Strafrecht S – Oktober 2013 – 1. Staatsexamen Berlin
Vielen Dank für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der im Oktober 2013 in Berlin gelaufenen Klausur im Strafrecht. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen.
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Sachverhalt
V betreibt als Inhaber in eigener Verantwortung ein Hotel mit Saunalandschaft. Den A hat er als Bademeister eingestellt. Aus persönlicher Abneigung schikanierte A in der vergangenen Zeit den K, der als Masseur in seinem Team arbeitete. Er schlug ihn wiederholt mit Gegenständen und beleidigte ihn fortlaufend. Der V, dem es arbeitsvertraglich ohne Weiteres möglich gewesen wäre dies zu verhindern, unternahm nichts, weil auch er den K nicht leiden konnte und sich heimlich über die Behandlung durch A freute.
Als K sich zu einer Berufsfortbildung angemeldet hatte, beschloss A ihm „einen heißen Denkzettel“ zu verpassen. Am 5.12.2012 schüttete A dem K in der hoteleigenen Kantine während der Frühstückspause brühheißen Kaffee über den Kopf. Wie von ihm beabsichtigt erlitt K dadurch Verbrennungen, die äußerst schmerzhafte Blasen warfen und deren Heilung mehrere Wochen dauerte. V, der von dem Plan des A „Wind gekriegt“ hatte, unternahm aus den bekannten Gründen nichts, sondern verblieb in seinem nicht weit entfernt liegenden Büro.
Da ihm sein Bademeistergehalt nicht reichte, hatte sich A schon vor langer Zeit mit B und C zusammengetan, um gemeinsam Wertsachen zu stehlen. Dabei übernahmen A und B Planung und Durchführung, während sich C als Fahrer betätigte.
Als die Eheleute E eines Tages in das Hotel des V kamen, fasste A den Entschluss, der Ehefrau eine wertvolle Halskette zu stehlen, während diese nicht auf dem Zimmer war. Er erzählte B von seinem Plan und dieser willigte sofort begeistert ein. Den C konnte man zur Zeit nicht erreichen, weil dieser noch eine dreimonate Haftstrafe absaß.
Der B sollte am nächsten Tag in das Hotel kommen und mit einer Codekarte, die dem A von V überlassen worden war, in das Hotelzimmer der E eindringen und die Kette an sich nehmen. Der A würde dabei im Hotel bei seinen Kollegen anwesend sein, um sich ein Alibi zu verschaffen, und den B nach dessen Ankunft telefonisch kontaktieren. Nach dem Telefonat machte sich B auf, musste jedoch feststellen, dass er mit der Codekarte wegen eines defekten Lesegeräts die Tür am Zimmer nicht öffnen konnte. Er versuchte den A telefonisch zu erreichen, was jedoch erfolglos blieb. Enttäuscht verließ B das Hotel und ging nach Hause. Dort wurde er eine Stunde später von A angerufen. Er erzählte ihm von dem Misserfolg. A meinte, die Tür ließe sich auch durch einen kräftigen Tritt ans Schloss leicht aufbrechen, und B könne nach wie vor ungehindert das Hotel betreten. Gemeinsam beschlossen A und B, es erneut zu versuchen. Als B im Hotel ankam, trat er die Tür zum Hotelzimmer der E ein und fand die Kette der E dort vor. Enttäuscht über den schlecht gelaufenen Plan beschloss er, die Kette allein zu verwerten. Er steckte sie in seine Jackentasche und rief den A an, um ihm mitzuteilen, dass die Kette nicht aufzufinden sei. Ebenfalls enttäuscht beschloss A, dass man nun entgültig aufgeben würde. B verließ das Hotel und blieb unerkannt.
Wie haben sich A, V, B und C strafbar gemacht? Straftaten nach § 123 und § 238 sind nicht zu prüfen.
Das Hotel gehört H. V war nur Chef des Wellnessbereichs. Und die Codekarte wurde A für Notfälle gegeben.
H war der Hotelinhaber und hatte den V angestellt, der eigenverantwortlich den Wellnessbereich leitete. Und A wusste, dass die Eheleute E die Halskette stets offen auf der Kommode im Hotelzimmer aufbewahrten. Und nachdem der erste Versuch gescheitert war erzaehlte der B dem A lediglich dass man die Tuer auch durch einen kraeftigen Tritt oeffnen koennen. Einen gemeinsamen neuen Entschluss gab es hier nicht.
also im ersten tatkomplex hab ich grundsätzlich die §§ 223, 224 I Nr. 1, 2, 3, 4, 5 geprüft. Dabei hab ich Nr. 1 bejaht (gesundheitsschädlicher Stoff = Kaffee) und Nr. 2 (gefärhliches Werkzeug) verneint. Beide Qualifikationen etwas ausführlicher thematisiert; Nr. 3, 4, 5 angesprochen und verneint.
