Strafrecht SII – Oktober 2015 – 1. Staatsexamen Berlin, NRW
Vorliegend erhaltet ihr auch ein Gedächtnisprotokoll der zweiten gelaufenen Klausur des 1. Staatsexamens im Strafrecht in Berlin im Oktober 2015. Der gleiche Sachverhalt lief so auch in NRW im Oktober 2015. Vielen Dank auch hierfür. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
Aufgrund seiner momentan schlechten finanziellen Lage beschließt A mehrere Autos aufzubrechen und so Wertgegenstände zu besorgen. Er fährt mit seinem Motorroller zu einer ruhigen Vorortstraße. Mit einem handelsüblichen Schraubendreher öffnet er den Kofferraum des Fahrzeugs von X, ohne das Schloss dabei zu beschädigen. Die dort befindliche teure Spiegelreflexkamera steckt er in seinen Stoffbeutel. Dann muss A sein Vorhaben unterbrechen, da mehrere Leute mit ihren Hunden an ihm vorbei Gassi gehen. Aber da es so gut geklappt hat, möchte er nicht aufhören, sondern weitere Autos aufbrechen.
Nach zehn Minuten sind wieder alle weg und A setzt mit dem Schraubendreher an, um das Fahrzeug der F zu öffnen. Freudig stellt er fest, dass das Fahrzeug bereits offen ist. Es zieht an dem Radio, um es aus der Halterung zu lösen, doch das Radio verklemmt. Dabei wird Alarm ausgelöst. In aller Hektik durchsucht A noch Handschuhfach und Rückbank, aber es sind keine weiteren Wertgegenstände vorhanden. Sodann will A mit seinem Motorroller davon fahren.
B, der Freund der F, wird vom Alarm geweckt. Er denkt sofort, dass sich ein Dieb am Auto der F zu schaffen macht. Also nimmt er sein Gewehr, denn er ist ein sehr guter Sportschütze. Die F sagt, lass das Auto doch sein, nicht dass dir was passiert. Aber B möchte der F seine Liebe und seinen Mut beweisen. Unten auf der Straße sieht B, wie A sich vom Auto der F abwendet und mit einem Stoffbeutel in der Hand mit dem Motorroller wegfahren will. Er ruft dem A zu: Halt, bleib stehen oder ich schieße. Aber A fährt los. Nach 100 Metern muss er allerdings umkehren weil es eine Sackgasse ist und fährt geradewegs auf B zu. B gibt einen Warnschuss ab aber A beschleunigt weiter. A hält eine Verletzung des B für ausgeschlossen, aber möchte unbedingt mit seiner Beute fliehen. B kann sich tatsächlich mit einem schnellen Sprung zwischen zwei parkende Autos retten. Er zielt dann auf den Hinterreifen des A, um ihn zu Fall zu bringen, da er glaubt, dass sich im Stoffbeutel Wertgegenstände der F befinden. Tatsächlich kommt der Roller in Schleudern und A erleidet durch den Sturz auf das Straßenpflaster wie von B vorhergesehen und in Kauf genommen einen Beinbruch.
Strafbarkeit von A und B?
Die §§ 123, 211, 212, 239, 241, 246, 253, 255, 303 und 315c sind nicht zu prüfen.
Strafanträge sind gestellt. Auf Strafverfolgungshindernisse ist nicht einzugehen.
Kein Erlaubnistatbestandsirrtum, oder?
Wüsste nicht, wo dafür Anhaltspunkt im Sachverhalt liegen?! Der Sachverhalt spricht ja nur davon, dass B der F „seine Liebe und Mut beweisen möchte“. Wenn dann könnte man allenfalls an Notwehrexzess denken. Ich habe § 34 StGB angenommen.
34? Wenn dann doch wohl 32. An Erlaubnistatbestandsirrtum ließe sich denken weil er sich einen nicht vorliegenden Angriff auf die F vorstellt.
Ich meinte natürlich § 32. Habe mich vertippt.
