Sachverhalt der 3. Zivilrecht Examensklausur – April 2011 – 1. Staatsexamen Berlin/Brandenburg, Niedersachsen, NRW
Wir danken Stephanie für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls von der 3. Zivilrecht Examensklausur im April 2011 im 1. Staatsexamen in Berlin / Brandenburg:
Die X-GmbH ist Bauunternehmerin und in Berlin ansässig. Sie ist als Eigentümerin mehrerer Grundstücke in Deutschland eingetragen. Der Geschäftsführer der X-GmbH schließt mit dem Geschäftsführer der Y-GmbH, welche in Potsdam ansässig ist, einen Vertrag über die Vermittlungsleistung von Grundstückskaufverträgen. Für jede erfolgreiche Grundstücksvermittlung erhält die Y-GmbH eine Vermittlungsprovision in Höhe von 5%. Der Vertrag wird im Januar 2010 für das Jahr 2010 geschlossen. Die Parteien vereinbaren eine schriftliche Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Ende eines Monats.
Der Geschäftsführer der Y-GmbH führt im Februar 2010 mit dem als sehr vermögend auftretenden K eine Besichtigung für ein Grundstück in Kleinmachnow durch. Nach der 3. Besichtigung wird man sich handelseinig und im März 2010 wird ein notarieller Grundstückskaufvertrag zum Kaufpreis von 200000 € im Beisein des Geschäftsführers der Y-GmbH zwischen dem Geschäftsführer der X-GmbH und dem K geschlossen. Noch vor Eintragung des K kommt heraus, dass dieser ein Hochstapler ist und das Grundstück nur gekauft hat, um seine Freundin zu beindrucken. Im April 2010 wird- um einer Anfechtung vorzubeugen – der Vertrag durch eine Aufhebungsvereinbarung formwirksam rückabgewickelt.
Der Geschäftsführer der Y-GmbH führt eine Besichtigung mit dem Investor I in einem Grundstück in Hamburg durch, welches mit einer Familienvilla bebaut ist. Die X-GmbH möchte hier 500.000 € Kaufpreis erzielen. Nach aussichtsreichen Gesprächen schlafen die Verhandlungen Ende Mai ein. Dies teilt die Y-GmbH der X-GmbH in einem Schreiben mit. I hat sich indessen in der Maklerszene umgehört und heraufgefunden, dass die X-GmbH Eigentümerin des Grundstücks ist. Sodann nimmt I mit dem Geschäftsführer der X-GmbH die Verhandlungen auf und schafft es, denn Kaufpreis um 5 % zu mindern. Am 30.08.2010 wir der Grundstückskaufvertrag zwischen dem Geschäftsführer der X-GmbH und der E, Ehefrau des I, unterzeichnet. E ist als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen und lebt mittlerweile samt I und ihren Kindern in der Villa.
In einem Schreiben vom 10.09.2010 per Telefax kündigt der P, eingetragener Prokurist der X-GmbH, den Vertrag zum 31.10.2010 auf. Der P unterschreibt diese Schreiben handschriftlich mit dem Zusatz ppa. Mit Schreiben vom 14.09.2010 wendet sich die Y-GmbH gegen die Kündigung und erklärt, dass diese allein deswegen schon keine Gültigkeit besitze, weil sich nicht über die Vollmacht des P informiert worden sei. Ebenfalls sei die Unterschrift des P unleserlich. Jedenfalls sei die Kündigung formunwirksam. Die X-GmbH reagiert hierauf nicht, weil sie davon ausgeht, dass die Y-GmbH sich selbst Kenntnis von der Eintragung des P verschaffen könne.
Am 30.10.2010 inseriert die Y-GmbH ein Grundstück in Berlin-Kladow. Am 04.11.2010 meldet sich darauf hin der K. Nach mehreren Verhandlungen sendet die Y-GmbH dem K ein Exposé zu, indem sich auch die Kontaktdaten der X-GmbH befanden. K nimmt daraufhin mit der X-GmbH Geschäfte auf ohne seinen Kontakt zur Y-GmbH zu erwähnen. Im Dezember 2010 wird ein Kaufvertrag geschlossen und der K als Eigentümer eingetragen.
Frage: Kann die Y-GmbH Zahlungsansprüche in Höhe von 5% wegen der Vermittlung der Grundstückskaufverträge in Kleinmachnow, Hamburg und Kladow verlangen? (Es ist davon auszugehen, dass alle Beträge stimmen)
Zusatzfrage (10%)
1. Bei welchem Gericht müsste die Y-GmbH ihre Klage einreichen? Sie hätte gern einen besonders günstigen Wirtschaftsstandort. Was hat sie hierbei zu beachten?
2. Die Y-GmbH geht davon aus, dass noch weitere Kaufverträge durch ihre Vermittlung geschlossen wurden. Die X-GmbH gibt hierzu jedoch keine Auskunft. Welche Klage müsste die Y-GmbH einreichen, um herauszufinden, ob es noch weitere Verträge gibt? (Es ist nicht die Zulässigkeit zu prüfen)
Also die ZPO-Zusatzfragen waren etwas anders. Bei der 1. war der Hinweis, dass Y einen besonderen wirtschaftlichen Sachverstand des Gerichts haben wollte.
Und bei der zweiten war nicht explizit nach einer Klage gefragt, sondern welche gerichtlichen Schritte Y vornehmen kann. Und es war nicht die Zulässigkeit, sondern die Zuständigkeit ausgeschlossen.
Die gleiche Klausur lief – mit teils abgewandelten Ortsnamen – auch gestern in NRW, jedenfalls in Düsseldorf.
Fast die gleiche Klausur lief auch in Niedersachsen (Hannover).