Rezension: Literatur zum Zivilurteil im Referendariat
Da ich seit April 2010 als Rechtsreferendar am LG Bonn tätig bin, möchte ich einen kurzen Überblick über die Literatur zum Zivilurteil geben. Gerade am Anfang wird man regelmäßig von seinem Arbeitsgemeinschaftsleiter dazu gedrängt, ein ganz bestimmtes Werk zu kaufen (in meinem Fall den Anders/Gehle). Sofern man bereits so voreingenommen an den Kauf eines Lehrbuchs herangeht, ist die Chance groß, dass das Lehrbuch die Erwartungen nicht erfüllt. Ich konnte leider nicht alle Werke zum Zivilurteil testen – immerhin jedoch zumindest drei der bekanntesten Werke.
Eins gilt es zu diesen Werken vorab zu sagen: Keines dieser Werke ist allumfassend und ausreichend, um ordentliche Zivilurteile zu schreiben. Die Bücher können nur als Hilfestellung für den Anfang bzw. als Nachschlagewerk dienen. Beim zweiten Examen ist es m.E. deutlich wichtiger, sich möglichst an der Lösung von Fällen zu versuchen, als dicke Bücher auswendig zu lernen.
Hemmer/Wüst/Gold, Das Zivilurteil, Theorieband, 8. Auflage 03/2010
Der Theorieband zum Zivilurteil geht nach der allseits bekannten Methodik dieser Skriptenreihen auch beim Referendariat äußerst systematisch vor. Die Bestandteile des Urteils werden Schritt für Schritt in eingängiger Sprache erläutert und anschließend die verschiedenen Arten von Urteilen behandelt.
Anzumerken ist, dass der Theorieband „Das Zivilurteil“ optimalerweise durch den Klausurenband „Zivilurteilsklausuren“ von Hemmer ergänzt werden soll. Im Theorieband finden sich somit kaum Beispielsfälle und auch wenig Beispielsformulierungen, was für die Anschaulichkeit der Materie nicht zwingend vorteilhaft ist.
M.E. ist diese Herangehensweise jedoch eine nette Idee, da der Theorieband so kaum überfrachtet wirkt. Man kann das Skript innerhalb kürzester Zeit durchlesen und sich so die wichtigsten Aspekte des Zivilurteils ins Gedächnis rufen.Andererseits fehlt es durch diesen Ansatz natürlich an einer vertieften Darstellung verschiedener prozessualer/materiellrechtlicher Konstellationen. Wer hierfür ein Nachschlagewerk sucht, liegt mit dem Hemmer-Skript daneben. Wer sich jedoch sagt, er möchte zunächst die Grundzüge des Zivilurteils erarbeiten und vertieftes Wissen ohnehin nur bei der Fallbearbeitung sammeln, kann mit diesem Skript kaum etwas falsch machen.Dieser Ansatz steht insbesondere im Einklang mit meiner vorab geäußerten These, dass es im Referendariat weniger darum geht, abstraktes Spezialwissen anzuhäufen, sondern eher um die Improvisation im Einzelfall.
Vorteilhaft ist bei dem Skript, dass es ohne weiteres für das gesamte Bundesland Geltung beansprucht, da auf die Besonderheiten in den jeweiligen Bundesländern stets in Fußnoten Bezug genommen wird.
Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Zivilgerichtsklausur im Assessorexamen, Band I: Technik, Taktik, Formulierungshilfen, 4. Auflage 2010
Das Kaiserskript zum Zivilurteil versteht sich im Gegensatz zu anderen auf dem Markt erhältlichen Werken weniger als Standardwerk, sondern eher als Ergänzung. So wird im Vorwort darauf verwiesen, dass der Leser das zivilprozessuale Standardwissen mit Hilfe der Anleitungsbücher von Knörringer oder Anders/Gehle erfassen solle. Die Besonderheit dieses Buches liegt nach den Autoren darin, dass lediglich die in Examensklausuren am häufigsten vorkommenden Fallkonstellationen dargestellt werden.
Dies ist den Autoren m.E. gut gelungen. Für Rubrum, Tenor und allgemeine Klausurhinweise werden lediglich wenige Seiten verbraucht. Der Fokus des Werks liegt dann ganz auf den Entscheidungsgründen des Zivilurteils, wobei hier eine Vielzahl denkbarer Fälle präsentiert wird. Es werden dem Leser für die jeweiligen Begründungen vollständige Formuliersvorschläge an die Hand gegeben. Sofern man in einem Urteil, dass man für seinen Ausbilder schreibt, eine bestimmte Konstellation hat, lohnt es sich meist auch, zunächst einen Blick in den Formulierungsvorschlag im Kaiser-Skript zu riskieren.