Dann hab ich den schwerpunkt auf §§ 223, 224, 27, 13 (Beihilfe zur gefähtlichen Körperverletzung durch Unterlassen) thematisiert. Im Rahmen der Garantenpflicht und der der Entsprechensklausel hab ich gefragt, ob dem eine solche Garantenstellung trifft und ob er Vorsatz hinsichtlich der Haupttat hatte.
Kurz noch Beleidigung durch Kaffe-Verbrennung bejaht.
Im zweiten Teil hab ich Bandendiebstahl bejaht, wobei der Schwerpunkt auf dem Rücktritt der beiden lag. Bei B hab ich eine versuchten Diebstahl zunächst bejaht. Den zweiten Anlauf (Eintreten der Tür) hab ich als Vollendung geprüft. Dem Mittäter A hab ich dann den ganzen Tatvorgang als einheitliche Handlung gewertet und einen Rücktritt als unmöglich gewertet, da die Wegnahme vollendet wurde.
Zuletzt hab ich noch kurz einen Betrug des B gegenüber A geprüft, den ich auch bejaht habe (!?), indem ich den ökonomischen Vermögensbegriff gewählt habe.
Würd mich freuen, wenn jemand kurz bewertet, ob meine Prüfung vertretbar ist;) Was habt ihr so? Wo lagen eure Schwerpunkte, was habt ihr anders, was habt ihr anders bewertet?
Freue mich!
Ich finde das mit der Bande problematisch, da 3 Personen gefordert werden. DIe dritte Person sitzt im Gefängnis, somit bei mir Bande (-)
das muss man auch thematisieren. M.E. nach aber kein Problem da eine Bande ein Zusammenschluss zur Straftatsbegehung ist. Das der C im Knast sitzt heißt nicht dass dieser Zusammenschluss nicht mehr existiert. Hierfür wären Angaben im SV nötig gewesen dass C Abstand von der weiteren Begehung von Straftaten genommen hat, etc.
Die Begehung erfordert keine drei Leute sondern nur die Beteiligung eines (!) anderen Bandenmitgliedes.
Ich denke aber trotzdem dass man auch deinen Ansatz doch evtl. vertreten kann. Bist du dann die Mittäterschaftsschiene weitergegangen oder jeden nur einzeln oder wie bist du weiter vorgegangen?
Den Rest habe ich eigentlich auch so, gut § 303 für die Tür noch^^
Lg
Wenn ich an meine StrafR-Klausuren in Berlin denke, war die ziemlich einfach
neidisch, besserwisser?
@ Mo: Ich sehe das mit der Bande genauso wie du; sehe das mittlerweile sogar gar nicht mehr als „echtes“ Problem an…aber man weiss ja nie was sich GJPA dabei so gedacht hat…
bzgl. der Codekarte war noch an Computerbetrug zu denken und natürlich an einen fehlgeschlagenen Versuch des Bandendiebstahls vor dem Hotelzimmer. Eine Bande liegt unzweifelhaft vor. Der Betrug am Ende war interessant. Ich habe die Vermögensverfügung verneint nach allen Ansichten. Es lag schon gar kein Vermögen vor (nach der juristisch-ökonomischen: zukünftige Vermögensposition, etwa Besitz? Besitzmittlungsverhältnis? Jedenfalls nicht gebilligt von der Rechtsordnung – und nach der ökonomischen Theorie zumindest zweifelhaft), über das hier etwa „unmittelbar“ verfügt werden konnte.
Eine Garantenstellung des Abteilungsleiters V aus arbeitsvertraglicher Über/Unterordnung habe ich abgelehnt.
@ julie p.: Kaffee ist an sich kein gesundheitsschädlicher Stoff. Aber in der heissbrühenden Form und der konkreten Verwendung sehr wohl ein gefährliches Werkzeug.
