Notiz: BVerwG – Keine Klagebefugnis von Anwohnern der US Air Base Ramstein auf Überwachung von US-Drohneneinsätzen
Anwohner der US Air Base Ramstein haben allein aufgrund ihrer räumlichen Nähe zum Militärflughafen kein Klagerecht, um von der Bundesrepublik Deutschland die Überwachung bewaffneter Drohneneinsätze der US-Streitkräfte zu verlangen, die von Ramstein aus gesteuert werden. Dies hat das BVerwG in einem Urteil Anfang April entschieden und damit die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt (BVerwG, Urt. v. 05.04.2016 – 1 C 3.15). Das Urteil – von dem bislang nur eine Pressemitteilung vorliegt, über das allerdings in der Tagespresse verschiedentlich berichtet worden war – regt dazu an, sich noch einmal intensiver mit der verwaltungsprozessualen Klagebefugnis auseinanderzusetzen und könnte in einer mündlichen Prüfung daher durchaus als Einstieg in ein Prüfungsgespräch dienen.
Sachverhalt
Ausgangspunkt des Urteils war die Klage eines Anwohners des Militärflughafen Ramstein, der 12 km von diesem entfernt in Kaiserslautern wohnt. Auf der von den US-Streitkräften genutzten Air Base befindet sich u.a. das Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte in Europa. Der Kläger begehrte unter anderem, die Bundesrepublik Deutschland zur Überwachung der Völkerrechtskonformität bewaffneter Drohneneinsätze der US-Streitkräfte zu verpflichten, die von der Ramstein Air Base aus gesteuert würden, und den Vereinigten Staaten im Fall der Verweigerung von Überwachungsmaßnahmen insoweit die weitere Nutzung der Ramstein Air Base zu untersagen. Die Vorinstanzen hatten die Klage jedoch als unzulässig abgewiesen.
Rechtliche Würdigung
I. Zu denken wäre an eine allgemeine Leistungsklage des Anwohners auf Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Überwachung der von Ramstein aus gesteuerten US-Drohneneinsätze. Die allgemeine Leistungsklage ist zwar nicht ausdrücklich in der VwGO geregelt, wird jedoch in den §§ 43 II, 111 und 113 IV VwGO erwähnt und ist als verwaltungsprozessuale Klage allgemein anerkannt.
II. Fraglich ist jedoch, ob die nach § 42 II VwGO analog erforderliche Klagebefugnis gegeben ist.
1. Analoge Anwendung des 42 II VwGO
Zwar gilt die Regelung des § 42 II VwGO ihrem Wortlaut nach allein für die Anfechtung- und Verpflichtungsklage, die Norm ist jedoch nach vorherrschender Ansicht analog auf die allgemeine Leistungsklage anzuwenden (grundl. BVerwG 36, 192 (199); Vgl. auch: Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 62; Wahl, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 42 Rn. 33 f.; Würtenberger, VerwProzR, Rn. 390). § 42 II VwGO bildet die einfachrechtliche Ausprägung der in Art. 19 IV GG angelegte individualschützenden Funktion verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes und soll damit reine Popularklagen sowie Interessensklagen ausschließen. Die VwGO verfolgt grundsätzlich klassischerweise das Prinzip der Verletztenklage.
Eine Popularklage zur Überwachung von Handlungen, die der Kläger für völkerrechtswidrig hält, sieht die deutsche Rechtsordnung nicht vor.
Die Gegenansicht, die das Erfordernis einer Klagebefugnis nach § 42 II VwGO analog für die allgemeine Leistungsklage verneint (Vgl. dazu: Erichsen, Jura 1992, 384 (386)), ist daher abzulehnen.
2. Klagebefugnis nach § 42 II VwGO analog
Voraussetzung für die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage ist daher, dass der Kläger geltend macht, dass er durch die Unterlassung der begehrten Überwachungsmaßnahmen in seinen eigenen Rechten verletzt sein könnte.
a) Mögliche Verletzung von Grundrechten durch die von Ramstein aus gesteuerten Drohnen
Der Kläger kann sich insoweit … nicht auf den grundrechtlichen Schutz des Lebens und seines Eigentums berufen (Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 GG). Denn er selbst befürchtet keine Rechtsverletzungen durch von Ramstein aus gesteuerte Drohnen, sondern von möglichen Gegenschlägen aus dem Ausland.