Was das Werk nicht liefert, ist ein vollumfänglicher vertiefter Überblick über alle zivilprozessualen Besonderheiten, die beim Zivilurteil zu beachten sind. Sofern man ein Buch zur Ergänzung sucht, dass mundgerecht besonders relevante Begründungsformeln präsentiert, kann man mit dem Kaiserskript zum Zivilurteil m.E. aber nichts falsch machen.
Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 9. Auflage 2008
In NRW gilt der Anders/Gehle als das Standardwerk für das Zivilurteil im Assessorexamen. Das insbesondere deshalb, weil im Prinzip alles, was man wissen muss, in diesem Buch steht. Es werden dem Leser sogar vielfach Formulierungshilfen an die Hand gegeben, so dass man meinen könnte, dieses Werk ist den anderen auf jeden Fall vorzuziehen.
Das Problem an diesem Buch ist m.E. allerdings, dass viel zu viel Wert auf die Relationstechnik gelegt und viel zu wenig auf die Besonderheiten in den Entscheidungsgründe beim Zivilurteil abstellt wird. Zudem ist das Buch stellenweise sehr langatmig geschrieben und ist an teilweise nicht auf den aktuellsten Stand der Rechtsprechung gebracht. Oftmals wird inhaltlich auch noch Bezug auf die Examenshausarbeit genommen, obwohl eine solche in NRW nicht mehr geschrieben wird.
Der Anders/Gehle ist natürlich trotz allem kein schlechtes Lehrbuch und erfasst, wie gesagt, eine enorme Bandbreite an Stoff, während die anderen Werke meist einfach zu knapp sind. Wer die o.g. Nachteile also nicht als zu gravierend empfindet, kann sich auch mit diesem Buch (sogar vertieft) die Arbeitstechnik für das Zivilurteil aneignen.
Fazit
Das Problem beim Assessorexamen besteht darin, dass es m.E. weniger um die Vorbereitung mit Lehrbüchern, als um die Arbeit am praktischen Fall geht, um die Formulierungen für das Urteil in Fleisch und Blut übergehen zu lassen. Nichtsdestotrotz ist ergänzende Literatur äußerst hilfreich und gerade zu Beginn auch notwendig, um sich zunächst abstrakt das erforderliche Wissen anzueignen. Da die Lehrbücher für das Zivilurteil bei Leibe alle nicht perfekt sind, sollte man sich bei der Auswahl des Lehrwerks deshalb nicht unreflektiert für den Kauf entscheiden, sondern zunächst überlegen, welchen Zweck das Lehrbuch erfüllen soll.
In diesem Kontext wäre es der Vollständigkeit halber natürlich schön, wenn in den Kommentaren noch Anmerkungen zu den Alpmann-Skripten und zu dem Werk von Knörringer gemacht werden könnten.
m.E. solltest du dir mal abgewöhnen, allzu oft dieses furchtbare „m.E.“ zu benutzen… wirkt ziemlich kindisch und das eine rezension deine meinung wiedergibt, ist doch klar…
… sonst informativ.
@E.F.: werde ich beherzigen. Hast natürlich recht… Das kommt wohl daher, dass es schon böse mails von einem Verlag, den ich nicht nennen möchte, gab, dass die Wortwahl etwas zu vernichtend (weil objektiv formuliert) sei.
Gut sind auch die „Mustertexte zum Zivilprozeß“ von Tempel/theimer im (Beck Verlag erschienen)!
Ich seh das zum Teil ein wenig anders:
1. Der Anders/Gehle ist sehr ausführlich. Den zu lesen, hat man wenig zeit.
2. Der Knöringer ist wiederum teilweise ein wenig knapp geraten, aber ansonsten echt brauchbar.
3. Der Oberheim ist ein guter Mittelweg, wie ich finde. Vor allem hat der ein gutes Stichwortverzeichnis, so dass man schnell relevante Antworten auf die eigene Frage findet.
4. Das Kaiser-Skript eignet sich super, um Karteikarten anzufertigen. Zum Lernen ist es erst dann gut, wenn man den Stoff schon verstanden hat, denn insbesondere das Stichwortverzeichnis ist nicht zu gebrauchen und die Systematik unübersichtlich.
5. Schon mal dran gedacht, einfach den Putzo durchzuarbeiten? Den nimmt man mit in die Klausur und es schadet nie, zu wissen, was für eine Hilfe er wirklich bietet!