Strafrecht SI – November 2014 – 1. Staatsexamen NRW
Vielen Dank an Leonie für das Zusenden eines Gedächtnisprotokolls der ersten gelaufenen Klausur des 1. Staatsexamens im Strafrecht in NRW im November 2014. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
A ist in Geldnöten wegen eines zu hohen Kredits. Er kennt
sich durch seinen Beruf gut in den Häusern seiner Kunden aus. Das Haus des V hat es ihm besonders angetan, da er in diesem Haus auch den
Mechanismus der Alarmanlage genau kennt.
Eines Abends will er, um seine Geldnöte zu schmälern, den V um sein Vermögen erleichtern. Er hat es auf die Beute im Safe des V abgesehen, in denen sich – wie er weiss? – Goldstücke in erheblichem Wert befinden. Mit einem gekonnt gebogenen Draht öffnet er die Haustüre der Villa des V, nachdem er vorher die Alarmanlage ausgeschaltet hat. Er schleicht sich in das Arbeitszimmer des V, wo dieser am Schreibtisch sitzt. A holt seine mitgebrachte Pistole hervor, richtet sie auf den V und ruft „Gold her, oder es knallt!“. V holt gezwungenermaßen den Schlüssel aus einem Geheimfach seines Schreibtisches (von dem A vorher nichts gewusst hatte). In diesem Moment hört der A aus dem Nebenzimmer ein Geräusch. Darüber ist er dermaßen erschrocken, dass sich versehentlich aus der Pistole ein Schuss löst, der den V trifft. Die Pistole war ungeladen und A war absoluter Waffenanfänger. V ist derart getroffen, dass er sofort stirbt. Darüber wiederum ist A erneut so überrascht, dass er seine weitere Tat aufgibt. Den Tod des V hatte er zu keinem Zeitpunkt gewollt und so auch nicht vorhergesehen.
Nachdem er das Zimmer des V verlassen hat, denkt er sich, dass es blöd wäre, seine Tat jetzt aufzugeben, wo er schon mal im Haus ist und sich seine Hände eh schon schmutzig gemacht hat. Da er weiss, dass sich im Wohnzimmer ein Picasso im Wert von 2 Mio. Euro befindet, begibt er sich dorthin. Im Wohnzimmer sitzt der S, der Sohn des V, der Hüter über einen speziellen Knopf ist, mit dem er jederzeit einen Alarm auslösen kann, der dann die Polizei benachrichtigt. A weiss von diesem Knopf, weswegen er sich leise an S heranschleicht. S bekommt aufgrund der guten Schallisolation des Hauses nichts von dem Anschleichen mit. A haut dem S die Pistole über den Kopf, die er dieses Mal jedoch gesichert hatte. S geht bewusstlos zu Boden. A hat nun die Zeit, den Picasso von der Wand zu nehmen und ihn mitzunehmen. Bei S bleiben keine weiteren Verletzungen und er kommt schnell wieder zu sich.
A hatte jedoch von Anfang an einen Rückführungswillen bzgl. des Bildes, da er genau weiss, dass das Bild zu bekannt ist um auf dem Kunstmarkt nicht als Diebesware erkannt zu werden. Er bietet deshalb in den folgenden Tagen dem S telefonisch das Bild zu einem Rückkaufpreis von 200.000 Euro an, was dieser auch erfreut annimmt. Zu einem Rückkauf kommt es aber nicht mehr, da A von der Polizeit festgenommen wird.
Strafbarkeit des A?
Nicht zu prüfen waren der 16.-18. Abschnitt des StGB, ausser §222 StGB. Nicht zu prüfen war ausserdem § 123 StGB.
Ganz schön komplizierter Fall! Der erste Teil ist eine Nachbildung von BGHSt 42, 158 = NJW 1996, 2663. Gemein ist, dass man nach §§ 251, 249, 250, 22, 23, 24 noch §§ 251, 253, 255, 250, 22, 23, 24 prüfen und innerhalb des Tatentschlusses der versuchten Erpressung die Abgrenzung zum Raub vornehmen muss.
Hier ist evtl noch wichtig, dass der V nach der Vorstellung des Täters, diesem das „Gold“ übergeben sollte. Außerdem war es schon dazu gekommen, dass der V den Tresor gerade geöffnet hatte als der A ein Geräusch bemerkte.
So richtig gemein ist das nicht. Die Abgrenzung zum Raub sollte man schon bei 249 bei der Wegnahme prüfen. Sowohl nach h. L. Als auch BGH handelt es sich hier mangels Wegnahme aber nicht um einen Raub. Dann ist man auch schon bei der räuberischen Erpressung.
