eine Kenntnisnahme auch im Inland eintreten kann. Aufgrund des Wirkens des Klägers im Inland liegt eine Kenntnisnahme des Eintrages im Inland deutlich näher als eine solche im Ausland. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Internetseite vor allem in Hinblick auf seine Stellung als außerplanmäßiger Universitätsprofessor und seine anstehenden Bewerbungen im Inland abgerufen wird.

b) Begründetheit
Im Folgenden hat das LG Tübingen allerdings einen materiellen Anspruch auf Unterlassung bzw. Beseitigung des Wikipedia-Artikels abgelehnt und insoweit dem Vortrag des Klägers bereits die Schlüssigkeit abgesprochen.
aa) Hierbei bejaht das Gericht zunächst die Anwendbarkeit des deutschen Rechts und verweist dazu auf die Regelungen des EGBGB:

Auf die geltend gemachte Rechtsverletzung ist deutsches Recht anwendbar. Das anwendbare Recht ergibt sich aus den Art. 40 ff. EGBGB, denn außervertragliche Schuldverhältnisse sind nach Art. 1 Abs. 2 lit. g der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM II-VO) vom Anwendungsbereich der ROM II-VO ausgenommen. Art. 40 EGBGB unterfällt dabei auch der Persönlichkeitsschutz einschließlich der sich daraus herleitenden Unterlassungsansprüche. Der Kläger übte jedenfalls sein Bestimmungsrecht aus Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB in der Klageschrift aus. Er berief sich in dieser ausdrücklich auf deutsche Normen. Zudem trug er vor, dass er im Inland außerordentlicher Professor ist, sich neu bewerben will und die Internetseite mit dem betreffenden Eintrag in Deutschland abrufbar ist, die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts also im Inland eintritt.

bb) Eine mögliche Anspruchsgrundlage für den Kläger erblickt das Gericht sodann in dem sog. „quasinegatorischen“ Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch analog § 1004 i.V.m. § 823 BGB. Von der erstgenannten Norm werden ihrem Wortlaut nach zwar nur Beeinträchtigungen des Eigentumsrechts (abzüglich des Entzugs, für welchen § 985 BGB gilt) erfasst, nach wohl allgemeiner Ansicht sind indes auch sonstige absolute Rechte in entsprechender Anwendung der Vorschrift vor Verletzungen geschützt. Denn es erscheint widersinnig, bei erfolgtem Eingriff zwar einen grundsätzlichen Anspruch des Geschädigten auf Naturalrestitution zu bejahen, ihm aber das Recht zu verwehren, bereits (zuvor) den drohenden Eingriff selbst abwehren zu können. Hierbei nimmt das Gericht zunächst das Vorliegen eines Eingriffs in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes absolutes Recht des Klägers an und zwar in Gestalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, welches durch die Veröffentlichung personenbezogener Daten tangiert werde:

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist, sichert dem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. Palandt/Sprau, 71. Auflage 2012, § 823, Rn.112). Hieran anknüpfend ist vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Dieses verleiht dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Hierunter fällt auch das Recht des Klägers grundsätzlich selbst darüber zu bestimmen, ob und welche Informationen über seine Person auf der streitigen Internetseite der Beklagten veröffentlicht werden. (…) Infolge des Bereithaltens der beanstandeten Inhalte zum Abruf im Internet liegt auch ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte vor. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass er über den Eintrag auf der Seite http://de.wikipedia.org und darüber, ob dessen persönliche Daten wie Beruf, Lebenslauf und Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen, veröffentlicht werden, nicht selbst entschieden hat. Vielmehr stellte die Beklagte den Eintrag ohne sein Mitwirken ein und dieser ist grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich.

