OLG Oldenburg: Rollenspiele sind auch nur Sport – Haftung für Verletzungen
Das OLG Oldenburg hat sich in einem aktuellen Urteil zur Frage der Haftung wegen einer Verletzung bei einem Live Action Role Playing Game (also einem Live-Rollenspiel geäußert). (OLG Oldenburg v. 28.4.2016 – 3 U 20/16. Das Gericht bildete den Haftungsmaßstab dabei parallel zur Verletzung bei Fußballspielen. Das Urteil ist sowohl juristisch interessant als auch tatsächlich erheiternd.
I. Folgender Sachverhalt lag zugrunde:
Der Kläger hatte dem Beklagten vorgeworfen, ihn bei einer mittelalterlichen Kampfszene im Rahmen eines Live-Rollenspiels auf dem Ferienhof Groneik in Gehrde am 20.4.2013 mit einer Schaumstoffkeule so schwer am Auge verletzt zu haben, dass ein Dauerschaden eingetreten sei und die Sehfähigkeit des Klägers aller Voraussicht nach nicht wieder hergestellt werden könne. Im Rahmen des Spiels kämpften gegnerische Mannschaften nach einem Regelwerk in einer Weise gegeneinander, die auch bei regelgerechtem Verhalten die Gefahr von Verletzungen mit sich bringe. Letztlich war diese Verletzung unstreitig. Ebenso unstreitig war aber auch, dass dies nicht auf Vorsatz beruhte. Vielmehr lag allenfalls ein fahrlässiges Handeln zugrunde.
II. Das Gericht verneinte sodann die Haftung unter paralleler Heranziehung der Grundsätze zu Verletzungen bei Fußballspielen:
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Verschuldenshaftung bzw. zum Verschuldensmaßstab bei Kampfsportarten, wie etwa Fußball, auf das in Frage stehende Live-Rollenspiel übertragen werden können, zu bestätigen.
Als Anspruchsgrundlage kommt nur ein deliktischer Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht.
Durch die vom Beklagten herbeigeführten Schlag mit der Keule und die Verletzung liegt eine kausal verursachte Gesundheitsverletzung des Anspruchstellers vor.
Fraglich ist in diesen Fällen der Verletzungen bei Sportveranstaltungen, wie weit die deliktische Haftung der Gegenspieler geht.
Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden:
- durch regelwidriges Verhalten herbeigeführte Verletzungen
- Verletzungen durch regelkonformes Verhalten
- bloß geringfügiger Regelverstoß (sog. „erlaubte Härte“)
Vertiefend hierzu unser sehr instruktiver Beitrag zu Foulspiel im Fußball.
Nach diesen Grundsätzen ist eine Haftung hier abzulehnen:
Wegen eines fahrlässigen Kopftreffers des Beklagten stehe dem Kläger aber kein Schadensersatz zu. Denn zum einen würden die Regeln der LARP-Veranstaltung, an der die Parteien teilgenommen hatten, lediglich vorsätzliche Kopftreffer verbieten, zum anderen sei dem Kläger bereits vor seiner Teilnahme an dem Rollenspiel bekannt gewesen, dass es bei solchen Kämpfen hin und wieder auch zu Kopftreffern kommen könne. Soweit er dennoch an den Kampfszenen teilgenommen habe, habe er mit seiner Teilnahme stillschweigend darin eingewilligt, wegen fahrlässiger Kopftreffer und deren Folgen keine Ansprüche gegen andere Kampfteilnehmer geltend zu machen.
Auch hier gleichen die Erwägungen denjenigen beim Fußballfoul, wo eine Heranziehung von § 242 BGB angenommen wird.
Denn hier wie da kämpften gegnerische Mannschaften nach einem Regelwerk in einer Weise gegeneinander, die auch bei regelgerechtem Verhalten die Gefahr von Verletzungen mit sich bringe. Eine Haftung komme in diesen Fällen – auch im Falle einer „im Eifer des Gefechts“ erfolgten Regelverletzung – nur bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstößen gegen die Spielvorgaben in Betracht.
Aus diesem Grund scheidet eine Haftung damit aus.
Und wieso genau nun soll das tatsächliche Geschehen, also die Verletzung des Körpers mit voraussichtlich dauerhafter Einschränkung der Sehfähigkeit, nun erheiternd sein?
Das nicht, aber die Verletzung mit einer Schaustoffkeule bei einer Veranstaltung, wo alle Beteiligten als Ritter verkleidet sind, wirkt jedenfalls für mich als spröden Juristen ein wenih skurril. 😉
Der Beitrag lässt etwas unklar, welche Art vertragliche Beziehung zwischen den Rollenspielkämpfern und Veranstalter etc. bestanden. Evtl. können daraus noch andere vielleicht sogar durchgreifende Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen. Auf den Entscheidungslink scheint nur beschränkt mit Juris-Anmeldung zugreifbar.
Das Urteil macht dies auch nicht deutlich. Letztlich ist zunächst zu klären, gegen wen Ansprüche bestehen: Möglich sind hier Ansprüche gegen den Veranstalter und den Schädiger. Beide scheiden aber vorliegend aus. das Urteil legt dazu dar:
„Daraus folgt in einem ersten Schritt, dass eine Haftung des Schädigers
ausscheidet, wenn die Verletzung Folge von regelkonformen Verhalten ist.
Denn derjenige, der sich auf ein verletzungsträchtiges Spiel einlässt,
kann von seinen Mitspielern nur erwarten, dass (auch) diese die Regeln
einhalten. Kommt es trotz Einhaltung der Regeln zu einer Verletzung,
besteht kein Ersatzanspruch, weil es dann von vorneherein an einer
Verletzung von Sorgfaltspflichten im Sinne von § 276 BGB fehlt.“
Letztlich scheint das Urteil allein einen Anspruch aus § 823 BGB zu prüfen – aber auch beim Verschulden im Rahmen des 280 Abs. 1 BGB, 276 BGB dürfte nichts Gegenteiliges gelten (vgl. auch die Formulierung „wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem
sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme
einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist“.
Es scheint offen, ob beispielsweise ein Auftragsverhältnis o.ä. von Seiten des Veranstalters zu den Rollenspielern vorliegen kann. Daraus kann grds. u.U. ein Anspruch auf Aufwandentschädigung folgen. Ein solcher Anspruch soll grds. typische Verletzungsrisiken mitumfassen können. Insofern kann ein grds. Anspruch vom Geschädigten gegen den Veranstalter erwägbar scheinen. In Betracht kommen kann zudem ein evtl. Regress des Veranstalters beim Schädiger. Eine Haftung gegenüber dem Veranstalter kann möglicherweise nicht ausgeschlossen sein. Es kann danach eine durchgehende Anspruchskette vom Geschädigten über den Veranstalter zum Schädiger in Betracht kommen. Danach kann eine Anspruchsverweigerung von Seiten des Schädigers gegenüber dem Geschädigten treuwidrig sein, soweit etwas verweigert würde, was ohnehin alsbald herauszugeben wäre.
Das kann nur eine erwägbare Möglichkeit neben evtl. weiteren sein, für welche eine Klärung der genauen vertraglichen Beziehungen noch weiter bedeutsam scheinen kann.