OVG Greifswald: Nutzung als Ferienwohnung in allgemeinen Wohngebieten unzulässig
Das OVG Greifswald hat mit aktuellen Beschlüssen (vom 14.04.2015 – 3 M 86/14; vom 20.05.2015 – 3 M 92/14 u.a.) über die Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung von Nutzungsuntersagungen entschieden, durch die den Eigentümern von Wohnungen in Gemeinden an der Ostseeküste die Vermietung als Ferienwohnungen untersagt wurde. Die Fälle eignen sich hervorragend als Baurechtsklasuren, zumal bereits andere Gerichte sich mit dieser Thematik befasst haben (wir berichteten). Aufgrund von Internetangeboten wie Airbnb ist damit zu rechnen, dass entsprechende Streitigkeiten auch künftig die Verwaltungsgerichte befassen werden.
Beschlüsse des OVG Greifswald
Das Oberverwaltungsgericht hat in einem Fall, der Ferienwohnnutzung in Rerik betrifft, die sofortige Vollziehung der Nutzungsuntersagung befristet bis zum 31.10.2015 aufgehoben, weil zu erwarten sei, dass die Gemeinde bis zu diesem Zeitpunkt den Bebauungsplan zugunsten der Ferienwohnnutzung geändert haben werde. In den anderen Verfahren hat es indes die Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung bestätigt.
Eine Nutzung als Ferienwohnung sei in allgemeinen Wohngebieten unzulässig. Sie sei in einem solchen Gebiet weder allgemein noch ausnahmsweise zugelassen. Ob die Gemeinde bei der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes die Vorstellung hatte, rechtlich sei eine Ferienwohnungsnutzung in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig, sei dabei unerheblich. § 4 BauNVO regele diesen Fall abschließend und abstrakt, eine individuelle Auslegung des Bebauungsplans sei nicht möglich. Rechtlich spiele es auch keine Rolle, wenn die Eigentümer einer rechtswidrig genutzten Ferienwohnung Kurabgabe an die Gemeinde zahlen oder die Gemeinde oder der Landkreis Kenntnis von dieser Art der Nutzung habe. Eine vom Landkreis ausgesprochene Erklärung, die rechtswidrige Nutzung zu dulden, lag in den entschiedenen Fällen nicht vor. Stellt die zuständige Bauaufsichtsbehörde, in den entschiedenen Verfahren der Landkreis, die rechtswidrige Nutzung fest, sei bei Fehlen einer die Ferienwohnnutzung legitimierenden Baugenehmigung in der Regel die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung rechtmäßig. Nur in besonders gelagerten Einzelfällen sei die Bauaufsichtsbehörde veranlasst, besondere Ermessenerwägungen anzustellen, um festzustellen, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung überwiege, etwa bei einer geplanten Änderung des Bebauungsplans.
Die Leitsätze des Beschlusses vom 14.04.2015 (3 M 86/14) lauten:
Eine Ferienwohnnutzung ist in einem allgemeinen Wohngebiet nicht deshalb zulässig, weil der Plangeber sie hat zulassen wollen. Die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes ist der individuellen Auslegung nicht zugänglich, weil ihre Bedeutung in § 4 BauNVO verbindlich geregelt ist. Modifikationen können nur nach Maßgabe der Regelungen in § 1 Abs. 4 bis Abs. 10 BauNVO vorgesehen werden. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO.
Liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vor, so ist in der Regel auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerechtfertigt. Dies gilt auch für den Erlass einer Nutzungsuntersagung wegen formeller Illegalität des Vorhabens. Es bedarf einer weiteren Begründung grundsätzlich nicht (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).
Entgegen diesem Grundsatz kann im Einzelfall ein überwiegendes öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung der Vorschriften des öffentlichen Baurechts ausnahmsweise dann zu verneinen sein, wenn die Gemeinde in einem bereits fortgeschrittenen Stadium ein Planänderungsverfahren durchführt mit dem Ziel, die Nutzung zu legalisieren, und der Abschluss dieses Verfahrens in absehbarer Zeit erwartet werden kann. Ob dabei auch der Umstand eine Rolle spielt, dass der Adressat der Nutzungsuntersagung unter zutreffender Angabe der Nutzungsart ein Genehmigungsfreistellungsverfahren durchgeführt hat, bleibt offen.
Update! Bundesregierung teilt Ansicht des OVG nicht!
https://www.bundestag.de/presse/hib/2015_06/-/378652
Berlin: (hib/JOH) Die Bundesregierung tendiert zu der Auffassung, dass Ferienwohnungen in Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden können. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass bei Verabschiedung der ersten Fassung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) im Jahr 1962 oder danach beabsichtigt gewesen wäre, dass Ferienwohnungen in einzelnen Baugebieten unzulässig sein sollen, schreibt sie in einer Antwort (18/5076) auf eine Kleine Anfrage (18/4986) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Zugleich weist die Bundesregierung darauf hin, dass hierzu keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliege. Sie bedaure, dass im Hinblick auf eine abweichende Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Greifswald und Lüneburg keine revisionsgerichtliche Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht herbeigeführt worden sei.
Aus diesem Grund prüfe sie derzeit eine Änderung der BauNVO im Zusammenhang mit der anstehenden Städtebaurechtsnovelle zur Umsetzung der geänderten Umweltverträglichkeitsprüfung, heißt es in der Antwort weiter. Vorrangiges Ziel sei dabei die Herstellung von Rechtssicherheit. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit habe eine Länderanfrage gestartet, mit der die Länder gebeten werden, Auskunft zu ihrer bisherigen Verwaltungspraxis in Bezug auf Ferienwohnungen zu geben. Auf dieser Grundlage könnte – ein entsprechender Konsens der Länder vorausgesetzt – im Rahmen der anstehenden Städtebaurechtsnovelle ein Regelungsvorschlag unterbreitet werden.
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