Rezension: Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht Allgemeiner Teil und Besonderer Teil
Tiedemann, Klaus, Wirtschaftsstrafrecht Allgemeiner Teil, 3. Auflage, München 2010, 191 Seiten, Verlag Franz Vahlen, ISBN: 978-3-452-27262-1;
ders., Wirtschaftsstrafrecht Besonderer Teil, 3. Auflage, München 2011, 416 Seiten, Verlag Franz Vahlen, ISBN: 978-3-8006-4152-9
Der Bereich des Wirtschaftsstrafrechts gehört zwar nicht zum unmittelbaren Pflichtfachprogramm der staatlichen Examina, wird an den Universitäten jedoch in vielfältiger Weise im Rahmen der Schwerpunktbereiche angeboten und hat sich in der Praxi zu einem der lukrativsten strafrechtlichen Tätigkeitsbereiche entwickelt.
Dabei zeichnen sich sowohl die praktischen Verfahren, als auch die an den Universitäten gehaltenen Vorlesungen durch einen extrem hohen Schwierigkeitsgrad aus. Nicht selten mag man vor den komplexen Auslegungsfragen und Normkonstrukten verzweifeln.
Klaus Tiedemann versucht mit seinen beiden Werken Licht in das studentische Dunkel zu bringen.
Dem Vorwort nach will er – natürlich neben Praktikern – insbesondere Studenten der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften ansprechen.
Ob ihm dies gelungen ist, soll im Folgenden besprochen werden. Dabei sei bereits zu Anfang darauf hingewiesen, dass sich auf Grund der engen Verbundenheit des Allgemeinen mit dem Besonderen Teil eine gemeinsame Besprechung anbietet, wenn nicht gar aufdrängt.
I. Erscheinungsbild/Aufbau
Beide Werke sind in der „Academica Iuris“ Reihe des Verlag Franz Vahlen erschienen.
Das Erscheinungsbild entspricht dem der Reihe üblichen. Dieses zeichnet sich aus durch klare Gestaltung, Handlichkeit und ein hochwertiges sowie optisch ansprechendes Design.
Jedem Kapitel vorangestellt ist eine umfangreiche Auflistung der verwendeten Literatur. Dadurch wird dem interessierten Leser ein schneller Zugriff auf weiterführende Literatur ermöglicht.
Insbesondere im Werk zum Besonderen Teil wurden zudem innerhalb der jeweiligen Kapitel viele kleine Beispielfälle eingebaut, die abschließend in einer umfassenden Auflistung überblicksartig aufgeführt sind. Dies erleichtert den Einstieg in das Wirtschaftsstrafrecht ungemein, lässt sich so doch in kurzer Zeit ein Überblick über einige wichtige Rechtsprechungsgrundlagen erlangen.
Hervorgehoben sei an dieser Stelle zudem der umfassende Anhang, der eine Zusammenstellung der benötigten, teilweise jedoch nicht gängigen Rechtsgrundlagen enthält. Dies erspart es dem Leser, sich zunächst auf die Suche nach den Gesetzestexten machen und diese umständlich ausdrucken und sammeln zu müssen.
II. Inhalt
Tiedemann hat seine Ausführungen nicht in einem Buch zusammengefasst, sondern die Abhandlungen zum Allgemeinen Teil des Wirtschaftsstrafrechts, ähnlich dem bekannten Prinzip des „Vor-die-Klammer-Ziehens“ des Gesetzgebers, in einem eigenständigen Werk ausgegliedert. Dieses enthält zunächst grundlegende Ausführungen zu übergreifenden wirtschaftsstrafrechtlichen Grundlagen.
Neben Fragen zur Historie und den Rechtsquellen des Wirtschaftsstrafrechts behandelt Tiedemann hier Probleme der Tatbestands- und Irrtumslehre, der Rechtswidrigkeit sowie der Täterschaft und Teilnahme.
Mit Recht weist der Autor darauf hin, dass die Probleme des Allgemeinen Teils des Wirtschaftsstrafrechts in ihrer wissenschaftlichen Behandlung deutlich unterrepräsentiert sind und ihre Wichtigkeit für die Problemlösung vielfach verkannt wird.
Inhaltlich drängt es sich damit auf, das Studium des Wirtschaftsstrafrechts mit der Lektüre des ersten Werkes zu beginnen. Synergieeffekte stellen sich ein und durchaus wird so mancher Problemkomplex des allgemeinen Teils des StGB wiederholt. Dessen Kenntnis wird im Übrigen vom Autor im weiteren Verlauf als umfassend gegeben vorausgesetzt.
In seinem zweiten Werk, dem Band zum Besonderen Teil des Wirtschaftsstrafrechts, stellt der Autor klassische Bereiche an Hand der einschlägigen Normen mit ihren jeweiligen Problemkomplexen vor.
Dabei vollzieht sich die Betrachtung von Straftaten im Außenwirtschaftsrecht über das strafrechtlich relevante Verhalten im Finanz-, Kredit- und Versicherungswesen sowie der Warenfälschung, bis hin zum Arbeits- und EDV-Strafrecht.
Gerade hier finden sich einige Delikte aus dem Pflichtfachbereich wieder und der Leser kann erkennen, dass er mit seiner Examensvorbereitung häufig nur an der Oberfläche der in der Praxis sich tatsächlich stellenden Probleme kratzt. Vorwissen bzgl. der im StGB geregelten Straftatbestände, insbesondere der Vermögensdelikte, ist daher Voraussetzung für ein umfassendes Verständnis.
III. Fazit
Beide Werke Tiedemanns, das muss zu Anfang so deutlich festgestellt werden, weisen einen sehr hohen Schwierigkeitsgrad auf. Das ist einerseits natürlich der Materie an sich geschuldet, die sich häufig nicht vereinfachend runterbrechen lässt. Andererseits jedoch auch dem Autor, der stellenweise sehr knapp formuliert und dem Leser sehr viel Eigenleistung aufbürdet. Stellenweise fehlen Überleitungen, die dem Leser eine gedankliche Brücke von einem Problem zum nächsten bauen und stören Einschübe den Lesefluss.
Ob sich die teils sehr komplexen (juristischen) Gedankengänge zudem in dieser Kürze insbesondere von Studenten der Wirtschaftswissenschaften nachvollziehen lassen, darf bezweifelt werden.
Dennoch sind Tiedemann zwei sehr gute Werke gelungen, die insbesondere den Studenten in den entsprechenden Schwerpunktbereichen ans Herz gelegt seien. Wer sich zudem für das Wirtschaftsstrafrecht interessiert und fortgeschrittene strafrechtliche Vorkenntnis mitbringt, wird ebenfalls seine Freude bei der Lektüre der Bücher haben.
Möchte der Leser hingegen nur überblicksartig erste flüchtige Eindrücke sammeln, wird ihn der hohe Komplexitätsgrad wohl abschrecken.
Der Autor Dominik Schnieder ist Lehrassistent bei Prof. Dr. Horst Schlehofer an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und promoviert zurzeit zu einem verfassungsschutzrechtlichen Thema bei Prof. Dr. Lothar Michael.
Die beiden Werke von Tiedemann sind super. Als Alternative wird ja öfters einmal das Buch von Wittig (Beck Grundriss-Reihe) empfohlen. Ich empfand den Grundriss von Wittig allerdings als zu oberflächlich bzw. zu knapp. Will man etwas wirklich nachvollziehen kommt man nicht an Tiedemann nicht vorbei.