Strafrecht S – September 2013 – 1. Staatsexamen NRW
Vielen Dank für die Zusendung des Originalsachverhalts der im September 2013 in NRW und anderen Bundesländern gelaufenen Klausur im Strafrecht. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen.
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Sachverhalt
Der jede „Errungenschaft“ der modernen , menschlichen Gesellschaft ablehnende A lebt mit seinem 6jährigen Sohn S auf einem völlig abgeschiedenen Bauernhof in der Altmark.
Eines heißen Sommertages findet S beim Spielen im Wald eine mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit gefüllte Flasche.
In der Annahme, ein im Hause des A zwar überaus verpöntes , in der Hitze aber sehr willkommenes Brausegetränk in den Händen zu halten, erliegt S der Veruchung und nimmt einen tiefen Schluck aus der Flasche, die er sodann einsteckt.
Da sich in ihr aber tatsächlich, auch für Menschen sehr gefährliches Pflanzenschutzmittel befindet, plagen S schon kurze Zeit später heftige Schmerzen.
Nachdem er sich zum Hof zurückgeschleppt hat, erkennt A nach einem fachmänischen Blick auf das Flaschenetikett zutreffend, dass sein Sohn an den Folgen des Mittels sterben wird, wenn er nicht innerhalb der nächsten Stunde ein Gegegift einnimmt.
Er weiß zudem, dass sich die nächste Apotheke, die diese Substanz führt, in einem zehn Kilometer entfernten Dorf D befindet.
Da A kein KFZ und kein Telefon besitzt und sein Fahrrad nicht fahrbereit ist, kann er das lebensrettende Mittel allein durch die Benutzung des Fahrrads des – wenige hundert Meter entfernt lebenden- Nachbarn N beschaffen, der ebenfalls weder ein KFz noch ein Telefon sein Eigen nennt.
So begibt sich A eilends zu N und bittet unter genauer Schilderung der Sachlage und Hinweis auf den nicht anders abwendbaren Tod des S um kurze Überlassung des Fahrrads zur Fahrt zur Apotheke in D.
Der sehr eigenwillige N verweigert die Herausgabe des Rads jedoch mit der Begründung, es sei noch recht neu und solle daher von keinem anderen benutzt werden.
Er selbst könne zur Zeit wegen des „interessanten Fernsehprogramms“ nicht fahren.
Der sichere Tod des S sei zwar „durchaus tragisch, aber schließlich nicht sein Bier“.
Der verzweifelte A läuft daraufhin eigenmächtig zu dem am Hauseingang stehenden (nicht abgeschlossenen) Fahrrad des N, schwingt sich auf dieses und fährt in Richtung der Hofausfahrt.
In der festen Überzeugung gegen derart „üble Gesellen“ vorgehen zu dürfen, stellt sich N dem A jedoch schon nach wenigen Metern in den Weg und hält den Fahrradlenker wie den Arm des A fest.
Da A in dieser Situation zutreffend keine andere Möglichkeit mehr sieht, sich des N zu erwehren und den geliebten S zu retten, schlägt er mit der Faust in das Gesicht des N.
Wie von A vorausgesehen und beabsichtigt, sinkt N daraufhin benommen zu Boden.
Sodann eilt A mit dem Fahrrad zur Apotheke, erhält dort das lebensrettende Mittel, fährt zügig zurück zu S und verabreicht ihm dieses rechtzeitig, dass er schnell wieder vollständig gesundet.
Wie von vorneherein geplant, bringt er anschließend das wohlbehaltene Fahrrad zu N zurück.
Nachdem A auf seinen Hof zurückgekehrt ist und zur Beruhigung eine Zigarette geraucht hat, wirft er die noch glühende Kippe achtlos zu Boden.
Überrascht muss er kurz danach erkennen, dass sich wegen der langen Trockenzeit hierdurch ein von ihm am Wegesrand gelagerter Heuballen entzündet hat und die Flammen in Windeseile auf die Wände und das Dach seines – seit langem ungenutzten und stets verschlossenen- hölzernen Hühnerstalls übergreifen.
Entsetzen trifft ihn, als ihm gewahr wird, dass sich der Wilderer W in der Wegböschung im Schatten der Hütte zur Ruhe gelegt hat.
A erkennt sofort, dass in wenigen Augenblicken brennnende Bretter auf den schlafenden W stürzen werden und weder ein Wecken noch ein Löschen der Hütte die höchste Not für dessen Gesundheit zu beseitigen vermögen.
So eilt er in allerletzter Sekunde zu W und zieht ihn an einem Arm aus der Gefahrenzone, bevor die brennenden Überreste des Stalls eben dort zusammenbrechen wo zuvor W gelegen hat.
Als W – zutiefst dankbar- von dannen gezogen ist, erblickt A einen im Gras im liegenden Fasan, von dem er zutreffend annimmt, dass W ihn zuvor unter Verletzung des Jagdausübungsrechts des J erlegt hat.
Frohgemut ergreift A den Fasan und feiert anschließend die “ Wiedergeburt“ seines Sohnes mit einem „Töginger Fasan in Blätterteig“.
Der immer noch empörte N verständigt hingegen die Polizei und verlangt „schärfste Bestrafung des rüpelhaften A“.
Frage 1: Ist A nach dem StGB zu bestrafen?
Bei der Begutachtung ist davon auszugehen, dass A hinsichtlich des Spielens des S im Wald
seinen Aufsichtspflichten in vollem Umfang nachgekommen ist.
Hingewiesen wird auf die Strafvorschrift der Jagdwilderei nach §292 StGB und die §§ 1 und 2 des Bundesjagdgesetzes (Sartorius Nr. 890); bei der Begutachtung ist vorauszusetzen, dass sich W durch das Erlegen des Fasans wegen Jagdwilderei nach §292 StGB strafbar gemacht hat und A zu keinem Zeitpunkt ein Jadg- oder Jagdausübungsrecht zustand.
Frage 2: Hat sich N nach dem StGB strafbar gemacht?
Frage 3:
Der zuständige Staatsanwalt C hat im Ermiitlungsverfahren den Freund F des N als Zeugen vernommen.
In seiner Verehmung hat F das von ihm seinerzeit beobachtete gesamte Geschehen auf dem Hof des N wahrheitsgemäß geschildert.
In der späteren Hauptverhandlung gegen N verweigert er hingegen das Zeugnis mit dem Hinweis auf seine am Vortag mit N begründete Lebenspartnerschaft.
Die Staatsanwaltschaft möchte den Inhalt der Vernehmung dennoch in die Hauptverhandlug einführen.
Ist das möglich ? Wenn ja, wie?
Und wenn sie nicht gestorben sind…..
Welche Straftatbestände waren zu prüfen?
Ich denke an §§ 242/248b bzgl des Fahrrads. Dann natürlich an § 223 gegenüber N. Dann an §§ 306d iVm 306a Abs. 2 und nochmal § 242 bzgl des Fasans. Der Schwerpunkt lag sicherlich bei den Rechtfertigungsgründen.
Bei N bin ich mir weniger sicher. Denke zuerst an § 323c.