Rezension: Dresenkamp/Sachtleber, Zivilakte, 3. Auflage 2015
Zivilakte von Klaus Dresenkamp und Dr. Ole Sachtleber, 3. Auflage 2015, 226 Seiten, Vahlen, ISBN 978-3-8006-4947-1, Preis: 24,90 €
(Eine Rezension zur Erstauflage findet sich bei Zillmer, NJW 2001, S. 1044.)
Der Gastautor Alexander Merschmann ist Rechtsreferendar im OLG-Bezirk Schleswig (derzeit Verwaltungsstation beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz).
I. Allgemeines
Mitte Juli dieses Jahres ist nach geschlagenen 13 Jahren eine Neuauflage des Skripts „Zivilakte – Von der Klageschrift bis zum Urteil“ erschienen. Während das Werk bisher in alleiniger Autorenschaft von Klaus Dresenkamp (Richter am Oberlandesgericht a.D. und Prüfer im Gemeinsamen Prüfungsamt für die Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen) verfasst wurde, ist die nunmehr erschienene 3. Auflage in Zusammenarbeit mit Dr. Ole Sachtleber, seines Zeichens ebenfalls Richter sowie Prüfer im Schwerpunktbereich an der Universität zu Kiel, entstanden.
Um die nötige Aktualität zu gewährleisten, ist das Skript von den Autoren um die aktuelle Rechtsprechung und Literatur (berücksichtigt bis zum 31. März 2015) ergänzt worden. Doch darin erschöpfen sich die Änderungen nicht. Vielmehr wurden die Ausführungen überarbeitet und zahlreiche Abschnitte erheblich ergänzt und vertieft (bspw. diejenigen zur Klageänderung (Rn. 103 ff.), zur Substantiierung und zum Bestreiten (Rn. 74 f.), zur Prozessaufrechnung (Rn. 87 ff.) sowie zur Baumbach’schen Formel (Rn. 179)) oder neu eingeführt (bspw. zur Darlegungslast (Rn. 72), zur Drittwiderklage (Rn. 92), zum Beweisangebot einschl. Beweisverwertungsverboten (Rn. 129) und zur Beweisvereitelung (R. 163)). Damit reagieren die Autoren in der Neuauflage umfassend auf die mittlerweile – zumindest hinsichtlich der Breite des Examensstoffes – gestiegenen Anforderungen an Referendare.
Inhaltlich nimmt sich das Werk auf insgesamt 226 Seiten dem Zivilprozessrecht an und richtet sich dabei ausweislich des Vorworts an „Referendare, die Zivilprozessrecht anhand einer Zivilakte aus der gerichtlichen Praxis strukturiert, übersichtlich und leicht nachvollziehbar erlernen oder kurz vor den Klausuren wiederholen wollen.“ Vorweg: Diesem Anspruch wird das Werk vollends gerecht.
II. Aufbau und Hauptteil des Skripts
Der Untertitel des in der Reihe „Referendarpraxis – Lernbücher für die Praxisausbildung“ (Vahlen) erschienenen Werkes „Von der Klageschrift bis zum Urteil“ gibt zugleich den Gang des Skripts vor. So beginnt „Zivilakte“ mit einer Klageschrift der Optimal Bausatz-Haus GmbH & Co KG: Weil es nicht zur Durchführung eines Bauvorhabens kam, macht diese gegen das Ehepaar Pohl eine Pauschalvergütung von 10.000 EUR klageweise geltend. Über das gesamte Werk begleitet der Leser sodann die Entwicklung dieses Rechtsstreits – bis hin zum Urteil. Selbstverständlich verläuft das Verfahren nicht reibungslos, sondern nimmt mehrere Umwege. So kommt es u.a. zu einem Versäumnisurteil samt verfristetem Einspruch und Wiedereinsetzung, einem widerrufenen Prozessvergleich, einer Widerklage und einer teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärung. Entsprechend den verschiedenen Entwicklungen des Verfahrens sind neben der Klageschrift u.a. Empfangsbekenntnisse, Zustellungsurkunden, Sitzungsprotokolle, verschiedene vollständig ausformulierte Urteile (Versäumnis-, Zwischen- und Endurteil), aber auch weitere Schriftsätze, wie etwa ein Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil (§§ 719, 707 ZPO), abgedruckt.
