Nachtrag und Details zum Kronkorken-Fall des LG Arnsberg
Letzte Woche haben wir bereits über die Entscheidung des LG Arnsberg (Urteil v. 2.3.2017 – Az. 1 O 151/16) zu dem kuriosen Fall des Kronkorken-Losgewinns und der Frage, ob sich Ansprüche aus der Begründung einer Bierkasten-GbR ergeben. Inzwischen ist das Urteil unter folgendem Link abrufbar. Wie bereits bekannt war, hat das Gericht der Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Auszahlung eines anteiligen Gewinnanteils in Höhe von 4.268,00 EUR zugesprochen. Der Fall hatte deshalb Aufsehen erregt, weil die Beklagte ihr Begehrung auf die Gründung einer GbR zum Zwecke des „gemeinsamen Umtrunks“ stützte.
I. Keine GbR
Das LG verneinte jedoch einen Anspruch aus §§ 734, 730, 731 i.V.m. 705 ff. BGB, weil es am Abschluss eines entprechenden Gesellschaftsvertrages im Sinne von § 705 BGB mangele und die Klägerin insofern nicht ausreichend Anhaltspunkte vorgetragen habe. Bei Lotto- und sonstigen Wettspielgemeinschaften könne zwar regelmäßig eine Innengesellschaft des bürgerlichen Rechts bejaht werden, dies beruhe aber auch darauf, dass in diesen Fällen der Zweck gerade die gemeinschaftliche Teilhabe an dem Gewinnspiel ist. Auf den Fall des gemeinsamen Umtrunks könnten diese Annahmen jedoch nicht übertragen, weil die (ehemaligen) Freunde zu keinem Zeitpunkt eine Vereinbarung dahingehend geschlossen haben, an einem gemeinsamen Gewinnspiel teilnehmen zu wollen. Dazu führt das LG weiter aus:
„Ferner trägt auch der Umstand, dass die beteiligten Personen gemeinsam ein Wochenende mit einem gemeinsamen Umtrunk verbringen wollten, keinen Vertragsschluss im Sinne von § 705 BGB (…). Notwendig ist ein Wille der Beteiligten, sich rechtlich zu binden. Der Vortrag der Klägerin lässt nicht erkennen, dass die Parteien mit Rechtsbindungswillen einen gemeinsamen Zweck gefördert hätten. Hierbei verkennt die Kammer auch nicht, dass im Einzelfall die gemeinsame Verabredung einer Ferienreise, die aus einer gemeinsamen Kasse finanziert wird, einen Gesellschaftsvertrag im Sinne von § 705 BGB rechtfertigen kann (vgl. OLG Saarbrücken NJW 1985 811). So liegt es hier aber nicht. Denn die Beteiligten haben gerade keine gemeinsame Kasse für das Wochenende gebildet. Bei der vereinbarten Kostenteilung handelte es sich vielmehr um einen einmaligen Abrechnungsvorgang, der nach den Umständen lediglich dazu diente, die Modalitäten des Wochenendes zu regeln. Eine Gesellschaft läge unter diesen Umständen nur vor, wenn die Beteiligten über den bloßen Zeitvertreib am Wochenende hinaus einen weiteren, gemeinsam verfolgten Zweck verwirklichen wollten. Dafür ist indes nichts ersichtlich.“
Nach Ansicht des LG genügt also die bloße Kostenteilung nicht, um hier eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts annehmen zu können. Vielmehr hätte ein über das gemeinsame Verbringen des Wochenendes hinausgehender Zweck vereinbart werden müssen. Allerdings lässt die Heranziehung des Urteils des OLG Saarbrücken durch das LG zur Abgrenzung auch erkennen, dass es jeweils auf die konkrete Fallgestaltung, also den Einzelfall ankommt.
II. Aber Bruchteilsgemeinschaft
Stattdessen ist nach dem LG das Recht der Gemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB anwendbar, es handelt sich bei Mitgliedern des Ausflugs folglich um eine Bruchteilsgemeinschaft. Bei der Bruchteilsgemeinschaft bleibt der gemeinschaftliche Gegenstand als solcher ungeteilt, jedoch ist die Rechtszuständigkeit insofern unter den Mitgliedern aufgeteilt, dass jedem Teilnehmer am ganzen, ungeteilten Gegenstand ein durch die Mitberechtigung der anderen beschränktes Recht zukommt, sodass er seine Rechte nur insoweit wahrnehmen, als die Belange der Mitberechtigten nicht beeinträchtigt werden (vgl. BeckOK/Gehrlein, 41. Edition 2016, § 741 BGB Rn. 3)
„Im vorliegenden Fall ist zumindest stillschweigend eine Miteigentumsgemeinschaft aller Beteiligten an dem streitgegenständlichen Kronkorken begründet worden, da die Bierkästen samt Inhalt – was zwischen den Parteien auch unstreitig ist – für die Gemeinschaft erworben wurden und allen Beteiligten im Rahmen eines gemeinsamen Umtrunks zu Gute kommen sollten. Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang die Frage, ob bei dem Verkauf von Getränken in Pfandflaschen auch das Eigentum an der Flasche auf den Erwerber übertragen wird oder dieses beim Hersteller verbleibt (vgl. hierzu auch BGH Urteil v. 09.07.2007 – II ZR 233/05 m.w.N. – juris). Denn nach Trennung von Flasche und Korken – wie vorliegend der Fall – ist jedenfalls das (Mit)Eigentum an dem Korken auf die Klägerin übergegangen, da der Hersteller an der Rückführung des Korkens offensichtlich kein Interesse mehr hat.“
An dem Kronkorken wurde also Miteigentum begründet.
