OVG Münster: Tätowierverbot von Tieren rechtmäßig
Das OVG Münster hat kürzlich eine auf § 16a Satz 1 TierSchG gestützte behördliche Untersagungsverfügung, wonach ein Pony nicht mit der „Rolling-Stones-Zunge“ tätowiert werden darf, für rechtmäßig erklärt (Urteil v. 10.08.2012 – Az. 20 A 1240/11) und damit in der Sache den Beschluss des VG Münster (siehe dazu hier) bestätigt.
Der Kläger hatte ein Gewerbe für die Tätigkeit „Tatooservice für Tiere“ angemeldet und durch die Anfertigung einer Skizze auf dem rechten Oberschenkel des Ponys bereits teilweise umgesetzt. Die zuständige Behörde hatte ihm daraufhin per Ordnungsverfügung untersagt Tiere zu tätowieren oder tätowieren zu lassen. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem OVG Münster keinen Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht folgte im Ergebnis der Auffassung des VG Münster (Beschluss v. 04.10.2010 – Az. 1 L 481/10), wonach das Tätowieren von Tieren mit dem Tierschutzrecht grundsätzlich nicht zu vereinbaren ist, es sei denn, das Tätowieren ist für Kennzeichnungszwecke erforderlich. § 1 Satz 2 TierSchG statuiert zunächst den Grundsatz, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen darf. Eine für den vorliegenden Fall möglicherweise einschlägige Ausnahme von dem Grundsatz aus § 1 Satz 2 TierSchG findet sich in § 5 Abs. 3 Nr. 7 TierSchG.
(3) Eine Betäubung ist ferner nicht erforderlich
[…]
7. für die Kennzeichnung von Schweinen, Schafen, Ziegen und Kaninchen durch Ohrtätowierung, für die Kennzeichnung anderer Säugetiere innerhalb der ersten zwei Lebenswochen durch Ohr- und Schenkeltätowierung sowie die Kennzeichnung landwirtschaftlicher Nutztiere einschließlich der Pferde durch Ohrmarke, Flügelmarke, injektiertem Mikrochip, ausgenommen bei Geflügel, durch Schlagstempel beim Schwein und durch Schenkelbrand beim Pferd.
Eine ausschließlich modebedingte Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes eines Tieres, die nicht zum Zwecke der Kennzeichnung erfolgt, erfüllt den o.g. Ausnahmetatbestand nicht und stellt insoweit keinen vernünftigen Grund i.S.d. § 1 Satz 2 TierSchG dar. Ferner verstößt das ausschließlich der optischen Veränderung des Tieres dienende Tätowieren gegen § 6 Abs. 1 TierSchG. Danach ist das vollständige oder teilweise Zerstören von Gewebe eines Wirbeltieres verboten, wenn und soweit kein Ausnahmefall i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 7 TierSchG gegeben ist.
Auch aus § 5 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG ergibt sich kein die Schmerzzufügung gestattender vernünftiger Grund.
(2) Eine Betäubung ist nicht erforderlich,
1. wenn bei vergleichbaren Eingriffen am Menschen eine Betäubung in der Regel unterbleibt oder der mit dem Eingriff verbundene Schmerz geringfügiger ist als die mit einer Betäubung verbundene Beeinträchtigung des Befindens des Tieres, […].
Dazu führte das VG Münster seinerzeit aus:
„Zwar erfolgen Tätowierungen am Menschen im Regelfall ohne Betäubung, was allerdings nicht bedeutet, dass der mit derartigen Eingriffen in die Haut verbundene Schmerz bei einem Tier zu vernachlässigen ist. […] Im Gegensatz zu einem Tier können sich Menschen auf die mit einer Tätowierung, die sie freiwillig vornehmen lassen, verbundenen Schmerzen einstellen. Anders als ein Tier können sie die Prozedur jederzeit unter- oder abbrechen lassen. Das Tier ist jedoch dem Willen des Tätowierers unterworfen.“
Ob und inwieweit das OVG Münster der Sichtweise des VG Münsters gefolgt ist, wonach die Tätigkeit „Tatooservice für Tiere“ als solche in grundrechtlicher Hinsicht wegen Art. 20a GG nicht in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG falle, kann derzeit nicht beantwortet werden, da die Urteilsgründe noch nicht vorliegen. Die aus Art. 20a GG resultierenden tierschutzrechtlichen Erwägungen können ebenso gut im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung fruchtbar gemacht werden, ohne die Eröffnung des Schutzbereichs der Berufsfreiheit generell zu versagen. Das dem Schutz der Tiere vor Schmerzen Vorrang gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des Klägers zukommt, ist für den vorliegenden Fall im Ergebnis richtig und nicht zu beanstanden. Eine aus Tierschutzerwägungen erwachsende Schutzbereichsverkürzung erscheint indes nicht angezeigt. Einen ausführlicheren Beitrag zum normativen Inhalt von Art. 20a GG finden Sie hier. Ein Prüfungschema mit den wesentlichen examensrelevanten Problemen der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG finden Sie hier.
Tja, pech für den Kläger, dass es sich da nicht um einen religiösen Brauch gehandelt hat. Vielleicht hätte er einfach erdichten sollen, dass ihn seine Religion dazu zwingt.
Dann würde er nun möglicherweise Rückendeckung von höchster Stelle bekommen. (Aber ganz sicher nicht von den Grünen, anders als im Beschneidungsurteil)
Genau jener Gedanke beschlich mich ebenfalls bei der Lektüre des Artikels.