Obwohl § 34 auch nicht ganz abwegig ist. Rein objektiv ist es ja (noch) nicht zu einem Schaden gekommen. Die Tür war ja auf und das Radio konnte nicht gestohlen werden aufgrund des Alarms. Obwohl dann Probleme im subjektiven Rechtfertigungselement auftauchen würden. Oder?
Müssten sich diese Probleme dann aber nicht auch beim subjektiven Rechtfertigungselement von 32 stellen?
Was hast du zum Thema 252 gesagt?
Keine Ahnung. Habe ihn halt geprüft. So genau weiß ich das auch nicht mehr. War da was besonderes zu beachten?
Keine Ahnung, aber man hört ja immer so einige Theorien (v.a. 32 -, da keine Notwehrlage / kein subjektives Element, 252 – da nicht mehr auf frischer Tat) von daher erhoffe ich mich von dir nur ein wenig Bestätigung 😉
Ja, so wird es wohl sein. § 32 scheidet wohl aufgrund der nicht
vorhandenen Notwehrlage aus. § 34 (wenn man ihn hier sehen möchte)
scheitert evtl. am subjektiven Rechtfertigungselement. Und dann kommt
der Erlaubnistatbestandsirrtum ins Spiel. Aber keine Ahnung, ob ich das
alles so gesehen und geschrieben habe. Nach vier geschriebenen Klausuren
geht die Erinnerung schon etwas flöten. 😉
Bei § 252 kann man
wahrscheinlich mit Argumentation bzgl. „auf frischer Tat“ beides
bejahen. In der Rechtfertigung und der Schuld lag aufjeden fall schon
ein Problemschwerpunkt. Hoffentlich langt es auch zum bestehen, wenn man hier alles
nicht so gelangt gesehen bzw. geprüft hat.
Vllt. auch noch Notwehrexzess anprüfen.
Dort steht doch extra, dass er mit der Beute fliehen will. Räuberischer Diebstahl „auf frischer Tat“ liegt bis Beendigung, also Erlangung gesicherten Gewahrsams vor. Das ist hier nicht der Fall.
Ja, beim nochmaligen lesen, kommt es hin. Hatte das noch anders in Erinnerung.
jemand sonst mal eine lösungsskizze parat?
„Die F sagt, lass das Auto doch sein, nicht dass dir was passiert. Aber B möchte der F seine Liebe und seinen Mut beweisen.“ – Müsste ein erlaubnistatbesandsirrtum nicht schon deswegen ausscheiden, weil B aufgrund des verzichts auf notwehr-/notstandshilfe schon nicht tätig werden durfte ?
Ich hätt jetzt mal an 127 StPO gedacht.
aber deckt der denn einen schusswaffeneinsatz ?
Hier ein Lösungsversuch zum Irrtum:
zunächst Unterscheidung zwischen F und X.
§ 32 bzgl. F (sein Auto und darin befindliche Gegenstände):
– § 32 NotWEHR (-), da zwar Angriff (+) aber nicht mehr gegenwärtig, weil nicht mehr fortdauernd??
bzgl. Anwendbarkeit: In der Aussage des B, der F seinen Mut und seine Liebe beweisen zu wollen, sehe ich nicht zwingend einen Verzicht, vielmehr ein untergeordnetes unbeachtliches Motiv. Zudem Klausurtaktisch: würde bereits die Anwendbarkeit des § 32 ausscheiden, käme eine Prüfung des ETI dahingehend nicht mehr in Betracht.
32 bzgl. X (Kamera):
– § 32 NotHILFE (+/-) umstritten. Würde mich für Notwendigkeit eines subj. Rfelements entscheiden, da so der ETI in der Schuld geprüft werden kann und die Rechtsfolge des fehlenden RFelements wiederum umstritten ist (hM Versuch analog)
– § 127 StPO (+/-) Schusswaffengebrauch umstritten. Klausurtaktisch würde ich diesen RfGrund verneinen, um in der Schuld den ETI ansprechen zu können.
