Strafrecht S – Dezember 2013 – 1. Staatsexamen NRW
Danke an Alexandra für das Zusenden eines Gedächtnisprotokolls der in NRW im Dezember 2013 gelaufenen Klausur im Strafrecht. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
Fall 1
Die siebzehnjährige A und der achtzehnjährige B werden schon seit längerem von ihrem Vater V und ihrer Mutter M seelisch und körperlich misshandelt. Eines Tages kommt es in der Küche in Anwesenheit der A im gemeinsam bewohnten Wohnhaus wieder zu einem Wutausbruch des V. Als er sich wieder beruhigt hat, macht er kehrt um den Raum zu verlassen. In diesem Moment greift A – einer spontanen Eingebung folgend – nach einer schweren gusseisernen Bratpfanne und schlägt diese dem V an die Schläfe um ihn umzubringen. Sie tut dies um sich die dauernden Tyrannei des V zu beenden, derer sie sich nicht mehr gewachsen sieht. V geht zu Boden und bleibt bewusstlos liegen. A ist der Meinung, V wird wohl in den nächsten Minuten sterben und verlässt zitternd den Raum.
Kurze Zeit später kommt B in die Küche, sieht den bewusstlos am Boden liegenden V und erkennt sofort zutreffend, was sich zuvor in der Küche abgespielt hat. Daraufhin nimmt er die blutüberströmte Bratpfanne und schlägt V abermals gegen den Kopf um ihn zu töten und den Tyranneien ein Ende zu setzen. Danach verlässt auch er die Küche. V stirbt.
Einige Minuten später geht B nach draußen in die Scheune. Dort kommt es zu einem heftigen Wortgefecht mit M – die von den Ereignissen in der Küche nichts mitbekommen hat – in dessen Verlauf B ein Hanfseil vom Haken nimmt, es der M um den Hals schlingt und beginnt sie zu würgen um seine Stärke zu beweisen. Er erkennt dabei die Gefahr, die diese Behandlung für das Leben der M hat. Trotz der familiären Gefühle, die B noch für M hegt und obwohl ihm deren Tod unerwünscht ist, drückt er weiter zu, bis M bewusstlos wird. Erst drei Minuten danach lässt er von ihr ab, in dem Glauben sie sei tot. Die tot geglaubte M verschnürt er sodann in einer Plastikplane mit einem Betonpfosten und wirft sie in den Fischteich um Schwierigkeiten mit der Polizei zu entgehen.
Irgendwann brechen A und B ihr Schweigen und es kommt zum Prozess. Der Sachverständige stellt fest, dass es nicht eindeutig geklärt werden kann, ob V durch das Zusammenwirken beider Schläge oder nur durch den Schlag der A alleine oder nur durch den Schlag des B alleine zum Tod des V gekommen ist. Bezüglich des Todes der M stellt der Sachverständige fest, dass sie nicht schon durch das Würgen verstorben ist, sondern erst durch Ersticken, eingewickelt in der Plastikplane.
Strafbarkeit von A und B?
Das JGG ist nicht zu prüfen. Auch auf §§ 213, 221, 258 StGB ist nicht einzugehen.
Fall 2
P wird an einer Tankstelle von zufällig dort tankenden Polizisten vorläufig festgenommen. Bei einer sofortigen rechtmäßigen Durchsuchung wurden 3.455 € in bar, eine Pistole und eine Strumpfmaske gefunden.
Der Tankwart T berichtet, ihn hätte gerade ein Mann überfallen und 3.450 € von ihm erlangt. Dieser Mann hätte eine rote Jacke getragen. P trägt eine rote Jacke. P ist 25 Jahre alt, arbeitslos und alleinstehend. Es stellt sich allerdings heraus, dass er einen Bruder hat, der vor einiger Zeit ins Ausland nach Brasilien ausgewandert ist. Er lässt sich nicht zu Sache ein.
Was sollte der zuständige Staatsanwalt S beantragen?
Es ist davon auszugehen, dass die Wegnahme den Tatbestand §§ 255, 250 I Nr. 1 StGB erfüllt.
Dubai liegt aber nicht in Brasilien 😉
Wie hättet ihr die Kausalität/objektive Zurechnung bzgl des Todes gelöst?
Ich würde sagen bzgl A (+) und bei B keine Kausalität, da kumulative Kausalität nicht bewiesen ist und in dubio pro reo die alternative Kausalität nicht vorliegt.
Bzgl. A fortwirkende Kausalität. Ersthandlung kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass dann B die Situation genutzt hätte. Aber objektive Zurechnung (-)?!
Objektive Zurechnung aber dann nicht (-), wenn hier spezifische Verbundenheit bejaht werden kann; was dann der Fall ist, wenn das Dazwischentreten von B zwischen der Handlung der A und letztlich eingetretenem konkreten Erfolg nicht außerhalb jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit liegt; mithin wenn A damit rechnen konnte bzw. musste, dass B an die von ihr gesetzte Bedingung anknüpfen würde. Da die Geschwister A und B beiderseits misshandelt wurden, ist die Annahme nicht fernliegend, dass B die Gunst der Stunde ergreifen würde und den von A in Gang gesetzten Kausalverlauf derart beeinflussen würde, dass der Tötungserfolg bereits nach kürzerer Zeit eintreten solle.
Mit entsprechender Argumentation wird wohl beides vertretbar sein. Objektive Zurechnung bei spezifischer Verbundenheit bei A(+); sonst (-) (dann nur Versuch) und bei B bereits schon mangels Kausalität (Tötungserfolg wäre bei Hinwendenken seiner Handlung NICHT mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfallen) (-); deshalb (ebenfalls) Versuch bei B
https://www.uni-leipzig.de/~straf/cms/materialien/sose13/AGHawickhorst/L%C3%B6sungsvorschlag%20Bratpfannenfall.pdf
richtig dürfte wohl sein bei A die objektive zurechnung wegfallen zu lassen und bei B die kausalität zu verneinen. Gibt jedoch auch Falllösungen, die bei A eine Vollendung annehmen
siehe mein Beitrag oben