Neuregelung der Sicherungsverwahrung – Update: Gesetzesänderung tritt zum Juni 2013 in Kraft
Teilweise Verfassungswidrigkeit der bisherigen Regelung
Das BVerfG hatte in einem viel beachteten Urteil (vom 4.5.2011 − 2 BvR 2365/09, 740/10, 2333/08, 1152/10, 571/10, NJW 2011, 1931) entschieden, dass die Regelungen zur Sicherungsverwahrung teilweise verfassungswidrig sind (wir berichteten: u.a. hier, hier und hier).
So seien die Vorschriften des Strafgesetzbuches und des Jugendgerichtsgesetzes über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG nicht vereinbar, weil sie den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots nicht genügten. Überdies würden die Vorschriften zur nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Zehnjahreshöchstfrist hinaus und zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzen.
Stein des Anstoßes: Entscheidung des EGMR
Die Rechtsprechung des BVerfG wurde dabei durch eine Entscheidung des EGMR angestoßen, der die nationalen Regelungen für menschenrechtswidrig erklärt hatte. Das BVerfG änderte daraufhin seine bisherige Rechtsprechung und legte die fraglichen Bestimmungen des GG konventionskonform aus. In diesem Zusammenhang betonten die Karlsruher Richter, dass die EMRK zwar innerstaatlich im Rang unter dem Grundgesetz stehe. Die Bestimmungen des GG seien jedoch völkerrechtsfreundlich auszulegen. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des EGMR würden auf der Ebene des Verfassungsrechts als „Auslegungshilfen“ für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des GG dienen. Die völkerrechtsfreundliche Auslegung erfordere jedoch keine schematische Angleichung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der EMRK, sondern ein „Aufnehmen ihrer Wertungen, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetztes vereinbar ist“ (vgl. Pressemitteilung Nr. 31/2011 vom 4. Mai 2011).
Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Gesetzgeber
Die Sicherungsverwahrung musste daher grundlegend reformiert werden.
Die Sicherungsverwahrung ist nur zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Konzeption dem besonderen Charakter des in ihr liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der „äußeren“ Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden. Dem muss durch einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug Rechnung getragen werden, der den allein präventiven Charakter der Maßregel sowohl gegenüber dem Untergebrachten als auch gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht. Die Freiheitsentziehung ist – in deutlichem Abstand zum Strafvollzug („Abstandsgebot“, vgl. BVerfGE 109, 133) – so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt.
Das BverfG sieht hier in erster Linie den Gesetzgeber in der Pflicht:
Das verfassungsrechtliche Abstandsgebot ist für alle staatliche Gewalt verbindlich und richtet sich zunächst an den Gesetzgeber, dem aufgegeben ist, ein entsprechendes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln und normativ festzuschreiben. Die zentrale Bedeutung, die diesem Konzept für die Verwirklichung des Freiheitsgrundrechts des Untergebrachten zukommt, gebietet eine gesetzliche Regelungsdichte, die keine maßgeblichen Fragen der Entscheidungsmacht von Exekutive oder Judikative überlässt, sondern deren Handeln in allen wesentlichen Bereichen determiniert.
Zur Umsetzung des „Abstandsgebots“ waren neben rechtlichen Anpassungen auch in den Justizvollzugsanstalten zahlreiche Neu- und Umbauten nötig.
Gesetzesänderung zum Juni 2013
Die Vorgaben des BVerfG und des EGMR sollen nun durch das „Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“ umgesetzt werden (BGBl. I Nr. 57 S. 2425; abrufbar hier). Dieses ist diesen Monat in Kraft getreten. Im StGB wird ein neuer § 66c StGB eingefügt, außerdem werden die §§ 67a, 67c, 67d, 67e und 68c StGB geändert.
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