– Schuld: ETI (+), da F von einem noch fortdauernden Angriff auf sein(!) Eigentum ausging, dessen tatsächliches Vorliegen nicht gegeben war. Im Anschluss Fahrlässigkeitsprüfung bzgl. des ETI.
Im Ergebnis würde ich die RW ablehnen. Nur so kommt man zur Prüfung des ETI (bzgl. Auto von F), der Fahrlässigkeit (bzgl. Auto von F) und des Versuchs analog (bzgl Kamera von X)
Den Irrtum am Ende auch noch auf die Spiegelreflexkamera zu beziehen kann man m.E. maximal kurz erwähnen und ablehnen. Alles andere sollte fehl am Platz sein. Den kurzen Dialog zwischen B und F kann man nutzen, um dort ggf. nochmal was aus § 33 (sthenische Affekte etc.) im Anschluss rumzudiskutieren. Darauf basierend aber § 32 auszuschließend klingt nicht nur sonderlich einleuchtend, sondern sogar absurd. Man stelle sich das in der Praxis vor.
Ansonsten würde ich auch § 127 I StPO anprüfen und ablehnen (Schusswaffengebrauch nicht gedeckt, dies nur bei 127 II unter Voraussetzungen des Polizeirechts etc.) Bezüglich des Geschehens am Auto liegt dann im Übrigen nach dem Wegfahren und Umkehren natürlich keine Notwehrlage mehr vor (Angriff auf Eigentum völlig abgeschlossen und nicht mehr gegenwärtig) – anschließend ETBI (rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie) und dann kann man nochmal kurz Fahrlässigkeit bejahen.
Ach, da steht ja oben im SV, dass er den Stoffbeutel offensichtlich noch gesehen hat. Ja dann darf man da ruhig noch was zum subjektiven RFB schreiben und anschließend ablehnen.
So sehe ich das auch. Allerdings hätte ich Schwierigkeiten unter § 33 („Verwirrung, Furcht oder Schrecken“) den Dialog zu subsumieren.
Nochmal etwas geordneter würde ich wie folgt vorgehen:
bzgl. Auto
– 32 (-), da Angriff nicht gegenwärtig. Daran anknüpfend ETI in der Schuld. Danach noch kurz Fahrlässigkeit bzgl. des Irrtums.
– 127 (-) da Schusswaffengebrauch nicht umfasst (str.)
bzgl. Kamera:
– 32 (-), da subj. RfElement fehlt (Er wusste nicht das er NotHILFE leistete). Rf bei fehlendem Rechtfertigungswillen wiederum str. (hM: Strafbarkeit nach Versuch analog)
– 127 (-) s.o.
Es handelt sich mMn um einen Fall der aufgedrängten nothilfe, diese ist doch dann schon gar nicht mehr zulässig.
im übrigen verstehe ich nicht ganz, wieso ihr bzgl des autos der F auf einen ETI kommt. Worüber irrt B? Im Sachverhalt steht nichts von irgendwelchen vorstellungen, die F sich hinsichtlich eines Angriffs oÄ gemacht hat.
Der Fall war so, dass B dachte der Täter hätte etwas aus dem Auto mitgenommen. DARÜBER irrte er. Insofern war die Notwehrlage spätestens nach dem Wegfahren vorüber. In Wirklichkeit hat er aus diesem Auto ja nichts entwendet. Dann als der Täter umdrehte dachte B, dass noch Eigentum bedroht ist. Das war nicht der Fall.
Also ich habe den Fall selbst in NRW lösen müssen. Es sind ja zwei Dinge zu Unterscheiden:
1. Die Nötigung : „Stehenbleiben oder ich schieße“ (Bedrohung war ja nicht zu prüfen).
Hier hatte ich als erstes die – weil am speziellsten – BGB-Rechtfertigungsgründe durchgeprüft und verneint: Besitzkehr (-), weil: Weder was von F oder B gestehlen wurde, wenn dann sowieso F das Recht dazu hätte und B auch als „Freund“ kein Besitzdiener ist, der das ja auch dürfte. 229 BGB (Selbsthilfe) wegen etwaiger deliktischer Ansprüche wäre für F denkbar, aber wiederum nicht für B. 127 I StPO kann die Nötigung rechtfertigen. Wenn man das bejaht (wie ich getan) entfallen etwaige Erörterungen zu ETBI oder sonstwas.