cc) Im Folgenden verneint die Kammer allerdings eine Rechtswidrigkeit dieses Eingriffs. Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich – was etwa auch für das Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs gilt – um ein sog. Rahmenrecht, welches erst durch die Rechtsanwendung im Einzelfall konturiert werden kann. Wichtigste Konsequenz hieraus ist, dass bei einem tatbestandsmäßigen Verhalten, also einem bejahten Eingriff in das geschützte Rechtsgut, die Rechtswidrigkeit nicht indiziert wird, so dass bei einem Fehlen besonderer Rechtfertigungsgründe stets von einem grundsätzlich schadensersatzpflichtigen Unrecht auszugehen wäre. Vielmehr ist die Rechtswidrigkeit bei solchen Rahmenrechten immer positiv zu begründen, indem eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Parteien erfolgt. Hier ist auf Seiten des Beeinträchtigenden insbesondere die Intensität des festgestellten Eingriffs zu berücksichtigen, auf Seiten des Eingreifenden ist zu fragen, ob dieser rechtlich besonders geschützte Interessen geltend machen kann. Bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kommen insoweit v.a. die grundgesetzlich verbürgte Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit in Betracht.
(1) Das LG Tübingen prüft im Folgenden daher zunächst die Folgen der Veröffentlichung für den Kläger, denen es aber einen nur geringen Beeinträchtigungsgrad zuspricht:

Weder entfaltet der abrufbereite Eintrag über den Kläger eine erhebliche Breitenwirkung, noch ist er Anknüpfungspunkt, um den Kläger sozial auszugrenzen oder zu isolieren. Dies gilt sowohl bezüglich seiner persönlichen Daten wie Beruf oder Lebenslauf als auch hinsichtlich der Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen. Der Inhalt des Eintrages besteht zwar aus persönlichen Inhalten, es werden jedoch lediglich bestimmte zutreffende Stationen oder Vorgänge im Leben des Klägers beschrieben. Die Inhalte sind ferner zwar abrufbereit im Internet verfügbar, allerdings werden diese nur dann zur Kenntnis genommen, wenn sich ein Nutzer aktiv informieren möchte. Anders als beispielsweise bei einer Zeitungsveröffentlichung ist hier nicht von einer breiten Ausstrahlungswirkung des Beitrages auszugehen, mit welchem potentiell die gesamte Bevölkerung informiert werden soll, sondern hier beschränkt sich die Kenntnisnahme auf Personen, welche den Kläger kennen und sich über ihn informieren möchten. Zudem bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Kläger durch den Beitrag sozial ausgegrenzt oder isoliert zu werden droht.

(2) Auf der anderen Seite sieht das LG die Veröffentlichung der Wikimedia Foundation auf der deutschsprachigen Internetseite sowohl vom Schutzbereich der grundgesetzlichen Informations- als auch der Pressefreiheit erfasst:

Auf Seiten der Beklagten ist ferner zu berücksichtigen, dass es sich bei Wikipedia um eine weltweite freie Online-Enzyklopädie handelt (…). Insofern besteht ein erhebliches öffentliches Interesse nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG, 10 Abs. 1 S. 1 EMRK an den von der Beklagten bereitgehaltenen Einträgen, um sich umfassend informieren zu können. (…) Weiterhin kann die Beklagte die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG für sich in Anspruch nehmen. Diese schützt grundsätzlich die Verbreitung von Informationen, wobei unter anderem auch das Recht eingeräumt wird, wahre Tatsachen zu publizieren. Mit dieser Gewährleistung korrespondiert insbesondere das Interesse der Öffentlichkeit an einer ausreichenden Versorgung mit Informationen. Zudem kommt diesen beiden Rechten schon aufgrund ihres Charakters als demokratische Grundrechte ein hoher Stellenwert zu, sodass gewichtige Gründe erforderlich sind, welche ein Überwiegen eines kollidierenden Rechtsgutes rechtfertigen.

