ÖffRecht Ö I – Oktober 2012 – 1. Staatsexamen Niedersachsen
Vielen Dank für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls zu der im Oktober 2012 gelaufenen ersten Klausur im Öffentlichen Recht in Niedersachsen. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sowie Lösungsansätze sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle eurer Klausuren an examensreport@juraexamen.info
zu schicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Es handelt sich hierbei nur um eine rudimentäre Zusammenfassung des sehr langen Sachverhalts. Wir zählen auf euch, dass wir diesen so genau wie möglich abbilden können!
Sachverhalt
Zur Koordinierung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlässt die EU 2010 eine auf Art. 62 i.V.m. 53 AEUV gestützte Richtlinie. Diese sieht vor, dass Erste-Bundesliga-Fußballspiele von Freitag 16 Uhr bis Montag 16 Uhr nur noch 30% am Gesamtanteil der Spiele betragen dürfen. Die restlichen 70% müssen außerhalb dieser Zeit stattfinden. Sie will damit die einheitliche Verwirklichung eines „Profifußballs ohne Grenzen“ schrittweise auf den Weg bringen, auch, weil grenzüberschreitend übertragen wird.
Die Bundesrepublik hat vor Kurzem eine Kampagne gestartet: „Am Wochenende gehört Papa mir und nicht dem Fußballplatz!“. Weil es ihr sowieso schon länger ein Dorn im Auge ist, dass Väter an den Wochenenden viel Fußball gucken, will sie von Freitag 16 Uhr bis Montag 16 Uhr ein komplettes Spielverbot für Spiele der ersten Fußballbundesliga durchsetzen. Denn durch Untersuchungen ist belegt, dass 50% der Väter am Wochenende ohne ihre Familie Fußball gucken. Das will sie ändern und erlässt ein Gesetz (von dem § 4 I, II abgedruckt war), das ErLiFuG.
Die Mannschaft der F-AG ist seit 20 Jahren ununterbrochen in der BuLi.
Sie bezieht zudem erhebliche Einnahmen aus dem Verkauf von Tickets, Lizenzen an Fernsehsender und Sponsoring. Sie trägt vor, dass Fußball Sport sei und damit eher der Kultur näher, sodass für diese RL Art. 167 AEUV zur Anwendung hätte kommen müssen. Hier sei nicht die Dienstleistungsfreiheit betroffen, die EU habe gar keine Kompetenz gehabt.
Sie gibt bei Ihrem RA ein Gutachten in Auftrag, ob die EU die Kompetenz hatte.
Weiter reicht die Mannschaft der F-AG 2012 Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein. Sie rügt (ausdrücklich) ihre Vereinigungsfreiheit als verletzt – sie müsse selbst entscheiden dürfen, wann die Spiele stattfinden.
Bei ihren Einnahmen befürchtet sie nun auch massive Einbrüche.
Ferner werde sie im Vergleich zu Handballern, die auch eine Profiliga haben, und zu anderen Fußballligen ungerecht behandelt.
Weiterhin habe der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes nicht beachtet, dass 2003 ein Urteil des EGMR gegen Portugal ergangen sei. Portugal hatte ein Totalverbot eingeführt und das verstieß laut EGMR gegen einen „Artikel 12 GG ähnlichen Artikel der EMRK“.
Die Bundesregierung trägt Folgendes vor:
Zum einen sei die VB schon unzulässig; hier liege ein europarechtlicher Hintergrund vor, sodass das BVerfG gar nicht prüfungsbefugt sei. Weiter sei sie zum Schutz von Familien verpflichtet. Es sei nachgewiesen, dass nur 5 % der Väter andere Ligen bzw. andere Sportarten gucken würden. Auch wäre bezüglich des EGMR-Urteils Folgendes zu beachten: Nur die Bundesrepublik Deutschland sei als Völkerrechtssubjekt an die EMRK gebunden, nicht die einzelnen Organe. Zudem sei das Urteil nicht gegen Deutschland ergangen.
Aufgaben
1. Hatte die EU die Kompetenz zum Erlass der Richtlinie?
2. Hat die VB der F Aussicht auf Erfolg?
Das Verhältnis zwischen EGMR und BVerfG wurde in unserem Artikel zur Bundesjagdgenossenschaft https://www.juraexamen.info/egmr-vs-bverfg-das-ende-der-jagdgenossenschaft/ ausführlich dargestellt.
Somit hätte man diesen teil der Klausur schon sehr gut lösen können.
Was wurde denn zu Art.9 I GG genau verlangt?
Würde hier sagen, dass schon der Schutzbereich nicht eröffnet ist bzw. kein Eingriff in denselbigen vorliegt.
Meinungen?