2. Der Schuss auf die Reifen: Am Ende ist das ebenfalls an 127 StPO aufzuhängen. Tatsächlich sind jedenfalls Schüße auf Personen unstreitig nicht dadurch gedeckt. Vorliegend könnte was anderes gelten, da B „geübter Sportschütze“ war und als solcher gezielt auf die Reifen, nicht auf den A selbst schoss. Sicherlich war beides vetretbar mit guten Argumenten, wohl aber (-). Sofern man das bejaht, könnte man darauf hinweisen, dass in dem Fall auch ein Verzicht der F irrelavent ist, da es bei 127 StPO um das öffentliche Interesse an der Aufklärung von Straftaten geht.
Beim Schuss auf die Reifen dachte B allerdings, dass der Täter noch etwaige Dinge aus dem Auto der F mitführte, wenn ich den Sachverhalt von einem Kumpel noch richtig vor Augen habe. Insofern ja nicht günstig den ETBI abzuschneiden.
Ein ETBI setzt voraus, dass der Täter sich Umstände vorstellt, die, so sie denn tatsächlich vorlägen, sein Handeln nach einem existierenden Rechtfertigungsgrund rechtfertigen würden.
B stellt sich vor, Sachen der F seien im Beutel: So dies der Fall wäre, nach welchem Rechtfertigungsgrund wäre sein Verhalten dann gerechtfertigt? I.E. nach keinem.
Es sei denn, man nimmt 127 StPO an, dann wäre das Handeln aber „ganz normal“ gerechtfertigt und man kommt gar nicht erst auf die Schuldebene bzw die Ebene des ETBI.
Ich sehe das Kernproblem hier beim fehlenden subjektiven Rechtfertigungselement.
A) Nothilfe bzgl. der Kamera, 32 II
1. Notwehrlage
a) Angriff (+)
auf Eigentum von X
b) Gegenwärtigkeit (+)
Angriff dauert noch fort, da im Beutel.
c) Rechtswidrigkeit (+)
2. Notwehrhandlung (+)
alle Voraussetzungen unproblematisch gegeben)
3. Subj. Rechtfertigungselement
Motiv des B war es, der F seinen Mut und seine Liebe zu beweisen. Sein Hauptmotiv der Verteidigung gerät aber nicht völlig in den Hintergrund. Allerdings wusste der B von der Nothilfesituation bzgl. des Angriffs auf die Kamera nichts (Das ist gerade kein Fall eines ETI (wie so oft!!!), sondern das Problem eines fehlenden subj. RefElements:
e.A.: nicht erforderlich
hM.: erforderlich, zumindest Bewusstsein der Rechtfertigungslage.
anschließendes P: Rechtsfolgen bei fehlen des RfElements
e.A.: Strafbarkeit wegen Vollendung
hM.: Strafbarkeit wegen Versuchs analog
B) Nothilfe bzgl. des Eigentums der F
1. Notwehrlage
a) Angriff (+)
auf Eigentum von F
b) Gegenwärtigkeit (+)
Angriff dauert nicht mehr fort.
C) 127 StPO i.E. (-) wegen des Schusswaffengebrauchs
D) Ergebnis: alle Rechtfertigungsgründe scheiden aus.
Ein ETI bzgl. des Eigentums der F (B dachte im Beutel befinde sich Eigentum der F) scheidet i.Ü schon daran, dass B zwar über einen gegenwärtigen(!) rechtswidrigen Angriff irrte, allerdings beim Prüfen des ETI vorab eine hypothetische Prüfung der weiteren Voraussetzungen des § 32 vorgenommen werden muss. Diese würde wegen der aufgedrängten Nothilfe (Prüfungspunkt: Erforderlichkeit) ausscheiden. Es liegt bereits kein ETI vor, sodass auch der Streit über die RF nicht mehr geprüft werden darf.