(3) Schlussendlich betont das Gericht nochmals die geringe Intensität des Eingriffs beim Kläger:

Jedenfalls aber muss beachtet werden, dass es sich bei den Einträgen jeweils um wahre Tatsachen handelt und der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nur als sehr gering zu qualifizieren ist. Er ist lediglich der Sozialsphäre zuzuordnen, denn hier ist nur der Bereich des menschlichen Lebens betroffen, in dem sich der Betroffenen als Teil einer sozialen Gesellschaft zeigt und wahrgenommen wird. Äußerungen, welche diese Sphäre betreffen, sind jedoch grundsätzlich hinzunehmen, denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist. Zu den hinzunehmenden Folgen gehören auch solche Beeinträchtigungen des Einzelnen, die sich aus nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung der wahren Tatsachen ergeben (BVerfG, NJW 2011, 47; BVerfG NJW 1998, 2889).

dd) Im Anschluss an diese Prüfung setzt sich das Gericht noch ausführlich mit der Frage auseinander, ob die Beklagte hypothetisch überhaupt als „Störer“ im Hinblick darauf in Betracht kommt, dass nicht sie selbst, sondern die Nutzer der Plattform die Artikel im Internet einstellen und verändern. Angesprochen ist damit die Frage der Passivlegitimation, auch wenn diese bei Verneinung eines rechtswidrigen Eingriffs eigentlich dahinstehen kann. Die Kammer geht dabei ausführlich auf die spezielle Norm des § 10 TMG ein, wonach eine Verantwortlichkeit von Dienstanbietern i.S.d. § 2 TMG solange nicht besteht, wie sie keine Kenntnis von einer Rechtsverletzung haben bzw. – nur bei SE-Ansprüchen – ihnen keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung offensichtlich wird. Jedenfalls mit der erfolglosen Aufforderung des Klägers an die Wikimedia Foundation vom 25.10.2010, den Beitrag zu entfernen, dürfte allerdings die geforderte Kenntnis bei der Beklagten vorliegen.
3. Warum ist die Entscheidung interessant?
a) Die Entscheidung betrifft allgemeine Fragen des quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs und ist insofern für Klausur oder mündliche Prüfung durchaus geeignet. Der Reiz liegt dabei nicht zuletzt auch in der Gelegenheit, übergreifende rechtliche Zusammenhänge, namentlich den Einfluss der Grundrechte als „objektive Werteordnung“, bei der Beurteilung zivilrechtlicher Fragen abprüfen zu können. Hinzu kommt die Beschäftigung mit speziellen Fragen des Internetrechts, namentlich die Anwendung der Norm des § 10 TMG.
b) Im Hinblick auf den Inhalt der Entscheidung ist zunächst auf einen Widerspruch des LG Tübingen zwischen Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung hinzuweisen: Nimmt das Gericht nämlich an, dass es bereits an einem schlüssigen Vortrag des Anspruchs fehlt, ist streng genommen auch die Zuständigkeit des Spruchkörpers nach § 32 ZPO zu verneinen: Denn nach dieser Vorschrift ist ein Gericht nur dann zuständig, wenn an dessen Ort eine „unerlaubte Handlung“ begangen wurde. Das tatsächliche Vorliegen einer solchen Handlung ist damit streng genommen bereits für die Frage der Zuständigkeit entscheidend, nicht nur für die Frage der Begründetheit des Anspruchs, so dass es sich sozusagen um ein „doppelfunktionales Merkmal“ handelt. Bei solchen Merkmalen wird im Rahmen der Zulässigkeit gemeinhin aber wenigstens gefordert, dass der Kläger die Tatsachen, welche das Vorliegen einer unerlaubten Handlung begründen sollen, schlüssig darlegt, während erst die Frage des tatsächlichen Vorliegens (bei Bestreiten des Gegners) ein Problem der Sachentscheidung, also der Begründetheit ist (vgl. Musielak-Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 32 Rn. 19; MüKo/ZPO-Patzina, 4. Aufl. 2013, § 32 Rn. 39, jew. m.w.N.). Da das Gericht vorliegend bereits eine schlüssige Darlegung der anspruchsbegründenden Tatsachen verneint, wäre insofern tatsächlich durch Prozessurteil zu entscheiden gewesen, d.h. die Kammer hätte die Klage mangels eigener Zuständigkeit (schon) als unzulässig abweisen müssen.