Darüber hinaus ist der Kläger auch nicht einer messbar gesteigerten Gefahr von Betriebsunfällen, terroristischen Anschlägen oder militärischen Vergeltungsschlägen durch die möglicherweise völkerrechtswidrige Nutzung ausgesetzt. Zudem handelt es sich gerade bei terroristischen Handlungen um mittelbare Gefährdungen, die von Entscheidungen Dritter abhängig und der Beklagten daher nicht zurechenbar sind. Derartige terroristische Gefährdungen sind zugleich auch nur begrenzt vorhersehbar und verhinderbar.
b) Mögliche Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht durch die BRD
Mangels der Darlegung eines messbar erhöhten Risikos für Leib und Leben scheidet auch eine mögliche Verletzung von staatlichen Schutzpflichten im Hinblick auf Art. 2 II GG aus. Zwar verpflichten die Grundrechte als objektive Werteordnung den Staat sich schützend und fördernd vor die grundrechtlich geschützten Gewährleistungen zu stellen, allerdings gilt im Hinblick auf Staatliche Schutzpflichten das sog. Untermaßverbot. Ein Betroffener kann nach der Rechtsprechung des BVerfG daher allein verlangen kann, dass die öffentliche Gewalt keine gänzlich ungeeigneten und völlig unzulänglichen Handlungen zum Schutz des in Rede stehenden Grundrechts trifft. Im Übrigen steht der öffentlichen Gewalt jedoch eine sehr weite Einschätzungsprägorative zu. Richtigerweise kommt das BVerwG daher zu dem Ergebnis:
Ein bestimmtes Verhalten der Bundesrepublik Deutschland zu seinem Schutz – wie hier die Überwachung von Drohneneinsätzen fremder Streitkräfte – kann der Kläger auch deshalb nicht verlangen, weil die Bundesregierung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf dem Gebiet der Außen- und Verteidigungspolitik einen weiten Entscheidungsspielraum hat, wie sie ihrer grundrechtlichen Pflicht zum Schutz des Lebens nachkommen will.
c) Mögliche Verletzung von Art. 25 S. 2 GG
Fraglich ist, ob die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten aus Art. 25 S. 2 GG hergeleitet werden kann. Die Herleitung einer subjektive Berechtigung aus dem Völkerrecht über Art. 25 S. 2 GG ist nach vorherrschender Ansicht auch bei an sich nur staatenverpflichtenden Normen dann zulässig, wenn die völkerrechtliche Regelung einen engen Bezug zu individuellen hochrangigen Rechtsgütern aufweist und die völkerrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden sein soll, individualschützend ist. Der Kläger ist hier allerdings kein potenzielles Opfer des von Ramstein aus gesteuerten US-Drohneneinsatzes.
Art. 25 S. 2 GG lässt sich jedoch gerade kein uneingeschränktes Bürgerrecht entnehmen, gegen jede angenommene Menschenrechtsverletzung durch deutsche Behörden vorzugehen, auch wenn der Kläger hiervon selbst nicht betroffen wäre. Ein universeller Anspruch auf völkerrechtsgemäßes Verhalten der öffentlichen Gewalt ohne eigene Betroffenheit besteht folglich nicht. Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine Berufung des Klägers auf Art. 25 S. 2 GG aus:
Eine Verletzung eigener Rechte kann der Kläger auch nicht aus Art. 25 Satz 2 GG ableiten. Nach dieser Norm erzeugen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets. Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts zählen zwar das völkerrechtliche Gewaltverbot und im Kern der Schutz von Zivilpersonen nach dem humanitären Völkerrecht. Soweit sich aus einem Völkerrechtsverstoß auch individuelle Rechte ableiten lassen, können sich darauf jedoch allenfalls unmittelbar Betroffene berufen – etwa potentielle Opfer von Drohneneinsätzen. Hierzu gehört der Kläger nicht.
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