III. Keine Dereliktion
Nach unserem Beitrag letzte Woche, hat ein Leser in einem Kommentar die Frage aufgeworfen, ob nicht in dem Wegwerfen des Kronkorkens eine Dereliktion zu sehen ist. Auch auf diese Frage ist das LG eingegangen:
„Das Eigentum an dem streitgegenständlichen Kronkorken wurde auch nicht durch Werfen oder Legen des Korkens auf den Tisch im Sinne von § 959 BGB aufgegeben. Eine Eigentumsaufgabe scheitert bereits daran, dass der Beteiligte Herr H nicht einseitig einen Verzicht für die komplette Bruchteilsgemeinschaft erklären konnte, da hierfür ein einstimmiger Beschluss oder eine Vereinbarung aller Gemeinschaftsteilhaber erforderlich gewesen wäre (vgl. Palandt 16. Aufl. 2016, § 959 Rdn. 1; BGH, Beschluss v. 10.05.2007 – V ZB 6/07 –juris). Eine solche übereinstimmende Willenserklärung aller Beteiligten ist weder vorgetragen noch erkennbar. Darüber hinaus fehlt es auch an einer Besitzaufgabe, da der streitgegenständliche Korken sich noch in greifbarer Nähe für alle Beteiligten befand. Die Miteigentumsgemeinschaft am Kronkorken ist auch nicht durch Realteilung gemäß § 752 BGB beendet worden, da eine Übertragung des Eigentums am Kronkorken auf einen der Beteiligten –insbesondere den Beklagten- gerade nicht ersichtlich ist.“
Die Dereliktion scheitert folglich schon daran, dass eine solche nur durch Mitwirkung aller Mitglieder der Bruchteilsgemeinschaft erfolgen kann. Hinzu kam, dass aufgrund der weiterhin bestehenden räumlichen Nähe keine ausreichende Besitzaufgabe stattgefunden hat.
IV. Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
1.Schuldverhältnis und Pflichtverletzung
Durch die Bruchteilsgemeinschaft besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Mitgliedern, woraus sich wiederum gegenseitige Pflichten, insbesondere § 745 BGB, ergeben. Wird gegen diese Pflichten verstoßen, können sowohl vertragliche Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB, als auch deliktische Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB entstehen. Eine solche Pflichtverletzung liegt hier darin, dass der Beklagte den im Miteigentum stehenden Gegenstand eigenmächtig für sich alleine genutzt hat.
„Der Beklagte hat den Kronkorken auch unter Verletzung des Gebrauchrechtes der anderen Teilhaber genutzt und damit gegen § 745 Abs.2 BGB verstoßen. Eine Vereinbarung oder ein Mehrheitsbeschluss zur Nutzung des Gewinnkorkens ist nicht vorgetragen worden. Indem der Beklagte den Kronkorken durch Verwendung des aufgedruckten Gewinncodes als Schlüssel zum Gewinn genutzt hat, hat er von dem Kronkorken Gebrauch gemacht. Dies geschah unter Verletzung des Rechts der anderen Teilhaber zum Mitgebrauch, weil der Beklagte den Gewinn für sich allein vereinnahmt und die anderen Teilhaber von dieser Möglichkeit ausgeschlossen hat. Da der Beklagte nur Mitberechtigter an dem Kronkorken war, hätte er den Gewinn allenfalls für die Gemeinschaft beanspruchen können, so dass eine alleinige Nutzung des Korkens einen Verstoß gegen § 745 Abs. 2 BGB darstellt (vgl. hierzu mit ähnlicher Begründung BGH Urteil v. 27.09.2016 a.a.O.)“
2.Umfang des Schadensersatzes
Schließlich war letzte Woche zunächst noch offen, warum sich der anteilige Schadensersatzanspruch der Klägerin nur nach dem Marktwert des Gewinns und nicht dem Neupreis des Wagens bestimmt. Hierzu führt das LG aus:
„Nicht zugrundezulegen war der Listenpreis in Höhe von 28.680,00 EUR, da es sich hierbei lediglich um eine unverbindliche Preisempfehlung des Automobilherstellers handelt. Nach den Gepflogenheiten in der Automobilbranche werden Kraftfahrzeuge im allgemeinen Geschäftsverkehr Endverbrauchern regelmäßig zu einem Preis angeboten, der unter dem Listenpreis des Herstellers liegt. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des tatsächlichen Angebotspreises hat die Kammer daher als Endpreis 80 % des Listenpreises angesetzt. Dies ergibt einen Betrag in Höhe von 21.344,00 EUR. Hiervon steht der Klägerin 1/5 und mithin ein Betrag in Höhe von 4.268,00 EUR zu.“
Das LG orientiert sich also bei der Schadensberechnung an den tatsächlichen Begebenheiten des Kraftfahrzeugmarktes, wonach Neuwagen häufig (z.B. durch Tageszulassungen) mit Rabatten an die Käufer weitergegeben werden.
V. Fazit
Der Fall war in NRW bereits Gegenstand einer mündlichen Prüfung. Es spricht viel dafür, dass dies in nächster Zeit nicht das letzte Mal sein wird. Aber auch für die etwas fernere Zukunft lohnt sich das genauere Studium dieses Falles, denn dann könnte er auch in einer Klausur eine Rolle spielen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich zudem, sich die häufig stiefmütterlich behandelten §§ 741 ff. BGB noch einmal vor Augen zu führen.
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