-> B irrt zwar über einen Umstand, bei dessen tatsächlichen Vorliegen wäre sein Handeln aber NICHT (mangels Erforderlichkeit) gerechtfertigt!
Oder übersehe ich die ganze Zeit etwas ???
LoL
Zunächst geht es nur um das Auto. B bemerkt, dass sich „jemand am Auto zu schaffen macht“. F sagt nur vage „Lass doch das Auto, nicht, dass dir was passiert“. Der Angriff am Auto ist vorüber, was auch immer er nach Vorstellung von B da wollte. Vielleicht ja das Auto im Gesamten stehlen. Dann fährt er doch 100 Meter weg, hat aber noch den Beutel.
Mit dem Auto (also des versuchten Diebstahls am Radio) stimme ich Dir zu. Genau wie Du würde ich die Gegenwärtigkeit ablehnen. Nach der sich daran anschließenden Prüfung des 127 StPO (i.E. (-)) bleibt aber doch noch die Frage offen, wie es sich auswirkt, dass objektiv alle Voraussetzungen einer Nothilfe am Eigentum des X (Kamera) vorliegen, der B davon aber nichts wusste.
Dann kann man doch aber nicht mit einem Satz die Worte der F auch auf den Beutel beziehen und Nothilfe nicht wegen Aufdrängen in der neuen Situation einfach kurz ablehnen. Die aufgedrängte Nothilfe bezieht sich doch immer nur auf eine bestimmte Situation und einen bestimmten Angriff. Der ist ja vorüber. Um das Auto an sich geht’s nicht mehr. Am Beutel kann man dann durchaus auf einen ETBI kommen mit entsprechender Argumentation. Da muss ich den Leuten auch zustimmen. Einfach nur 127 wegen Schusswaffe abzulehnen und dann noch mal eben auf die Kamera des X einzugehen und es am Verteidigungswillen scheitern zu lassen würde den letzten Komplex schon sehr simpel erscheinen lassen. Die Frage ist was man draus macht – hier waren mit entsprechender Argumentation sicher mehrere Wege gangbar.
Einfach nur die Nötigung und den Schuss danach zu trennen würde die Sache auch nicht komplizierter machen.
Von einer aufgedrängten(!) Nothilfe bzgl. der Kamera war auch nie die Rede.
zu § 127: Schwerwiegende Körperverletzungen oder gar Tötungen können durch § 127 I StPO niemals gerechtfertigt sein. Auch ein Schusswaffengebrauch wird im Rahmen des § 127 StPO nur ausnahmsweise – etwa als Warnschuss – zulässig sein. Hier ist es nicht bei der Warnung geblieben. Eine ausführliche Diskussion ist an dieser Stelle natürlich erforderlich.
Die Problematik des fehlenden Rechtfertigungselements würde ich auch nicht als „simpel“ bezeichnen. Denn bereits das Vorliegen dessen ist stark umstritten und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen ebenso.
Die Warnung und den anschließenden Schuss getrennt zu prüfen erschließt sich mir nicht. Denn beides muss kumulativ iRd § 32 vorliegen, damit das „mildeste Mittel“ bejaht werden kann (gängige Rechtsprechung des BGH).
Da wir uns immer noch auf der Rechtfertigungsebene befinden ist doch der Umstand zu berücksichtigen, dass der Täter tatsächlich Beute bei sich führte, bezüglich dessen objektiv alle Voraussetzungen einer Nothilfe vorlagen. Gerade das ist doch kein Fall des ETI. Bei diesem muss es an einer objektiven Voraussetzung des 32 fehlen (wenn 32 zuvor geprüft wurde). Hier liegen diese doch alle vor. Ferner gibt der SV keine Angaben zu den inneren Vorstellungen des Täters. Denn nicht nur das Fehlen einer objektiven Voraussetzung des 32 ist erforderlich für den ETI, sondern auch ein Irrtum darüber. Die Voraussetzungen des ETI sind übrigens nicht umstritten.