Dem jeweiligen Verfahrensstand folgend werden abschnittsweise die zivilprozessualen Themenbereiche und Problemfelder allgemein sowie speziell in Bezug auf den Fall der Optimal Bausatz-Haus GmbH & Co KG besprochen. Dem Leser kommt insoweit der facettenreiche Verlauf des Verfahrens zugute, da viele der Erörterungen nicht in einem luftleeren Raum erfolgen, sondern fallbezogen nachvollzogen werden können. Da zusätzlich die gerichtsinternen Verfügungen dargestellt sind, wird für den Leser zugleich der gerichtsinterne Ablauf eines solchen Verfahrens greifbar.
Bei Ihren Erörterungen greifen die Autoren regelmäßig die aktuelle Rechtsprechung auf und führen zahlreiche erläuternde Beispiele in der nötigen Knappheit an. Gelegentlich werden die Ausführungen mit hilfreichen Übersichten ergänzt, z.B. zum Instanzenzug/Gerichtsaufbau (Rn. 33), zur vorläufigen Vollstreckbarkeit (Rn. 187) und zum Aufbau des Tatbestandes (Rn. 190).
Auch wenn sich die Autoren auf das Wesentliche konzentrieren, spart das Werk dennoch nicht an praxisrelevanten und wissenswerten Details, wie etwa, dass die Erklärung einer Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen eines Prozesskostenhilfegesuchs nicht in die Gerichtsakte, sondern in ein separates PKH-Heft geheftet wird.
Hilfreich sind auch zahlreiche Formulierungs- und Tenorierungsbeispiele (insbesondere zur Kostengrundentscheidung und zur Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit) sowie vereinzelte Hinweise für die Anwaltsklausur, die zudem über das Sachverzeichnis gezielt aufgefunden werden können. In den Fußnoten finden sich schließlich als „Klausurtipp“ bezeichnete weitergehende Literaturhinweise auf die im Examen zugelassenen Kommentare und viele Gerichtsentscheidungen, von denen die (examens-)relevantesten per Fettdruck hervorgehoben wurden. Diese kann man dann gezielt im Volltext nachlesen.
III. Das Repetitorium
Anhand der schon aus dem Hauptteil bekannten Gliederung wird abschließend in 170 Wiederholungsfragen das vermittelte Wissen abgefragt. Dabei sind die Antworten im Anschluss an die jeweilige Frage abgedruckt, so dass der Leser nicht – wie in manch anderem Werk – lediglich auf den entsprechenden Abschnitt im Hauptteil verwiesen wird. Diese Darstellungsweise eignet sich neben der Überprüfung des eigenen Kenntnisstandes besonders für das gegenseitige Abfragen im Rahmen einer Lerngruppe.
IV. Fazit
Insgesamt ist „Zivilakte“ als äußerst anschaulich, instruktiv und lehrreich zu bezeichnen. Die Autoren führen den Leser in verständlicher, klarer Sprache durch das Werk. Eine große Stärke liegt in dem gewählten Aufbau, der genauso hilfreich wie selbsterklärend ist. Einen Mehrwert bietet das Skript insbesondere deshalb, weil es am Stück erarbeitet werden kann und sich dabei „wie aus einem Guss“ liest. Während andere Werke, etwa Anders/Gehle – Das Assessorexamen im Zivilrecht, dem Referendar eher als sehr detaillierte Nachschlagewerke dienen dürften, liest man die „Zivilakte“, wie von den Autoren vorgesehen, von vorne bis hinten und erhält einen konzentrierten Überblick über das in der Referendarpraxis und im Examen relevante Prozessrecht. Das Werk bietet damit eine sehr gute Grundlage für die Klausurvorbereitung, dient dem Referendar zugleich aber auch als Leitfaden und Formulierungshilfe für die Stationsarbeit an einem Zivilgericht. Sehr hilfreich sind dabei auch die Ausführungen zum Aufbau und Abfassen eines Zivilurteils mit „Musterurteil“ (Rn. 172 ff.). Daher ist es äußerst erfreulich, dass das zuletzt vor 13 Jahren aufgelegte Werk wieder zum Leben erweckt wurde.
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