c) Daneben erscheint auch die Ansicht des Gerichts zweifelhaft, wonach im Rahmen der Abwägung des Eingriffs u.a. das Grundrecht der Pressefreiheit zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen sein soll. Denn die Wikimedia Foundation ist als Stiftung eine juristische Person, die aber nur nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 3 GG Grundrechtsträger sein kann. Die vorgenannte Norm begrenzt die Grundrechtsfähigkeit indes ausdrücklich auf inländische juristische Personen, d.h. solche, die ihren tatsächlichen Sitz im Inland haben, was im Hinblick auf das Diskriminerungsverbot nach Art. 18 AEUV allenfalls bezüglich Vereinigungen im EU-Ausland durchbrochen wird, zu denen eine Körperschaft mit Sitz in Amerika aber jedenfalls nicht zählt. Demgemäß bleibt von der Grundrechtsargumentation des LG Tübingen eigentlich nur die von diesem ebenfalls in Bezug genommene Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG übrig, welche das Gericht nicht auf die Beklagte selbst, sondern (allgemein) Dritte bezieht, die sich über deren Plattform informieren wollen. Ebenfalls in Erwägung zu ziehen ist zudem ein Schutz nach Art. 10 EMRK, der die Meinungsfreiheit grundsätzlich auf alle Personen, auch juristische Vereinigungen, erstreckt, die von der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaates betroffen werden (vgl. dazu Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 1 Rn. 16) – auf die Frage, ob es sich hierbei um eine in- oder ausländische juristische Person handelt, kommt es also grundsätzlich nicht an.
d) Zu denken ist schließlich daran, den Schutz der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht auf die Beklagte selbst, sondern die beteiligten Nutzer zu projizieren  welche die Artikel bei Wikipedia hochladen und gestalten: Ist nämlich bereits deren Verhalten unter dem Grundrecht der Pressefreiheit zulässig, kann die Beklagte kaum eine „mittelbare“ Verhinderungspflicht dergestalt treffen, demselben Einhalt zu gebieten. Allerdings wird auch die Eigenschaft des einzelnen „Wikipedianers“ als presseberechtigter Grundrechtsträger mit dem Argument in Frage gestellt, dass bei Wikipedia keine einzelnen Autoren für einen Beitrag verantwortlich seien, sondern die Artikel Produkt eines „Schwarms“ seien, der weder durch die Vor- noch Nachkontrolle einer zentralen Redaktion begleitet werde (so Ziegelmayer, LTO v. 13.12.2012). Diese Annahme ist indes nicht unangreifbar, denn die Organisation von Wikipedia ist durchaus in grobe personelle Hierarchien – namentlich durch sog. Administratoren – gegliedert, welche über die Vorgänge auf der Plattform wachen, und der Begriff des „Schwarms“ ist selbstverständlich nur ein Bild für den Schaffensprozess, das aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass durchweg grundrechtsberechtigte Personen aus Fleisch und Blut die einzelnen Artikel gestalten und verändern. Nimmt man dennoch an, dass aufgrund der vorgebrachten Argumente das Grundrecht der Pressefreiheit insgesamt zu versagen ist, bleibt jedenfalls die allgemeine Meinungsfreiheit zugunsten der einzelnen Nutzer übrig, deren Schutzbereich unabhängig von organisatorischen Vorkehrungen im vorgenannten Sinne besteht (so auch Ziegelmayer, a.a.O.).

22.12.2012/0 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-12-22 12:00:082012-12-22 12:00:08LG Tübingen: Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Wikipedia-Artikel

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