Es geht immer doch immer noch um das Auto. Er stellt sich etwas vor, was nicht vorliegt. Nämlich, dass der Beutel immer noch von F stammt oder ähnliches. Das aber in einer neuen Situation. Es geht nicht um die Kamera des X, wenn ich den Kommentar oben richtig verstehe. Darauf wollte er/sie wohl hinaus.
Er/sie schreibt doch auch, dass 127 StPO Schusswaffengebrauch nicht deckt und, dass dies eben simpel wäre – wieso erklärst du es jetzt noch mal allen? ^^
Auch die Trennung von Nötigung und anschließendem Schuss stammte doch von irgendjemandem oben und hat mit dem Vorgängerkommentar nichts zu tun. Liest du eigentlich?
Subj. RFB ja/nein ist mit seinen 1-2 Standardargumenten nicht wirklich kompliziert. Beim ETI geht es doch auch nicht um die Voraussetzungen, sondern um die Folge. Wer redet von Voraussetzungen? Ich glaube du solltest dich einfach erstmal etwas entspannen – beruhigt ungemein.
Aber tatsächlich führt er doch auch in der „neuen Situation“ die Kamera noch bei sich. Wie würdest du diesen Umstand denn lösen?
„Einfach nur die Nötigung und den Schuss danach zu trennen würde….“ stammt doch vom Vorgänger.
Die Rechtsfolgen des ETI werden erst nach einer hypothetischen Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Nothilfe geprüft. Nur wenn diese auch vorliegen, wird der Streit über die Rechtsfolgen eröffnet. Ich stimme dir ja zu, dass wenn es die Tatsache nicht gäbe, dass tatsächlich Beute bei sich geführt wurde, ein ETI auch vorläge.
Außer dir empfehlen mal einen Tee zu trinken würde er wohl erst mal gar nichts… 🙂
Offensichtlich versteht hier Jemand den Sinn eines solchen Forums nicht. Schade.
Ich hoffe für dich zumindest, dass du NICHT mitgeschrieben hast…
Danke 😛
Ich habe dann mal folgendes Zitat für dich:
„Beispiel: Wer einen flüchtenden Dieb niederschlägt, ohne zu wissen, dass die Person ein flüchtender Dieb war, kann sich mangels Verteidigungswillen nicht strafbefreiend auf Notwehr berufen, wenngleich objektiv eine Notwehrsituation vorliegt…“ weiter heißt es dann: „Handelt der Täter zwar objektiv gerechtfertigt, aber ohne subjektives Rechtfertigungselement, so befindet er sich in einem umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum“.
Die weitere Prüfung dessen habe ich ja schon oben dargestellt.
Oh man..
LoL?
Ich sehe es so ähnlich wie Huhu.
Der Dieb hat durchgehend die Kamera dabei, also ist durchgehend objektiv eine Nothilfe gegeben. (Erforderlichkeit kamer ich hier mal aus, würde ich aber bejahen.) Der Tater wusste zwar nicht, was genau der Dieb in seinem Beutel hatte. Aber er hat den Beutel gesehen und zutreffend erkannt, dass fremdes Eigentum in Gefahr ist.
Im subjektiven Bereich kann man diskutieren. Der Täter ging davon aus, dass das Eigentum der F bedroht war. Tatsächlich war es aber das Eigentum eines Dritten. Aber ändert das etwas? Auch für den unbekannten Dritten kann er Nothilfe leisten. Und die Identität des Eigentümers, der hier bestohlen wurde, muss (zumindest nach ganz hM) nicht vom Rechtfertigungsvorsatz umfasst sein. Damit liegen beim Täter auch subjektiv alle notwendigen Merkmale (Wissen um Bedrohung fremden Eigentums) für die Nothilfe vor. Folglich ist er nach § 32 gerechtfertigt.