@ Gast: Kaffee kann bereits begriffslogisch kein „Werkzeug“ sein, da hierunter wohl nur körperliche Gegenstände fallen. Alles andere würde wohl die Wortlautgrenze und damit Art. 103 II GG verletzen. Kaffee kann indes – in Ansehung seiner thermischen Wirkung – durchaus ein gesundheitsschädlicher Stoff sein. So können an sich unschädliche Stoffe durch die konkrete Form ihrer Verwendung quasi zu gesundheitsschädlichen Stoffen werden. Vorliegend ist indes das TBM des „Beibringens“ problematisch, denn wenn die Flüssigkeit schon nicht getrunken wird; so muss doch zumindest eine in ihrer Intensität vergleichbare äußerliche Verbindung mit dem Körper des Opfers erfolgen. Dies dürfte hier in Anbetracht der Brandblasen sowie des mehrwöchigen Heilungsverlaufs vertretbar anzunehmen gewesen sein.
Beibringen. Du sagst es. Zum Werkzeug: Ist, finde ich, gut vertretbar, auch wenn es eine Mindermeinung (das OLG Dresden hatte mal so entschieden und siehe MK-Hardtung § 224 Rn. 14 m.w.N.) ist, zum BGH und zur h.L.
@ Gast: Ich hätte eine Garantenstellung des V wohl eher bejaht; sehe hier für den V auch irgendwie das „Standardproblem“ der Abgrenzung zwischen unmittelbarer Täterschaft durch Unterlassen und einer bloßen Beihilfe durch Unterlassen…kann mich aber auch irren…
ich hab Nr. 1 und Nr. 2 von § 224 heiß diskutiert. hoffe dass es nicht wieder als zu „oberflächlich“ anerkannt wird. aber ich glaube, dass Werkzeugeigenschaft nicht wirklich bejaht werden kann.
Computerbetrug ist ein guter Punkt. Leider nicht geprüft. Aber beim Betrug hab ich gesagt, dass Mittäter für den anderen mitbesitzen können. Also durchaus ein Mitbesitz begründet wurde. Mal schauen ob das so annehmbar ist. Falls nicht, hoffe ich dass es trotzdem Punkte bringt, da man einen möglichen Betrug zumindest gesehen hat.
Hi Leute,
wer hat diese Klausur geschrieben? Könnt ihr vielleicht auch die anderen Klausuren hier posten? Momentan ist nur eine STrafrechtsklausur hier zu finden. Wie sieht es aus mit der zweiten und anderen aus? Zivilrecht,Öffentliches Recht. Wäre wirklich sehr nett,wenn hier jemand diese Sachverhalte auch postet.
Vielen Dank im Voraus
Nein @ Gast. Selbst die hab ich gerockt. Die Klausur hier ist aber Kindergarten.
war der sachverhalt heute bei ZIII fehlerhaft? er zielte offensichtlich auf eine schuldrechtliche klausur ab, insbesondere auf die 346ff beim verbrauchsgüterkauf. es lag jedoch eine fristgem. abgegebene Anfechtungserklärung wegen arglistiger Täuschung vor. Die Verjährung beginnt ab Kenntnis, nicht ab KV-Abschluss, sodass die 1 Jahr + 1 Tag offensichtlich nicht griffen. dann wäre außer 988 analog nicht viel drin gewesen.
@ Besserwisser Ich hatte das gleiche Problem mit ZIII, habe es schließlich so wie du über § 988 analog und § 122 usw. gelöst. Bin aber erst zu spät auf die richtige Lösung gekommen, und zwar: man sollte bei den Fragen 2 und 3 die „Anfechtungserklärung“ des K einerseits als Anfechtungserklärung und andererseits als Rücktrittserklärung auslegen.
hatte an die variante gedacht. aber da laut sachverhalt ausdrücklich angefochten wurde, hatte der Kläger für mich auf sein Rücktrittsrecht verzichtet. Ich kann mich auch nicht erinnern jemals in einer Klausur die ausdrückliche Anfechtungserklärung so auszulegen, dass der Kläger auch darin seinen Rücktritt erklärt haben könnte. In solchen Situationen wird im Sachverhalt ja meist geschrieben „Der K will sich vom Vertrag lösen“ oder ähnlich neutrale Formulierungen, sodass man schauen kann, welche Option günstiger ist. Hier kam jedoch meines Erachtens lediglich eine Umdeutung der Erklärung gem 140 in Betracht, sofern das Anfechtungsrecht verjährt wäre. Dieses hat auch der BGH in einer ganz ähnlichen Entscheidung von 2006 (ging auch um einen Gebrauchtwagenkauf iHv 26.000) mal angedeutet und hilfsgutachterlich die 346ff geprüft. Laut Sachverhalt war jedoch das Anfechtungsrecht gerade nicht verjährt, da die Frist erst mit Kenntnis beginnt. Das Anfechtungsrecht wäre jedoch genau um einen Tag verjährt, wenn die Frist mit KV-Abschluss begonnen hätte, sodass ich mich frage, ob da tatsächlich ein solcher, wirklich krasser Fehler, bei der Sachverhaltsstellung passiert sein kann? (Der Verfasser hätte dann §124 falsch gelesen)
wie gesagt, ich finde deine idee gut, aber wenn der sachverhalt wörtlich vorgibt „K ficht das gesamte Rechtsgeschäft an“ ist dort für mich wenig spielraum für einen Rücktritt…
c.i.c. war noch drin. und 994, 996, 812.