Gemeiner sind dann schon eher der Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Versuch oder der Unterschied zwischen objektiver und subjektiver Sorgfaltswidrigkeit
Liegt bei der auf das Opfer gerichteten Pistole nicht ein typischer Fall von vis absoluta vor? Dann wäre Raub sehr wohl einschlägig nach der hM.
Ist denn jemand auch vorher drauf eingegangen, dass er ins Haus gelang unter Ausschaltung der Alarmanlage etc.? Man hätte auch chronologisch prüfen können und zunächst den Diebstahl mit Waffen prüfen können und dann auf die Problematik eines versuchten Regelbeispieles eingehen können, welches im vorliegenden Fall wohl wegen Rücktritt zu verneinen war.
Yo, hier!
Hab ich so gemacht, allerdings tritt er bei mir nicht zurück, was wahrscheinlich schwer zu begründen sein wird. Hoffe es ist im Ergebnis noch irgendwie vertretbar.
Bei dem Regelbeispiel dann auch die Problematik, ob Rü möglich bei versuchtem Grunddelikt und vollendetem Regelbeispiel.
Dann auf Diebstahl mit Waffen.
Dann Raub/räuberische Erpressung usw
Richtig! Leider habe ich vergessen zu thematisieren ob in diesem Zusammenhang der Rücktritt noch möglich ist, da ich etwas ausschweifend zum versuchtem Grunddelikt etc. wurde.
Hab auch danach Raub/räuberische Erpressung etc.
Ja, ich hab den Streit diesbezüglich garnicht entschieden, da ja bei mir Rücktritt ausgeschlossen war, ich bin da raus bei Freiwilligkeit. Bzgl der Geschichte versuchtes Grunddelikt vollendetes Regelbeispiel hab ich mich sehr kurz gehalten, da nach hM unproblematisch möglich (?).
Leider hat mich das schon so viel Zeit gekostet.
Bin aber sehr froh zu lesen, dass es noch jemanden gibt, der chronologisch geprüft hat.
Aber habt ihr dann beim Diebstahl Tatentschluss bzgl der Wegnahme bejaht? Da kommt man ansonsten ja gar nicht zur räuberischen Erpressung
Ja, hab ich so gemacht.
Ist jemand darauf eingegangen, dass es sich um einen Preisgabefall handelt, da der Täter nicht wusste, wo sich der Schlüssel zum Tresor befand, so dass er auf die Mithilfe des V angewiesen war, um den Erfolg herbeizuführen?
Ja! Hab ich auch so.
Wie sieht es mit dem Rückführungswillen bzgl. des Gemäldes und der diesbezüglichen Zueignungsabsicht aus? Wurde dort der Raub/Diebstahl bejaht, obwohl er von Anfang an beabsichtigte, das Gemälde an den Eigentümer zurück zu geben?
Ich hab die Zueignung verneint. Dann aber nach der Rspr auf eine Räub Erpressung eingehen, weil diese dann wieder auflebt. Dann eine Erpressung beim Anruf.
ich hab die Zueignungsabsicht bejaht, hoffe das ist noch irgendwie vertretbar..
Neben der Erpressung hab ich noch die wiederholte Zueignung an dem Gemälde durch das Anbieten zum Kauf geprüft, wobei ich mir diesbezüglich nicht sicher bin, ob das überhaupt angesprochen werden sollte.
wiederholte Zueignung iRd 246 meine ich.
Könnte mir vorstellen, dass es gut begründet auch vertretbar ist so zu machen. Die wiederholte zueignung ist dabei dann wahrscheinlich auch ok.
Es gibt ja eh nicht DIE richtige Lösung. Bin sehr gespannt. Ich kann diese klausur echt überhaupt nicht einschätzen…
ja ich glaube, es geht vielen so. Habe zudem auch noch von einigen Dozenten gehört, dass unsere Klausur anspruchsvoller gewesen ist als die Klausuren von den vorangegangenen Monaten. Hoffen wir das Beste 🙂
Meines Erachtens musste auch noch ein versuchter Computerbetrug angesprochen werden => durch die Beeinflussung der Alarmanlage, aber der beabsichtigte Vermögensschaden würde nur mittelbar und nicht „durch die Beeinflussung“ vorliegen.
„Die Pistole war ungeladen und A war absoluter Waffenanfänger.“ Dieser Satz ist falsch, denn im Sachverhalt war definitiv von einer „ungesicherten“ (also „scharfen“) Pistole die Rede – nicht von einer „ungeladenen“.