Jetzt könnte man im subjektiven noch diskutieren, ob sogar ein NorhilfeWILLE erforderlich ist. Ganz überwiegend wird das aber (auch vom BGH) abgelehnt, weshalb die ML bestimmt nicht diesem Weg folgt. Geht man von der Erforderlichkeit des Willens aus, müsste man vielleicht fragen, ob hier der Hilfswille oder das Imponieren gegenüber F überwiegt. DANN könnte sich aus dem Irrtum über die Identität des Eigentümers vielleicht wirklich ein Problem ergeben. Aber so sieht es bestimmt nicht die ML vor.
Man könnte noch diskutieren, ob die Nothilfe unzuläsig ist, weil die F das für zu gefährlich hielt. Aber sie hatte nur Angst um ihren Freund. Sie wollte nicht auf das Eigentum verzichten und die Bewahrung der Rechtsordnung aufgeben. Daher unbeachtlich.
Der Tater ist meiner Meinung nach wegen Nothilfe gerechtfertigt, da er objektiv durchgehend das Eigentum des unbekannten Dritten verteidigt hat und seine Motive dafür keine Rolle spielen. Wie man hier auf einen ETBI kommen kann ist mir nicht ganz klar. Dafür hätten irgendwo die objektive Nothilfelage hinter dem subjektiven Nothilfewillen zurückbleiben müssen. Das ist aber nicht der Fall.
Bzgl. der der Sachen aus dem Auto kann man tatsächlich über
einen Fall aufgedrängter Nothilfe nachdenken. Nach hM ist nur mit tatsächlichem Einverständnis des Angegriffenen (hier F) eine Nothilfe mgl. -> § 32 müsste dann bereits hier scheitern. (Nur so ergibt es auch Sinn, dass es das Auto der F und nicht des B selbst ist und diese nicht möchte, dass B es verteidigt)
Dann müsste 127 angeprüft werden und i.E. wegen des
Schussgebrauchs abgelehnt werden, auch wenn der Täter Sportschütze gewesen ist.
Danach könnte als RfGrund Nothilfe bzgl. der Kamera noch angeprüft werden. Er wusste hier jedoch nichts von der Kamera. Bzgl. der Kamera fehlt ihm also das subj. RefElement, sodass im Anschluss nach hM noch ein Versuch zu prüfen ist.
Nach dieser Prüfung käme tatsächlich ein ETI nicht in Betracht??????
So meine Lieben:
Es gibt eine offizielle Lösungsskizze von alpmann schmidt. Dort wird übrigens mein Lösungsweg vertreten!
https://blog.alpmann-schmidt.de/strafrecht-nrw-oktober-2015-examensklausur-1-staatsexamen/
Wow! Du bist der beste
Ihr füttert die Trolle aber auch stetig. An einer Skizze eines Reps wäre ich an sich aber auch mal interessiert. Dort kann man sich aber nicht einloggen.
Die Tage über war es frei zugänglich…
Hast du noch im Gedächtnis, was die anderen TK anbelangt?
Ja, habe ich:
Strafbarkeit von A
Wegnahme der Kamera:
– Str., ob Schraubenzieher Qualifikation des § 244 I Nr. 1a Alt. 2 erfüllt (+/-)
– jedenfalls aber RB des § 243 I 2 Nr. 2 (+) (bei Bejahung der Qualifikation tritt dieses RB zurück)
Versuchte Wegnahme des Radios
– §§ 242 I, II, 22 unproblematisch (+) Insb. Rücktritt scheidet mangels Freiwilligkeit aus. Dann klassischer Streit, ob bei nur versuchtem RB (hier § 243 Nr. 1 und 2) und nur versuchten Diebstahl das RB seine Regelwirkung entfalten kann.