Ich habe mich leider leider für eine komplett für die Umdeutung entschieden…
ich habe den K beide geschäfte (schuldrechtlichen und dinglichen, stichwort: fehleridentität) gem. § 123 BGB anfechten lassen. so ist K auch nie eigentümer des mercedes geworden und ich konnte alles über ebv lösen (c.i.c., 812, 823 I, II i.v.m. 263 stgb hab ich auch noch geprüft). bei der anfechtung hab ich auch eigenschaftsirrtum geprüft und genau wegen des fristablaufs verneint….ich glaube, das ist, wie immer, eine argumentationssache, hab auch schon mit leuten geredet, die keine arglist gesehen haben…ich finde irgendwie beide lösungen vertretbar.
Hab ich auch so gemacht. Ich sehe hier keinen Fehler. Vertragliche Ansprüche gab es nicht durch die Anfechtung die hier für mich unproblematisch durchging und wegen 123, 124 II und Stichwort Fehleridentität auch nicht verjährt war und sich somit auch auf das Verpflichtungsgeschäft niederschlug.
Ansonsten EBV und 812, 823 II mit 263 StGB.
Eigenschaftsirrtum hab ich auch geprüft aber auf grund der Aussage, dass es kein Unfallwagen sei hab ich gesagt, dass es sich daher nicht um einen Irrtum iSv 119 II handeln.
Arglist war definitiv gegeben – da gibts für mich eigentlich auch nichts dran zu rütteln – notfalls über „ins blaue hinein“.
Meiner Meinung nach waren hier zwei Ansätze vertretbar: der Käufer hat bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ein Wahlrecht die Rückabwicklung über Gewährleistungs- oder Bereicherungsrecht laufen zu lassen. So ist sowohl der weg in Frage 2 über die 346 ff. als auch 812 vertretbar.
hmm…ich hatte ja noch eine dritte lösung: da ich den kaufvertrag UND dingliche einigung anfechten ließ, war k redlicher unberechtigter besitzer, so habe ich den nutzungsersatz nach 987,990 geprüft und verneint, da er ja nach dem kenntnis keine nutzungen mehr gezogen hat. für andere alg-en gilt dann sperre von 993 I a.e…
also war abgabe der anfechtungserklärung und zugang einen tag später eine bloße nebelkerze?
kein plan, als ich die klausur gestern abgegeben habe, war meine lösung für mich noch ziemlich schlüssig….aber jetzt!!! ich meine, wenn man arglistige täuschung annimmt, dann war die frist noch nicht gelaufen oder (124 II ab kenntnis)? und das mit dem fehleridentität hab ich auch sehr gründlich geprüft, naja ich hoffe, ich liege nicht total daneben und wenn, dann war ich zumindest bis zum schluss konsequent…
ich hab das bgh urteil auch gefunden:
https://www.jurabasics.de/13617/13632.html
(zweiter fall, was auf der seite besprochen wird: BGH-Urteil vom 7. 6. 2006 – VIII ZR 209/05, NJW 2006, 2839
nur da ging es um ein Bestellformular:
„In dem Bestellformular findet sich die Eintragung: „Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden laut Vorbesitzer: Keine“.
der bgh hat hier eine arglistige täuschung abgelehnt:
„Den Hinweis in dem Bestellformular auf die Auskunft der Vorbesitzer wertet der BGH nur als „Standardformel“, die nicht besagt, dass weitergehende (mündliche) Erklärungen im Vorfeld des Vertrags unrichtig sind.
in unserem fall war das jedoch anders, da v aufgefallen ist, dass das auto auf jeden fall einen größeren schaden haben muss…
wie gesagt, keine ahnung, ich hoffe nur, es gibt hier keine eine richtige lösung…