BGH zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit für Mitreisende
Der für das Reiserecht zuständige Xa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Mai 2010 über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Reisender Ansprüche auf eine angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wirksam auch für Mitreisende geltend machen kann, für die er die Reise im eigenen Namen mitgebucht hat. (Xa ZR 124/09)
Sachverhalt
Der Kläger buchte bei dem beklagten Reiseunternehmen für seine Ehefrau und für sich eine Donaukreuzfahrt in der Zeit vom 30. Mai bis 16. Juni 2008 zum Preis von 2.273 Euro pro Person. Mit Schreiben vom 9. Mai 2008 sagte die Beklagte die Reise ab und bot eine Umbuchung auf das Jahr 2009 oder wahlweise die Stornierung der Reise an. Der Kläger entschied sich für die Stornierung und beanspruchte mit Schreiben vom 28. Mai 2008 unter anderem Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit, die „ihm als Rentner und seiner Ehefrau als Hausfrau“ zustehe. Später trat seine Ehefrau ihren Anspruch aus dem Reisevertrag auf Schadensersatz wegen vergeblich aufgewendeter Urlaubszeit gemäß § 651f BGB an ihn ab.
Die Beklagte zahlte dem Kläger unter anderem eine Entschädigung in Höhe von 50 Prozent des Reisepreises für eine Person (1.136,50 Euro). Die Zahlung einer entsprechenden Entschädigung für die Ehefrau lehnte sie mit der Begründung ab, dieser Anspruch sei nicht wirksam innerhalb der in § 651g BGB vorgesehenen Frist von einem Monat nach vertraglich vorgesehener Beendigung der Reise geltend gemacht worden. Der Kläger habe keine Vollmacht gehabt, den Anspruch auch für seine Ehefrau geltend zu machen. Die Ehefrau habe das vollmachtlose Handeln innerhalb der Frist des § 651g BGB auch nicht wirksam genehmigt.
Kurze Zusammenfassung: Schadensersatzsprüche, Fristen und Verjährung im Reiserecht
Die Mängelgewährleistungsrechte nach §§ 651c ff. BGB sind lex specialis zu den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts. Diese finden nach h. M. selbst im Fall der anfänglichen Unmöglichkeit keine Anwendung, da der Reiseveranstalter auch in diesem Fall für den Nichterfolg der Reise nach den §§ 651c ff. BGB (d. h. auch ohne Verschulden wie bei § 311a Abs. 2 BGB) einzustehen habe.
Nach § 651f Abs. 1 BGB kann der Reisende Schadensersatz verlangen, soweit der Reiseveranstalter den Reisemangel zu vertreten hat. Erforderlich ist darüber hinaus nach h. M. im Regelfall ein Abhilfeverlangen mit Fristsetzung. Nach § 651f Abs. 2 BGB kann der Reisende bei erheblichen Mängeln oder Vereitelung der Reise auch für die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
Der Reisende muss seine Ansprüche nach § 651g Abs. 1 BGB innerhalb eines Monats beim Reiseveranstalter geltend machen; die Ansprüche verjähren innerhalb von zwei Jahren, § 651g Abs. 2 BGB.
Entscheidung
Die Vorinstanzen haben dem Kläger den geltend gemachten Betrag von 1.136,50 Euro wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit seiner Ehefrau zugesprochen. Zwar sei vor der nach Klageerhebung erfolgten Abtretung nur die Ehefrau befugt gewesen, diesen Anspruch geltend zu machen. In der Abtretungserklärung liege aber eine Genehmigung des vollmachtlosen Handelns. Dass die Genehmigung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 651g BGB erteilt worden ist, sei rechtlich unerheblich.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten gegen das Urteil der Vorinstanz zurückgewiesen. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass der Kläger als Vertragspartner des beklagten Reiseunternehmens ohnehin den Anspruch auf angemessene Entschädigung wegen der von seiner Ehefrau nutzlos aufgewendeten Urlaubszeit aus eigenem Recht geltend machen kann und dem nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, die „höchstpersönliche“ Natur des Entschädigungsanspruchs entgegensteht. Dies bedarf im vorliegenden Fall allerdings keiner Entscheidung, weil auch die Begründung des Berufungsgerichts zutrifft. Die gesetzliche Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs von einem Monat nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise ist gewahrt, wenn der Anspruch innerhalb dieser Frist von einem vollmachtlosen Vertreter gegenüber dem Reiseveranstalter geltend gemacht und dies später genehmigt wird. Hierzu muss die Genehmigung nicht innerhalb der Monatsfrist erfolgen.
Examensrelevanz
Eine interessante Entscheidung zum Reiserecht zur Frage, ob der Reisebuchende auch die Rechte anderer mit geltend machen kann. Das Urteil ist insofern examensrelevant, als man hier das systematische Verständnis von den Mängelgewährleistungsrechten des Reiserechts zu den allgemeinen Regeln überprüfen kann. Zudem enthält das Urteil auch Fragen zur ex-tunc Wirkung der Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB. In einer mündlichen Prüfung am 1.6.2010 wurde diese Entscheidung am OLG Köln schon abgefragt.
Urteil vom 26. Mai 2010 – Xa ZR 124/09
AG Frankfurt am Main – Urteil vom 13. Februar 2009 – 30 C 2240/08-47
LG Frankfurt am Main – Urteil vom 29. Oktober 2009 – 2-24 S 47/09
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