Zudem: 252 (-), da A von B beim vollendeten Diebstahl (also an der Kamera) nicht betroffen war. Bzgl. Radio scheitert es bereits daran, dass A schon keine Beute hat, welche er zu sichern gehabt haben könnte.
– § 315b I Nr. 3 und § 223, 224 objektiver TB (+); scheitern aber am jeweiligen Vorsatz.
Tröndle /Fischer (ältere Auflage) § 252 Rn. 5:
„Auf frischer Tat ist der Täter, der in Tatortnähe und spätestens alsbald nach Tatausführung wahrgenommen wird.“
„Tatausführung“ meint dabei bestimmt zunächst die Wegnahmevollendung.
Aber nach m.E. h.M soll eine „Diebstahlstat“ erst mit Beutesicherung beendet sein o.ä.
U.U. könnte man also alles bis zur Beutesicherung somit ebenso noch als zur „Tatausführung“ gehörig idS. begreifen.
Vorliegend könnte die Tat bzgl. der Kamera mangels abschließender Beutesicherung idS. noch nicht beendet gewesen sein, als B den A wahrnahm. Wenn man “ Tatausführung“ bei § 252 bis zur „Tatbeendigung“ durch Beutesicherung begreifen wollte, könnte also m.E. noch eine „frische Tat“ vorgelegen haben und dann wohl auch ein „betreffen“ bei einer solchen. Jedenfalls könnte das nicht völlig unproblematisch von vornherein ausschließbar und daher evtl. noch etwas erörterungsbedürftiger erscheinen.
Da stimme ich dir zu.
Zwar lag eine Vollendung, aber noch keine Beendigung vor, sodass grds. § 252 auch hätte einschlägig sein können. Die LS war hier leider sehr kurz gehalten.
Um das Merkmal „auf frischer Tat“ bejahen zu können, verlangt der BGH einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Wegnahmehandlung und der Besitzverteidigung (Beschl. zu 1 StR 378/12). An diesem wird es wohl wegen der Zäsur fehlen.
Die angegebene BGH-Entscheidung scheint tatsächlich nach unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zur Wegnahmevollendung
unterscheiden zu wollen, ohne dies so klar erkennbar ausdrücklich zu benennen oder zu begründen.
Einer diesbzgl. näheren Begründungb könnte es allerdings evtl. eben noch bedürfen, wie auch vorliegend in der Fallösung.
Eine solche scheint kaum unproblematsich klar ersichtlich.
Zumindest könnte in entsprechenden Fällen idR. noch kaum weniger erheblich an „räuberische Sicherungserpressung“ mit zu denken sein, wie auch im angegebenen BGH-Fall.
Es könnten hier beispielsweise Vermögensansprüche der Opfer gegeben und der Schaffner bei deren Verteidigung als zum Lager der Opfer zugehörig anzusehen gewesen sein o.ä.
So habe ich auch argumentiert. Dann eben noch diskutiert, ob eine materielle Beendigung durch das „100-Meter-Wegfahren“ eingetreten sein kann. Dies ebenfalls verneint und einen räuberischen Diebstahl letztlich bejaht. Wenn er in derselben Straße rumgeistert und noch mehrere Autos aufbrechen will liegt da sowohl subjektiv als auch objektv durchaus ein räumlich-zeitlicher Zusammenhang vor. Ob er da nun (ungewollt!) 10 Minuten wegen Gassileuten warten muss oder nicht. Mit entsprechender Argumentation ist allerdings sicherlich beides vertretbar. Ich halte die Annahme eines RD aber eben für besser begründbar – ansonsten würde dem Täter zugute kommen, dass er durch reinen Zufall völlig ungewollt seine Ausführungen unterbrechen musste und sich damit der Raubstrafbarkeit entziehen kann. Im Mittelpunkt steht m.E. klar, dass er seine Kamera behalten will. Das ist ja die ratio von 252.
Weiß jemand von euch, wann der Stichtag der Ergebnisse für Berlin ist? Habe es glatt vergessen. Müsste sich so zwischen 20. – 25.01 einpegeln.